Die deutsch-deutsche Grenze 1945–1990

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„Durch Eindringen Feindesmacht in der Wohnung erschossen“

So lautete die Todesursache in der Sterbeurkunde, die der Standesbeamte von Tettenborn am 16. November 1946 für einen jungen Mitbewohner des grenznahen Dorfes ausstellen musste.

„Tettenborn war nach etwa vierwöchiger Besatzung durch die Rote Armee zusammen mit Bad Sachsa im Zuge eines Gebietsaustausches Ende Juli 1945 der britischen Zone zugeordnet worden. Die neue Demarkationslinie verlief nun nur wenige hundert Meter hinter dem Anwesen des Landwirtes Friedrich K. an der Straße nach Mackenrode. Diese Straße war in Höhe des Wasserbehälters, der den sowjetischen Soldaten als Unterstand diente, durch einen Schlagbaum gesperrt. Einige Einwohner Tettenborns hatten mit Hilfe von Alkohol-, Lebensmittel- und sonstigen Geschenken zu den sowjetischen Bewachern der Grenze ein freundliches Verhältnis aufbauen können. Die Sowjets nahmen es dann mit den Kontrollen nicht so genau, sodass zahlreiche Menschen und natürlich auch Waren des täglichen Bedarfes auf direktem Wege in die andere Besatzungszone gelangen konnten. Ernsthafte Übergriffe der sowjetischen Soldaten auf das Tettenborner Gebiet gab es bis zum 16. November 1946 nicht.

Am Abend dieses kalten Tages bereiteten sich die Bewohner des Hauses K., zu denen neben der Landwirtsfamilie noch zwei weitere Familien gehörten, auf die Nacht vor, als gegen 21 Uhr an die Tür geklopft wurde. Beim Öffnen der Tür drangen zwei bewaffnete sowjetische Soldaten in das Haus ein, trieben die Bewohner und auch die aus dem Schlaf gerissenen Kinder in das unbeheizte Wohnzimmer, wo sie von einem der Soldaten, der mit einer MP bewaffnet war, bewacht wurden. Ein Anderer war mit dem Hausmädchen nach oben gegangen, durchwühlte sämtliche Zimmer und warf – offensichtlich aus Enttäuschung, nicht das Richtige gefunden zu haben – die Schrankkästen die Treppe hinunter in den Flur. Als das Hausmädchen von oben um Hilfe schrie und der unten verbliebene Soldat dadurch abgelenkt wurde, konnte er von dem Landwirt K. und dem Schneider B. entwaffnet und aus dem Haus getrieben werden. Ebenso erging es dann dem zweiten, der dem Schneider B. aber noch eine Stichverletzung an der Hand zufügen konnte.

Die verschreckten Bewohner wollten die zuständige Polizei von dem Vorfall informieren, wozu sie das Telefon der Gastwirtschaft B. benutzen mussten. Dort war an diesem Abend Tanz für die Dorfjugend, an dem auch der zwanzigjährige Jungbauer Karl K. teilnahm.

Nachdem nun der Überfall bekannt geworden war, strömte die gesamte Dorfjugend zu dem Anwesen der K. Wenige Minuten später wurde das Haus mit MPs beschossen. Der Altbauer Friedrich K., dessen eine Schulter schon durch eine Kriegsverletzung in Mitleidenschaft gezogen war, wurde durch einen Schuss an der anderen Schulter erheblich verletzt. Die Dorfjugend und die Bewohner flohen durch das Fenster eines rückwärtigen Zimmers. Der Jungbauer und ehemalige Soldat Karl K. erwiderte mit der erbeuteten russischen MP das Feuer, um den Flüchtenden Rückendeckung zu geben. Er wurde von den eindringenden sowjetischen Soldaten mehrfach in Brust und Bauch getroffen und in der Küche, wohin er sich zurückgezogen hatte, durch einen Kopfschuss getötet.

Der Polizeibericht vermeldet, dass nach 20 Minuten, nachdem der Gastwirt B. die Polizei informiert hatte, diese mit einem englischen Kommando am Tatort eintraf. Nach Augenzeugenberichten soll es dann noch zu Schießereien mit den sich zurückziehenden sowjetischen Soldaten gekommen sein. Unklar ist nach wie vor das Motiv für den gezielten Überfall auf das Anwesen der Familie K. Sehr wahrscheinlich ist das Haus verwechselt worden. Gerüchten zufolge wollten die sowjetischen Grenzer ihren Anteil an einem mit einem Tettenborner Landwirt gemeinsam erlegten Wildschwein eintreiben, um den sie offensichtlich betrogen worden waren.“

(… nach einem Erlebnisbericht von Regina Starke,

der Schwester des Erschossenen, Tettenborn)

Zeittafel 1946


27. Juni 1946Aufnahme des Pendelverkehrs zwischen Bahnhof Walkenried und neu eingerichteter Haltestelle Juliushütte
30. JuniSperrung der Grenze zwischen der sowjetischen und den westlichen Besatzungszonen durch Kontrollratsverordnung auf Drängen der SMAD
1. JuliDer Restkreis Blankenburg (Braunlage, Hohegeiß, Zorge, Walkenried, Wieda, Neuhof) wird selbständiger Landkreis mit Braunlage als Kreisstadt
29. OktoberEinführung des Interzonenpasses
16. NovemberÜberfall russischer Grenzposten auf das Anwesen der Familie K. in Tettenborn und Erschießung des Jungbauern
NovemberAnordnung der SMAD zum Aufbau einer Grenzpolizei
1. DezemberOffizielle Dienstaufnahme der ersten Grenzpolizei Kommandos des Landes Thüringen (? in Mackenrode)

Die Jahre 1947 bis 1949

Die Jahre 1947 bis 1949 waren durch eine Verschärfung der Spannungen zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion gekennzeichnet. Marksteine dieser Entwicklung waren: das Scheitern der Außenministerkonferenzen über die Zukunft Deutschlands von Moskau (März/​April 1947) und London (November/​Dezember 1947), das Verlassen der Kontrollratssitzung durch den sowjetischen Vertreter am 20. März 1948, die – infolge des Fehlens des sowjetischen Vertreters – einseitige Verkündung einer Währungsreform in den Westzonen (18. Juni 1948), die Berlin-Blockade durch die Sowjetunion (19. Juni 1948 bis 12. Mai 1949) sowie die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai und der Deutschen Demokratischen Republik im Oktober 1949. Die einstigen Vorstellungen der vier Alliierten über den Erhalt eines einheitlichen deutschen Staates waren damit gescheitert und die Teilung Deutschlands vollzogen.

Die Zusammenarbeit der Sowjetunion mit den westlichen Siegermächten im Alliierten Kontrollrat gestaltete sich von Tag zu Tag schwieriger. Die Sowjetunion hatte bereits 1945 damit begonnen, in ihrer Besatzungszone ein Verwaltungsregime nach eigenem Vorbild aufzubauen. Die als Reformen deklarierten Maßnahmen wie die „Boden-, Industrie- und Bildungsreform“ hatten zusammen mit dem Zwangssystem im politischen und wirtschaftlichen Bereich zur Folge, dass viele Bewohner der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) sich diesem System auch weiterhin durch Flucht in die westlichen Besatzungszonen zu entziehen versuchten. Bedingt durch die wirtschaftliche Not auf beiden Seiten der Demarkationslinie, aber insbesondere nach der Währungsreform in den Westzonen, blühte der illegale Warenaustausch über die trotz militärischer Überwachung noch weitestgehend offene Grenze. Der Kontrollrat hatte zwar auf Drängen der Sowjets bereits 1946 für private Reisen in die anderen Besatzungszonen so genannte Interzonenpässe eingeführt. Da die sowjetischen Militärbehörden diese jedoch nur in einem sehr beschränkten Maß ausstellten, sahen sich viele Bewohner der SBZ veranlasst, doch den illegalen Weg über die „grüne Grenze“ zu nehmen.

Ab dem 10. November 1947 verkehrten nach langer Pause wieder Güterzüge zwischen Walkenried und Ellrich. Aus der sowjetischen Zone wurden Düngemittel und Holz ein-, aus der britischen Zone Steinkohle ausgeführt. Die zolltechnische Abfertigung der Güterzüge in und aus Richtung Ellrich erfolgte in Walkenried. Als Folge der Berlinblockade vom 19. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 wurde auch der interzonale Gütertransport über den Bahnhof Walkenried wieder eingestellt. Erst ab den 3. Oktober 1949 rollten wieder Güterzüge über die Demarkationslinie. Der nachstehende Bericht der Polizei-Station Walkenried vom 28. Februar 1948 an den Polizeikreis Goslar vermittelt einen Eindruck von den damals herrschenden Verhältnissen in Walkenried:

Betr.: Beschlagnahmtes Gut

In der Woche vom 22.2. – 28. 2. 1948 sind folgende Lebensmittel, bzw. andere Waren beschlagnahmt und an das Ernährungs- bzw. Wirtschaftsamt in Braunlage abgeführt worden:

a) Nährmittel 344 kg

Fischwaren. 382 kg

Brote 37 Stck.

Fischöl 4 Flsch. und 1 Kanister

Alkohol 33 Flsch.

Fleischwaren 5 Gläser etwa 5 kg

Fett 2 Pfd.

b) Besondere Meldung über andere beschlagnahmte Waren:

48 Paar Damenstrümpfe und andere div. Teile an Textilien. Ferner 10 Bund Därme, 108 Stck. Küchenmesser, 160 Stahlbesen, 4 Fahrraddecken, 3 Schläuche. 1 Kanister Gummilösung, div. Teile an Porzellan, wie Tassen, Teller, Milchtöpfe usw. Ferner vier Lkw und drei Pkw.

c) von wie viel Personen:

Die Waren wurden von etwa 100 Personen beschlagnahmt. Kontrolliert wurden 750 Personen.

d) Bericht über Zunahme und Abflauen des Grenzgängerverkehrs:

Der illegale Grenzgängerverkehr hat in seinen Ausmaßen auch der Vorwoche gegenüber etwas zugenommen. Die Zählung hat ergeben, dass innerhalb von 24 Stunden von Ost nach West

a) illegal etwa 1785 Personen

b) legal etwa 25 Personen

Von West nach Ost

a) illegal etwa 1550 Personen

b) legal etwa 35 Personen

gegangen sind.

Unter Zugrundelegung dieser Zahl schätzungsweise in der Berichtswoche

von Ost nach West etwa 12 000 Personen,

von West nach Ost etwa 11 000 Grenzgänger gegangen.

Die unberechtigte Ausfuhr von Lebensmitteln und sonstigen Waren ist höher als in der Vorwoche, welches auf eine erhöhte Gepäckkontrolle zurückzuführen ist.

 

In Bezug auf die Straßensperren ist noch keine Änderung eingetreten.

Der Güteraustauschverkehr per Eisenbahn von der brit. in die russ. Zone und umgekehrt geht regelmäßig weiter.

Die Aufstellung der Grenzpolizei des Landes Thüringen

Im März 1946 wurde in der Abteilung Schutzpolizei der Landespolizeistelle in Weimar auf Befehl der sowjetischen Militäradministration für Thüringen (SMAT) ein Schutzpolizei-Sonderkommando gebildet, das vom 1. Dezember 1946 an als Referat „Grenzpolizei Thüringen“ weitergeführt wurde. Im Bereich der Landespolizei-Inspektion Thüringen Mitte-Nord I (zuständig für den Stadt- und Landkreis Nordhausen) wurden bereits im November 1946 im Bereich der Demarkationslinie die ersten Kommandos eingerichtet, so z. B. in Mackenrode. Diese VP-Kommandos unterstanden operativ der sowjetischen Kommandoführung des betreffenden Ortes, administrativ dem Innenminister und Ministerpräsidenten des Landes. Die jungen, meistens aus der Arbeiter- und Bauernklasse stammenden Grenzpolizisten hatten zunächst keine spezielle Grenzausbildung, besaßen anfangs nicht einmal eine einheitliche Uniform und waren in den Grenzorten privat untergebracht. Ab November 1946 wurden sie mit alten Wehrmachtswaffen, Karabinern und Pistolen ausgerüstet, später erhielten sie einheitlich in blau gefärbte Wehrmachtsuniformen. Die Dienstränge entsprachen denen der Volkspolizei. Spätestens seit 1948 entstanden für die Grenzpolizei kasernenartige Unterkünfte, meistens in Form von Baracken. Zum Land Niedersachsen hatte die Grenzpolizei des Landes Thüringen die Demarkationslinie auf einer Länge von 124 Kilometern zu sichern.

Vom 1. Juni 1947 an gliederte sich die Grenzpolizei Thüringen in zwei Grenzpolizei – Abteilungen mit Sitz in Mühlhausen (Abt. I) und in Rudolstadt (Abt. II). Der Abteilung Mühlhausen unterstanden in drei Abschnitten 6 Grenzpolizei-Kommandanturen mit jeweils 10 bis 15 Grenzpolizei-Kommandos. Für den Bereich Nordhausen war die zuständige Kommandantur in Niedersachswerfen I/​1, wo auch das zuständige sowjetische Truppenkommando seinen Sitz hatte. Die Grenzkommandanturen mit ihren Kommandos wurden von sowjetischen Gardeoffizieren aus Weimar auf die Einhaltung der SMAT-Anordnungen laufend überprüft. Diese betrafen nicht nur den Be- und Zustand der Waffen und Munition, sondern auch das Berichtswesen, sowie die vorgeschriebene Unterbringung von jeweils zwei Polizisten in einem Zimmer und deren Versorgung. Im Laufe des Jahres 1947 wurden Kommandos, die offensichtlich zunächst andere Aufgaben zu erfüllen hatten, umgesetzt und die zu weit von der Demarkationslinie stationierten Kommandos näher an die Grenze verlegt.

So wurde das Kommando Mackenrode Anfang 1947 erst nach Stöckey und am 1. April 1947 nach Limlingerode verlegt. Die Wache wurde im so genannten Hexenhäuschen, einem kleinen Gebäude gegenüber der Gaststätte „Zur Linde“, untergebracht; die Grenzpolizisten fanden Unterkunft im heutigen Dorfgemeinschaftshaus.

Am 25. September 1947 nahm der Gruppenposten (Pol.-Kommando) Branderode seinen Dienst auf. Das Kommando Werna wurde wegen fehlender Diensträume etwas später nach Sülzhayn verlegt. Am 28. Oktober 1947 wurde der Dienstbetrieb auf dem Brocken aufgenommen.

Im April 1948 erfolgte die Verlegung des Kommandos Trebra nach Stöckey, des Kommandos Bischofferode nach Lüderode (Weißenborn) und des Kommandos Brehme nach Jützenbach.

Entlang der Demarkationslinie im Bereich des Südharzes gab es 1948 sowjetzonale Grenzpolizei-Kommandos mit einem Kommandoführer und neun Grenzpolizisten (1/​9) in den Ortschaften Rothesütte – Sülzhayn – Ellrich – Gudersleben – Liebenrode – Branderode – Klettenberg – Limlingerode - Stöckey – Weilrode – Jützenbach und Teistungen.

Die zwischenzeitlich als Grenzpolizeigruppen geführten ehemaligen Abteilungen wurden am 1. April 1948 aufgelöst und 8 Grenzpolizei-Bereitschaften gebildet. Davon waren im Bereich des Südharzes eine in Beneckenstein und eine in Worbis stationiert. Bereits im September 1948 existierten in Thüringen 10 GP-Bereitschaften, die GB V und IX in Nordhausen, die GB VIII in Mühlhausen und die GB X in Sondershausen. Jede der kaserniert untergebrachten Bereitschaften hatte einen Bestand von 250 Grenzpolizisten und gliederte sich in 4 Züge mit jeweils 3 Gruppen. Die kasernierte Unterbringung erfolgte in geeigneten Gebäuden, wie Gaststätten und Hotels, und in neu erbauten Baracken. Ab August 1948 wurden die Grenzkommandos personell verstärkt.

Mit Befehl vom 15. 11. 1948 wurde die Leitung der Grenzpolizei und der Polizei-Bereitschaften (GP/​B), die bisher jeder Landespolizeibehörde zugeordnet war, zentral der Deutschen Verwaltung des Inneren in der sowjetischen Besatzungszone (DVdI) übertragen. Nachgeordnet waren die zuständigen Landesbehörden weiterhin für die Grenzpolizei ihres Landes zuständig. Mit der Zentralisierung der Leitung war eine Neuordnung der Grenzpolizei verbunden.

Im Raum des Südharzes wurde Ende 1948/​Anfang 1949 die 1. Grenzbereitschaft (1. GB) in Ellrich aufgebaut. Der Stab war zunächst in der Ziegelei Königstuhl untergebracht und später in die Stadt Ellrich verlegt worden. Der 1. Grenzbereitschaft unterstanden die Kommandanturen in Beneckenstein, Gudersleben und Worbis. Denen nachgeordnet waren im Bereich des Südharzes die Kommandos in Rothesütte (4. Grenzkommando), in Niedersachswerfen (5. GK), in Limlingerode (6. GK), in Bockelnhagen (7. GK) und in Jützenbach (8. GK). Ende 1947 waren an der gesamten Demarkationslinie in Thüringen 1348 Grenzpolizisten im Einsatz.

Die Grenzpolizisten waren zunächst mit alten Wehrmachtswaffen, dem Karabiner 98k und Pistolen, bewaffnet worden. Ihre Aufgabe war es, den illegalen Personen- und Warenverkehr über die Demarkationslinie zu verhindern. Auf Flüchtende, die sich der Festnahme entziehen wollten, wurden in merklichem Umfang Warnschüsse abgegeben. In der Woche vom 1. bis 10. Oktober 1947 waren das allein im Bereich Niedersachswerfen 79 Warnschüsse, wobei 1 Fahrzeug und 2 Personen angeschossen wurden. Im Durchschnitt wurden pro Woche ca. 2.000 Grenzverletzer festgenommen. Die mitgeführten Waren wurden größtenteils beschlagnahmt und der Versorgung der Bevölkerung zugeführt. Von den festgenommenen Grenzgängern wurden die aus dem englisch besetzten Gebiet dorthin zurückgeschickt, die aus der Sowjetzone mussten in ihre Heimatorte zurückkehren. Politisch verdächtige Personen wurden dem sowjetischen NKWD (sowjetische politische Geheimpolizei), als kriminelle oder als Wirtschaftsverbrecher angesehene Personen den zuständigen Volkspolizeidienststellen übergeben.

In einem Bericht über das Gebiet um Ellrich schreibt der Chef des Schutzpolizei-Sonderkommandos Weimar am 24. Juni 1947:

„Ellrich ist schon seit Bestehen des Schutzpolizei-Sonderkommandos der Brennpunkt an der Demarkationslinie. Tausende von Demarkationslinien-Verletzern wechseln täglich im Bereich Ellrich über die Demarkationslinie. Allein im letzten Monat wurden 7654 Personen vorläufig festgenommen. Das waren ca. 50 % aller 13 255 Festnahmen im Abschnitt zu Niedersachsen, von Ilsenburg bis Holungen. Es wurden 24 kriminelle Grenzgänger festgenommen und der Kripo Nordhausen übergeben, 4 politische Grenzgänger (Kuriere mit Propagandamaterial, ehemalige Angehörige der NS-Organisationen u. a.) wurden der zuständigen NKWD-Dienststelle übergeben.

Weiterhin kam es zu Ausplünderungen und Überfällen auf Grenzgänger. So wurde eine Bande von drei männlichen Personen im Wald von Gudersleben gestellt. Diese zogen bei der Ausweiskontrolle Pistolen und flüchteten im Schutz der Dunkelheit in die Westzone.

Aus diesen Beispielen geht hervor, dass gerade der Bereich Ellrich der wichtigste Punkt im gesamten Gebiet der Schutzpolizei-Sonderkommandos ist. Es sollte daher ein Gruppenposten in Ellrich eingerichtet werden.“


Verhör von gestellten Grenzgängern durch sowjetischen und VP-Offizier (Foto: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden)


Waffenbrüder an der Grenze (Foto: H. Weingardt)

Die sowjetzonalen Grenzpolizisten hatten offensichtlich auch die Befugnis, gegen marodierende Angehörige der sowjetischen Streitkräfte vorzugehen. So wurden am 18. November 1947 gegen 17.00 Uhr zwei russische Soldaten des russischen Postens Mackenrode festgenommen, weil sie Demarkationslinienverletzer ausgeplündert hatten. Die beiden russischen Soldaten wurden dem Truppenkommando in Niedersachswerfen übergeben, ebenfalls die Ausgeplünderten zwecks Vernehmung.


Ehem. Wache des Kommandos Limlingerode (Foto: H. Gundlach)


Ehem. Unterkunft der Grenzpolizisten (heute Dorfgemeinschaftshaus in Limlingerode) (Foto: H. Gundlach)

Die britische Überwachung der Demarkationslinie

Auf der westlichen Seite oblag die Überwachung der Demarkationslinie, nachdem das britische Militär sich von dort zurück gezogen hatte, bis etwa Ende 1949 den Landespolizeiposten der Grenzorte, die den jeweiligen Landespolizei-Kreisführern in Goslar und Osterode unterstanden. Die Landespolizei-Posten wurden durch britische „Land-Commissioners“, „Regional-Commissioners“ und „Kreis-Residenz-Officers“ kontrolliert. Im Bereich der Demarkationslinie im Südharz bestanden Landespolizeiposten in Zorge, Walkenried, Neuhof, Tettenborn, Osterhagen, Bartolfelde, Barbis und Pöhlde. Rund um die Uhr führten die zehn bis zwölf Polizisten des jeweiligen Postens ihre Streifen in vierstündigem Schichtwechsel entlang der Zonengrenze aus. Da die Polizeikräfte der Aufgabe, den illegalen Personen- und Warenverkehr zu verhindern, zahlenmäßig nicht gewachsen waren, beschloss die britische Militärregierung die Grenzüberwachung neu zu organisieren. Sie übertrug diese Aufgabe dem „Zollgrenzschutz – Britische Zone“. Vom März 1949 an lösten die speziell dafür geschulten Grenzdienst-Beamten (ab Februar 1950 „Zollgrenzdienst“) nach und nach die Polizisten in der Aufsicht an der Grenze zur sowjetischen Besatzungszone ab. Zur Inspektion des Grenzdienstes Northeim gehörten von nun an im Südharz die Zollkommissariate Braunlage, Walkenried, Bad Lauterberg und Duderstadt. Die bisherigen Grenzpolizisten wurden, meistens an anderen Orten, mit den üblichen Aufgaben der Ordnungspolizei betraut.

Im Bereich des Südharzes gab es eine einzige von der britischen Militärregierung eingerichtete Grenzkontrollstelle für den legalen Übergang mit Interzonenpass zwischen der britischen und der sowjetischen Besatzungszone, die am 28. Juli 1949 in Dienst gestellt worden war. Diese befand sich in Walkenried und unterstand dem gleichnamigen Zollkommissariat. Einige DDR-Bürger, die im Besitz eines kleinen Grenzübertrittsscheines waren und zum Teil in westdeutschen Betrieben arbeiteten, durften nach gründlicher Kontrolle durch die Volkspolizei die Grenze passieren. Ihr im Westen erarbeiteter Lohn musste nach der Währungsreform im Verhältnis 1 : 1 in Mark der Deutschen Notenbank umgetauscht werden.

Der illegale Grenzverkehr hielt, da von DDR-Seite Interzonenpässe nur zögerlich ausgestellt wurden, auch in den Jahren 1947 bis 1949 unvermindert an. Infolge der zunehmenden Postendichte nahm das Risiko, auf sowjetisch besetztem Gebiet festgenommen zu werden, ständig zu. Die Festgenommenen wurden meistens nur verwarnt, zum Teil aber auch zu einigen Tagen Haft verurteilt. In schwerwiegenden Fällen, wie beim Versuch, Konstruktionsunterlagen, Maschinen oder wertvolle Waren in den Westen zu schaffen, wurden die Festgenommenen mit längerer Haft bestraft. Aber auch auf westlicher Seite wurden illegale Grenzgänger festgenommen. Nachgewiesen professionelle Schmuggler erhielten Haftstrafen, die mitgeführten Waren wurden beschlagnahmt.

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