Die Grenz- und Asylpolitik der Europäischen Union

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Schlussfolgerungen von Ypres (2014): Kaum noch eine Vision

Im Jahr 2014 tagte der Europäische Rat in Ypres und verabschiedete mit den Schlussfolgerungen vom 26./27. Juni 2014 ein Papier (EUCO 79/14), das in der Reihe der Strategieprogramme steht, jedoch substanziell kaum mit den Programmen von Tampere (1999), Den Haag (2004) und Stockholm (2010) vergleichbar ist. Der Ypres Plan ist auf 13 Paragraphen begrenzt und enthielt wenig substanzielle Orientierung für die weitere Ausgestaltung der europäischen Justiz‑ und Innenpolitik (Hailbronner und Thym 2016a: 5, Rn 8).

Während das Programm von TampereProgramm von Tampere noch von Enthusiasmus für das neue europäische Politikfeld geprägt war, so konzentrierte sich das Haager Programm auf den Kampf gegen den Terrorismus und das Stockholmer Programm versuchte die Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten vor dem Hintergrund des Vertrags von Lissabon auszuloten; das Programm von Ypres lässt hingegen keine klare inhaltliche Ausrichtung erkennen (Hailbronner und Thym 2016a: 5, Rn 8).

Welche Funktion erfüllen die Strategieprogramme?

Im Wesentlichen geben sie eine allgemeine politische Orientierung für die Fortentwicklung europäischer Politik im Bereich Justiz und Inneres. Kay Hailbronner und Daniel Thym weisen darauf hin, dass sie doktrinal weniger wichtig sind als Vertragsziele, weil sie politisch und nicht rechtlich bindend sind (Hailbronner und Thym 2016a: 6, Rn 9). Trotz ihres rechtlich begrenzten Gewichtes hatten sie jedoch politische Bedeutung, die zuletzt aber nachlässt. Das wurde auch durch eine Zwischenevaluation im Jahr 2017 bestätigt, bei der in einem Workshop zwar drängende Arbeitsfelder definiert, aber kein Strategieplan ausgearbeitet wurde (Rat der EU 2017). Die nachlassende Bedeutung der Strategieprogramme kann allerdings auch so gedeutet werden, dass der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des RechtsRaum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Reife erlangt hat, in dem die politische Programmierung weniger relavant ist, weil die rechtlichen Instrumente in den Bereichen Grenzkontrollen, Einreise, Asyl bereits ausgearbeitet sind (Hailbronner und Thym 2016a: 6, Rn 9).

Aus der Chronologie der Mehrjahresprogramme lassen sich die übergreifenden Prioritäten für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gut ablesen: Grundrechte werden zwar seit dem Haager Programm von 2004 voran gestellt, die größte Sorge bereitet den Politikern jedoch die irreguläre (Asyl-)Zuwanderung in die Europäische Union. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Strategieprogramme und steht in Verbindung mit der Bekämpfung illegaler Einwanderung und Kriminalität. Nach und nach rücken die Themen Asyl, Grenze und Migration in den Strategieprogrammen zusammen.

Das letzte Arbeitstreffen 2017 fand unter der Präsidentschaft Estlands und unter Einbeziehung von externen Experten statt. Festgehalten wurden Probleme, die im Raum ohne Binnengrenzen in den vorherigen Jahren deutlich geworden sind und anstehende Themen. Das Papier unterschied sich damit deutlich von den bisherigen Agenda-Strategien. Es handelte sich eher um eine Rückschau aus der ein Ausblick generiert wurde auf notwendige Handlungsfelder (Rat der EU 2017). Unter dem Eindruck der MigrationskriseMigrationskrise von 2015 trugen die Mitgliedstaaten wichtige Themenfelder für die zukünftige Gestaltung der europäischen Justiz‑ und Innenpolitik zusammen: Migration, Asyl, Schengen, Sicherheit, Antiterrorismus, digitale Fragen, Cybercrime, e-evidence, Datensicherung, Informationsaustausch, justizielle Kooperation und Grundrechte (Rat der EU 2017: 2). Als Hauptaufgaben wurden die effektive Anwendung, konsistente Umsetzung und Konsolidierung der bestehenden europäischen Rechtsakte erachtet (Rat der EU 2017: 3). Ein Lösungsvorschlag wurde gleich mitgeliefert: Die jeweilige Präsidentschaft und die Kommission sollen gemäß Art. 70 AEUV1 stärker kontrollieren, ob und wie Unionsrecht im Bereich Jusitz und Inneres umgesetzt wird.

Mit Blick auf die Migrationskrise von 2015 reifte die Einschätzung, dass die Europäische Union nicht über die notwendigen Instrumente verfüge, um ad-hoc auf derartige Krisen zu reagieren. Die EU verließe sich in ihrer politischen Herangehensweise stets auf rechtliche Instrumente, doch politische Krisen erforderten ad-hoc politische Handlungen und operative Einsätze, hieß es in der Rückschau:

„As regards operational activities, the EU still lacks credible crisis management tools, which would ensure the rapid and sustainable deployment of adequate resources, both human and technical, the organisation of hotspots with clear functional objectives and the appropriate interaction with international partners.“ (Rat der EU 2017: 4)

Einen tatsächlichen Ansatz dazu, wie Situationen wie die Migrationskrise effektiver gehandhabt werden könnten, sucht man in dem Papier jedoch vergeblich. Der einzig konkrete Vorschlag in diesem Zusammenhang ist der Ausbau von Agenturen der Gemeinschaft: dem Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) und der Grundrechtsagentur (FRA)Grundrechtsagentur (FRA). Die Bedeutung der europäischen Agenturen kann kaum unterschätzt werden. An ungeahnter Stelle finden sich hier auch strategische Aussagen über die Politikentwicklung, wie im Fall der Neugründung der Agentur FrontexFrontex.

In der 2016 verabschiedeten Verordnung zur Neugründung von Frontex als Europäische Grenzschutz‑ und Küstenwache wird als allgemeines Ziel die „Entwicklung und Einführung einer integrierten Grenzverwaltung“ für die nationale und unionale Ebene genannt. Diese seit notwendig, um den freien PersonenverkehrFreier Personenverkehr innerhalb der Union zu gewährleisten und Sicherheit im gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu gewährleisten (VO (EU) 2016/1624, Erwägungsgrund 3).

Zugespitzt auf die Politik an den Außengrenzen formulierten die gemeinsamen Gesetzgeber Europäische Kommission, Rat der EU und Europäisches Parlament die strategischen Ziele der Grenzpolitik wie folgt:

„Ziel ist, das Überschreiten der Außengrenzen effizient zu steuern und Migrationsdruck sowie potenzielle künftige Bedrohungen an diesen Grenzen zu bewältigen, und somit einen Beitrag zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension zu leisten und ein hohes Maß an innerer Sicherheit in der Union sicherzustellen.“ (VO (EU) 2016/1624, Erwägungsgrund 3).

Die Kompetenz dazu lag erst seit wenigen Jahren in den Händen der Gemeinschaft.

3.2 Kompetenzen der Europäischen Union in der Grenzpolitik

GrenzpolitikGrenzpolitik ist eines der klassischen Politikfelder, die in der nationalen Souveränität liegen. Wie im Kapitel 2 dargestellt, ist die zwischenstaatliche Kooperation im SchengenraumSchengenraum wesentlicher Grund für die Entwicklung europäischer Grenzpolitik, die zum ersten Mal 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte angesprochen wurde.

In diesem Kapitel soll es darum gehen, wie das Mandat für eine europäische Grenzpolitik Eingang in die europäischen Verträge gefunden hat (3.2.1) und welche Rechtsinstrumente genutzt werden, um dieses Mandat umzusetzen (3.2.2).

3.2.1 Die europäischen Verträge und das Mandat für eine europäische Grenzpolitik

Während die Einheitliche Europäische AkteEinheitliche Europäische Akte durch den neuen Artikel 8a vorgab, einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen, enthielt sie keine Bestimmungen und vor allem keine Kompetenzverlagerung der Grenzpolitik auf europäische Ebene. Der Vertrag von MaastrichtVertrag von Maastricht (1993) ermöglichte eine europäische Zusammenarbeit in der Innen‑ und Justizpolitik, die aber zunächst noch deutlich von intergouvernementalen Entscheidungsmustern (Einstimmigkeitsprinzip) geprägt waren. Das heißt die Europäische Kommission erhielt zunächst keine Rechtsetzungsaufträge zu Grenz- oder Asylfragen.

Erst der Vertrag von AmsterdamVertrag von Amsterdam (1999) führte die Schaffung eines europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in das Gemeinschaftsrecht ein. Der europäische Raum ist in diesem Vertrag erstmalig eine ausdrückliche Zielbestimmung, um den freien Personenverkehr als Grundpfeiler der Grundfreiheiten des Binnenmarktes zu verwirklichen:

„Die Union setzt sich folgende Ziele: die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne BinnengrenzenRaum ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, die auf längere Sicht auch eine einheitliche Währung nach Maßgabe dieses Vertrags umfaßt [!].“ (Art. 2 EUV-Amsterdam)

Dieser Zielkatalog verdeutlicht zum einen, wie die GrenzpolitikGrenzpolitik der Europäischen Union mit dem BinnenmarktBinnenmarkt und der Währungsunion zusammenhängt. Zum anderen werden diese Politikbereiche in Verbindung gebracht mit politischen Zielen, die durch die Politik erreicht werden sollen: sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt. Diese Ziele sind einerseits wirtschaftlicher Natur (wirtschaftlicher Fortschritt, hohes Beschäftigungsniveau), andererseits gesellschaftlicher Natur (sozialer Fortschritt) und enthalten zudem gleichzeitig normative Dimensionen (Nachhaltigkeit, Ausgewogenheit, Fortschritt, Zusammenhalt).

Was bedeutet das? Auch wenn wir Grenzpolitik isoliert betrachten, ist ihre spezifische Ausformung im europäischen Rechtssystem doch eine unmittelbare Folge des gemeinsamen Marktes und seiner Ziele – ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit Binnenmarkt, Grundfreiheiten und Währungsunion.

 

Zur Spezifikation wie dieser Raum ohne BinnengrenzenRaum ohne Binnengrenzen aussehen soll, hieß es im Vertrag von Amsterdam nüchtern: Die „Tätigkeit der Gemeinschaft […] umfaßt […] Maßnahmen hinsichtlich der Einreise und des Personenverkehrs nach Titel IV“ (Art. 3 Abs. 1 lit. d EGV-Amsterdam). Faktisch entsprach die Zielsetzung für einen Raum ohne Binnengrenzen der Überführung des bisherigen Schengenraums auf die europäische Agenda. Für die europäischen Institutionen bedeutete es eine Kompetenzerweiterung, da im Titel IV des EGV-Amsterdam sehr konkrete Rechtsetzungsmandate genannt wurden, mit denen die Institutionen beauftragt wurden. Die Schaffung des europäischen Raums umfasste Maßnahmen in der Einwanderungs- und Asylpolitik, justizielle Kooperation in Zivilsachen (vor allem Anerkennung von Gerichtsentscheidungen in Zivilsachen), sowie die polizeiliche und justizielle Kooperation in Strafangelegenheiten.

Was prägt diesen gemeinsamen Raum ohne Binnengrenzen?

Schaut man auf den einführenden Artikel im Vertrag von AmsterdamVertrag von Amsterdam zu „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien PersonenverkehrFreier Personenverkehr“, so dominieren restriktive Politikmuster, die auf Kontrolle, Schutz und Eindämmung gerichtet sind:

„Zum schrittweisen Aufbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erläßt [!] der Rat […] Maßnahmen zur Gewährleistung des freien Personenverkehrs […] Maßnahmen in bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, Asyl und Einwanderung […] sowie Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität.“ (Art. 61 Abs. 1 lit. a EGV-Amsterdam)

Weiterhin enthielt der Vertrag von Amsterdam einen Auftrag, Maßnahmen zu erlassen, dass Personen generell nicht mehr an Binnengrenzen kontrolliert werden, egal ob es sich um Unionsbürger oder Drittstaatsangehörige handelte (Art. 62 Abs. 1 EGV-Amsterdam). Konsequenterweise sollten gleichzeitig Maßnahmen erlassen werden, die einheitliche Verfahren für das Überschreiten der Außengrenze der Mitgliedstaaten vorsahen (Art. 62 Abs. 2 lit. a EGV-Amsterdam). Vor allem sollten sich die Mitgliedstaaten auf Verfahren und Voraussetzungen einigen, nach denen ein Einreisevisum für einen maximal dreimonatigen Aufenthalt gewährt würde (Art. 62 Abs. 2 lit. b EGV-Amsterdam). DrittstaatsangehörigeDrittstaatsangehörige sollten mit einem solchen Visum Reisefreiheit im Raum ohne Binnengrenzen genießen (Art. 62 Abs. 3 EGV-Amsterdam). Auch hier wird sichtbar: die Schaffung des Raums bezog sich im Bereich der Grenzpolitik auf klare Regeln an der Außengrenze, um die Realität des Raums ohne BinnengrenzenRaum ohne Binnengrenzen zu kompensieren.

Im Vertrag von LissabonVertrag von Lissabon (2009) wurde der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des RechtsRaum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts als Politikbereich definiert, in dem die Europäische Union fortan über eine geteilte Zuständigkeit verfügte. Im Rahmen der geteilten Zuständigkeit konzentrierte sich die Aufgabe der Union auf die Koordinierung und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei den vertraglich genannten Zielen zur Grenzpolitik, die Einwanderung, Asyl und Außengrenzkontrollen betrafen. Die gleichzeitigen Vorgaben für GrenzkontrollenGrenzkontrollen und VisaVisa in einem Artikel im Vertragswerk (Art. 77 Abs. 1 AEUV) können als ein Zeichen gedeutet werden, dass der EU-Vertrag einen Mehrebenenansatz bei Einreisekontrollen beinhaltet, wonach sowohl Abläufe an den Grenzen wie Kontrollen und auch extraterritoriale Entwicklungen durch Aktivitäten auf hoher See und Kooperationen mit grenzrelevanten Drittstaaten berücksichtigt werden (Thym 2016: Rn 38-41). In Artikel 79 Abs. 1 wird das Ziel der europäischen GrenzpolitikGrenzpolitik zugespitzt:

„Die Union entwickelt eine gemeinsame Einwanderungspolitik, die in allen Phasen eine wirksame Steuerung der Migrationsströme, eine angemessene Behandlung von DrittstaatsangehörigenDrittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, sowie die Verhütung und verstärkte Bekämpfung von illegaler Einwanderung und Menschenhandel gewährleisten soll.“

Der Regelungsinhalt europäischer Rechtsetzung zu Einreise und Grenzkontrollen konzentrierte sich auf rechtliche Harmonisierung bei administrativen Abläufen und auf die Zusicherung des Rechtsschutzes.

Die Agentur FrontexFrontex kann dabei als ein Beispiel verstanden werden, wie eng Kooperation auch weit unterhalb einer Vergemeinschaftung europäischer Grenzpolitik aussehen kann. Die individuellen Entscheidungen werden weiterhin durch die jeweiligen Behörden auf nationaler Ebene getroffen.

3.2.2 Rechtsinstrumente zur gemeinsamen Steuerung der europäischen Grenzpolitik

Grundsätzlich lassen sich die durch Recht geschaffenen Instrumente zur Steuerung der GrenzpolitikGrenzpolitik in drei Bereichen identifizieren:

(1) Materielles Recht: Europäisches SekundärrechtEuropäisches Sekundärrecht (Verordnungen und Richtlinien) zur Gestaltung der europäischen Grenzkontrollen, zur Festlegung der gemeinsamen Visabestimmungen und Grundprinzipien beim Asylschutz. Zur Vorbereitung von gemeinsamen Rechtsinstrumenten ist in der Europäischen Kommission die Generaldirektion für Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständig. Ihre Aufgabe konzentriert sich darauf, die Mitgliedstaaten bei Kooperationen in der Innen‑ und Justizpolitik zu unterstützen. Die europäischen Institutionen schaffen Unionsrecht, das grundsätzlich gemeinsame Standards beim Grenzschutz regelt und zur Vereinheitlichung der Erteilung von Visatiteln im Schengenraum beiträgt. Koordinierend werden auch die europäischen Agenturen Europol, Eurojust und Frontex tätig, die ebenfalls durch Unionsrecht (Verordnungen) gegründet wurden (Abschnitt 3).

(2) InformationssystemeInformationssystem, die die Umsetzung der Rechtsinstrumente ermöglichen, darunter das Schengener InformationssystemSchengener Informationssystem (SIS I und II), Eurodac, Eurosur und das Visa-Informationssystem (VIS).

Das erste Informationssystem zur Überwachung der Bewegungen an der Grenze, zum Datenaustausch und zur Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten war das Schengener Informationssystem der ersten Generation. Es handelte sich um eine Datenbank, die auf Grundlage von Art. 92 des Schengener Durchführungsübereinkommens eingerichtet wurde. So sollte „die öffentliche Sicherheit und Ordnung einschließlich der Sicherheit des Staates und die Anwendung der Bestimmungen dieses Übereinkommens im Bereich des Personenverkehrs“ gewährleistet werden (Art. 92 SDÜ). Im SIS wurden Daten ebenfalls auf Grundlage des Schengener Durchführungsabkommens erfasst (Art. 94-125 SDÜ). Die nicht-öffentliche Datenbank war nur für Schengenstaaten sowie für Europol und Eurojust zugänglich (Beschluss 2007/533/JI des Rates v. 12.06.2007, ABl. Nr. L 205 v. 07.08.2007, Anhang II, 1.6., 1.7). Im Schengener Informationssystem wurden Daten von Personen erfasst, die zur Fahndung ausgeschrieben waren, die vermisst gemeldet wurden oder die vormals irregulär eingereist waren. Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation löste 2013 das vorherige System ab, das für maximal 15 Mitgliedstaaten konzipiert war (Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2019 v. 29.01.2015, ABl. Nr. L 44 v. 18.02.2015). Das neue Schengener Informationssystem ermöglichte über das System SIRENE (Supplementary Information Request at the National Entry) als Schnittstelle zwischen den nationalen und den zentralen Daten, den Zugriff durch Sicherheitsbehörden auf Informationen über die Ausschreibungen aus dem Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II).1

Als weiteres InformationssystemInformationssystem dient EurodacEurodac den Schengenstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen zu Grenz‑, Einreise‑ und Asylpolitik, vor allem jedoch der Dubliner Prinzipien (Verordnung (EG) Nr. 2725/2000, ABl. Nr. L 316 v. 15.12.2000, Art. 24 Abs. 3; inzwischen: VO (EU) Nr. 603/2013 v. 26.06.2013, ABl. Nr. L 180/1 v. 29.06.2013). In Eurodac werden die Fingerabdrücke von Asylsuchenden ab 14 Jahren aufgenommen. Auch Eurodac beruht ähnlich wie SIS aus einem zentralen System und Kontaktstellen für die Fingerabdruckdaten in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Die Daten werden anonymisiert, indem jedem Fingerabdruckset eine Kennnummer zugeordnet wird. (VO (EG) Nr. 2725/2000, Art. 5 Abs. 1). Die Fingerabdruckdaten in Eurodac sind eine wichtige Beweisgrundlage im Asylverfahren, wenn es um die Klärung der Frage geht, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Denn ein "Treffer" in Eurodac bedeutet, dass der Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat registriert wurde, bspw. wegen Ersteinreise dort. Sofern weder Visum noch familiäre Beziehungen zum aktuellen Aufenthaltsstaat vorliegen, ist der Staat für die Prüfung des Antrags zuständig, in dem zuerst die Fingerabdrücke des Antragstellers registriert wurden. In zwei weiteren Fällen werden Drittstaatsangehörige in Eurodac registriert: wenn sie einen Asylantrag stellen oder wenn sie sich länger in einem Staat aufgehalten haben, als es ihr Aufenthaltstitel (Visum) zuließ. Seit 2013 hat die Agentur Europol erleichterten Zugang zu den Daten in Eurodac (VO (EU) Nr. 603/2013, Art. 7).

EurosurEurosur ist ein satellitenbasiertes Informations‑ und Netzwerksystem, das per Verordnung im Oktober 2013 gegründet wurde und schon zwei Monate später im Einsatz war (VO (EU) Nr 1052/2013 v. 22.10.2013, ABl. Nr. L 295 v. 6.11.2013). Es schaffte im Wesentlichen die Datengrundlage für die Grenzüberwachung durch die Grenzschutzagentur Frontex. Mit Hilfe von Eurosur werden Daten von Satelliten, Drohnen und Radargeräten übermittelt. Vor allem der Mittelmeerraum wird dadurch beobachtet und kontrolliert, sodass selbst Schlauch‑ und Fischerboote vom System erfasst werden können.

Das Visa-InformationssystemVisa-Informationssystem (VIS) ist seit 2011 in Kraft und speichert biometrische Daten in Zusammenhang mit Visaanträgen, die aufgrund mangelnder rechtlicher Grundlagen nicht im Schengener Informationssystem hinterlegt werden können (mehr dazu in Epiney und Egbuna-Joss 2016). Das Informationssystem wird vor allem genutzt, um gefälschte Visa und Betrug mit Visa aufzuspüren.

(3) AgenturenAgentur, die an der Schnittstelle zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Unionsrecht und oft unter Nutzung der Informationssysteme operativ in Spezialbereichen tätig sind. Dazu zählen Frontex im Grenzschutz, das Europäische Unterstützungsbüro für Asyl im Asylschutz und weitere Agenturen, die im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angesiedelt sind, darunter EuropolEuropol, Eurojust und die Grundrechtsagentur. Gerade in Politikbereichen, in denen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeiten ausüben, übernehmen Agenturen wichtige operative Tätigkeiten und verbinden dadurch die nationlen mit der europäischen Ebene.

Europol ist eine Agentur, die der inneren Sicherheit der Europäischen Union verpflichtet ist und Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung schwerer internationaler Kriminalität und Terrorismus unterstützt. Europol wurde 2009 durch mehrere Beschlüsse gegründet, die inzwischen von einer Verordnung abgelöst wurden (VO (EU) 2016/794 v. 11.05.2016, ABl. Nr. L 135/53 v. 24.05.2016). Die Schwerpunkte der operativen Arbeit von Europol mit Bezug zur GrenzpolitikGrenzpolitik (Einwanderung, Einreise, Asyl) betreffen Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Menschenhandel und mobile Gruppierungen der organisierten Kriminalität. Dabei ist bemerkenswert, dass „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ nicht in der Liste der Kriminalitätsformen auftaucht, die gemäß Art. 3 Abs. 1 der Europol-Verordnung zum Aufgabenbereich der Agentur zählt, lediglich „Schleuserkriminalität“ wird genannt (VO (EU) 2016/794 v. 11.05.2016, Anhang I).

Eine weitere Agentur, die im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen wurde, ist Eurojust (errichtet durch Beschluss 2002/187/JI des Rates v. 28.2.2002, ABl. Nr. L 63/1 v. 6.3.2002, ersetzt durch Verordnung (EU) 2018/1727 v. 14.11.2018, ABl. Nr. L 295/138 v. 21.11.2018). EurojustEurojust unterstützt die nationalen Ermittlungs‑ und Vollzugsbehörden bei der Verfolgung schwerer grenzüberschreitender und organisierter Kriminalität. Auf justizieller Ebene versteht sich Eurojust als Partner und Fachzentrum im Dienst der Europäischen Union.

 

Vor allem der schweren grenzüberschreitenden Kriminalität soll durch die Unterstützungsarbeit von Eurojust durch Koordinierung der nationalen Justizbehörden, Ermittlungen und Strafverfolgungsverfahren begegnet werden (etwa 2.000 Fälle pro Jahr). Die Topthemen mit Grenzbezug sind: TerrorismusTerrorismus, Drogenhandel, Menschenhandel, Betrug, Korruption, Computerkriminalität, Geldwäsche und sonstige Aktivitäten des organisierten Verbrechens.

Die wohl wichtigste Agentur in der Grenzpolitik ist FrontexFrontex. Sie gilt als operativer Arm der EU an den Außengrenzen. Ganz wesentlich ist die Zusammenarbeit der nationalen Verbindungsbeamten an der Schnittstelle zwischen Frontex und den Mitgliedstaaten. Zu den Schlüsselaufgaben zählt die Mitverantwortung für den Schutz des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts; die Bekämpfung grenzübergreifender Kriminalität und Vorbeugung von Terrorakten.

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