Jhoseph und die Villeroy Lady

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„Über was grübelst du so nach?“

„Ist es egal, wo ich tanke? Oder gibt es Tankstellen, bei denen ich tanken muss?“

„Es ist mir egal, bei welcher. Hauptsache keinen Billigtreibstoff. Mit dem hatten wir schon mal Probleme, weil einer glaubte, er müsse über drüber sparen. Und die Reparatur kostete mich dann weitaus mehr. Es muss auch nicht immer der Teuerste sein. Das ist dir überlassen.“

„Okay, das passt dann schon“, gab ich ihr zur Antwort.

Sie ließ aber nicht nach.

„Wieso?“

Was sollte ich ihr antworten?

„Na ja, weil die Villeroy-Limousine auffällt, wo sie zum Tanken hinfährt.“

„Und da musst du auch gleich Reservekanister befüllen für die Limo?“

„Nur einen! Die anderen gehören zu den anderen Autos. Apropos Auto! Der Range Rover wurde heute zu Mittag schon abgeholt. Irgendwer hat Benzin statt Diesel in den Tank gefüllt.“

„Scheißkerl!“, entfuhr es ihr.

„Nicht du. Wahrscheinlich dein Vorgänger oder Marten. Er hatte angedroht, dass er etwas anstellt, das mich viel Geld kosten würde. Hauptsache, nicht das Cabrio.“

Dann war es kurz still.

„Bevor wir zur Einfahrt kommen, gibt es einen Parkplatz, dort hältst du dann an.“

„Ja, Frau Voss“, oder hätte ich Valerie sagen sollen?

Sie hatte mich schon wieder geduzt. Ich überließ es ihr, wie sie mich nennen wollte. Sie war ja die Chefin, auch wenn das hieß, dass sie mich Josef nennt. Dann fuhr sie beide Fenster hoch. Auf dem Parkplatz blieb ich stehen, wie sie wollte. Sie fuhr dann auch wieder die Scheiben hinunter.

„Ich hoffe, du kannst dir jetzt alles merken, denn aufschreiben darfst du nichts. Wenn jetzt dein Fenster oben ist, kannst du durchsehen. Und wenn ich dieses Zeichen mache…“ Sie hielt die Hand so, als würde sie schießen wollen, „…dann darfst du stören. Oder ich halte meinen Kopf so …“ Sie stützte sich mit der Hand ihren Kopf ab. „… so gebe ich vor, Kopfschmerzen zu haben. Dann musst du dir etwas einfallen lassen. Genauso bei der Kamera. Wenn das Mikro an ist, sage ich, ‚Der Chauffeur ist sicher müde und muss morgen wieder fit sein‘ Dann steigst du aus und machst die Türe einfach auf. Dann will ich ihn unbedingt loswerden. Sind beide Fenster oben und ich sage ‚Fahren Sie‘, ohne Angabe wohin, dann fährst du spazieren und siehst zu, dass wir nach einer Stunde wieder am Ausgangspunkt sind oder an dem Ort, den ich gesagt habe. Okay?“

„Ich hoffe!“

Mir schwirrte der Kopf bei so vielen neuen Dingen. Und ich dachte lieber nicht genau darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte.

„So jetzt darfst du wieder weiterfahren. Wir werden das demnächst üben.“

„Ja, Frau Voss.“

Was sollte ich sonst sagen? Ich fuhr in die Auffahrt und ließ sie vor der Eingangstür aussteigen. Fuhr zum Nebenhaus, stellte die Schachteln in den Vorraum, parkte dann die Limousine in der Garage, deponierte in jedem Auto einen der vollen Kanister. Damit so etwas nicht mehr so schnell passiert, außer sie kann nicht selber tanken. Dann ging ich in die Küche, wo Herta mit dem Essen schon auf mich wartete.

„Die gnädige Frau hat auch gerade ihr Essen bekommen.“

Sie stellte mir mein Essen hin und ich aß in Ruhe. Richtigen Hunger hatte ich zwar nicht, aber bevor mir später der Magen knurrte, aß ich lieber. Auf die Nachspeise wollte ich verzichten.

„Und weißt du, was wir dann machen?“

Ich sah sie an.

„Nein.“

„Wir stoßen auf du und du an.“

„Aber nur ein Gläschen, als Fahrer dürfte ich gar keinen Alkohol trinken. Aber ich hoffe, ich muss heute nicht mehr ausfahren.“

„Nein. Montags sicher nicht“, und sie holte schon zwei Gläser und eine Flasche Wein.

Als sie beides auf den Tisch gestellt hatte, läutete das Telefon.

„Wer kann das jetzt noch sein?“, fragte Herta mehr sich als mich.

„Ja, bitte.“

Stille.

„Ja, gnädige Frau. Mache ich, gnädige Frau.“

Stille.

„Ja, der ist noch da.“

Stille.

„Ja, sage ich ihm, und schicke ihn zu Ihnen ins Empfangszimmer“, dann legte sie auf.

„So, nichts wird es mit unserem Du und Du. Du sollst nämlich zur gnädigen Frau gehen, mit zwei Gläsern und einem roten Wein.“

Den musste sie erst vom Lager holen. Sie stellte alles auf ein Tablett.

„Herta, das macht doch nichts. Wir duzen uns ja schon. Aber wir können das auch ohne Wein.“

Nahm sie in den Arm und drückte ihr links und rechts einen Kuss auf die Wange.

„So Herta, ich bin der Jhoseph!“

Gerade in dem Moment kam der Butler rein. Sah uns beieinanderstehen und den Wein auf dem Tisch.

„Was macht ihr hier? Der gnädigen Frau ihren Wein trinken und knutschen!“

„Ach, was weißt du schon!“, sagte sie unwirsch.

„Er muss mit dem Wein zu ihr gehen und wir duzen uns jetzt! So basta, und du hast jetzt Sendepause.“

Er verschwand sofort grimmig in den hinteren Räumen, wo ihre Zimmer lagen.

Ich schnappte mir das Tablett, doch Kellner war ich keiner und so hielt ich es mit beiden Händen fest und die Gläser wackelten trotzdem. Herta amüsierte sich köstlich, als ich noch versuchte, die Türe zu öffnen.

„Komm, ich helfe dir!“, und machte mir die Tür auf.

„Und wo muss ich hin? Ich weis nicht, wo das Empfangszimmer ist.“

„Hat dir Rudolf nicht alle Räume im Haus gezeigt? Zumindest die wichtigsten?“

„Nein, Doris hat mich kurz rumgeführt.“

„Auch das noch! Wir werden das demnächst nachholen.“

Schon wieder demnächst! Demnächst üben! Demnächst nachholen! Wow! Das Leben eines Chauffeurs habe ich mir wahrlich anders vorgestellt. Und jetzt durfte ich auch noch Kellner spielen. Warum brachte der Butler das nicht hin? Das ‚Warum‘ sollte ich bald erfahren. Herta ging mir voraus. Es war das Zimmer gleich neben dem Büro. Sie klopfte für mich an und öffnete nach dem „Herein“ die Tür und schloss sie auch gleich wieder hinter mir. Ich stellte das Tablett auf den Tisch. Sie saß im Ohrensessel und las eine Zeitschrift. Als sie mich sah, fing sie an zu lachen.

„Gut, dass ich Sie nicht als Kellner einstellen habe müssen. Denn da sind Sie eine Niete. Ich hoffe, Sie können, ohne viel zu verschütten, den Wein einschenken.“

Das brachte ich gerade noch hin. Das eine Glas gab ich ihr und wollte mich schon zurückziehen, als sie sagte: „So jetzt stoßen wir mal auf eine gute Zusammenarbeit an. Ich hoffe, Sie bleiben länger als meine letzten Chauffeure. Denn besser stellen Sie sich schon allemal an.“

„Als Chauffeur sollte ich gar keinen Alkohol trinken, nicht mal in meiner Freizeit.“

„Nichts da! Das ist ein Befehl.“

So nahm ich das andere Glas und stieß mit ihr an.

„Auf gute Zusammenarbeit“, sagte ich auch und wir tranken einen Schluck.

„Setz dich und erzähle mir mal, wie dir das Haus, die Angestellten und die Firma gefallen, für die du arbeitest. Nach dem einen oder besser gesagt drei Arbeitstagen.“

Ich setzte mich und erzählte ihr von meinen paar Tagen. Dass nur Herta mich freundlich aufgenommen hatte. Dass, wie sie schon vernommen hatte, der Butler mir nicht wohlgesonnen war. Ja und dass ich rausgefunden hatte, dass der Gärtner eine Maschine hatte, mit der man die Garage aufwaschen konnte. Das wusste ich von Herta.

„Ich glaube, ich sollte mich mehr an Herta halten als an den Butler. Sie erzählt mir mehr von dem, was ich eigentlich wissen sollte. Auch macht sie mit mir demnächst eine Führung durch das Haus, weil der Butler die Führung an Doris abgeschoben hat und die mir nur die „Diensträume“ zeigte.“

„Rudolf!“, sagte sie leise wütend.

„Ich glaube auch, dass es besser ist für dich, wenn du dich an Herta hältst. Falls du es noch nicht weist oder der Tratsch noch nicht bis zu dir vorgedrungen ist, Rudolf wollte mich mit seinem Neffen Marten verkuppeln. Ich hatte ihn kurz als Chauffeur eingestellt. Doch der meinte, weil mein Ex-Freund hier einmal Chauffeur war, dass er das auch als Anlass nehmen kann und sich hier schon als Chef fühlte. Ich schmiss ihn hochkantig raus. Leider kann ich ihm nicht verbieten, seinen Onkel zu besuchen. Außer er benimmt sich noch einmal ordentlich daneben, dann kann ich ihm Hausverbot erteilen. Bis jetzt hält er sich geflissentlich zurück.“

Dann nahm sie einen kleinen Schluck, bevor sie weitersprach.

„Jetzt erzähle mir etwas über die Villeroy-Lady. Ich bekomme ja davon nichts mit in meiner Firma und auch außerhalb.“

Ich wurde sofort rot und hoffte, sie würde es nicht merken. Was sollte ich ihr erzählen? Die Wahrheit war sogar mir etwas peinlich. Und das meiner Chefin auch noch brühwarm erzählen? Ich musste mir eine Notlüge ausdenken und die Wahrheit umschiffen.

„Die meisten Leute kennen ja nicht Ihren Familiennamen. Nur die Werke, und so werden Sie die Villeroy-Lady genannt.“

Ich hoffte, sie nahm mir das ab. Sie sah mir direkt in die Augen, nahm wieder einen Schluck und sagte: „Ich sehe es dir an, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Aber ich belasse es so, dafür …“, sie machte eine Pause.

Trank ihr Glas leer und hielt es mir hin, damit ich nachschenken konnte. Dann fuhr sie fort.

„… dafür trinken wir jetzt auf du und du!“

Ich hätte mich bald verschluckt. Zuerst wollte Herta mit mir auf du und du anstoßen, jetzt sie!

„Das geht aber nicht. Sie sind meine Chefin. Und ich kann Sie doch nicht vor den anderen duzen!“

„Nein, vor den anderen nicht, aber wenn wir beide alleine sind. Und es nicht firmenmäßig ist. So wie jetzt zum Beispiel. Ich heiße Valerie.“

Sie hielt mir ihr Glas entgegen. Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte und versuchte Abstand zu halten, und sie suchte die Nähe. Hatte das was mit ihrem Ex zu tun?

 

„Muss ich es Ihnen erst befehlen?“, fragte sie ungeduldig.

Ich riss mich zusammen und sagte: „Jhoseph.“

„Es geht ja. Valerie“, sagte sie.

Dann stießen wir an und ich hoffte, dass ich sie jetzt nicht auch noch küssen musste. Aber wenn schon, dann schon … oder?“

„Und was ist mit meinem Kuss?“, fragte sie da auch schon keck.

Ich stand auf und wollte ihr einen Kuss auf die Wange geben, so wie bei Herta. Aber das misslang mir sofort. Sie drehte den Kopf sofort und meine Lippen landeten auf ihren. Ich ruckte erschrocken zurück.

„So schüchtern? Das gefällt mir.“

Dann wechselte sie das Thema.

„Morgen und den Rest der Woche fahren wir mit dem Mercedes. Dort, wo wir hinmüssen, ist erstens die Limo deplatziert, und zweitens zu groß.“

Dann stieß sie mit mir noch einmal auf gute Zusammenarbeit an. Ich trank den Rest Wein aus und dann durfte ich mich zurückziehen. Es war erst 20 Uhr. Also hatte ich noch Zeit etwas zu tun. Stellte die Kartons ins Wohnzimmer und fing an, den ersten auszupacken. Ich fand wirklich alles, was man für ein Büro brauchte. Angefangen vom Radiergummi, Schreibutensilien, Hefte, Blöcke, Locher, Klammermaschine usw. Im zweiten waren nur Ordner und im dritten Folien, andere Mappen und noch etliches. Ich holte mir die Ordner und Folien raus und fing an, die Papiere, die unordentlich in der Mappe waren, zu sortieren. Da fand ich heraus, dass beim Cabrio auch bald die Plakette fällig war. Und die von der Limo bis spätestens Ende des Jahres noch gemacht werden musste. Das notierte ich mir, damit ich es ihr morgen sagen konnte. Dann beschriftete ich alle Ordner. Aber wo sollte ich sie hinstellen? Das Wohnzimmer war dafür nicht der richtige Platz. Ich hatte mir noch nicht mal richtig Zeit genommen, das Haus genauer anzusehen. Nur Küche, Wohnzimmer, Bad und Schlafzimmer. Jetzt ging ich die anderen Räume mal durch. Es gab noch zwei Schlafzimmer und am Ende des Korridors einen Raum, der aussah, als wäre es ein Büro. Wenn ich Zeit habe, muss ich es diese Woche putzen. Sollte nur Herta fragen, ob ich mir Putzutensilien von ihr ausborgen kann oder ob es hier vielleicht so etwas gab. Ansonsten kaufe ich mir etwas. Ich räumte noch etwas auf und ging dann schlafen, denn um 6 Uhr klingelte wieder der Wecker.

Zweiter Tag

In der Früh wurde ich wieder pünktlich wach, duschte und ging zum Frühstück. Herta war noch alleine, und da konnte ich sie gleich fragen, ohne dass der Butler gleich wieder etwas zu murren hatte.

„Herta, könntest du mir heute oder diese Woche was zum Putzen borgen?“

„Was brauchst du und für was?“

„Ich möchte das Büro putzen, damit ich dort arbeiten kann.“

„Für was brauchst du ein Büro?“

„Ich habe die Papiere von den Autos geordnet und will sie wo hinstellen. Damit ich alles parat habe, wenn ich etwas brauche. Ansonsten muss ich immer eine halbe Stunde suchen, wenn ich etwas benötige.“

„Das ist bis jetzt keinem eingefallen! Nein, ich gebe dir nichts zum Putzen!“

Ich war überrascht und wollte schon fragen wieso, da sagte sie auch schon: „Ich werde dir Doris rüber schicken. Es gehört sowieso mal wieder grundgereinigt. Dann kann sie gleich alles putzen. Rudolf wird zwar etwas murren, aber wenn es die gnädige Frau anschafft, kann nicht mal er was dagegen tun. Das erledige ich für dich.“

„Danke, du bist ein Schatz“, und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

Und wieder kam der Butler dazwischen. Er sah sehr grimmig drein und konnte sich nicht verkneifen zu sagen:

„Die gnädige Frau wartet!“

Ich sah auf die Uhr, es war erst 7 Uhr vorbei. Und um halb 8 Uhr sollten wir erst starten. Ich sagte nichts dazu, drehte mich um und ging in die Garage, um den Mercedes zu holen. Als ich vor dem Haus stand, kam der Butler dahergelaufen und sagte: „Was nehmen Sie sich heraus und fahren mit dem Mercedes vor!“

Was er nicht sah, war, dass Frau Voss schon hinter ihm herkam. Ich brauchte auch gar nichts zu antworten, das erledigte sie schon.

„Weil ich es ihm gestern schon gesagt habe! Und wenn etwas nicht stimmt oder passt, werde ich ihn selber rügen. Und außerdem, sollte nicht Doris das Nebenhaus schon gründlich geputzt haben?“

„Ich habe es ihr diese Woche anschaffen wollen, aber der neue Chauffeur hat ja schon früher kommen müssen!“, sagte er etwas spitz.

„Es war so ausgemacht, wenn es sich ausgeht, dass er früher kommt. Und ich habe es Ihnen gleich gesagt, dass das Haus geputzt gehört, wenn er kommt, damit es sauber ist! Ich will, dass das Haus bis am Abend ganz sauber ist!“

„Aber …“

„Nichts aber! Wenn sie es nicht alleine schafft, soll ihr das Küchenmädchen helfen, oder sonst müssen Sie mit Hand anlegen.“

Stieg ein und schmiss die Türe zu. Ich war gar nicht dazu gekommen, ihr aufzumachen. Ich setzte mich auch ans Steuer, fuhr los und überlegte nur, wieso sie es wusste. Ich hatte es erst vorhin Herta gesagt. Ich sah ständig zu ihr zurück. Sie musste meine Blicke bemerkt haben.

„Was ist, Jhoseph, dass du ständig zu mir zurück blickst? Ist es wegen gestern Abend?“

„Nein, wegen gerade vorhin, das mit dem Butler. Wieso wussten Sie es?“

„Herta kam zu mir ins Büro und fragte, ob es möglich wäre, dass Doris das Haus putzen würde. Dabei dachte ich, dass es schon geputzt wäre.“

„Ja geputzt könnte es schon sein, aber nicht alle Räume. Ich bin leider keine Frau, dass ich das sagen könnte, aber das Büro war schon sehr staubig.“

„Wozu benötigst du das Büro?“

„Für die Papiere von den Autos und eventuell Korrespondenz mit Werkstatt und Versicherung. Oder geht das durch Ihre Hand?“

Sie sah mich kurz böse an, aber sprach ruhig weiter.

„Ich weis nicht genau, wo alle Papiere von den Autos landen. Nach meiner Durchsicht und dem Okay wird es an meinen Verwalter geschickt. Wo es nachher hinkommt, weis ich nicht. Die Chauffeure mussten sich immer bei ihm melden, wenn sie etwas benötigten. Sonst ging es sowieso über die Anwälte, wenn irgendein Schaden war.“

Jetzt wusste ich auch, wieso so wenige Papiere da waren. Mir fehlten aber mehr als die Hälfte.

„Jetzt habe ich mal eine Frage an dich“, sagte sie.

„Ja, bitte?“

„Wieso sagst du immer Butler zu Rudolf?“

„Weil ich ihn nicht mag und er mich auch nicht. Und ich kann mich nicht überwinden, „Rudolf“ zu sagen.“

Sie lachte herzlich. So hatte ich sie noch nicht lachen gehört.

„Das kann ich verstehen. Ich kenne ihn schon fast mein ganzes Leben lang. Aber jetzt wird es mir auch schon zu viel, wie er sich manchmal benimmt. Gut, dass er nur mehr zwei Jahre zur Pensionierung hat. Dann kann ich mir endlich einen neuen suchen. Eigentlich hätte ich ihn gerne nach dem Tod meines Vaters entlassen wollen, aber im Testament stand, dass ich ihn bis zur Pensionierung behalten muss!“

„OH“, konnte ich nur sagen.

Jetzt wusste ich auch, wieso sie ihn ‚duldete‘. Dann war es eine Weile still.

„Ich werde veranlassen, dass dich heute jemand in der Firma herumführt. Ich hoffe, besser als zu Hause. Damit du auch weist, was wir alles machen.“

Ich wusste etwas mehr, als sie ahnte, sagte aber nichts. So fuhren wir weiter in die Firma. Dort angekommen, stieg sie wie gewohnt aus, und ich stellte das Auto auf den Parkplatz. Dann ging ich wieder hinein. Silvia, die Empfangsdame, wartete schon auf mich.

„Das ist Herr Hermann. Er wird mit dir eine Führung machen.“

„Och schade! Warum kannst du das nicht machen?“

„Weil ich dazu nicht berechtigt bin“, lächelte sie mich lieb an.

Ich begrüßte ihn, und schon ging es los. Ich durfte mich in die Höhle des Löwen wagen. Denn nicht jeder, der mit der Firma zu tun hatte, durfte auch hinein. Meistens nur in die Besprechungszimmer. Mehr wurde nicht gezeigt. Ich genoss die Führung und zum Schluss gingen wir wieder zum Personalchef, wo ich meine Karte bekam, die mich berechtigte, fast überall hinzugehen. Herr Hermann zeigte mir dann auch noch die Kantine, wo ich jeden Tag zu Mittag essen konnte, falls die Chefin nicht auswärts aß. Nachmittags konnte ich, wenn es sich ausginge, noch gratis Kaffee und Kuchen holen. Wir gingen dann auch gleich essen und er erklärte mir, wie alles funktionierte. Da ich der Chauffeur von der Chefin war, hatte ich Essen und Trinken frei. Bevor ich noch fertig war, klingelte mein Telefon.

„Ja, bitte Frau Voss.“

„Bitte um 15 Uhr mit dem Wagen vor der Firma warten. Danke!“, und hängte wieder wie gewohnt auf.

Sie wartete gar keine Antwort ab. Ich trank dann doch noch Kaffee und aß einen Kuchen dazu. Das wollte ich eigentlich erst später machen, aber später war dann schon zu spät.

Ich suchte noch die Toilette auf. Dort musste ich mich in eine Kabine verziehen, so bekam ich ungewollt ein Gespräch mit. Zwei Männer kamen rein und sprachen über die Chefin. Zuerst wusste ich nicht, um welche es ginge. Es gibt ja verschiedene Abteilungen.

Der eine sagte:

„Die Chefin ist heute wieder schlecht drauf.“

Der andere:

„Ja wahrscheinlich hatte sie am Wochenende keinen Sex. Da ist sie immer so mies drauf.“

Der erste:

„Weißt du schon was, ob sie schon einen neuen Chauffeur hat?“

Der andere:

„Ich habe schon etwas munkeln gehört, aber gesehen habe ich ihn noch nicht. Der Arme tut mir leid, bei so einer Chefin!“

Der erste:

„Mir auch.“

Dann kam jemand rein und sie verstummten und bald darauf gingen sie auch schon wieder. Ich wartete noch, bis der Mann auch verschwand. Also so wurde über die Chefin gesprochen. Nicht sehr fein. Denn das Privatleben kann ihnen Wurst sein. Aber es wird leider in jeder Firma gerne getratscht und gemunkelt. So auch hier. Und wieso tat ihnen der Chauffeur leid? Das verstand ich nicht. Ich ging zurück zur Empfangshalle und bedankte mich noch für die prompte und schnelle Hilfe bei Silvia.

Dann ging ich zum Auto. Ich hatte noch etwas Zeit und beschäftigte mich mit dem Armaturenbrett, was wie funktionierte. Hatte noch nicht Zeit und die Möglichkeit, alles anzusehen. Kurz vor 15 Uhr fuhr ich vor und keine Sekunde zu spät. Denn sie kam auch schon mit zwei Männern heraus. Ich hielt die Türe auf und sie gab mir einen Zettel in die Hand.

„Bitte die erste Adresse anfahren.“

Ich stieg ein und tippte die Adresse ins Navi. Es dauerte kurz, dann schrie es schon, wie ich fahren musste. Dieses Navi war etwas lauter als das in der Limo. Ich versuchte es während der Fahrt leiser zu drehen. Heute hatte ich schon kein Navi mehr gebraucht, um in die Firma zu kommen. Gut, dass die Fahrt nicht lange dauerte und das Navi nicht viel sprechen musste. Dafür redeten sie hinten umso mehr. Während sie ausstiegen, versuchte ich das Navi leiser zu stellen. Dann stieg ich auch aus und sah mir das Gebäude an, vor dem wir standen. Ich kratzte mich am Kopf, dadurch rutschte meine Kappe zurück und ich konnte nur den Kopf schütteln. Denn im Mercedes habe ich so einiges aufgeschnappt. Und das wollte sie kaufen? Ich rückte die Mütze wieder zurecht und sah in dem Moment zu ihr. Sie sah mich an und dann machte sie mit dem Kopf einen Ruck zum Gebäude. Ich sah sie entsetzt an und schüttelte den Kopf und die Hände. Dann sprach sie noch mit den Männern und kam wieder zum Auto zurück.

„Bitte zum nächsten Ziel“, sagte sie und stieg ein.

Ich fuhr weiter und hörte so einige Sprachfetzen. Es ging darum, dass sie ein Gebäude brauchte und dieses wollten sie ihr um eine Million Euro verkaufen. Ich glaube, sie sah meinen Blick im Spiegel, leider musste ich mich auf die Fahrt konzentrieren. Sie hatte recht, hier hätte ich mit der Limo kaum fahren können. Bei der ersten Kurve wäre ich schon stecken geblieben. Der Mercedes war zwar auch groß, aber nicht so lang. Das andere Gebäude sah zwar besser aus, war aber auch kleiner. Sie verhandelten einige Meter weiter von mir. Mich würde das Gebäude von innen interessieren und wofür es genützt werden sollte. Sie stand so, dass sie zu mir rüber sehen konnte und die Männer mir den Rücken zu kehrten. Frau Voss sah zu mir, so als würde sie meine Meinung wissen wollen. Ich zuckte mit den Schultern und mit der Hand drückte ich zu Boden. Ich hoffte, sie wusste, was ich damit sagen wollte. Sie redeten weiter, danach kamen sie zurück und stiegen ins Auto. Es wurde noch weiter diskutiert, während ich sie zur Firma zurückbrachte. Die Männer stiegen aus und verabschiedeten sich von ihr. Wir fuhren wieder nach Hause. Vorher musste ich wieder tanken fahren. Da fielen mir die zwei anderen Autos ein.

 

„Frau Voss?“

„Ja bitte?“

„Gestern bei der Durchsicht der Papiere und ich habe es heute in der Früh auch nochmal kontrolliert, bin ich draufgekommen, dass wir bald beim Cabrio die Plakette machen lassen müssen und bei der Limo bis spätestens Ende des Jahres.“

Sie sah mich verwirrt an.

„Und was habe ich damit zu tun? Das ist doch deine Aufgabe.“

„Ich wollte Sie nur informieren darüber, nicht dass dann das Auto in der Werkstatt ist und Sie gerade dann damit fahren wollen.“

Jetzt wusste sie auch, worauf ich hinauswollte. Sie war anscheinend mit ihren Gedanken nicht anwesend gewesen.

„Okay, lass dir von der Firma einen Termin machen. Das geht, wie du weißt, viel schneller, als wenn du selber anrufst. Und mir sagst du dann, wann und wie lange das Auto nicht verfügbar ist.“

„Danke, das werde ich machen.“

Der Tank war auch voll und ich ging bezahlen. Auf der Autobahn, wo es leichter war zu fahren, fragte sie mich dann: „Wieso war das erste Gebäude nichts, deiner Meinung nach?“

„Es war zu alt, zu brüchig und zu teuer.“

„Das hast du nach einem Blick gesehen?“

„Ja. Ich würde es nicht mal geschenkt nehmen. Weil man zu viel reinstecken müsste.“

„Du weißt ja gar nicht, wofür ich das Gebäude brauche“, sagte sie etwas beleidigt.

„Das ist egal. Es ist für alles zu teuer.“

„Und das andere?“

„Von außen sieht es ziemlich gut aus. Mich würde das Innenleben interessieren. Und wie viel sollten Sie für das Gebäude bezahlen?“

„900 000 Euro“

„Viel zu teuer! Die wollen von Ihnen abkassieren und das alte Gebäude weghaben wollen. Nicht einmal der Grund alleine wäre es wert. Besser alles abreißen und neu bauen.“

„Meine Manager sagen, neu bauen würde teurer kommen.“

„Wofür brauchen Sie es eigentlich?“

„Wir müssen einige Zweigstellen vom Gebäude ausquartieren. Für die würde ich das brauchen.“

„Ehrlich gesagt würde ich dort nicht einmal Tiere nach der Renovierung unterbringen.“

„Wieso?“

„Ich würde mich fürchten, dass irgendwann alles zusammenfällt. Trotz Renovierung.“

„Und was würdest du mir vorschlagen?“, fragte sie jetzt ganz neugierig.

„Entweder würde ich nebenan neu dazu bauen oder Zweigstellen mit gleicher Richtung zusammenlegen. Ich habe heute beim Rundgang gesehen, dass sehr viele Plätze frei sind und nicht genutzt werden.“

„Und was würde dir da vorschweben?“

„Bei manchen Räumen würde es reichen, Trennwände aufzustellen. Und man könnte aus einem großen Raum zwei kleinere Räume machen. Das käme sicher um vieles billiger.“

Ich sah, wie es bei ihr arbeitete.

„An so etwas haben meine Manager nicht gedacht.“

„Ja, die denken mehr in ihre Tasche!“

Sie lächelte und dann grübelte sie die weitere Fahrt darüber nach. Zu Hause angekommen, ging sie ins Haupthaus. Nachdem ich das Auto in die Garage gestellt hatte, ging ich in die Küche. Der Range Rover war auch schon wie versprochen hier. Es war wie gestern, nur Herta da. Ich bekam mein Abendessen und wir redeten, was heute so los gewesen war. Das wichtigste hatte sie mir nicht gesagt und ich dachte auch nicht daran. Erst als ich in das Nebenhaus ging, fiel mir zuerst der Duft auf. Dann ging ich durch alle Räume. Es war alles ganz frisch geputzt. Sogar meine Bettwäsche war frisch überzogen. Alle Achtung! Die spurten ja direkt, wenn sie was sagte. Ich brachte noch meine Ordner in das Büro und auch die restlichen Utensilien und schlichtete alles ein. Dann ging ich wieder zur Garage und testete den Range Rover. Der spurte nun wie eine Eins! Kaum war ich wieder im Haus, läutete das Telefon. Frau Voss rief an.

„Und wie geht es dem Range Rover?“

„Der schnurrt wie eine Katze. Aber wieso wissen Sie es?“

Zuerst dachte ich, sie hat aus dem Fenster gesehen.

„Rudolf“, sagte sie nur.

„Ach herrje! Habe ich ihn nicht gefragt, ob ich damit fahren darf?“

Sie lachte wieder laut.

„Ja, er ist ganz erbost gekommen und hat dich verpetzt, dass du ohne Erlaubnis gefahren bist. Ich musste es ihm wiedersagen, dass du keine Erlaubnis dafür brauchst, das gehört zu deiner Arbeit. Ihn wurmt es nur, dass ich nichts mehr über ihn ausrichten lasse und dass du nicht über ihn fragen lässt, ob du etwas erledigen musst, sollst oder darfst. Geschieht ihm ganz recht. Denn ich bin mittlerweile draufgekommen, dass er manches falsch weitergibt. Dass die anderen dann immer die schlimmen und dummen gewesen sind. Speziell die Chauffeure, und den Grund kennst du ja. Also, gute Nacht, bis morgen.“

Ich kam gar nicht dazu, auch noch „Gute Nacht“ zu sagen, denn sie hatte schon wieder aufgehängt. Aber diesmal hatte sie sich verabschiedet.

Eigentlich wollte ich danach noch etwas arbeiten, aber ich war schon so müde, dass ich nach dem Duschen sofort ins Bett fiel.