Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht

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Bremer Bildungspläne

Nach den europäischen und den deutschlandweiten bildungspolitischen Vorgaben, werden jetzt die für Bremen relevanten Bildungspläne für die Oberschule (2012b) und das Gymnasium (2006, 2007, 2008, 2015) analysiert. In diesem Teilkapitel bilden dann auch die Dokumente, die explizit das Fach Spanisch als zweite, dritte, fortgeführte oder neu einsetzende Fremdsprache in den Fokus rücken, die Grundlage für die Betrachtung.

Bildungsplan Französisch/Spanisch für die Oberschule (2012b)

Der Bildungsplan, der durch die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit im Jahr 2012 erlassen wurde, orientiert „sich an Standards, in denen die erwarteten Lernergebnisse als verbindliche Anforderungen formuliert sind.“ (Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012b: 4); es erfolgt erst später eine explizite Bezugnahme zum GeR, auf die Bildungsstandards hingegen wird lediglich nur indirekt verwiesen (vgl. ebd.: 4f.). Dabei soll die Oberschule nach der 10. Jahrgangsstufe so abgeschlossen werden, dass weiterführende Schulen besucht werden können. Die Schülerinnen und Schüler sollen somit die Sprachkompetenz erwerben, die als „unabdingbare Voraussetzung für den schulischen Erfolg und die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit“ (ebd.: 4) angesehen wird.

Etwas unglücklich erscheint die Formulierung, dass lediglich die Teilkompetenzen Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben „ausgewogen und gleichmäßig“ (ebd.: 5), unter Zuhilfenahme von Portfolios in handlungsorientierten Situationen entwickelt werden sollen. Sprachmittlung wird hier scheinbar nicht als gleichwertige Teilkompetenz angesehen, obwohl im Anschluss die tabellarische Übersicht über die Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (vgl. Tabelle 2.2) übernommen wurde.

Positiv zu bewerten ist jedoch die illustrative Ergänzung durch Beispiele für kontinuierliche und diskontinuierliche Textsorten, die altersangemessen auszuwählen sind. Die Definition der Fertigkeit Sprachmittlung, die laut dieser textbasiert erworben werden soll, lautet: „einen gesprochenen oder geschriebenen Text ganz oder in Teilen erfassen; den Text sinngemäß oder wörtlich in der Muttersprache so wiedergeben, dass sein Inhalt für den Zuhörer bzw. Leser verständlich wird.“ (ebd.: 6). Allerdings bleibt hier fraglich, welche Sprache als Muttersprache angesehen wird, da an den Schulen im Lande Bremen eine große Heterogenität innerhalb der Schülerschaft vorhanden ist, wie der Bildungsbericht Bremen offengelegt hat (vgl. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012a). Begrüßenswert ist allerdings auch hier die Tatsache, dass die sprachlichen Mittel die Grundlage für eine erfolgreiche Kommunikation darstellen und mit zunehmender Sicherheit auch die kommunikativen Kompetenzen weiter ausgebaut werden können (vgl. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012b: 7).

Die Anforderungen an die Lernenden nehmen, über die diversen Jahrgänge hinweg, stetig zu; so sollen im Jahrgang 6 die Grundlagen gelegt, in den beiden folgenden Jahren thematische Inhalte erarbeitet und diese in den Klassen 9 und 10 gefestigt und vertieft werden (vgl. ebd.: 8f.). Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende der 6. Jahrgangsstufe „in zweisprachigen Alltagssituationen elementare Sachverhalte zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen und/oder vermitteln [können].“ (ebd.: 13). Am Ende der 8. Klasse soll dies dann auch in Alltagssituationen mit vertrauten Themen möglich sein, um schließlich nach weiteren zwei Jahren „in Alltags- und Begegnungssituationen schriftliche und mündliche Äußerungen in der jeweils anderen Sprache so wiedergeben [zu können], dass ein durchgängiges Verständnis gesichert ist.“ (ebd.: 18). Interessanterweise wird hier nur auf das Deutsche und die zu erlernende Fremdsprache, also Französisch, Spanisch, Türkisch oder Russisch Bezug genommen, so dass die zuvor angerissene Frage nach der Muttersprache in den Hintergrund rückt.

Bildungsplan Französisch/Spanisch für das Gymnasium als zweite Fremdsprache (2006)

Der Bildungsplan für das Gymnasium für die zweite Fremdsprache Französisch bzw. Spanisch wurde schon im Jahr 2006 durch den Bremer Senator für Bildung und Wissenschaft erlassen. Er bezieht sich konkret auf den GeR und hat die Ausbildung der kommunikativen Kompetenz wie auch interkultureller Kompetenzen zum Ziel. Auch hier fällt auf, wie auch schon im Bildungsplan für die Oberschule (2012b), dass Sprachmittlung zwar als eine kommunikative Fertigkeit benannt wird, aber diese nicht wie alle anderen funktional kommunikativen Kompetenzen über die verschiedenen Jahre hinweg entwickelt werden soll. Diese Entwicklung erfolgt anhand eines kreativen Einsatzes beispielweise durch Portfolios (vgl. Senator für Bildung und Wissenschaft 2006: 5). Es soll in den Jahrgängen 6 bis 10 eine elementare Form der Sprachmittlung erworben werden, wobei diese Teilkompetenz dadurch definiert wird, dass die Schülerinnen und Schüler „einen gesprochenen oder geschriebenen Text ganz oder in Teilen erfassen, den Text sinngemäß oder wörtlich in der Muttersprache so wiedergeben, dass sein Inhalt für den Zuhörer bzw. Leser verständlich wird.“ (vgl. ebd.: 6). Diese Beschreibung, die exakt der im Bildungsplan der Oberschule (2012b) genannten gleicht, wird aber im weiteren Verlauf noch genauer im Hinblick auf die sprachlichen Mittel ausdifferenziert. Die Anforderungen an die Lernenden scheinen hier höher zu sein, da die Verfügung über die sprachlichen Mittel als Basis für eine erfolgreiche Kommunikation postuliert wird und dadurch eine deutliche Aufwertung erfährt. Der Ausbau der kommunikativen Kompetenzen ist eng damit verbunden, da „eine[r] zunehmend sichere[n] Verwendung sprachlicher Mittel, deren Umfang und Differenzierungsgrad“ (ebd.: 7) stetig zunimmt, gefordert wird.

Die Progression über die einzelnen Schuljahre hinweg beginnt, ähnlich auch im Gymnasium, mit der Grundlage und Festigung in Jahrgang 6 hin zu einer inhaltlich-thematischen Verschiebung der beiden folgenden Jahre. In Klassenstufe 9 ist das primäre Ziel der Erhalt der Motivation, die dann im zehnten Schuljahr in der Festigung der Grundlagen und einer Expansion der bereits erworbenen Kompetenzen mündet, mit einem deutlichen Fokus auf die interkulturelle Handlungsfähigkeit (vgl. ebd.: 7ff.).

Die Ziele, die im Hinblick auf Sprachmittlung nach den Jahrgängen 6, 8 und 10 erreicht werden sollen, sind in folgender Tabelle 2.4aufgelistet, wobei die Unterschiede jeweils fett hervorgehoben wurden.

Dabei sticht besonders hervor, dass der Fokus in den Jahrgängen 7 und 8 scheinbar rein auf der mündlichen Vermittlung liegt, da im Jahrgang 6 keine explizite Nennung bzw. Trennung der beiden Modi erfolgt und in den Jahrgängen 9 und 10 die Sprachmittlungsaufgaben dann sowohl schriftlich als auch mündlich bearbeitet werden sollen.


Jahrgang 6 Jahrgang 8 Jahrgang 10
Die Schülerinnen und Schüler können… - in zweisprachigen Alltagssituationen elementare Einzelinformationen vermitteln, - einfache Sachverhalte zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen. - mündlich in zweisprachigen Alltagssituationen Informationen vermitteln, - einfache Sachverhalte mündlich zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen. - schriftlich und mündlich einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen.

Tabelle 2.4: Übersicht über die Anforderungen nach diversen Jahrgängen (Senator für Bildung und Wissenschaft 2006: 14, 17, 20; Hervorhebungen D.P.)

Bildungsplan Französisch/Spanisch für das Gymnasium als dritte Fremdsprache (2007)

Der Bildungsplan für Französisch bzw. Spanisch als dritte Fremdsprache am Gymnasium ist 2007 von der Senatorin für Bildung und Wissenschaft verabschiedet worden. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass die Lernenden auf bereits vorhandene Erfahrungen im Sprachenlernen wie z. B. Lernstrategien zurückgreifen können und davon profitieren. Es wird lediglich eine Orientierung an die Bildungsstandards angegeben, obwohl konkret auf den GeR Bezug genommen wird, in dem die Schülerinnen und Schüler am Ende der 10. Jahrgangsstufe das Niveau A2+ erreicht haben sollen (vgl. Senatorin für Bildung und Wissenschaft 2007: 4f.). Auch hier sollen, wie zuvor schon beschrieben, elementare Formen der Sprachmittlung erlernt werden, die innerhalb der kommunikativen Fertigkeiten aufgeführt sind. Sprachmittlung wird, wie auch im Bildungsplan für die Oberschule und für Spanisch bzw. Französisch als zweite Fremdsprache des Gymnasiums, definiert als eine Tätigkeit, bei der die Lernenden „einen gesprochenen oder geschriebenen Text ganz oder in Teilen erfassen, den Text sinngemäß oder wortwörtlich in der Muttersprache so wiedergeben, dass er für den Zuhörer bzw. Leser verständlich wird.“ (ebd.: 7). Ebenfalls findet sich hier erneut die Frage nach der Muttersprache und auch die Hervorhebung der sprachlichen Mittel, die sicher beherrscht werden müssen, um erfolgreich kommunizieren zu können. Die Unterschiede zur zweiten Fremdsprache bestehen vor allem darin, dass einerseits die einzelnen Aspekte der sprachlichen Mittel (Wortschatz, Grammatik, Aussprache und Intonation, Orthografie) explizit genannt werden (vgl. ebd.: 8).

 

Andererseits ist auch die Progression innerhalb der dritten zu erlernenden Fremdsprache deutlich schwächer ausgeprägt und beginnt zunächst mit dem grundlegenden Erlernen der kommunikativen, methodischen und interkulturellen Kompetenzen in Jahrgang 8, deren Erweiterung und Konsolidierung im folgenden Jahr mit einer abschließenden Festigung der Kenntnisse sowie einer Erweiterung mit dem Fokus auf interkultureller Handlungsfähigkeit stattfindet (vgl. ebd.: 9). Am Ende der zehnten Jahrgangstufe sollen die Lernenden dann in der Lage sein, „schriftlich und mündlich einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen“ (ebd.: 14) sowie die Inhalte eines Gesprächs ebenfalls sinngemäß vermitteln zu können, wie es auch das Ziel der zweiten Fremdsprache ist.

Bildungsplan Französisch/Spanisch für das Gymnasium als fortgeführte Fremdsprache (2015)

Der Bildungsplan für die fortgeführten Fremdsprachen der Senatorin für Bildung und Wissenschaft aus dem Jahr 2015 gilt für die Fächer Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch und Russisch ab Jahrgang 11 und orientiert sich an den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache; eine Ausrichtung am GeR erfolgt lediglich hinsichtlich des zu erwartenden Niveaus B2 bzw. C1 für Englisch. Übergeordnetes Ziel ist die fremdsprachliche Diskursfähigkeit, die anhand von Wissen, Können und Einstellungen erworben werden soll. Dazu zählen auch die Sprachlernkompetenz und die Sprachbewusstheit, die integrativer Bestandteil der funktional kommunikativen, der interkulturell kommunikativen sowie der Text- und Medienkompetenz sind (Senatorin für Bildung und Wissenschaft 2015: 5f.).

Sprachmittlung wird auch hier als eine Teilkompetenz der funktional kommunikativen Kompetenz aufgeführt, die aber integrativ mit anderen während der Sprachverwendung eingesetzt wird und wie folgt definiert ist:

„Die Schülerinnen und Schüler können – auch unter Verwendung von Hilfsmitteln und Strategien – wesentliche Inhalte authentischer mündlicher oder schriftlicher Texte, auch zu weniger vertrauten Themen, in der jeweils anderen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich adressatengerecht und situationsangemessen für einen bestimmten Zweck wiedergeben.“ (ebd.: 12).

Bereits hier ist ersichtlich, dass ein deutlich höheres Niveau gefordert wird, da die Lernenden auch Hilfsmittel und Strategien einzusetzen wissen und dabei die Inhalte vor allem in Hinblick auf Adressat, Situation und Zweck auswählen müssen. Diese doch recht deutliche Formulierung findet sich bisher in keinem der anderen Bildungspläne, was zum Teil auch an den jeweiligen Erscheinungsjahren 2006 und 2007 liegen mag – aber für die der Oberschule aus dem Jahr 2012 nicht mehr zutreffend ist. Diese doch bereits recht ausführliche Beschreibung wird noch weiter ausdifferenziert, da die Schülerinnen und Schüler sowohl mündlich wie auch schriftlich im Grund- und Leistungskurs:

 „Informationen adressatengerecht und situationsangemessen in der jeweils anderen Sprache zusammenfassend wiedergeben

 Interkulturelle kommunikative Kompetenz und entsprechende kommunikative Strategien einsetzen, um adressatenrelevante Inhalte und Absichten in der jeweils anderen Sprache zu vermitteln

 Bei der Vermittlung von Informationen ggf. auf Nachfragen eingehen

 Inhalte unter der Nutzung von Hilfsmitteln, wie z. B. Wörterbüchern, durch Kompensationsstrategien, wie z. B. Paraphrasieren, und ggf. Nutzung von Gestik und Mimik adressatengerecht und situationsangemessen sinngemäß übertragen [können].“ (ebd.: 13).

Die Schülerinnen und Schüler, die den Leistungskurs besuchen, müssen des Weiteren in der Lage sein, während der Sprachmittlungssituation und zur Bewältigung dieser, mit den jeweiligen Sprachen kreativ umgehen und dabei möglicherweise notwendige Erläuterungen einfügen zu können, um so Missverständnisse zu vermeiden bzw. zu klären (vgl. ebd.: 13).

Diese recht detaillierten Angaben werden noch um weitere, für die Beurteilung relevante Aspekte ergänzt, so dass die Lehrkräfte auch in diesem Bereich unterstützt werden.

Bildungsplan Spanisch für das Gymnasium als neu einsetzende Fremdsprache (2008)

Abschließend gilt es noch den Bildungsplan der Senatorin für Bildung und Wissenschaft für Spanisch als neu einsetzende gymnasiale Fremdsprache aus dem Jahr 2008 zu betrachten, der eine deutliche Fokussierung der spanischsprachigen Welt aufweist. Die inhaltliche Orientierung erfolgt ausschließlich an den Bildungsstandards und soll für die einzelnen Schulen und Lernenden genügend Spielraum lassen, so dass sie dadurch anhand eines kommunikativ orientierten Fremdsprachenunterrichts in der Qualifikationsphase fachintern folgende Kompetenzen erwerben: Fremdsprachliche Handlungsfähigkeit, kommunikative Kompetenz, interkulturelle Kompetenz und methodische Kompetenz (vgl. Senatorin für Bildung und Wissenschaft 2008: 5f.).

Die Inhalte der vier verschiedenen Themenbereiche stellen die Grundlage für den Erwerb der eben genannten Kompetenz dar; die kommunikativen Kompetenzen werden dabei in die folgenden Abschnitte einzeln unterteilt in: Rezeption (Hören, Hören und Sehen, Lesen); Produktion (Sprechen); Produktion (Schreiben) sowie Sprachmittlung (vgl. ebd.: 10-13). Sprachmittlung wird dabei verstanden als das „verfügen über genügend fremdsprachliche Mittel, um in Alltagssituationen in der jeweils anderen Sprache eine Vermittlerrolle einnehmen zu können.“ (ebd.: 13).

Hier werden ebenfalls die sprachlichen Mittel aufgewertet, sie nehmen also eine tragende Rolle ein, ohne die die Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage sind, ihrem Auftrag gerecht werden zu können. Auch wird die Sprachmittlungssituation hier deutlich offener gehalten, da die relevanten Sprachen in keiner Weise genauer festgelegt werden und den Lehrkräften hier deutlich mehr Möglichkeiten eingeräumt werden. Analog erhalten sie auch hier Hinweise für die Leistungsbewertung, was im Bildungsplan für die Oberschule (2012b) leider komplett übergangen wird.

Forschungsstand: Sprachmittlung im Spanischunterricht

Nachdem das Verständnis relevanter Termini erarbeitet sowie darauf aufbauend eine eigene Definition von Sprachmittlung erarbeitet wurde (vgl. Teilkapitel 2.1), folgte daran anschließend die Betrachtung der Sprachmittlung in den verschiedenen bildungspolitischen Dokumenten wie dem GeR, den Bildungsstandards und auch den Bremer Bildungsplänen (vgl. Teilkapitel 2.2). Anschließend wird nun der theoretische Forschungsstand aufgearbeitet; darunter fallen mit einer fachdidaktischen Perspektive auch Modelle, Implikationen zur Aufgabenkonstruktion, ein Blick in bereits bestehende Materialien, Möglichkeiten zur Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben sowie die Einbeziehung derselben in Abschlussprüfungen.

Sprachmittlung als komplexe Aktivität

Bevor Sprachmittlung ggf. als eine komplexe oder transversale Kompetenz bzw. Fertigkeit oder auch Aktivität beschrieben wird, gilt es zunächst, die erwähnten Begriffe voneinander abzugrenzen sowie genauer zu definieren, da sie auf unterschiedliche Dokumente und auch Konzepte zurückzuführen sind.

Wie bereits in Teilkapitel 2.2 ausführlich dargelegt wurde, sind die verwendeten Begriffe in den Dokumenten der Bildungspolitik in Bezug auf Sprachmittlung recht unterschiedlich. In den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss wird von einer Fertigkeit gesprochen (vgl. KMK 2003: 8) und in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife von einer Teilkompetenz (vgl. KMK 2012: 12). Dies ist insofern erstaunlich, als dass die beiden erwähnten Dokumente von der KMK erstellt wurden und sich auf den gleichen Standard, den GeR, beziehen. Meines Erachtens ist diese Differenzierung für die eigentliche Diskussion – ob Sprachmittlung komplex oder auch transversal ist – nicht von großer Bedeutung, da Sprachmittlung zum einen als eine weitere kommunikative Fertigkeit aufgelistet und so in den größeren Rahmen der funktional kommunikativen Teilkompetenzen eingebettet wird. Es erscheint somit zunächst sinnvoller von einer Fertigkeit zu sprechen, da dort der handelnde Charakter deutlicher wird; genauso findet aber auch die Bezeichnung Teilkompetenz in Bezug auf Sprachmittlung ihre Berechtigung, da es durchaus üblich ist, die anderen funktional kommunikativen Kompetenzen wie Sprechen oder Schreiben als eigenständige Kompetenzen zu benennen.

Diese begrifflichen Feinheiten finden sich, wenn auch leicht anders akzentuiert, bei Rössler (2008: 59ff.) wieder, indem sie verschiedene Positionen hinsichtlich der Begriffe ‚Fertigkeit‘ im Sinne Portmanns (1993) und ‚Aktivität‘ in Anlehnung an Krumm (2001) wiedergibt. Außerdem veranschaulicht sie sehr deutlich, dass eine Unterscheidung notwendig ist, da schon die unterschiedlichen Bezeichnungen darauf hinweisen. Die vier bisherigen kommunikativen Fertigkeiten werden alle als Infinitive angegeben (Hören, Sehen, Schreiben, Sprechen, Lesen), während Sprachmittlung mit einem Substantiv beschrieben wird und dadurch „nicht so einfach in die Reihe der kommunikativen Fertigkeiten – als deren sechste“ (ebd.) eingeordnet werden kann.

Wie in anderen Publikationen auch, spricht sie sich für eine andere Bezeichnung, nämlich die der Aktivität, aus, um so nicht nur dem GeR zu folgen, sondern zusätzlich die Grundlage von Sprachmittlung – das eigentliche kommunikative Ziel – zu betonen und hervorzuheben:

Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprechhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen.“ (ebd.: 61; Hervorhebungen im Original).

Diese Interaktion wie auch die Kommunikationsabsicht betont ebenfalls Königs (vgl. 2017: 327f.; 2010: 96) und plädiert für eine Bezeichnung als komplexe Tätigkeit, die in diesem Umfang deshalb so nicht im schulischen Fremdsprachenunterricht erreicht werden kann, aber dadurch, so Caspari und Schinschke (2012: 40f.), mehr als eine reine Fertigkeit darstellt. Die Autorinnen stellen Sprachmittlung somit auf eine höhere Ebene als die anderen kommunikativen Fertigkeiten Schreiben, Sprechen, Lesen, Hör- und Hörsehverstehen; da Sprachmittlung nicht nur auf den eben genannten basiert, sondern auch auf andere Kompetenzen wie beispielsweise Text- und Medienkompetenz, interkulturelle Kompetenz oder Sprachbewusstheit zurückgreift (vgl. auch Abbildung 2.2).

Hallet (2008b) greift diese Idee des Rückbezugs auf, da er Sprachmittlung ebenfalls als komplex versteht und die Beschreibung als eine bloße Fertigkeit als nicht ausreichend ansieht, „denn die four skills sind selbst integraler Bestandteil“ (ebd.: 3f.; Hervorhebungen im Original) von Sprachmittlung, die noch weitere Kompetenzen wie die der Interaktion oder Interkulturalität umfassen kann (vgl. auch Philipp, Rauch 2014: 13). Des Weiteren spielen auch die von Kolb (2011: 181) betonten Fertigkeiten der Rezeption und Produktion eine wichtige Rolle, weil sie maßgeblich für Sprachmittlungsaufgaben sind, da nur durch diese der Ausgangstext verstanden und der Zieltext erstellt werden kann.

Reimann (2013b: 5) führt diesen Gedanken noch weiter aus und bezeichnet Sprachmittlung als transversale Fertigkeit mit einer ebenfalls hohen Komplexität, da mündliche und schriftliche Dimensionen, ähnlich wie bei Kolb (2011) die Produktion und Rezeption, in gleichem Maß von den Schülerinnen und Schülern bei der Aufgabenbearbeitung abverlangt werden. Zusätzlich begründet er dies damit, dass die Lernenden nicht nur zwischen den Sprachen, sondern auch den Kulturen mitteln müssen, so dass eine Einbettung des Aufgabensettings in komplexere Rahmen mit detaillierten Angaben für die Erstellung des Zieltextes angebracht erscheint (vgl. Reimann 2014: 5).

Philipp und Rauch (2014: 13) haben diese Komplexität exemplarisch in folgendem Schaubild (vgl. Abbildung 2.2) verdeutlicht, wobei dort die interkulturellen Aspekte nur sehr reduziert dargestellt werden. Dabei wird aber deutlich, dass Sprachmittlung meist auf mehrere oder sogar alle vier funktional-kommunikativen Kompetenzen rekurriert und so die Lernenden vor besonders hohe Anforderungen stellt, die auch im Unterricht mehrfach geübt werden sollten.


Abbildung 2.2: Andere angesprochene Kompetenzbereiche bei Sprachmittlung (Philipp, Rauch 2014: 13)

 

Das hohe Ausmaß der von den Lernenden anzuwendenden Strategien, die möglichst alle für die Bearbeitung von Sprachmittlungsaufgaben eingeübt sein sollten, wird in der folgenden Tabelle (vgl. Tabelle 2.5) deutlich, so dass die Bezeichnung der komplexen Aktivität für Sprachmittlung angemessen erscheint und im Rahmen dieser Arbeit verwendet wird. Diese Umschreibung umfasst meines Erachtens nicht nur die hohe Komplexität und die damit verbundenen höchst diversen Anforderungen in zahlreichen Bereichen, sondern bringt auch die Interaktion zwischen den verschiedenen an der Sprachmittlungssituation beteiligten Akteure, wenn in einigen Beispielen lediglich nur in schriftlicher Form, zum Ausdruck.


Lesestrategien Hörstrategien Sprach- strategien Schreib- strategien
- den der Aufgabenstellung entsprechenden Lesestil selbständig anwenden (global, selektiv, detailliert, inferierend) - eine Erwartungshaltung aufbauen - Umschreibungsstrategien nutzen (z. B. Synonyme, Antonyme) - Notizen anfertigen
- Schlüsselbegriffe, Kernsätze finden - aus Schlüsselwörtern auf das Thema schließen - auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen - Wortfelder und Paralleltexte nutzen
- Wichtiges von Unwichtigem trennen - der der Aufgabenstellung entsprechenden Hörstil wählen - Gestik und Mimik einsetzen - Umschreibungsstrategien (z. B. Synonyme, Antonyme)
- komplizierte Strukturen auf Kerngehalt reduzieren - auch bei partiellem Nichtverstehen weiterhin folgen - auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen
- visuelle Hilfen (Bilder, Grafiken) und Überschriften als Verstehenshilfen nutzen - ggf. Nichtverstehen signalisieren, nachfragen bzw. um Wiederholung bitten - Skizzen zur Veranschaulichung nutzen
- Worterschließungsstrategien anwenden - Lautstärke, Tonhöhe, Sprechtempo, Intonation (ggf. Mimik und Gestik) als Verstehenshilfe nutzen - Texte strukturieren und gliedern
- Methoden der Eigenkorrektur (Checkliste, Nachschlagewerke) nutzen

Tabelle 2.5: Beispiele für mögliche Strategien der einzelnen funktional kommunikativen Kompetenzen (Philipp, Rauch 2014: 15)