Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht

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Aufbau der Arbeit

Nachdem nun ein erster Einblick in die Arbeit gegeben wurde, erfolgt in diesem Teilkapitel ein Ausblick auf die folgenden Kapitel.

Im folgenden zweiten Kapitel, das sich ganz der Aufarbeitung des theoretischen Forschungsstandes der Sprachmittlung widmet, soll zunächst eine Begriffsbestimmung bzw. -definition erarbeitet werden, die in der Literatur durchaus kontrovers diskutiert wird. Auch werden in diesem Kapitel die bildungspolitischen Dokumente mit dem Fokus Sprachmittlung gesichtet und analysiert; darunter fallen der bereits genannte GeR, die Bildungsstandards sowie die Bildungspläne des Landes Bremen. Abschließend wird noch ein ausführlicher Blick in die fachdidaktische Literatur geworfen, der die Aktivität der Sprachmittlung beleuchtet, genauso wie die auch existierenden zahlreichen Modelle dazu, die bereits erarbeiteten Kriterien bzw. Konzepte zur Aufgabenkonstruktion, die in Lehrwerken oder Materialsammlungen möglicherweise vorhandenen Aufgaben, die Miteinbindung von Sprachmittlung in Abiturprüfungen sowie die Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben im Allgemeinen.

Das dritte Kapitel widmet sich der lerntheoretischen Anbindung, das bedeutet, dass zunächst kurz der Kompetenzbegriff und die Definition desselbigen umrissen werden, bevor dann auf das bedeutende Modell des ‚Intercultural Speaker‘ von Byram (1997, 2009) eingegangen wird, das als mittlerweile anerkannte Grundlage für den Fremdsprachenunterricht herangezogen wird. Abschließend wird noch ein Blick auf den Konstruktivismus und dessen mannigfaltige Ausprägungen geworfen, der gerade in seiner gemäßigten Form durch Wolff (1997, 1994) und Wendt (2000, 1996) für den Fremdsprachenunterricht an Relevanz gewonnen hat.

In Kapitel 4 wird die Forschungsmethodologie Design-Based Research betrachtet, die die Grundlage für den empirischen Teil dieser Arbeit darstellt und bisher noch eher wenig in geisteswissenschaftlich orientierten Arbeiten zur Anwendung kam. Nichtsdestotrotz ist gerade die Iterativität und der wechselseitige Outcome meines Erachtens nach von großem Vorteil, wie sich auch in Abgrenzung zu anderen Ausprägungen, die dort ausführlich beschrieben sind, zeigt. Dort lassen sich auch der genaue Ablauf einer solchen Studie sowie die möglichen Dokumentationsmöglichkeiten nachlesen.

Im fünften Kapitel wird, aufbauend auf der Forschungsmethodologie, die theoretische Grundlage für das Lehr-/Lernarrangement bzw. das Design gelegt. Diese ist zum einen das bereits genannte Designprinzip ‚Komplexität von Sprachmittlungsaufgaben‘ sowie auf der anderen Seite die Zone of Proximal Development von Wygotski (1978) sowie die Komplexe Kompetenzaufgabe von Hallet (2011, 2014). Daneben findet sich auch die Conjecture Map, ein von Sandoval (2004, 2014) entwickeltes Instrument, mit dem anschaulich deutlich wird, wie sich das entwickelte Designprinzip in der Aufgabe ausgestaltet und anhand der konkreten Umsetzung und der ablaufenden Prozesse zu den gewünschten Ergebnissen führt.

In den Kapiteln 6 und 7 finden sich dann die Ausführungen zu den verwendeten Datenerhebungsmethoden der Videographie, der teilnehmenden Beobachtung, des fokussierten Gruppeninterviews, des Experteninterviews und der Lernerartefakte. Außerdem wird noch auf die Methode der Triangulation eingegangen, bei der aus verschiedenen Blickwinkeln bzw. Datenarten die Ergebnisse betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Datenauswertung besteht maßgeblich aus den beiden, auf die vorliegende Arbeit angepassten Methoden der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) und dem ‚Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung‘ nach Kluge (1999).

Im achten Kapitel wird eine Übersicht über die durchgeführten Zyklen gegeben, so dass dort detailliert nachgelesen werden kann, an welchen Schulstandorten in Bremen bzw. Klassen die Aufgabe empirisch erprobt und die jeweiligen Rahmenbedingungen möglichst einheitlich gestaltet wurden.

Die folgenden Kapitel 9 und 10 befassen sich mit der tiefgreifenden Analyse der Lernerartefakte und der fokussierten Gruppeninterviews, die mit einer abschließenden Typologie aus fünf Typen bzw. einem Kategoriensystem mit sieben Oberkategorien enden.

Im vorletzten Kapitel 11 werden die gewonnenen Ergebnisse dann im Sinne der Triangulation aufeinander bezogen und vor dem Hintergrund der theoretischen Erkenntnisse analysiert und diskutiert, so dass in diesem Kapitel dann auch das überarbeitete Designprinzip, die überarbeitete Conjecture Map sowie das Referenzdesign los fines de las prácticas vorgestellt werden. Darüber hinaus wird auch eine lokale Theorie abgeleitet und die Forschungsfragen beantwortet, so dass zusammenfassend eine Reflexion des Forschungsprozesses möglich ist.

Im letzten Kapitel 12 wird dann ein abschließendes Fazit gegeben, so dass der Bogen zur Einleitung geschlagen werden kann und dementsprechend auch ein Ausblick auf weitere Projekte oder Ideen gegeben wird. Am Ende der Arbeit finden sich dann noch das Darstellungsverzeichnis, die Bibliografie sowie Informationen zum Anhang.

Sprachmittlung

Im folgenden Kapitel, das sich mit Sprachmittlung auseinandersetzt, wird ein facettenreicher Blick auf viele unterschiedliche Aspekte geworfen. Begonnen wird zunächst mit einer Eingrenzung des Begriffes aus fachtheoretischer und -didaktischer Perspektive, sowie abschließend der Versuch einer Definition unternommen wird (vgl. Teilkapitel 2.1). Anschließend sind die einzelnen bildungspolitischen Dokumente auf europäischer, deutschlandweiter und Bremer Ebene von Relevanz und werden mit einer ‚Sprachmittlungs-Brille‘ beleuchtet, um so die wesentlichen Anknüpfungspunkte selektieren bzw. darstellen zu können (vgl. Teilkapitel 2.2). Der größte Teil des Kapitels (vgl. Teilkapitel 2.3) widmet sich der Aufarbeitung des Forschungsstandes zu Sprachmittlung; dort werden mehrere Aspekte beleuchtet wie die Art der Handlung, unterschiedliche Modelle, Konzepte bzw. Kriterien für die Aufgabenstellung, die Betrachtung von bereits bestehenden Materialien bzw. Aufgaben in Lehrwerken, die Einbindung von Sprachmittlung in die Abiturprüfung sowie die Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben. Ein Resümee findet sich abschließend noch im letzten Teilkapitel 2.4, so dass dort die gewonnen Erkenntnisse konzentriert dargestellt werden.

Begriffsbestimmung

Zunächst ist eine Klärung der Begrifflichkeiten ‚Dolmetschen‘, ‚Übersetzen‘, ‚Sprachmittlung‘, ‚Mediation‘ etc. unumgänglich, da diese in den verschiedenen Disziplinen wie der Translationswissenschaft oder Fachdidaktik unterschiedlich besetzt sind und verschiedene Bedeutungen aufweisen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, diese Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und daran anknüpfend abschließend eine eigene Definition von Sprachmittlung vorzulegen.

Translationswissenschaft

Zunächst scheint ein Blick in die Translationswissenschaft unerlässlich, da sich auch innerhalb dieser Disziplin der Terminus ‚Sprachmittlung‘ finden lässt und zudem weitere Konzepte wie das der ‚Adäquatheit aufschlussreich erscheinen. Begrifflich sind ‚Translation‘ und ‚Übersetzung‘ synonymisch zu verwenden, so dass unter Translationswissenschaft die Wissenschaft der Übersetzung zu verstehen ist (vgl. Prunč 2012: 15).

Bereits im Jahr 1940 finden sich in der Translationswissenschaft erste Ansätze, die sich mit den Themen ‚Übersetzung‘, ‚Dolmetschen‘ und ‚Sprachmitteln‘ auseinandersetzen, auch wenn dabei zunächst nur der Begriff des ‚Sprachmittlers‘ durch den deutschen Otto Monien (1940) besetzt wurde. Innerhalb der Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen stand dieser Oberbegriff für Personen, die dolmetschen, übersetzen oder sprachkundig sind und galt als Versuch, die bisherigen uneinheitlichen Begriffe durch einen neuen zu ersetzen.

„So müssen wir eine Neuschöpfung bekanntgeben. Gibt nicht der Ausdruck ‘Sprachmittler‘ all die Werte wieder, die in den alten, unzulänglichen Bezeichnungen enthalten sind? […] Dolmetscher – Übersetzter – Sprachkundiger, sie alle sind ‘mittelnde‘ Glieder zwischen verschiedenen Sprachen, sie sind alle ‘Sprachmittler‘.“ (Monien 1940: 1f., zitiert nach Salevsky 1992: 111f.; Hervorhebungen im Original).

Dieses subsummierende Verständnis wurde ab 1960 in der DDR durch die sogenannte Leipziger Schule genauer expliziert, wobei Kade (1968) als deren Begründer zunächst den Begriff der ‚Translation als Hyperonym für die Tätigkeit des Übersetzens wie auch des Dolmetschens verstand (vgl. Prunč 2012: 15f.). ‚Sprachmittlung‘ wurde später von Jäger (1975: 30ff.) weiter untergliedert in eine ‚kommunikativ äquivalente Sprachmittlung‘ und eine ‚kommunikativ heterovalente Sprachmittlung‘. Unter ersterer verstand er die Übersetzung im eigentlichen Sinn bzw. die wörtliche Übersetzung laut Reimann (2013b), die dann im Weiteren auch als Translation bezeichnet wurde. Der entscheidende Aspekt ist hier der kommunikative Wert des ursprünglichen Ausgangstextes, der im zu erstellenden Zieltext erhalten bleibt. Letztere Form der Sprachmittlung beschrieb Jäger (1975) auch als textbearbeitende Wiedergabe oder, mit den Worten von Reimann (2013b), als inhaltsbearbeitende Übertragung, bei der der ursprüngliche Ausgangstext verändert wird beispielsweise durch Kürzungen, Umformungen oder Erweiterungen und dadurch der kommunikative Wert im Zieltext nicht mehr vorhanden ist (vgl. ebd.: 6; Koller 2011: 203).

In diesem Kontext entsteht auch die Frage nach den zentralen Begriffen der ‚Invariante‘, ‚Äquivalenz‘ und der ‚Adäquatheit‘, die ebenfalls eng mit der Translationswissenschaft in Verbindung stehen und wichtige Anhaltspunkte darstellen. Diese sind in unterschiedlichem Maß auch für Sprachmittlung bedeutsam, obwohl keine begriffliche Einheit vorhanden ist und sich zahlreiche Definitionsversuche finden, unter anderem bei Königs (1981) und Nida (1964). So beleuchten sie allgemein das Verhältnis von Ausgangs- und Zieltext bzw. die Veränderung des Textes im Übergang und argumentieren dabei sowohl auf deskriptiver wie auch auf präskriptiver Ebene (vgl. Kolb 2016: 107). Die vermeintlich synonyme Verwendung der Begriffe ‚Adäquatheit und ‚Äquivalenz‘, wie sie Stolze (2011) vorschlägt, erscheint nicht sinnvoll, da bereits 1984 Reiß und Vermeer eine gelungenere Differenzierung vorlegen, die sich unter anderem auch bei Kolb (2016) und Prunč (2012) widerfinden lässt.

 

Reiß und Vermeer (1984) definieren diese beiden Konzepte wie folgt:

 „Adäquatheit bei der Übersetzung eines Ausgangstextes (bzw. -elements) bezeichne die Relation zwischen Ziel- und Ausgangstext bei konsequenter Beachtung eines Zweckes (Skopos), den man mit dem Translationsprozeß[sic] verfolgt. […]

 Äquivalenz bezeichne eine Relation zwischen einem Ziel- und einem Ausgangstext, die in der jeweiligen Kultur auf ranggleicher Ebene die gleiche kommunikative Funktion erfüllen (können).“ (ebd.: 139f.; Hervorhebungen im Original).

 ‚Invariante‘ als ein drittes Konzept, bei dem Elemente des Ausgangstextes unverändert in den Zieltext übertragen bzw. übernommen werden (vgl. Prunč 2012: 36; Schreiber 2001), ist für Sprachmittlung nur von geringer Bedeutung, da die Lernenden während der Übertragung den Text verändern und in diesen eingreifen. Ein unverändertes Übertragen bzw. Übernehmen von Inhalten kommt nur in den seltensten Fällen vor.

Bevor im Weiteren genauer auf die bereits angesprochene ‚Skopos-Theorie eingegangen wird, soll zunächst das Konzept der ‚Äquivalenz näher betrachtet werden, da davon ausgehend einige Aspekte auch auf die schulische Form der Sprachmittlung übertragen werden können.

Im deutschsprachigen Raum ist die von Koller (2011) im Rahmen seiner Einführung in die Übersetzungswissenschaft vorgelegte Differenzierung der ‚Äquivalenz am einflussreichsten und soll exemplarisch wiedergegeben werden (vgl. Kolb 2016: 108). Er schlägt folgende fünfgliedrige Systematisierung vor (vgl. im Folgenden Koller 2011: 219, 230-269):

1 Denotative Äquivalenz: Die Orientierung der Übersetzung erfolgt an außersprachlichen Sachverhalten, die mit dem Text vermittelt werden. Für die beteiligten Sprachen müssen Äquivalenzen gefunden werden und deren Auswahlkriterien sind transparent, meist in Form von Kommentierungen, darzustellen.

2 Konnotative Äquivalenz: Die Konnotationen und Denotationen, die durch verschiedene Verbalisierungen Einfluss auf den Text haben, wie beispielsweise Dialekte, sollten auch bei größeren Schwierigkeiten anhand verschiedener Strategien in die Übersetzung mit einfließen.

3 Textnormative Äquivalenz: Für bestimmte Texte werden verschiedene Normen in Bezug auf Sprache und Text verwendet, die auch bei einer Übersetzung in die andere Sprache und den Text übertragen werden müssen.

4 Pragmatische Äquivalenz: der/die Leser/in oder Empfänger/in des Textes und sein/ihr jeweiliges Vorwissen sind für die Anfertigung der Übersetzung zu berücksichtigen; dabei stellt sich die Frage, in wie weit der/die Übersetzer/in dabei in den Text eingreifen darf.

5 Formal-ästhetische Äquivalenz: bestimmte Merkmale des Ausgangstextes hinsichtlich Ästhetik, Form und Individualität sollten mit Eingang in die Übersetzung finden, so dass ein möglichst analoger Text entsteht.

Die Frage der ‚Äquivalenz‘, die innerhalb der Translationswissenschaft vielfach diskutiert wird, hat auch Auswirkungen auf den Fremdsprachenunterricht in der Schule. So stellt sich bei Übersetzungen immer die Frage, wie frei oder wie wörtlich der Text übersetzt werden darf bzw. muss, um nicht den Sinn zu verfälschen. Anfänglich wurden diese Überlegungen auch im Rahmen der Sprachmittlung diskutiert, die aber dann durch den Gedanken der ‚Skopos-Theorie‘ abgelöst wurde (vgl. Reimann 2013b: 6; Rössler 2008: 58).

Die von Reiß und Vermeer (1984) postulierte ‚Skopos-Theorie‘ rückt vor allem die Frage, ob die Übersetzung für eine bestimmte Person gut gelungen ist, in den Vordergrund. So muss nicht mehr nur die Übersetzung an sich für gut befunden werden, sondern die Person, für die sie angefertigt wurde, muss diese in einer bestimmten Situation auch verstehen: „Die Dominante aller Translation ist deren Zweck“ (ebd.: 96.). Demnach sind das Ziel bzw. der Zweck, im Griechischen ‚σκοπόσ‘, prioritär zu behandeln und nicht mehr nur der Ausgangstext (vgl. Reimann 2013b: 6; Hallet 1995: 298).

Gänzlich unbeachtet bleibt dieser Aspekt bei der von Knapp und Knapp-Potthoff (1985) vorgelegten Unterscheidung der Begriffe ‚Dolmetschen, Übersetzen und ‚Sprachmitteln. Die Autoren legen eine detaillierte Abgrenzung der Begriffe vor (vgl. auch Tabelle 2.1), auch wenn diese drei Aktivitäten dabei aber immer als „translatorische Tätigkeit“ (Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 450) bezeichnet werden, da bei dieser Form der Textverarbeitung immer mindestens eine Sprache beteiligt ist. Darunter subsummieren sie auch noch weitere Möglichkeiten, wie zum Beispiel das mündliche Übertragen von schriftlichen Informationen in eine andere Sprache, die hier aber nicht weiter von Relevanz sind.


Tätigkeit Charakteristikum Dolmetschen Sprach- mittlung Übersetzen
Repräsentationsform des Textes graphisch --- --- X
phonisch X X ---
Face-to-face Interaktion (X) X (X)
Eigenständige/r Kommunikationspartner/in --- (X) ---
Eigene Mitteilungsintention --- (X) ---
Professionelle Tätigkeit X --- X
Alltägliche Tätigkeit --- X ---

Tabelle 2.1: Unterscheidung Dolmetschen - Übersetzen - Sprachmittlung (nach Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 451)

Legende: X = Aspekt lässt sich in der Tätigkeit wiederfinden; (X) = Aspekt lässt sich nur in Ansätzen in der Tätigkeit wiederfinden; --- = zu diesem Aspekt werden keine Aussagen gemacht

Hier können sowohl zwischen ‚Sprachmittlung‘ und ‚Übersetzen‘ wie auch zwischen ‚Sprachmittlung‘ und ‚Dolmetschen‘ Parallelen gezogen werden, so dass eine strikte Abgrenzung voneinander weder sinnvoll noch möglich erscheint, denn auch Knapp und Knapp-Potthoff (1985) selbst geben an, dass die Unterschiede nur gradueller Natur sind (vgl. ebd.: 452; Wieland 2016). Aus heutiger Sicht scheint vor allem die Tatsache fraglich bzw. nicht mehr haltbar, dass Sprachmittlung ausschließlich an phonisch repräsentierte Texte gebunden sei, denn im GeR wie auch in den anderen bildungspolitischen Vorgaben wird zum Teil immer explizit auf die schriftliche und mündliche Form der Sprachmittlung hingewiesen (vgl. dazu Teilkapitel 2.2).

Charakteristisch für Sprachmittlung ist, dass der/die Mittler/in zumindest teilweise als eigenständige/r Kommunikationspartner/in auftritt und dabei auch eine eigene Mitteilungsintention haben kann. Diese, in zumindest begrenztem Umfang, aktive Rolle ist gerade im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht von großer Bedeutung und sollte auch dementsprechend produktiv genutzt werden, denn dadurch, dass die Position nicht festgelegt ist, können die Lernenden in einen möglichen Aushandlungs-prozess eintreten (vgl. Teilkapitel 2.2.2). Definiert wird Sprachmittlung als eine Übertragung von mündlichen Texten, die ausschließlich in einer persönlichen vis-à-vis-Interaktion stattfindet. Das Besondere an dieser Tätigkeit ist, dass sie nicht-professionell ist, sondern einen Teil der alltäglichen Kommunikation darstellt und die Beteiligten dadurch, wie bereits erwähnt, aktiv in den Gesprächsverlauf eingreifen können, indem sie Nachfragen stellen, um Missverständnisse zu beseitigen oder aber den Gesprächsverlauf zu steuern. Der sprachmittelnden Person kommt so eine entscheidende Rolle zu, da er/sie gleichzeitig übermittelt und vermittelt und somit vor besondere Herausforderungen gestellt wird (vgl. Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 451f.).

Besonders deutlich wird dies an folgendem Beispiel des Satzes ¿Alguna vez has estado aquí antes? der in einer Übersetzung mit den Worten Sind Sie schon einmal hier gewesen? wiedergeben werden könnte; in einer Sprachmittlungssituation aber als Er/Sie fragt, ob Sie schon mal hier gewesen sind? paraphrasiert wird (in Anlehnung an ebd.: 451).

Fachdidaktik

Um in einem nächsten Schritt Bezüge und Anknüpfungspunkte zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft herstellen zu können, wird im Folgenden erstere genauer dargelegt. Obwohl Sprachmittlung als eigenständige Teilkompetenz bzw. -fertigkeit noch nicht lange diskutiert wird, lassen sich zum Teil recht unterschiedliche Ansichten und Positionen in der Literatur finden.

Bereits 2008 greifen Hallet und Rössler die Überlegungen zu Sprachmittlung auf und legen erste recht unterschiedliche Definitionsversuche vor. Hallet (2008b) betont dabei, dass der „Begriff der Sprachmittlung für interlinguale Kommunikationsakte zu reservieren“ (ebd.: 3) ist. Das bedeutet, dass zwischen zwei Sprachen die Inhalte einer Kommunikation, entweder schriftlich oder mündlich, in beide Richtungen übertragen werden. Etwas weiter beschreibt Rössler (2008) ihr Verständnis von Sprachmittlung als „die adressaten-, sinn- und situationsgerechte Übermittlung von Inhalten geschriebener und gesprochener Texte von einer Sprache in eine andere.“ (ebd.: 58). Dieser umfassendere Versuch greift bereits einige Aspekte auf, die sich auch im weiteren Verlauf der fachdidaktischen Diskussion wiederfinden lassen. ‚Adressat‘, ‚Situation‘ und ‚Zweck‘ werden hervorgehoben, wie auch die Tatsache, dass die Vorlage des Ausgangstextes auf diverse Arten erfolgen kann. Sie betont dabei auch, dass anstelle der ‚Äquivalenz‘ im Sinne der Translation, mittler-weile eine am Kommunikationszweck orientierte ‚Adäquatheit‘ getreten ist und somit auch die Handlungs- sowie Lernerorientierung in den Vordergrund rückt. Allerdings wird in dieser Definition der Besonderheit von Sprachmittlung, die Vermittlung zwischen zwei oder mehreren Kulturen, nicht entsprechend Rechnung getragen, obwohl diese eine der Hauptaufgaben des Mediators bzw. der Mediatorin darstellt (vgl. ebd.: 57f.).

Königs legt in diversen Werken wie dem Handbuch Fremdsprachenunterricht (2016) oder dem Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (2017) weitere Definitionsversuche vor, in denen er aber ebenfalls nicht die wichtige Aufgabe des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin betont. Beide Artikel ähneln sich stark und nennen, ähnlich wie bei Rössler (2008), folgende Aspekte zur Charakterisierung von Sprachmittlung:

 

 eine Übertragung von Inhalten von einer Sprache in eine andere, die sinngemäß und nicht nach dem Prinzip der Äquivalenz bzw. Vollständigkeit erfolgt;

 der Ausgangstext kann dabei in schriftlicher oder mündlicher Form vorliegen (vgl. Königs 2016: 111).

Im Metzler Lexikon definiert er Sprachmittlung zudem als Hyperonym für die Tätigkeiten des ‚Übersetzens‘ und ‚Dolmetschens‘, die auch „die nicht textgebundene Form der Übertragung von Inhalten“ (Königs 2017: 327) umfasst und dadurch der Sprachmittlung ein größerer Spielraum zugewiesen wird. Abschließend macht er in beiden Werken auf die begriffliche Unklarheit aufmerksam (vgl. Teilkapitel 2.1.3.; vgl. Königs 2016: 112, 2017: 327f.).

Diese freiere Form der Übertragung von Inhalten lässt sich mit anderen Worten auch bei Nied Curcio und Katelhön (2015) finden, indem sie auch „Sprachhandlungen wie Paraphrasieren, Zusammenfassen und Erklären sowie die Verwendung von Sprachlernstrategien“ (ebd.: 11) als Teil von Sprachmittlung formulieren. Des Weiteren führen auch sie die gängigen Aspekte der Adressaten-, Sinn- und Situationsorientierung an, die auch eine freiere Form der Übermittlung von Inhalten erlauben.

Diese Punkte werden auch in der Habilitation von Kolb (2016) angesprochen, in der eine gute Zusammenstellung der unterschiedlichen fachdidaktischen Positionen aus Anglistik und Romanistik erfolgt. Sie erweitert die Auffassung und definiert die „prototypische schulische Sprachmittlung“ (ebd.: 57) als

„schriftliche oder mündliche Vermittlung mit relativ konkreter Kontextualisierung (Nennung von Adressat, Situation, Zweck o.Ä.), ausgehend von schriftlichen Texten, mündlichen Texten, Bildern oder Bild-Text-Kombinationen, d.h. visuellen Elementen, evtl. in Kombination mit Hör- oder Lesetexten“ (ebd.).

Auch hier wird das interkulturelle Moment der Sprachmittlungssituation nicht hervorgehoben und auch die Orientierung am Zweck wird deutlich weniger strikt eingefordert, wie es in anderen Definitionen der Fall ist. Dies ist umso mehr erstaunlich, geht diesem Definitionsversuch doch eine recht deutliche Kritik an der von Rössler und Reimann (2013) vorgelegten Erfassung von Sprachmittlung vorausgeht (vgl. Kolb 2016: 53).

Auch wenn in dieser Definition ebenfalls keine explizite Nennung der interkulturellen Begegnung stattfindet und auch – in diesem Fall nachvollziehbar von Kolb kritisiert (vgl. ebd.) – keine Betonung der Zweckgebundenheit erfolgt, aber erstmals darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die von Lernenden ausgeführt wird und somit weder professionell ist noch sein kann.

„Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht wird derzeit als informelle, alltägliche und nicht-professionelle Aktivität in mündlichen und schriftlichen Kommunikationssituationen verstanden, in denen eine sinngemäße interlinguale Vermittlung von Inhalten einer Ausgangssprache in eine Zielsprache und gegebenenfalls viceversa[sic] notwendig wird. Damit werden das professionelle Dolmetschen und das textsortenadäquate und literarische Übersetzen, die noch im GeR – translationswissenschaftlich korrekt – als Spielarten der Sprachmittlung genannt werden, als Zielkompetenzen bzw. Übungsformen im Fremdsprachenunterricht an den Rand gedrängt oder ganz ausgeschlossen.“ (Rössler, Reimann 2013: 11f.)

Diese unterschiedlichen Aspekte und Schwerpunkte sollen im Folgenden mit der Fachwissenschaft ergänzt bzw. verknüpft werden, um im Anschluss eine Definition von Sprachmittlung ableiten zu können, die möglichst viele der angesprochenen Punkte berücksichtigt.