Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book)

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Wir wünschen den Lesenden in Aus- und Weiterbildung anregende Lektüre und erhellende Diskussionen. Wir hoffen, dass wir einen Beitrag zur Entwicklung der NMG-Didaktik leisten können.

Die Herausgeber, April 2018


Das Fach Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) lädt zur Auseinander­setzung mit der Welt aus unterschiedlichen Perspektiven ein. Um einen bildungsrelevanten Unterricht gewährleisten zu können, werden didaktische Kriterien benötigt. Dieser Teil führt zunächst entlang des Lehrplans 21 ins Fach ein und legt dar, wie grundlegende Bildung im Fachbereich NMG verstanden werden kann. Danach führt er durch unterschiedliche Arten der Perspektivenkoordination und optiert für einen perspektivenübergreifenden Ansatz. Als Dreh- und Angelpunkt wird die übergeordnete Fragestellung als Mittel zur Unterrichtsplanung eingeführt.

Natur, Mensch, Gesellschaft – ein vielperspektivisches und integratives Fach | Paolo Trevisan

Natur, Mensch, Gesellschaft – ein vielperspektivisches und integratives Fach

Paolo Trevisan

1 NMG – ein vielperspektivisches Fach in der Begegnung und ­Auseinandersetzung mit der Welt

Mit der Einführung des Lehrplans 21 in den Kantonen der Deutschschweiz entsteht vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I ein neues Schulfach mit der Bezeichnung «Natur, Mensch, Gesellschaft» (NMG). Dieses neue Schulfach tritt auf der Primarschulstufe die Nachfolge eines Schulfaches an, das zuvor noch viele Namen trug und auf unterschiedlichen Lehrplänen fusste. In der Innerschweiz und in den Kantonen Sankt Gallen und Zürich hiess es zum Beispiel «Mensch und Umwelt», im Kanton Solothurn «Sachunterricht», im Kanton Bern «Natur–Mensch–Mitwelt», in den Kantonen Aargau, Graubünden und Thurgau «Realien», in Basel-Land und Basel-Stadt «Mensch–Gesellschaft–Umwelt». NMG stellt in der Schullandschaft etwas Besonderes dar, da es eine Vielzahl unterschiedlicher fachlicher Perspektiven aufweist und in sich integriert. Der neue Lehrplan weist denn auch besonders auf diese «Spezialität» hin: «Natürliche und kulturelle, wirtschaftliche, soziale und historische Phänomene, Situationen und Sachen stehen im Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft im Vordergrund, insbesondere auch die Wechselwirkungen zwischen Menschen und ihrer Um- und Mitwelt. Diese Phänomene, Sachen und Situationen können aus verschiedenen inhaltlichen Perspektiven und mit verschiedenen Zugangsweisen und Methoden betrachtet und erschlossen werden.»[5]

Diese inhaltliche Vielfalt äussert sich in den Themen, die im Rahmen dieses Fachs unterrichtet werden. So tauchen in den Unterrichtsstuben der Primarschule regelmässig Themen wie «Herbst», «Wasser», «Unsere Gemeinde», «Leben in der Jungsteinzeit», «Waldtiere», «Apfel» usw. auf, deren Inhalte auf unterschiedliche fachliche Perspektiven verweisen. Am Beispiel «Apfel» lässt sich diese vielperspektivische Zugangsweise gut illustrieren (siehe Abb. 1).

Jede fachliche Perspektive von NMG bezieht sich dabei auf unterschiedliche Wissensdomänen und begegnet der Sache deshalb mit je eigenem Erkenntnisinteresse und mit je eigenem Erkenntnispotenzial. Je nachdem, welche fachliche «Brille» wir aufsetzen, haben wir einen ganz anderen Apfel vor uns. Die einzelnen fachlichen Perspektiven haben aber für sich allein betrachtet auch ihre Erkenntnisgrenzen und können dadurch nur einen eingeschränkten Ausschnitt der Welt erklären. Erst im Zusammenspiel mit anderen fachlichen Perspektiven können viele Gegenstände, Probleme und Fragen unserer Welt in ihrem Reichtum und in ihren Widersprüchen erfasst und verstanden werden. Deshalb muss oft auch «quer» zu den fachlichen Perspektiven gedacht werden, damit Zusammenhänge sichtbar werden. Also nicht nur ein bisschen «historischer Apfel», dann ein bisschen «geografischer» und zuletzt ein bisschen «biologischer Apfel». NMG versteht sich in Kindergarten und Primarschule vielmehr als ein Integrationsfach, das diese fachliche Vielfalt als Chance sieht, bei Kindern ein vernetztes Verstehen ihrer Um- und Mitwelt anzubahnen und zu fördern. Das könnte zum Beispiel gelingen, wenn man im Unterricht von der Frage ausgeht, was eigentlich aus der Sicht unterschiedlicher fachlicher Perspektiven und Akteure einen «guten» Apfel ausmacht.


Tabelle 1 Perspektivfelder, Disziplinen/Fächer, Themenbereiche und Handlungsaspekte von NMG (in Anlehnung an GDSU 2013)
Fachliche Perspektiven NMG Fächer/Disziplinen Konzepte, Themenbereiche Handlungsaspekte
Ethische und ­Philosophische ­Perspektive Philosophie Werte und Normen Ethische Urteilsfindung; Philosophieren
Religionskundliche Perspektive Religionswissenschaft, Theologie Religionen und Weltsichten Kulturelle Spuren identifizieren, religiöse Texte und Schriften ­erläutern
Historische ­Perspektive Geschichte Zeit, Dauer und Wandel, Fakten und Fiktionen, Orientierung in der Zeit Sich in Zeiten orientieren, Umgang mit Quellen und Darstellungen, Geschichte rekonstruieren
Geografische ­Perspektive Geografie Raumnutzung, Lebensweisen und Lebensräume Räume erkunden, sich in Räumen orientieren
Sozioökonomische Perspektive Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften Konsum und Lebensstil, Produktions- und Arbeitswelten Wünsche und Bedürfnisse beschreiben, ordnen, vergleichen
Naturwissenschaftliche/technische Perspektive Biologie, Chemie, Physik Tiere, Pflanzen, Lebensräume, natürliche Phänomene, Stoffe, technische Entwicklungen Wechselwirkungen innerhalb von Lebensräumen identifizieren und mit Modellen verdeutlichen
Soziale Perspektive Soziologie Gemeinschaft und Gesellschaft, Zusammenleben, Konflikte und Konfliktlösungsstrategien Argumentieren, zwischen Gruppen verhandeln, partizipieren

Was ist unter fachlichen Perspektiven in Zusammenhang mit NMG zu verstehen? Fachliche Perspektiven dienen der Welterschliessung, sie ordnen und interpretieren die Welt unter Zuhilfenahme bewährter und erprobter Instrumente und ergänzen, vertiefen, korrigieren unser alltagsweltliches Wissen in Richtung belastbareres Wissen.[6] Sie bilden nicht direkt Fächer wie «Geschichte», «Biologie» usw. der weiterführenden Schulen oder wissenschaftliche Disziplinen ab. So ist zum Beispiel die historische Perspektive nicht einfach mit der universitären Disziplin oder dem Fach «Geschichte» gleichzusetzen. Sie beruht zwar auf deren inhaltlichen und methodischen Erkenntnissen, geht aber von den Interessen der Kinder und ihren Lebenswelterfahrungen «mit Fragen menschlichen Lebens und Handelns im Wandel der Zeit»[7]. Kinder leben in einer Welt voller geschichtlicher Bezüge, sei es in Form von Computerspielen mit historischem Inhalt, sei es in Form von Filmen, Büchern oder Mu­seen. Kinder entwickeln dadurch eigene Vorstellungen und Fragen zu geschichtlichen Themen. Hier knüpft die historische Perspektive innerhalb des Fachbereichs NMG an, indem sie diese kindlichen Vorstellungen aufnimmt und in Richtung belastbares Wissen weiterentwickelt. Ähnlich verhält es sich mit den anderen fachlichen Perspektiven von NMG.

 

Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die fachlichen Perspektiven von NMG.[8] Die Spalte «Fächer/Disziplinen» benennt die an die Perspektiven anschliessenden Fächer der weiterführenden Schulen bzw. die zugrundliegenden wissenschaftlichen Disziplinen. Die Spalten «Themenbereiche» und «Handlungsaspekte» konkretisieren die spezifischen Leistungen der fachlichen Perspektiven von NMG anhand von Beispielen. Diese Beispiele sollen veranschaulichen, welchen Beitrag die fachlichen Perspektiven von NMG für das zentrale Bildungsziel dieses Schulfachs, die Kinder in ihrem Weltverstehen zu unterstützen und zu fördern, leisten. Fachliche Perspektiven können deshalb auch als «Aufgabenbereiche» von NMG betrachtet werden, die «sich in Bezug auf Inhalte und Verfahren einerseits aus der Position der Kinder, d. h. aus ihrem Erfahrungshintergrund und ihrem Lernbedürfnis, andererseits als Perspektiven auf Wissenschaftsbereiche und das kulturell bedeutsame Wissen [konstituieren]».[9]

Der Verweis in Tabelle 1 auf «Konzepte/Themenbereiche» und «Handlungsaspekte» der fachlichen Perspektiven weist darauf hin, dass diese nicht allein durch fachliche Inhalte definiert sind. Durch die Zusammenführung der Kategorien «Konzepte/Themenbereiche» und «Handlungs­aspekte» können spezifische Kompetenzen formuliert werden, über die Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Primarschulzeit verfügen sollen.


Tabelle 2 Kompetenzbereiche NMG und zugrundeliegende fachliche Perspektiven im Lehrplan 21 (nach D-EDK 2016). Inhaltliche Konzepte/Themenbereiche sind fett ausgezeichnet, Handlungsaspekte kursiv.
Kompetenzbereiche NMG (1. und 2. Zyklus) Zentrale fachliche Perspektiven
1.Identität, Körper, Gesundheitsich kennen und sich Sorge tragen Soziale und naturwissenschaftliche Perspektive
2.Tiere, Pflanzen und Lebensräume erkunden und erhalten Naturwissenschaftliche/technische Perspektive; geografische Perspektive
3.Stoffe, Energie und Bewegungen beschreiben, untersuchen und nutzen Naturwissenschaftliche/technische Perspektive
4.Phänomene der belebten und unbelebten Natur erforschen und erklären Naturwissenschaftliche/technische Perspektive
5.Technische Entwicklungen und Umsetzungen erschliessen, einschätzen und anwenden Naturwissenschaftliche/technische Perspektive
6.Arbeit, Produktion und Konsum – Situationen erschliessen Sozioökonomische Perspektive
7.Lebensweisen und Lebensräume von Menschen erschliessen und vergleichen Geografische Perspektive
8.Menschen nutzen Räume – sich orientieren und mitgestalten Geografische Perspektive
9.Zeit, Dauer und Wandel verstehen – Geschichte und Geschichten unterscheiden Historische Perspektive
10.Gemeinschaft und Gesellschaft – Zusammenleben gestalten und sich engagieren Historische und sozioökonomische Perspektive
11.Grunderfahrungen, Werte und Normen erkunden und reflektieren Philosophische Perspektive
12.Religionen und Weltsichten begegnen Religionskundliche Perspektive

Im Lehrplan 21 für den Fachbereich NMG erscheinen die in Tabelle 1 genannten fachlichen Perspektiven für den ersten (Kindergarten bis 2. Klasse) und zweiten Zyklus (3. bis 6. Klasse) denn auch nicht als solche, sondern als Bestandteil von zwölf Kompetenzbereichen (siehe Tab. 2). Diese umfassen sowohl inhaltliche Konzepte/Themenbereiche (mit Substantiven ausgedrückt) als auch Handlungsaspekte (mit Verben ausgedrückt). Die inhaltlichen Konzepte und Themenbereiche der Kompetenzbereiche können einer oder mehreren fachlichen Perspektiven von NMG zugewiesen werden. Jeder der zwölf Kompetenzbereiche enthält seinerseits in der Regel vier bis sechs Kompetenzen. Jede Kompetenz wird dann noch in die Kompetenzstufen a bis x unterteilt. Wie bei den Kompetenzbereichen umfassen Kompetenzen und Kompetenzstufen sowohl inhaltliche Konzepte/Themenbereiche als auch Handlungsbereiche.

Im dritten Zyklus (Sekundarstufe I) fasst der Lehrplan 21 für NMG die fachlichen Perspektiven in vier grosse Perspektivfelder zusammen: «Natur und Technik» (NT), «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» (WAH), «Räume, Zeiten, Gesellschaften» (RZG) und «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» (ERG). Die Grundlage dieser vier Perspektivfelder bilden jeweils traditionelle Disziplinen bzw. Fächer, gleichzeitig beinhalten sie aber auch Bezüge zu überfachlichen Bereichen wie Technik, Haushalt oder Gemeinschaft. Auch im dritten Zyklus umfasst jede Perspektive verschiedene Kompetenzen, die ihrerseits in Kompetenzstufen aufgegliedert werden.

Neben der Ausrichtung an Kompetenzformulierungen hat sich das vielperspektivische Fach NMG, wie alle anderen Schulfächer, grundsätzlich an der Frage zu messen, inwiefern es einen Beitrag zur grundlegenden Bildung von Kindern leistet.

2 Grundlegende Bildung als Ziel im NMG-Unterricht

Bildung ist eine pädagogische Aufgabe, die gerichtet ist «auf das geistige Werden junger Menschen, auf die Entwicklung der Vernunft, auf Selbstfindungsprozesse und den Aufbau von Selbstständigkeit sowie auf mögliche Lebensperspektiven, auf verständige Teilhabe an der Kultur und Zuwachs an Entfaltungsmöglichkeiten»[10]. Hans Werner Heymann konkretisiert den Bildungsbegriff mittels eines Aufgabenkatalogs, der als Grundlage für die Verortung der spezifischen Leistung eines Schulfaches zur grundlegenden Bildung zu verstehen ist. Als Aufgaben im Sinne einer Allgemeinbildung nennt Heymann: Lebensvorbereitung, Stiftung kultureller Kohärenz, Weltorientierung, Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch, Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft, Einübung in Verständigung und Kooperation und Stärkung des Schüler-Ichs.[11] Nicht jedes Schulfach wird jede Teilaufgabe gleichwertig erfüllen können, jedes Fach sollte sich aber darüber Rechenschaft abgeben, zu welcher dieser Teilaufgaben es einen Beitrag leisten kann (siehe Tab. 3).


Tabelle 3 Beitrag des Fachbereichs NMG zu den Aufgaben von Bildung (nach Heymann 1997)
Teilaufgaben von Bildung nach Heymann Leitfragen Mögliche Beiträge NMG
Lebensvorbereitung Die Lernenden eignen sich Qualifikationen an, die für eine vernünftige Bewältigung alltäglicher Situationen des Berufs- und Privatlebens in unserer Gesellschaft hilfreich oder unverzichtbar sind. Welche elementaren Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten vermittelt das Fach?
Stiftung kultureller Kohärenz Die Lernenden verstehen und erleben sich als Teil der Kultur, in der sie leben, und anerkennen andere Kulturen als gleichberechtigte Daseinsformen. Welche zentralen kulturellen Errungenschaften thematisiert das Fach? Welche Bezüge bestehen zwischen «Fachkultur» und «Gesamtkultur»?
Welche Schlüsselprobleme unserer Welt werden thematisiert? Geht es im Unterricht um gesellschaftlich relevante bzw. kontroverse Themen? Werden Sinnzusammenhänge erkennbar?
Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch Die Lernenden können selbst denken und sich von Bevormundung emanzipieren. Welche Gelegenheit bietet das Fach zum kritischen Vernunftgebrauch?
Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft Die Lernenden setzen ihre Kompetenzen verantwortungsbewusst ein zugunsten eines befriedigenden gesellschaftlichen Miteinanders. Bietet die Art, wie mit Sachthemen und miteinander umgegangen wird, einen Rahmen für die Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft?
Einübung in Verständigung und Kooperation Die Lernenden arbeiten zusammen in einer Atmosphäre der Toleranz, der Kompromissfähigkeit, des Interessenausgleichs, der Partizipation, der Einsicht in fremde Standpunkte. Welche Gelegenheiten bietet das Fach zu Verständigung und Kooperation? Gibt es fachspezifische Besonderheiten, die diese fördern oder behindern?
Stärkung des Schülerinnen-Ichs Die Lernenden entwickeln sich zu selbstbewussten, verantwortlichen, kritischen, sozialen, bewusst handelnden, kreativen und sinnlichen Persönlichkeiten. Fördert das Fach die einzelnen Aspekte der Persönlichkeit?

Sucht man nun nach dem spezifischen Beitrag des Fachbereichs NMG zu den Teilaufgaben von Bildung, ist dieser auf den ersten Blick vor allem im Bereich der «Weltorientierung» zu sehen, wo es um die vielperspektivische Auseinandersetzung mit Fragen und Problemen unserer Zeit geht. Eine Möglichkeit, den Unterricht in NMG auf grundlegende und relevante Themen zu beziehen, ist die Ausrichtung auf Wolfgang Klafkis «epo­chaltypische Schlüsselprobleme». Klafki identifiziert sechs solcher Schlüsselprobleme: die Frage von Krieg und Frieden, die Umweltfrage oder die ökologische Frage, den rapiden Wachstum der Weltbevölkerung, die gesellschaftlich produzierte Ungleichheit, die Gefahren und die Chancen der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien, die Subjektivität des Einzelnen und das Phänomen der Ich-du-Beziehungen.[21] Heute sind diese Schlüsselfragen durchaus noch aktuell oder haben sich gar verschärft. Diverse Autoren und Autorinnen listen inzwischen noch weitere akute Bedrohungen auf, wie etwa ungebremste Globalisierung, nicht nachhaltige Energienutzung, Pandemien, Datenschutz, Terrorismus, Wirtschafts- und Finanzkrisen, Migration.[22] Vielperspektivische Schlüsselfragen solcher Art bilden eine besondere Herausforderung für den Unterricht in NMG. Einerseits muss der Bezug zur kindlichen Lebenswelt durch die Wahl eines geeigneten Unterrichtsthemas (z. B. in Form einer geeigneten Fragestellung) gewährleistet sein und andererseits müssen vielfältige inhaltliche Angebote und methodische Zugänge den Kindern ein vernetztes Verstehen des Problems ermöglichen. Dieser Anspruch kann zum Beispiel durch den Ansatz des «Philosophierens mit Kindern» eingelöst werden.[23]

 

Der Bildungsauftrag von NMG geht jedoch weit über die Teilaufgabe «Weltorientierung» hinaus, wie im Lehrplan zum Fachbereich NMG formuliert:

Im Zentrum von Natur, Mensch, Gesellschaft steht die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der Welt. Um sich in der Welt orientieren, diese verstehen, sie aktiv mitgestalten und in ihr verantwortungsvoll handeln zu können, erwerben und vertiefen sie grundlegendes Wissen und Können. Sie erweitern ihre Erfahrungen und entwickeln neue Interessen.[24]

Die Auseinandersetzung mit der Welt in all ihren Facetten soll die Kinder dazu befähigen, «zukünftigen Herausforderungen zu begegnen sowie Erfahrungen, Strategien und Ressourcen nachhaltig zu nutzen und ihr Handeln zu verantworten»[25]. Folgt man dieser Definition von NMG, lassen sich für alle Teilaufgaben von Heymann spezifische Beiträge finden (siehe Tab. 3). Was für den Fachbereich als Ganzes gilt, gilt für die Formulierung und Wahl des Unterrichtsthemas im Einzelnen. Ein Unterrichtsthema kann sich mithilfe von Heymanns Teilaufgaben von Bildung daraufhin überprüfen lassen, inwiefern es bildungsrelevant ist, das heisst einen Beitrag zur Allgemeinbildung beisteuert.

Wie man von einem Stichwort über die Identifizierung von Bildungsinhalten zu einem Unterrichtsthema in Form einer Fragestellung gelangt, wird in Kapitel 4 aufgegriffen und vertieft. Im folgenden Kapitel wird es darum gehen, einen Überblick zu geben über unterschiedliche Arten, wie fachliche Perspektiven von NMG «in Kontakt» kommen bzw. zusammenspielen können.