Zeit für Weiblichkeit

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Die Frau bestimmt das sexuelle Klima

Es ist dem Mann nicht möglich, den Körper der Frau besser kennenzulernen, solange sie selbst sich nicht besser kennt. Durch ein paar konstruktive Hinweise kann die Frau lernen, die Qualität ihres sexuellen Erlebens zu verändern – auch ohne die bewusste Mitwirkung ihres Partners. Die Frau hat einen so starken Einfluss auf das sexuelle Klima, dass sie das ganze Erleben entscheidend beeinflussen kann, wenn sie erst einmal weiß, wie. Dann erhält sie die Möglichkeit, für den Rest ihres Lebens befriedigenden Sex zu haben und darin die Liebe zu finden, nach der sie sich so sehnt, ohne unbedingt ihren Partner wechseln zu müssen.

Da der weibliche Körper meistens nur von außen – nach der Figur, den Proportionen, den Kurven – beurteilt wird, sehen die Frauen sich selbst wie aus der Vogelperspektive. Sie sind daran gewöhnt, sich von außen, aus einer gewissen Distanz zu sehen, aber selten spüren sie sich auch von innen. Wenn die Frau lernt, eine nährende Liebesbeziehung mit ihrem eigenen Körper aufzubauen und innerlich mit ihm zu verschmelzen, wird sie mit ihrer erwachten lebendigen Sinnlichkeit eine atemberaubende weibliche Ausstrahlung haben, die die ganze Atmosphäre um sie herum verändert.

Leider haben die meisten modernen Frauen keine Ahnung, wie man eine solche Veränderung bewerkstelligen kann. Viele kehren voller Enttäuschung und Frustration dem Sex den Rücken und hoffen dann, dass zumindest die Liebe zu ihren Kindern oder ihre Karriere sie für diesen Verlust entschädigen werden. Aber damit tut sich die Frau weiß Gott keinen Gefallen: Sie unterdrückt damit etwas, das für ihr Frausein wesentlich ist. Dann setzt sich die Resignation um ihre Mundwinkel herum fest, und so manche Frau sehnt sich nach Enkelkindern (nach neuem Leben), um das strömende Gefühl der Liebe wieder in sich zu spüren. In einer idealen Welt wären die Großmütter eine Inspiration für ihre Enkelkinder, denn sie würden ihnen bereitwillig von ihren befriedigendsten sexuellen Erfahrungen erzählen und damit die Enkelkinder auf die richtige Spur bringen und ihnen Mut machen, Liebe zu geben und zu empfangen. Aber so wie es mit unserer Kultur bestellt ist, hatten unsere Mütter, Großmütter und Urgroßmütter wie wir selbst keinen Zugang zu den höheren Dimensionen der sexuellen Erfahrung. In ihrem sexuellen Leben gibt es nichts, was sie als Weisheit oder Erkenntnis an die Jungen weitergeben könnten.

Das heißt aber nicht, dass eine solche Weisheit nicht existierte. Wenn wir uns die alten kulturellen Traditionen des Ostens anschauen, finden wir dort einen unverschütteten Zugang zur sexuellen Weisheit. Ein zentraler Gedanke dieser Weisheit ist das Verständnis, dass die Frau das Milieu, das Gefäß, den Kelch für die sexuelle Erfahrung darstellt. Die weibliche Vagina ist der physische „Raum“, in den der Mann eintritt. Und als Gegenpol dazu ist es die Frau, die den Mann physisch empfängt bzw. ihn in sich hineinlässt. Diese beiden Funktionen – das Eintreten und das Empfangen – sind sehr verschieden voneinander. Der Mann ist der Gast, die Frau die Gastgeberin.

Durch die innere Beschaffenheit der Vagina kann die Frau beim Sex einen starken Einfluss ausüben. Diese Direktive, die die Frau beim Sex hat, da sie die sexuelle Atmosphäre bestimmt, kann am besten durch einen einfachen Vergleich verdeutlicht werden: Wenn du ein Zimmer betrittst, das voll gestopft ist mit Möbeln, wo Hektik durch einen plärrenden Fernseher verbreitet wird und das Telefon ständig klingelt, dann wird diese Atmosphäre vermutlich eher negativ auf dich wirken. Sehr wahrscheinlich wirst du dich überwältigt fühlen von dieser Hektik und dem irrsinnigen Chaos. Vielleicht hättest du das Gefühl, eingezwängt zu sein von all dem Druck und der Spannung, und dein erster Impuls wäre wahrscheinlich, so schnell wie möglich wieder nach draußen ins Freie zu flüchten.

Kommst du hingegen in einen Raum, der leer und großzügig ist, verschönt durch ein paar ausgewählte Möbel, der schwebende Klang einer Flöte in der Luft, die nach Sinnlichkeit duftet … Solch eine Umgebung wird Frieden und Ruhe ausstrahlen. Statt erdrückender Enge vermittelt ein solcher Raum das Gefühl von Platz und innerer Ausdehnung, ein Gefühl von „Nachhausekommen“. Die wohltuende Atmosphäre, in der kein äußerlicher Druck herrscht, und diese großzügige Offenheit lassen dich innerlich entspannen. Während Harmonie und Gelassenheit sich in dir ausbreiten, wirst du vielleicht einen tiefen Atemzug nehmen und damit ganz in deinem Körper angekommen sein.

Nun stelle dir den Moment der Penetration vor, wenn der Mann in den weiblichen Körper eindringt. Genauso wie die Atmosphäre eines Raumes eine tief gehende Wirkung auf die menschliche Psyche hat, vermag auch die Atmosphäre innerhalb des weiblichen Körpers eine transformierende Wirkung auf den Mann zu haben, die äußerst machtvoll ist. Der Mann wird von der Frau sehr beeinflusst – in einem Maße, das ihm selbst nicht einmal bewusst ist. Die Frau hat es in der Hand, durch bewusstes Schaffen einer gelassenen, empfänglichen Atmosphäre die Dauer des Liebesaktes zu verlängern. Sie kann den Mann darin unterstützen, die Ejakulation zu verzögern oder gar zu vermeiden.

Das Traurige ist aber, dass die Frau sich ihrer wahren Fähigkeiten ebenso wenig bewusst ist wie der Mann. Da sie nicht weiß, wie sie Zugang zu ihrer wirklichen Kraft erlangt, kann sie nie die natürliche Macht erfahren, die ihr mitgegeben ist, und darum bleiben ihr die tiefsten Bereiche ihrer weiblichen Sexualität unerschlossen.

Sobald die Frau jedoch das wahre Wesen der weiblichen Sexualität begreift, kann sie sich wieder mit der ihr verliehenen göttlichen Kraft verbinden. Wenn die Frau bei der sexuellen Vereinigung ganz in ihre weibliche Seite hineingeht, sind sexuelle Erfüllung und Liebe die natürliche Folge. Jede Frau besitzt diese natürliche Fähigkeit, das Liebemachen in eine vollkommen befriedigende, spirituell transzendierende Erfahrung zu verwandeln. Und alles, was die Frau dazu braucht, sind entsprechende Informationen, wie sie das angehen kann.

TANTRISCHE INSPIRATION

Orgasmus ist ein Zustand, in dem sich dein Körper nicht mehr wie Materie anfühlt; er vibriert wie Energie, wie Elektrizität. Er pulsiert aus unermesslichen Tiefen heraus, aus der Wurzel des Seins, und man vergisst vollkommen, dass er stofflich ist. Der Körper wird ein elektrisches Phänomen – und er ist tatsächlich ein elektrisches Phänomen.

Die moderne Physik sagt, dass es keine Materie gibt, dass alle Materie nur Schein ist; dass im Grunde, an der Wurzel der Existenz, nichts als Elektrizität existiert, also keine Materie. Im Orgasmus dringst du zu diesem tiefsten Kern deines Körpers vor, wo alle Materie aufhört und nur noch Wellen von Energie übrig bleiben; du wirst zu einer tanzenden, vibrierenden Energie. Plötzlich verlierst du alle Grenzen – es ist einfach ein Pulsieren, ein substanzloses Pulsieren. Und dein Partner pulsiert mit dir. Und nach und nach, je mehr ihr euch liebt und euch gegenseitig hingebt, desto mehr gebt ihr euch diesem Augenblick des Pulsierens, des Vibrierens, der Auflösung in reine Energie hin, verliert ihr alle Furcht davor – obwohl es wie ein Tod ist.

Wenn der Körper seine Grenzen verliert, wenn der Körper sich wie in Dunst auflöst, wenn der Körper seine Substanz verliert, wenn nur Energie zurückbleibt, ein kaum spürbarer Rhythmus, dann siehst du, dass es dich nicht gibt.

Nur in tiefer Liebe kommst du an diesen Punkt. Liebe ist wie der Tod: Was stirbt, ist dein materielles Bild von dir, du stirbst als das, was du für deinen Körper hältst. Du stirbst als Körper und erfährst dich als Energie, reine Lebensenergie. Und wenn Mann und Frau oder die Liebenden oder die Partner anfangen, im selben Rhythmus zu schwingen, dann vereinigen sich die Pulsschläge ihrer Herzen und ihrer Körper, dann werden sie zu einer einzigen Harmonie. Dann kommt es zum Orgasmus und sie sind nicht mehr zwei. Das ist die Bedeutung des Symbols von Yin und Yang: Das Yin dringt in das Yang ein und das Yang in das Yin; der Mann dringt in die Frau ein und die Frau in den Mann, jetzt bilden sie einen Kreis und pulsieren gemeinsam, werden zu einem gemeinsamen Rhythmus. Ihre Herzen sind nicht mehr getrennt, ihre Herzschläge fallen zusammen; sie sind zu einer einzigen Melodie, zu einer Harmonie geworden. Das ist die großartigste Musik, die es gibt. Alle anderen Formen der Musik sind nur schwache Echos, sind Schatten im Vergleich dazu.

Osho, Tantra – Die höchste Einsicht

TRAINING FÜR BEWUSSTHEIT UND SENSIBILITÄT
Den weichen Blick lernen

Um deine Energie, die sich natürlicherweise nach außen bewegt, nach innen in dein Herz fallen zu lassen, ist es hilfreich, den weichen Blick zu lernen. Beim weichen Blick musst du den üblichen visuellen Vorgang umkehren und dir vorstellen, dass du alles durch die Augen aufnimmst, nach innen, statt durch sie nach außen zu blicken. Gehe in eine stehende, sitzende oder liegende Position (siehe 1. Kapitel). Schließe zunächst die Augen und richte deine Aufmerksamkeit in deinen Körper. Finde eine Stelle – zum Beispiel Bauch, Herz oder Sonnengeflecht –, die sich für dich wie „Zuhause“ anfühlt. Es sollte eine Stelle sein, die dich innerlich gut mit dir in Kontakt bringt und als Anker dienen kann, um deine Aufmerksamkeit im Körper zu halten. Es sollte ein Punkt zum Ausruhen sein, eine Art innerer Quelle, wo du dich sammeln kannst und von wo aus du den gegenwärtigen Augenblick erlebst und erschaffst. Falls sich dein ganzer Körper wie „Zuhause“ anfühlt und kein spezieller Bereich deine Aufmerksamkeit auf sich zieht, kannst du sie auch ganz allgemein in den Körper richten. Sobald du das Gefühl hast, im Körper verankert und gut mit dir im Kontakt zu sein, öffne ganz langsam, Millimeter für Millimeter, die Augen und lasse alles, was in dein Gesichtsfeld tritt, durch die Augen in dich. Das kann eine Blume sein, eine Kerze, eine Pflanze, ein Bild, ein Ausblick im Zimmer, eine Wand, die Decke: Stelle dir einfach vor, dass alles, was vor dir erscheint – die Oberflächen, das Licht, die Farben – in dich hineinkommt. Es tritt durch die Augen in dein Inneres. Dein Schauen wird passiv, als ob der Blick sich umgedreht hätte. Die Augen empfangen nun die Energie und geben sie nicht mehr nach außen ab, wie es sonst beim normalen Sehen der Fall ist. Während du diese Art des Sehens praktizierst, besteht der Trick darin, gleichzeitig auf deinen Körper zu achten und in ihm verankert zu bleiben. Die Absicht dabei ist, die Verbindung mit dir selbst nicht zu verlieren, sobald die Augen sich öffnen. Bei den ersten Versuchen wirst du immer wieder erleben, wie die Verbindung zum Körper verloren geht, sobald die Augen aufgehen.

 

Wenn du merkst, dass du den Körper vergessen hast und mehr darauf achtest, nach außen zu schauen, statt das Bewusstsein auf deine Innenwelt gerichtet zu lassen, schließe sofort die Augen und verbinde dich wieder für ein paar Sekunden mit deinem Inneren. Wenn du innerlich angekommen und wieder verankert bist, kannst du die Augen wieder ganz langsam öffnen. Mache auf diese Weise weiter, indem du die Augen geöffnet hältst, solange du die Verbindung zum Körper spürst, und sie schließt, sobald du den Kontakt verlierst – bis du ein gutes Gefühl dafür entwickelst. Am Anfang braucht es ein bisschen Übung, aber nach einiger Zeit geht es ganz leicht. Du kannst mit diesem weichen Blick auch in der Natur experimentieren – lenke ihn auf einen Wasserfall, einen Baum, einen Sonnenuntergang, den Mond. Du wirst erstaunliche Erfahrungen machen – von Frieden und Liebe.

TANTRISCHE MEDITATION
Auf Licht meditieren

Wenn dir der weiche Blick bereits vertraut ist, kannst du ihn bei einer speziellen Meditation anwenden, indem du die Kraft des Lichtes nutzt. Auf Licht zu meditieren ist eine der ältesten Meditationen überhaupt. Man wählte das Licht, weil beim Meditieren auf Licht etwas in dir aufblühen kann, was bisher schlummerte.

Nimm dir für diese Übung eine halbe Stunde oder länger Zeit. Schaffe dir eine harmonische Umgebung und setze dich vor eine Kerze. Wende nun den weichen Blick an und lass die Kerzenflamme in dich hineinkommen. Wenn die Augen sich ausruhen müssen oder die Verbindung zum Körper abreißt, kannst du die Augen schließen und dir vorstellen, wie das Licht deine Augen durchdringt. Auf diese Weise kannst du die Augen abwechselnd offen oder geschlossen halten, wie es sich für dich am besten anfühlt.

Mache das Licht zu deiner Meditation. Sooft du Zeit hast, schließe die Augen und visualisiere Licht. Immer wenn du Licht siehst, stimme dich darauf ein. Sei dir dessen gewahr, sei andächtig und dankbar für das Licht.

3. Kapitel
Einen Orgasmus haben oder orgasmisch sein

ÜBER DAS WESEN DES WEIBLICHEN ORGASMUS lässt sich nichts verallgemeinern. Möglicherweise gibt es so viele Arten von Orgasmen, wie es Frauen gibt, die ihn erleben. Um das Wesen der weiblichen Energie zu verstehen, ist es dennoch hilfreich, den Orgasmus aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Ganz allgemein könnte man den Orgasmus in zwei Kategorien einordnen: den Gipfelorgasmus und den Talorgasmus. Natürlich kann es zwischen einem Gipfel und einem Tal ein ganzes Spektrum von möglichen Erfahrungen geben, aber eines unterscheidet die beiden Kategorien grundsätzlich voneinander: Der Gipfelorgasmus beruht auf der aktiven Steigerung der Erregung bis zum Höhepunkt, während der Talorgasmus aus einem Zustand der Entspannung heraus entsteht.

Gipfel und Tal

Wir wollen die Unterschiede zwischen diesen beiden Herangehensweisen an die orgasmische Erfahrung etwas genauer betrachten. Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden von Anfang an durch das Vorgehen und die innere Einstellung. Beim Gipfelorgasmus geht es in erster Linie darum, ein Ziel zu verfolgen. Wir wollen ihn „haben“ und „gehen dafür“, das heißt, wir steuern ihn bewusst an und tun einiges dafür, um zum Höhepunkt zu kommen. Das Erreichen eines Gipfelorgasmus wird somit zu einer linearen, zielgerichteten Aktivität, die einer mentalen Absicht bedarf, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen. Dabei wird vorausgesetzt, dass wir etwas tun müssen (was auch immer wir für nötig erachten), um das Endziel – den Höhepunkt – zu erreichen. Im Unterschied dazu entspricht eine Talerfahrung eher einer Einladung, ohne die fixe Idee, einen Orgasmus zu erwarten oder zu fordern. Es kann passieren – oder auch nicht.

Und wenn es passiert, passiert es ganz von selbst. Es geht nicht um das Endergebnis. Vielmehr ist die ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet, den Augenblick zu genießen – hier und jetzt in unserem Körper zu sein. Dadurch kann sich die sexuelle Begegnung ohne vorher festgelegte Richtung spontan entfalten.

Statt einen Orgasmus anzupeilen, sind wir einfach offen und sagen Ja zu allem, was im Körper von Moment zu Moment geschieht. Nur auf diese Weise kann sich die notwendige Sensibilität entwickeln, die eine Voraussetzung für die Erfahrung eines orgasmischen Tales ist.

Um einen Gipfelorgasmus zu erlangen, müssen wir uns normalerweise körperlich ziemlich anstrengen. Wir verfolgen dabei die Absicht, durch immer intensivere Stimulation die köstlich erregenden Empfindungen zu einem glorreichen Crescendo zu steigern. Dazu gehören ständig wiederholte mechanische Beckenbewegungen, die zum Ende hin immer schneller und schneller werden. Diese Aktivität ist erforderlich, um die Energie bis zum Höhepunkt zu steigern. Gleichzeitig wird dadurch aber eine Menge Spannung aufgebaut und die ganze Energie sammelt und komprimiert sich in den Genitalien.

Anders als bei dieser üblichen Art kann sich eine orgasmische Talerfahrung erst entfalten, wenn wir uns erlauben, weniger zu tun und mehr zu sein. Das setzt voraus, dass wir die Dinge auf eine möglichst gelassene, entspannte, geruhsame Weise angehen und sich selbst entwickeln lassen. Wir vermeiden bewusste Anstrengungen, Bewegungen oder Stellungen, die unnötige Spannung hervorrufen.

Das Eindringen des Penis in die Vagina geschieht sehr bewusst und ganz langsam, ebenso alle Beckenbewegungen. Diese Entspannung der Genitalien bei beiden Partnern begünstigt das Ausstrahlen und Ausbreiten der Energie in andere Bereiche des Körpers.

Der Gipfelorgasmus ist normalerweise eine ziemlich heiße Angelegenheit. Im Tal läuft alles viel kühler ab. Hier kann jeder einzelne lustvolle Augenblick der Erregung für sich genossen werden, immer gefolgt von einigen Minuten der Entspannung. Die Erregung wird nicht geschürt und angefacht, um zu einem Höhepunkt zu kommen, wie es beim Gipfelorgasmus der Fall ist. Durch die langsamere, weniger auf Aktivität ausgerichtete Vorgehensweise und die Achtsamkeit auf den Energiefluss wird eine innere Feinfühligkeit geweckt, die wenig mit der üblichen Stimulation und Erregung gemein hat. Durch die zunehmende Empfindsamkeit offenbart sich im Körper eine Ebene magnetischer Anregung, die sich kühl, zellaktivierend und ekstatisch anfühlt. Für diese entspannte Art des Orgasmus ist es noch nicht einmal nötig, Erregung gezielt aufzubauen. Ein weiteres Element, durch das sich Gipfel- und Talorgasmus voneinander unterscheiden, ist die Dauer des Geschehens. Ein Gipfelorgasmus dauert – an einem guten Tag – schätzungsweise zehn Sekunden. Man könnte sagen, dass dieser Höhepunkt einen ziemlich präzisen Anfang und ein ziemlich präzises Ende hat. Es ist ein Ereignis. Wir haben einen Orgasmus – oder auch nicht, je nachdem.

Im Gegensatz dazu ist der Talorgasmus ein länger andauernder Zustand, eine zeitlose Erfahrung ohne einen speziellen Anfang oder ein spezielles Ende. Er kann einige Sekunden, aber auch einige Stunden anhalten. Die Zeitdauer spielt keine Rolle, aber die Erfahrung ist immer ähnlich: Beim Talorgasmus senkt sich ein ekstatischer Friede auf uns herab, umhüllt uns, umarmt und nährt uns; wir fühlen uns, als ob wir schweben. Wir sind orgasmisch. Es handelt sich um einen erweiterten Bewusstseinszustand, nicht um ein flüchtiges Ereignis wie beim Gipfelorgasmus, der innerhalb von Sekunden wieder abgeflaut ist.

Wenn wir völlig eins sind mit den subtilen Empfindungen unseres physischen Körpers, erleben wir diese sexuelle Erfahrung als ekstatische Körperlosigkeit. Das klingt zwar widersprüchlich und paradox, funktioniert aber tatsächlich so.


Abb. 1 Biologische oder reproduktive Phase sexueller Energie.


Abb. 2 Spirituelle oder kreative Phase schöpferischer Energie.


Abb. 3 Vollständiger sexueller Energiekreis, mit zurückgeleiteter sexueller Energie, die sich spiralförmig durch die Energiezentren bewegt.

Die nach innen zurückgenommene Energie breitet sich aus und steigt im Körper orgasmisch nach oben. Statt aus dem Körper ausgestoßen und entladen zu werden, sammelt sich die Energie in unserem System und bewirkt eine Steigerung der Vitalität und Kreativität. Wenn Sex auf diese Weise gelebt wird, intensiviert und stärkt er unsere Lebenskraft. Bestimmte Hormone, die beim Sex freigesetzt werden, gelangen ins Gehirn, wo sie die Hauptdrüsen, Hypophyse und Epiphyse, versorgen. Das wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und Langlebigkeit aus – Sex verlängert so das Leben.

Beim Gipfelorgasmus bewegt sich die Energie in entgegengesetzter Richtung. Beim Höhepunkt fließt die Energie nach unten und außen, um den Bedingungen der Fortpflanzung zu entsprechen. Auf die intensive Steigung der Erregung folgt eine lustvolle Entladung der Energie, die nach unten aus dem Körper ausgestoßen wird. Dass eine Entladung stattfindet, zeigt sich am spürbaren Energieverlust des Mannes bei einem Samenerguss. Häufig ist er gereizt, nervös und fühlt Distanz zu seiner Partnerin. Viele Frauen beobachten bei sich ebenfalls einen erheblichen Energieverlust durch den Orgasmus, genau wie der Mann, obwohl sie keinen Samenerguss haben. Plötzlich ist keine Bereitschaft mehr da, Liebe zu machen, und man hat weder Energie noch Lust zum Weitermachen. Dieser Energieverlust beim Orgasmus ist die Ursache dafür, dass sich Frauen oft im Stich gelassen, einsam, traurig oder deprimiert fühlen.

Der Gipfelorgasmus wird als eine mehr oder weniger auf die Genitalien reduzierte Erfahrung erlebt, weil sich die sexuelle Energie nicht in andere Körperteile ausdehnen kann. Durch das Bemühen einen Orgasmus zu bekommen wird eine Ausdehnung der Energie geradezu blockiert; die dabei entstehende Anspannung hindert die Energie daran, sich auszudehnen. Das ganze aufgebaute Energiepotenzial geht verloren und steht nicht mehr zur Verfügung, um seine heilsame, belebende Wirkung auf Körper und Seele auszuüben.

Durch bestimmte Techniken lässt sich der Gipfelorgasmus willentlich verlängern bzw. können mehrere Orgasmen hintereinander erlangt werden. Durch die Abstimmung von Atem, Bewegung und Entspannung ist es möglich, die Energie über die automatischen Barrieren hinwegzuheben und in unbegrenzte Energiezustände zu gelangen. Um dahin zu kommen, braucht man allerdings ziemlich viel Übung und eine zielgerichtete Konzentration; jedenfalls entstehen ganz selten multiple Gipfelorgasmen aus einem entspannten Zustand.