Zeit für Weiblichkeit

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. Liebe kann in Eifersucht abgleiten und zum manipulativen Gebrauch der weiblichen Eigenschaften verführen.

. Die Freude des Nicht-Tuns und der Entspannung zu lähmender Trägheit und Untätigkeit verkommt.

. Die weibliche Anpassungsfähigkeit zeigt sich verfälscht als kollabierten Zustand.

. Der freie Ausdruck individueller Gefühle als Sentimentalität und Launenhaftigkeit.

. Intuition und hellseherische Fähigkeiten können die Grenzlinie zu Paranoia und Hysterie überschreiten.

. Die Fähigkeit Ereignisse ohne kontrollierendes Eingreifen sich entfalten zu lassen kann als unangebrachte Unentschlossenheit und Mangel an Initiative auftreten.

. Empfindsamkeit verkehrt sich zur Opferrolle oder wird in den Dienst der Angst gestellt.

. Der Sinn für Schönheit verkommt zum Festhalten an äußeren Erscheinungen.

. Der Nesttrieb wird zum zwanghaften Sicherheitsbedürfnis.

. Aus still duldender Stärke kann masochistische Abhängigkeit werden.

. Das Bewusstsein der Verbindung zum Universum jenseits aller persönlichen Grenzen kann so weit gehen, dass eine Frau zu abgedreht und unverbindlich wird, um sich persönlich abzugrenzen.

Diese Deformation der weiblichen Qualitäten sind die unbewusste Folge unserer kulturell bedingten Entfremdung von unserer authentischen Weiblichkeit und unserem essenziellen Wesen. Es sieht zwar so aus, als würde der Mann bei der üblichen Art des Geschlechtsverkehrs mehr Befriedigung erlangen als die Frau, aber in Wirklichkeit könnte er eine noch viel umfassendere, länger anhaltende Befriedigung beim Sex erleben, als er es bisher kennt. Das hat damit zu tun, dass die Ejakulation allgemein als männliche Version des Orgasmus gilt. Für die meisten Männer bedeutet Ejakulieren gleich Sex. Aber, Ejakulieren ist nicht identisch mit Orgasmus. Der Mann kann einen Orgasmus auch ohne Ejakulation und Samenerguss haben. Die Energie bleibt dadurch im Körper und kann sich orgasmisch nach oben ausbreiten, statt nach außen verloren zu gehen.

Während die Frauen Schwierigkeiten haben, überhaupt einen Orgasmus zu bekommen, haben die Männer – ironischerweise, aber durchaus nicht überraschend – mit dem genau entgegengesetzten Problem zu schaffen: Der Orgasmus (bzw. die Ejakulation!) lässt sich nicht kontrollieren, d.h. er kann weder hinausgezögert noch verhindert werden. Die Ejakulation passiert in der Regel unmittelbar nach oder kurz vor dem Penetrieren, allerhöchstens ein paar armselige Minuten später. Diese kurze Zeitspanne zwischen Penetration und Ejakulation reicht aber bei weitem nicht aus, um die sexuelle Temperatur der Frau ausreichend anzuheizen, sodass sie zum Orgasmus kommen kann.

Wenn die Frau lernt, beim Sex ihrer weiblichen Seite mehr Raum und Ausdruck zu geben und mit mehr Gelassenheit und Rezeptivität präsent zu sein, so wird sie zu ihrer eigenen Überraschung feststellen, dass dadurch die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Ejakulation des Mannes abnimmt. Sie vermag auf diese Weise erheblichen Einfluss zu nehmen und das Liebesspiel von Minuten auf Stunden auszudehnen. Sie kann ganz bewusst eine empfindsame, aufmerksame innere Atmosphäre kreieren: Dadurch hat sie es in der Hand, die gesamte Qualität der sexuellen Vereinigung zu verändern – und sie stärkt damit die eigentliche männliche Stärke. Die durch Stress entstehenden männlichen Sexualprobleme – wie Impotenz und vorzeitiges Ejakulieren – sind Symptome der herrschenden sexuellen Verwirrung und des sexuellen Informationsnotstandes, speziell was den weiblichen Körper angeht.

Wenn die Frau die Fähigkeit entwickelt, zu ihrem inneren weiblichen Pol umzuschalten und ihre rezeptiven Kräfte einzusetzen, können viele dieser sexuellen Störungen und Ursachen für Unbefriedigtsein geheilt werden. Zunächst werden die meisten Frauen das Gefühl haben, dass sie wenig Ahnung haben, wie sie zu ihrem weiblichen Pol umschalten können bzw. was das eigentlich bedeutet. In Wahrheit ist es ganz einfach, wenn man erst einmal den Dreh heraus hat, und es ist etwas absolut Natürliches. Wenn wir uns mit unseren ureigensten weiblichen Qualitäten verbinden, können wir so sein, wie wir wirklich sind, ohne etwas erzwingen oder vortäuschen zu müssen. Wir sind einfach bereit, Liebe zu empfangen.

Entspanntheit, Offenheit, Anmut und liebevolle Spontaneität sind wesentliche Qualitäten der weiblichen Energie. Die Frauen in meinen Seminaren beschreiben dieses Umschalten zu sich selbst oft als ein „Nach-Hause-kommen“ zu etwas, das sie schon immer intuitiv wussten. Einige Frauen zeigten mir ihre Trauer darüber, dass sie erst jetzt, oft viele Jahre nach einem ersten Aufblitzen der Wahrheit, erkannt haben, wie wenig Vertrauen sie in sich selbst hatten, um ihrem intuitiven Wissen zu folgen und es in Erfahrung umzusetzen.

Die intuitive Weisheit der Frau ist wie ein Diamant, den die Natur tief in ihrem Inneren verborgen hat. Die kommenden Seiten dieses Buches sind der Versuch, den Frauen zu helfen, etwas wiederzuentdecken, was sie schon immer in sich trugen – einen Kristall, der darauf wartet, das Licht der inneren Intelligenz widerzuspiegeln.

TANTRISCHE INSPIRATION

Energie kann zwei Dimensionen haben: Die eine hat eine Absicht, eine Richtung, ein Ziel. Dieser Augenblick ist nur Mittel zum Zweck, um das Ziel zu erreichen, das irgendwo anders liegt. Dies ist die eine Dimension der Energie, zielorientiert, die Dimension der Aktivität. Alles ist nur Mittel zum Zweck und muss irgendwie getan werden, damit das Ziel erreicht wird – erst dann kann man sich entspannen. Aber mit dieser Art von Energie wird das Ziel nie erreicht, denn eine solche Energie macht aus jedem gegenwärtigen Augenblick ein Mittel zu einem Zweck, der in der Zukunft liegt. Das Ziel bleibt immer am Horizont. Man läuft ihm ständig hinterher, aber die Distanz bleibt immer gleich.

Dann gibt es noch die andere Energiedimension: das unmotivierte Feiern. Hier und jetzt ist das Ziel, nicht irgendwo anders. Tatsächlich bist du das Ziel. Tatsächlich gibt es keine andere Erfüllung als diesen Augenblick – sieh die Lilien! Wenn du das Ziel bist und es kein Ziel in der Zukunft gibt, wenn es nichts zu erreichen gibt und du einfach alles feierst, dann bist du schon am Ziel, bist du bereits angekommen. Das bedeutet Entspannung – Energie ohne Absicht.

Osho, Tantra – Die höchste Einsicht

TRAINING FÜR BEWUSSTHEIT UND SENSIBILITÄT
Ruhe- und Entspannungsposition

Die ideale horizontale Position zum Entspannen geht so: Kopf, Hals und Wirbelsäule bilden eine gerade Linie, die nicht einmal ein paar Millimeter von der Achse abweichen sollte; der Kopf sollte keinesfalls zur Seite gedreht werden. Die Beine sind ausgestreckt und leicht geöffnet, die Fußknöchel nicht gekreuzt. Am besten legst du dir ein etwa 40 mal 80 Zentimeter großes, weiches Kissen oder eine eingerollte Decke unter beide Kniekehlen, damit die Knie leicht gebeugt und ganz entspannt daliegen können. Platziere ein kleines, flaches, festes Kissen oder ein gefaltetes Handtuch unter deinem Kopf. Ziehe das Kinn ein wenig in Richtung Brust, um den Nacken lang zu machen, ehe du das Kissen in Position bringst.

Es sollte dazu dienen, dass die Wirbelsäule möglichst lang gedehnt wird und der Hals nicht zu stark gekrümmt ist. Falls das Kinn zu sehr nach oben zeigt und nicht zur Brust hin geneigt ist, kannst du ein etwas dickeres Kissen nehmen oder das Handtuch stärker falten, um den Hinterkopf noch ein wenig höher zu legen. Das verlängert den Nacken und reduziert die Krümmung des Halses. Lege deine offenen Hände mit den Handflächen nach unten auf die Leistengegend, zu beiden Seiten des Schambeins. Ruhe still mit geschlossenen Augen etwa zwanzig Minuten oder länger und spüre deinen Körper von innen.

TANTRISCHE MEDITATION
Erweiterung des Bewusstseins

Während du in der oben beschriebenen Position daliegst, kannst du deine Erfahrung noch vertiefen, indem du die Augen schließt und dir vorstellst, in deinen Körper hineinzuschauen. Stelle dir vor, du würdest den Blick umkehren und mit den Augen nach innen in den Körper hinunterschauen, bis zu den Genitalien. Atme tief und langsam in den Bauch, sodass der Atem dein Inneres massiert und bis zu den Genitalien geht.

Bringe die Aufmerksamkeit immer wieder in den Körper und seine Empfindungen zurück. Wenn ablenkende Gedanken auftauchen, schiebe sie bewusst beiseite. Lass sie einfach davonschweben und kehre wieder zum Körper zurück. Tauche ein in deinen Körper, sodass sich das Gefühl einstellt, dass du tief im Körper ruhst, in deinem Selbst badest. Lass deine Aufmerksamkeit innerlich zu jenen Stellen wandern, wo du warme, prickelnde Empfindungen und feine Vibrationen spürst, und verschmelze damit.

Wenn sich dieses Eintauchen in die Sinne in dir verankert, wirst du an einem bestimmten Punkt das Gefühl für deine körperlichen Grenzen verlieren. Vielleicht erlebst du dich leicht wie eine Feder, in goldenes Licht getaucht, dahinschwebend im Meer des Bewusstseins. Du bist, und gleichzeitig bist du nicht. Auf diese Weise kannst du dein Bewusstsein immer weiter ausdehnen, bis es alle deine Zellen durchdringt. Wenn die Zellen vom Bewusstsein berührt werden, verändern sie sich; ihre Beschaffenheit verändert sich.

Du kannst dir den Wecker stellen, um die Zeit festzulegen, die du dieser Erfahrung widmen willst, kannst es aber auch deiner inneren Uhr überlassen, die dich nach einer gewissen Zeit zum normalen Bewusstsein zurückholen wird. Du wirst sehen, dass du jedes Gefühl für die Zeit verlierst. Nach dieser Erfahrung wirst du dich erfrischt und verjüngt fühlen, als hättest du direkt von der Quelle des Lebens getrunken. Diese Meditation ist vor allem abends vor dem Einschlafen sehr heilsam, aber auch jederzeit während des Tages, wenn du Energie auftanken möchtest.

 

2. Kapitel
Orgasmus als spirituelle Erfahrung

WAHRSCHEINLICH HABEN SICH DIE MEISTEN von uns noch keine allzu großen Gedanken gemacht, woher das Wort „Orgasmus“ kommt und was es eigentlich bedeutet. Das Wort stammt vom lateinischen Wort orgia, mit dem eine heidnische religiöse Zeremonie bezeichnet wurde, bei der die Menschen in einen ekstatischen Zustand gelangten. Sie wurden dabei so ekstatisch, dass ihre Körper von überströmender göttlicher Energie erfüllt waren und sie in zeitloser Glückseligkeit aufgingen.

Das Wort „Orgasmus“ erinnert uns also auf der sprachlichen Ebene an unsere eigenen, bis in die Frühzeit zurückreichenden Wurzeln, als die Menschen in großen Gruppen zusammenkamen, um in gemeinsamen Ritualen einen Zustand der Ekstase herbeizuführen. Das Zelebrieren von orgia war ein Weg, um Mutter Erde zu huldigen, ihr die Dankbarkeit zu erweisen und das Wunder ihrer Schöpfung zu feiern. Mit einfachen Tanzschritten und Gesängen zum rhythmischen Schlagen der Trommel wurde tagelang ohne Unterbrechung gefeiert, bis alle trunken waren von göttlicher Ekstase und glückselige Zustände erhöhter Sinnlichkeit und Empfindsamkeit erlebten. Wer an diesen Zeremonien teilnahm, kam verjüngt und überfließend vor Liebe und Lebenslust daraus hervor.

Heute haben wir wenig Gelegenheit für die Erfahrung von orgia. Die ganze Betonung hat sich weg vom physischen Körper, hin zum Intellekt verlagert. Statt Energie bei gemeinsamem Tanzen und Singen auszutauschen, trifft man sich heute lieber in größeren oder kleineren Gruppen, um Gedanken auszutauschen; es wird diskutiert, argumentiert oder über alles Mögliche getratscht. Wir haben die Verbindung zu unserer körperlichen Empfindsamkeit weitgehend verloren und unsere Körper reagieren wie auf Sparflamme. Dadurch bleibt beim sexuellen Austausch ein erfüllender Orgasmus häufig auf der Strecke.

Im sinnlich reduzierten, kopflastigen Klima unserer Zeit hat die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ihre naturgegebenen heilenden und regenerierenden Kräfte eingebüßt. Beide Geschlechter sind somit von der beseligenden spirituellen Verbindung abgeschnitten, die ihnen einstmals durch die sexuelle Verschmelzung über den Körper regelmäßig zugänglich war.

Wir Menschen können erst dann hoffen, das gesellschaftliche Klima auf eine wirklich positive Weise zu beeinflussen und zu verändern, wenn im sexuellen Bereich eine drastische, radikale Neuorientierung eintritt, eine „sexuelle Re-Evolution“. Die in den letzten Jahrtausenden unserer Zivilisation vorherrschende Unterdrückung und Verdrängung der natürlichen, gesunden Sexualität hatte viele krankmachende Auswirkungen auf die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau, die ein so wunderbarer, natürlicher Ausdruck von Liebe sein könnte. Es lässt sich heute mit Gewissheit sagen, dass die Ursachen der meisten psychosozialen Störungen ebenso wie der Gewalttätigkeit im sexuellen Bereich liegen – genauer gesagt, in der sexuellen „Unterversorgung“ bzw. im Mangel an tiefen, befriedigenden, nährenden, erhebenden Erfahrungen im Sex.

So wie es aussieht, krankt unsere ganze Gesellschaft am Sex, aber nicht der Sex an sich ist krank, sondern unser Denken über Sex. Die ganze Psychologie der Menschen rund um das Thema Sex ist verkorkst, ungesund, geradezu vergiftet. Das Ausmaß sexuellen Missbrauchs jeder Art, der Tag für Tag, Minute für Minute an irgendeinem Ort stattfindet, legt ein überaus schmerzvolles Zeugnis für den sexuellen Notstand unserer Gesellschaft ab.

Durch übliche falsche Informationen wird die sexuelle Energie unbewusst auf Sparflamme gehalten und die schöpferische Kraft des Menschen beschnitten. Die vorherrschende Unwissenheit über das wahre Wesen des sexuellen Energieaustausches zwischen Mann und Frau führt dazu, dass Sex heutzutage nur noch selten als ganzheitlicher Ausdruck seines spirituellen, regenerierenden Potenzials erlebt wird.

Es mag auf den ersten Blick nicht einsichtig sein, warum sexuelle Perversion, sexueller Missbrauch, Gewalttätigkeit und Krieg in direktem Zusammenhang mit dem Mangel an erfüllenden, nährenden orgasmischen Erfahrungen stehen, aber ganz sicher hat die Unterdrückung dieses wesentlichen Aspektes unserer Natur zu all diesen unerfreulichen Erscheinungen entscheidend beigetragen. Aufgrund der Missverständnisse über die Bedeutung der Sexualität, die über die reine Fortpflanzung hinausgeht, kann sich eine Frau leicht gezwungen sehen, ein liebloses, gefühlloses, aggressives Sexleben als gegeben hinzunehmen.

In dem aufrichtigen Wunsch, Kinder zu gebären und liebevoll für ihre Familie zu sorgen und sie zu ernähren, widmen sich zahllose Frauen all diesen Dingen mit ganzem Herzen, ohne jemals aus der regenerierenden, beseligenden Erfahrung des Orgasmus neue Kraft schöpfen zu können. Der gleiche Mangel an sexueller Erfüllung herrscht aber auch bei den Männern. Die meisten von ihnen glauben selbst nach einem langen Leben sexueller Erfahrungen, dass Ejakulation dasselbe sei wie Orgasmus – was aber, wie bereits erwähnt, ein Trugschluss ist.

Der biologische Mechanismus, durch den sich Leben hier auf Erden fortpflanzt, ist zweifellos die Basis der Sexualität. Ohne biologischen Sex würde das Leben, wie wir es kennen, ein Ende haben. Bei fast allen tierischen und pflanzlichen Lebensformen vereinigen sich das männliche und das weibliche Element, um neues Leben hervorzubringen. Manchmal befinden sich die beiden Elemente in zwei getrennten Lebewesen, manchmal nicht. Manchmal bedarf es einer körperlichen Vereinigung, manchmal nicht. Wie auch immer das Wunder der Befruchtung stattfinden mag: Sex hat die Funktion, neues Leben zu erschaffen und das kollektive Leben der Spezies fortzusetzen.

Der sexuelle Vorgang durchdringt mit einer erstaunlichen Totalität und Bedingungslosigkeit sämtliche Ebenen des Lebens in all seinen Erscheinungsformen, um den Fortbestand der Arten zu sichern. Auch wenn es nichts Neues ist: Die menschliche Fortpflanzung wird für immer das Ehrfurcht gebietendste aller Wunder sein. Die Unschuld, Unversehrtheit und zarte Vollkommenheit des keimenden, durchscheinend leuchtenden, neuen Lebens berührt, fasziniert und wärmt unser Herz auf die wunderbarste Art und Weise.

Die Fähigkeit, einen neuen Menschen zu erzeugen, ist aber nur der biologische Grundausdruck unserer Sexualität, unser sogenanntes „tierisches Erbe“, und als solches beruht er auf einer abwärts gerichteten Energiebewegung. Der männliche Same wird durch die Ejakulation ausgestoßen (unabhängig davon, ob die Frau einen Orgasmus hat oder nicht). Darauf folgen die Verschmelzung mit dem weiblichen Ei und dessen Befruchtung – und damit wird ein neues Leben erzeugt, das verschieden ist von den beiden Leben, die es hervorgebracht haben.

Die Sexualität des Menschen beinhaltet jedoch sehr viel mehr als nur diese körperliche Funktion der Fortpflanzung. Die Natur hat uns das beglückende Mysterium der sexuellen Vereinigung nicht geschenkt, damit der Mann möglichst schnell seinen Samen los wird und die Frau kontinuierlich schwanger ist. Beim Menschen hat die Sexualität auch noch eine höhere Dimension. Die Vereinigung von Mann und Frau bedeutet mehr, als es auf den ersten Blick erscheint.

Das Aufsteigen der sexuellen Energie

Der Mensch ist so beschaffen, dass er erweiterte Bewusstseinszustände erfahren kann, glückselige Erfahrungen des Einsseins mit der ganzen Schöpfung. Diese orgasmische Fähigkeit unterscheidet uns von unseren Freunden im Tierreich (mit Ausnahme der Delfine, von denen bekannt ist, dass sie beim Liebesspiel höhere Energiezustände erleben). Unser Körper hat die angeborene Fähigkeit, sich durch das Sexzentrum energetisch auszudehnen, und wenn dies auf die richtige Weise geschieht, führt diese Ausdehnung zu erweiterten Bewusstseinszuständen – Tälern ekstatischer Entspannung und Gipfeln orgasmischen Ausdrucks.

Das Wirken der aufsteigenden Sexualkraft ist im Westen relativ unbekannt und nur von wenigen Menschen erforscht worden. Wenden wir uns aber dem Osten zu, dann finden wir dort viel ältere Kulturen, deren Heilkundige diese Energiepraktiken zum Wohle der Gesundheit und Langlebigkeit den Menschen beibrachten. In Indien und in China hatten die alten religiösen Kulturen das spiralförmige Aufsteigen der Energie als spirituellen Aspekt der Sexualität erkannt und als geheiligte Form des Sex kultiviert.1 Wenn diese Energie zum vertikalen Aufsteigen gebracht wird, ist sie Ausdruck einer höheren, regenerierenden Form der Sexualität. Dann entfaltet der Sex seine schützende Wirkung auf den ganzen Körper und wird zu einer verjüngenden, Leben spendenden Kraft im Menschen.

Dieser regenerierende Sex ist in Absicht und Funktion das ziemlich genaue Gegenteil des biologischen Sex. Es besteht keine biologische Notwendigkeit, den Samen auszustoßen (damit er auf ein Ei trifft). Es entsteht kein neues Lebewesen, sondern die sexuelle Energie wird stattdessen bewahrt und bleibt den Beteiligten erhalten, was eine Steigerung der Lebenskraft bewirkt. Auf diese Weise erneuert sich das bereits vorhandene Leben: Mann und Frau fühlen sich energetisiert und bereichert, voller Liebe und Freude.

Diese nach innen und oben gerichtete Energiebewegung geschieht beim regenerierenden Sex ganz von selbst durch das Ausrichten und Harmonisieren des Energieflusses zwischen den männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen. Die Energie bewegt sich entsprechend der angeborenen geschlechtlichen Polarität, über die wir im 4. Kapitel ausführlicher sprechen werden. Gemeinsam generieren die Geschlechtsorgane einen biomagnetischen Energiestrom, der durch innere Kanäle aufsteigt und schließlich die endokrinen „Meisterdrüsen“ im Gehirn erreicht, womit er zum Ursprung sämtlicher hormoneller Informationen, die der Körper von dort erhält, zurückkehrt.

Diese Drüsen, insbesondere die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und die Zirbeldrüse (Epiphyse), sind für die Sexualfunktion zuständig.2 (Bei einem hohen Grad an hormoneller Reinigung ist unser Körper sogar in der Lage, wohlriechende Duftstoffe freizusetzen.) Die Hirnanhangsdrüse liegt zwischen den Augenbrauen oberhalb der Stirnhöhle im Kopfinneren. Sie ist die übergeordnete endokrine Steuerungsdrüse und reguliert das Wachstum, die Funktionen der Geschlechtsdrüsen, der Nebennieren und der Schilddrüse. Diese Drüse steuert das Vorderhirn, das Sehvermögen und das rechte Auge und gilt als der „Sitz“ von Liebe, Mitgefühl, Erkenntnis, Menschenliebe und Hingabe. Sie spielt auch eine wichtige Rolle für die Intelligenz und das Begriffsgedächtnis, das wir zum Lesen, Denken und Studieren benötigen. Ihr benachbart ist die Zirbeldrüse, die über dem Mittelhirn in Richtung Scheitel liegt und deren Funktionen die Sensibilität und den sexuellen Zyklus betreffen.

Die Zirbeldrüse steuert das Rautenhirn und ist zuständig für den Hörsinn, die Körperrhythmen, den Gleichgewichtssinn und die Wahrnehmung des Lichts durch Augen und Haut. Für all diese Funktionen, die wir so selbstverständlich nehmen, erweist es sich eindeutig als Vorteil, wenn diese Steuerungsdrüsen durch das Kanalisieren der sexuellen Energie – unserer Lebenskraft – aktiviert und genährt werden. Die nach oben gerichtete Energiespirale erzeugt eine Vitalität, die vom ganzen Wesen ausstrahlt. Man fühlt sich bis in jede Zelle durchdrungen von Zufriedenheit, Liebe und Frieden. Wird Sex auf diese Weise gelebt, bringt er einen enormen Zuwachs an Energie, Kraft und Vitalität. Energie geht nicht mehr verloren, sondern wird sogar zusätzlich generiert. Dadurch wird das Immunsystem gestärkt, Lebenskraft und Kreativität werden in vielfacher Hinsicht intensiviert.

Durch das Kreieren dieser regenerierenden Energie können Frau und Mann ihr eigenes Leben verlängern, statt sich einfach nur fortzupflanzen, wie es durch die nach unten gerichtete Energiebewegung bei der Empfängnis bzw. Zeugung geschieht. Die Natur hat uns das Geschenk der sexuellen Vereinigung gegeben, damit wir die Beschränkungen durch unsere physischen Grenzen auflösen und uns selbst als vibrierende schwebende Lichtbündel der Liebe erleben können. Eine solche regenerierende sexuelle Erfahrung erhält den Menschen jung, abenteuerlustig und offen für alles, was das Leben bereithält.

Es erscheint unglaublich, dass diese spirituelle Dimension des Orgasmus – das erfüllendste Geschenk, das wir Menschen zur Verfügung haben – in einer Zeit, da die Menschheit mit ihrer hoch entwickelten Technologie alle äußeren Gebiete erforscht hat, immer noch total unerforscht geblieben ist. Trotz unseres enormen technischen Fortschritts tappen wir auf sexuellem Gebiet immer noch im Dunkeln, gefesselt von unserer Unwissenheit und Selbstgefälligkeit. Wir bilden uns ein, allein aufgrund der Tatsache, dass wir Frau oder Mann sind, bereits automatisch alles über den Sexakt zu wissen. Aber wie erklärt es sich dann, dass die meisten Frauen so wenig über ihren Körper wissen und von ihrem enormen sexuellen Potenzial keine Ahnung haben? Vielleicht wurde ihnen in der Vergangenheit dieses Wissen absichtlich vorenthalten, um sie zu bereitwilligen Sklavinnen der Befriedigung männlicher Gelüste zu machen.

 

Die Frauen finden es aber kaum überraschend, dass die heutigen Männer noch viel weniger als sie selbst über den weiblichen Körper wissen – genauso wenig wie über ihren männlichen. Frauen haben von alters her einen leichteren Zugang zum intuitiven Wissen – die sogenannte „weibliche Intuition“ –, während die meisten Männer viel schwerer an ihre eigene innere Wahrheit herankommen. Aufgrund ihrer Fähigkeit, nach innen zu schauen (und nach innen zu fühlen) sollten die Frauen es deshalb selbst in die Hand nehmen, Raum für den regenerierenden Sex und die daraus erblühende Liebe zu schaffen.

Ohne die Mitwirkung der Frau ist es praktisch unmöglich, die sexuelle Vereinigung als göttliche Erfahrung zu erleben. Die unsensible Behandlung und der Missbrauch der Frau durch den Mann über viele Generationen hinweg haben zu der Situation geführt, dass der Geschlechtsverkehr den Frauen mehr oder weniger lieblos aufgezwungen wurde. Wenn ein Mann des Öfteren in den Körper einer Frau eindringt, obwohl sie noch nicht wirklich dazu bereit ist, wird die Frau allmählich die Lust am Sex verlieren. Ein gewisser Widerwille und sogar Ekel kann sich einstellen, und mit der Zeit machen viele Frauen zu und wenden sich schließlich ganz vom Sex ab, sofern es ihnen ihre Situation erlaubt. Ist der Geschlechtsverkehr unvermeidbar, dann werden sie oft zu wahren Meisterinnen im Aushalten und Erdulden der paar Minuten bis zur Ejakulation des Mannes. Hat die Frau erst einmal resigniert, weil ihr die sexuelle Befriedigung versagt bleibt, dann ist sie geradezu dankbar, wenn der Mann vorzeitig ejakuliert. Ihr bleibt dann zumindest die Gewissheit, dass das Ganze schnell vorbei ist.

Der Mann hat seine männliche Qualität eingebüßt, mit dem Körper der Frau so einfühlsam zu kommunizieren, dass ein Dialog entsteht. Er weiß nicht mehr, wie er sie energetisch so öffnen kann, sodass sie das Penetriertwerden mit ihrem ganzen Wesen willkommen heißt. Die Männer haben sich so sehr daran gewöhnt, dass die Frauen sich nach ihnen richten und sie einfach gewähren lassen, dass sie gar nicht mehr wissen (oder es noch nie erlebt haben), wie sich der Geschmack und das Flair eines gemeinsamen sexuellen Erlebens anfühlt.

Wenn die männliche und weibliche Sexenergie in Balance ist und die Frau mit leidenschaftlicher Sinnlichkeit mitmacht, dann verwandelt sie die ganze Erfahrung in einen wellenförmig auf- und wieder abklingenden, dynamischen Tanz der beiden Körper. Eine solche Erfahrung kann dem Mann das Gefühl vermitteln, dass er ein wertvoller Vertreter der männlichen Spezies ist. Viele Männer erleben sich dann zum ersten Mal in ihrem Leben richtig als Mann.