Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

66

Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften besteht die Möglichkeit, beim Gesamtkostenverfahren die Posten „Umsatzerlöse“, „Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen“, „andere aktivierte Eigenleistungen“, „sonstige betriebliche Erträge“ und „Materialaufwand“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 1-5 HGB) zu dem Posten „Rohergebnis“ zusammenzufassen (§ 276 S. 1 HGB). Für das Umsatzkostenverfahren können analog die Posten „Umsatzerlöse“, „Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen“, „Bruttoergebnis vom Umsatz“ und „sonstige betriebliche Erträge“ zusammengefasst werden (§ 275 Abs. 3 Nr. 1-3 und 6 HGB). Ferner können für kleine Kapitalgesellschaften die in § 277 Abs. 4 S. 2 und 3 HGB geforderten Erläuterungen zu den „außerordentlichen Erträgen“ und „außerordentlichen Aufwendungen“ gem. § 276 S. 2 HGB entfallen. Die Kleinstkapitalgesellschaften sind von dieser Vereinfachung ausdrücklich ausgenommen, da für sie § 275 Abs. 5 HGB gilt. Für sie besteht die Möglichkeit, die GuV nach den Posten „Umsatzerlöse“, „sonstige Erträge“, „Materialaufwand“, „Personalauswand“, „Abschreibungen“, „sonstige Aufwendungen“, „Steuern“, und „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ zu staffeln.

67

§ 277 HGB enthält wesentliche Definitionen der Begriffe „Umsatzerlöse“ (Abs. 1), „Bestandsveränderungen“ (Abs. 2), „außerplanmäßigen Abschreibungen“ (Abs. 3) sowie der „außerordentlichen Erträge“ und der „außerordentlichen Aufwendungen“ (Abs. 4).[32] Die seit der Einführung des BilMoG erforderlichen Erträge bzw. Aufwendungen aus der Ab- bzw. Aufzinsung von Vermögensgegenständen und Schulden sind gem. § 277 Abs. 5 HGB in den korrespondierenden Positionen des Zinsergebnisses auszuweisen. Erträge bzw. Aufwendungen aus der Währungsumrechnung sind ebenfalls in den korrespondierenden Posten „sonstige betriebliche Erträge/Aufwendungen“ auszuweisen. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag sind nach § 278 Abs. 1 HGB auf Grundlage des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns zu berechnen. Da ein solcher Beschluss in aller Regel zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses noch nicht abschließend vorliegt, ist alternativ auf den Vorschlag zur Gewinnverwendung[33] abzustellen. Weicht ein später folgender Beschluss von diesem Vorschlag ab, so muss eine Änderung des Jahresabschlusses nicht erfolgen.[34]

2.2 Anhang

68

Im Rahmen der Umsetzung des Art. 2 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie (BiRiLiG) wurde der Anhang neu in das Rechnungslegungsrecht für AG eingeführt.[35] Er stellt dabei eine Verselbstständigung des ehemaligen Erläuterungsberichts des Geschäftsberichts dar. Die nach heutigem Recht geltenden, in § 160 AktG statuierten „Vorschriften zum Anhang“ ergänzen für die AG und SE die Bestimmungen der §§ 284-288 HGB und überführen somit den Ergänzungsbericht des früheren Geschäftsberichts in den Anhang. Neben Bilanz und GuV ist er Teil des Jahresabschlusses (§ 242 HGB i.V.m. § 264 Abs. 1 S. 1 HGB) und unterliegt damit auch der Generalnorm des Jahresabschlusses, wonach er ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair view) der Kapitalgesellschaft bzw. der SE zu vermitteln hat.. Gem. § 284 Abs. 1 HGB sind in den Anhang diejenigen Angaben aufzunehmen, die zu den einzelnen Posten der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung vorgeschrieben sind oder die im Anhang zu machen sind. Bsp. für eben genanntes Wahlrecht finden sich für die Entwicklung des Anlagevermögens (Anlagengitter, Anlagenspiegel) in § 286 Abs. 2 HGB oder für einzelne Posten der aktienrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung in § 158 Abs. 1 S. 2 AktG. Die Pflichtangaben für den Anhang sind in den §§ 284 Abs. 2, 285 HGB statuiert.

69

Die Berichterstattung im Anhang hat zu unterbleiben, soweit dies für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist (§ 286 Abs. 1 HGB). Die Punkte 9 und 16 können gem. § 286 Abs. 2 und 3 HGB bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bei allen Kapitalgesellschaften unterbleiben. Seit der Änderung durch das VorstOG[36] müssen alle börsennotierten Gesellschaften die Vorstandsbezüge offenlegen, die Regelung des § 285 Nr. 9a und b HGB gelten somit nur für nicht börsennotierte Unternehmen. Jedoch kann gem. § 286 Abs. 5 HGB die Hauptversammlung der AG bzw. SE mit einer Dreiviertel-Mehrheit den Beschluss fassen, auf die individualisierte Offenlegung zu verzichten. Dieser Beschluss kann für höchstens fünf Jahre gefasst werden und wird als Opting-out-Klausel bezeichnet.

70

§ 288 HGB gibt einen Überblick über Angaben, die von kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften nicht beachtet werden müssen. Kleine Kapitalgesellschaften können danach gem. § 288 Abs. 1 HGB auf bestimmte Angaben und Darstellungen verzichten. Mittelgroße Kapitalgesellschaften können gem. § 288 Abs. 2 HGB auf die Aufgliederungen der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereich und nach geographischen Märkten verzichten. Für Kleinstkapitalgesellschaften finden sich die entsprechenden Regelungen in § 264 Abs. 1 S. 5 HGB. Sie brauchen hiernach keinen Anhang zu erstellen, wenn die erforderlichen Angaben zu den Haftungsverhältnissen und den sonstigen finanziellen Verpflichtungen (§§ 251, 268 Abs. 8 HGB), zu an Organe gewährten Vorschüssen und Krediten (§ 285 Nr. 9c HGB) und bei AGs bzw. SEs die Angaben zu eigenen Aktien gem. § 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG unter der Bilanz gemacht werden.

71

Liegen gem. § 264 Abs. 2 S. 2 HGB „besondere Umstände“ vor, die dazu führen, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Umständen entsprechendes Bild i.S.d. § 264 Abs. 1 HGB nicht vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen. Bei börsennotierten AG bzw. SE haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft in einem solchen Fall schriftlich zu versichern, dass der Anhang entsprechende zusätzliche Angaben enthält (§ 264 Abs. 2 S. 5 HGB).

72

Die ergänzenden Vorschriften zum Anhang für AGs sind in § 160 AktG verankert, Abs. 1 schreibt vor, dass im Anhang bestimmte Angaben zu den Aktien zu machen sind.

Somit muss auch die SE im Anhang Angaben machen über Bestand, Zugang oder Verwertung von sog. Vorratsaktien,[37] die ein Aktionär für Rechnung der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens übernommen hat (Nr. 1). Über den Bestand an eigenen Aktien sind ebenfalls Angaben zu machen (Nr. 2). Zahl und Nennbetrag einzelner Aktiengattungen, die sich nicht bereits aus der Bilanz ergeben, müssen ebenfalls genannt werden (Nr. 3), ebenso genehmigtes Kapital (Nr. 4), die Anzahl der Wandelschuldverschreibungen (Nr. 5), Genussrechte, Besserungsscheine und Ähnliches (Nr. 6), wechselseitige Beteiligungen (Nr. 7), Bestehen von Beteiligungen (Nr. 8). Für Kreditinstitute sei auf die Sondervorschriften des § 340c Abs. 3 HGB verwiesen.

7 › II › 3. Lagebericht

3. Lagebericht

73

Während Bilanz, GuV und Anhang i.S.d. § 264 Abs. 1 S. 1 HGB eine Einheit bilden,[38] ist der Lagebericht nicht Teil des Jahresabschlusses, sondern steht eigenständig neben diesem. Gleichwohl sind beide innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Geschäftsjahres aufzustellen (§ 264 Abs. S. 2 HGB). Ausgenommen sind kleine Kapitalgesellschaften bzw. SE gem. §§ 264 Abs. 1 S. 4, 267 Abs. 1 HGB. Sie müssen den Jahresabschluss erst innerhalb der ersten sechs Monate aufstellen und brauchen ihn nicht um einen Lagebericht zu ergänzen.

74

Für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ergibt sich die Pflicht zur Aufstellung eines Lageberichts aus § 340a Abs. 1 HS 2 bzw. § 341a Abs. 1 HGB.

75

Gem. § 264 Abs. 1 HGB haben mittelgroße und große Kapitalgesellschaften einen Lagebericht aufzustellen, solange sie als Tochterunternehmen nach § 264 Abs. 3 bzw. § 264b HGB nicht von dieser Pflicht befreit sind.

76

Börsennotierte AG und SE sind dazu verpflichtet, im Lagebericht auch auf die Grundzüge des Vergütungssystems des Vorstands (Vergütungsbericht) einzugehen (§ 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB). Ebenso werden nach Abs. 4 für börsennotierte AG und SE detaillierte Angaben über Gattung und Verwendung der ausgegebenen Aktien sowie die damit verbundene Stimmrechtsausübung verlangt. § 289a HGB verlangt für diesen Kreis der Unternehmen auch Angaben zur Unternehmensführung im Anhang.

77

Die Berichterstattung im Lagebericht dient verschiedenen Zwecken: Neben dem Jahresabschluss ist der Lagebericht gem. § 289 HGB ein eigenständiger Teil im Rahmen der jährlich zu erfolgenden Rechenschaftslegung.[39] Dabei kommt ihm sowohl eine Informations- als auch eine Rechenschaftsfunktion zu.[40] Die Intention und Bedeutung dieser Aufgaben wird dadurch ersichtlich, dass der Lagebericht als Ergänzung zum Jahresabschluss dient.[41] Der Jahresabschluss ermöglicht seinen Adressaten nur einen beschränkten Einblick in die tatsächliche Lage der Gesellschaft. Dies wiegt umso mehr, als keine Erläuterungspflicht für alle wesentlichen Posten des Jahresabschlusses besteht.[42] Gesetzlich normiert ist die Erläuterungsfunktion des Lageberichtes in § 298 Abs. 1 S. 3 HGB; hiernach hat der Lagebericht „die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern“. Daraus leitet sich ab, dass beim Jahresabschluss die Darstellung relevanter Kennzahlen und Sachverhalte im Vordergrund steht, deren Analyse und Erläuterung hingegen Aufgabe des Lageberichtes ist.[43]

 

78

Im Lagebericht sind sämtliche Vorgänge aufzuführen, die die wirtschaftliche Gesamtbeurteilung der Gesellschaft berühren. Dabei haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft auch ihr persönliches Urteil – unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, technischer, rechtlicher, sozialpolitischer und makroökonomischer Aspekte – über den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis, die Lage und die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens abzugeben. Die Darstellung hat dabei so zu erfolgen, dass sie ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt (§ 289 Abs. 1 S. 1 HGB).

79

Inhaltlich gibt es keine Begrenzung des Lageberichts; § 289 HGB regelt nur seinen Mindestumfang. Demzufolge kann er um freiwillige Angaben erweitert werden. Die Angaben zum Jahresabschluss sind für jedes Geschäftsjahr erneut vorzunehmen. Direkte bzw. indirekte Verweise auf frühere Geschäftsjahre stellen einen Verstoß gegen die Berichtserstattungspflicht des § 289 Abs. 1 HGB dar und sind daher zu unterlassen.[44] Der Lagebericht muss als solcher gekennzeichnet sein, damit er vom Jahresabschluss und hier insbesondere vom Anhang sowie einer anderen ggf. vorliegenden Berichterstattung unterschieden werden kann. Diese Kennzeichnung ist insbesondere für die Adressaten der Rechnungslegung wichtig, da nur so unterschieden werden kann, ob es sich um Informationen handelt, die im Rahmen der Jahresabschlussprüfung geprüft und für richtig gefunden worden sind. An welcher Stelle der Lagebericht im Rahmen der jährlichen Rechenschaftslegung zu platzieren ist, wird vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Orientiert man sich am Wortlaut des § 264 Abs. 1 HGB, so würde eine Platzierung hinter Bilanz, GuV und Anhang als richtig erscheinen. In der Praxis ist es demgegenüber häufig üblich, den Lagebericht an den Anfang der Berichterstattung zu stellen. Generell sind jedoch beide Wege als zulässig anzusehen.[45] Der Lagebericht ist – wie der Anhang – in deutscher Sprache und in EUR aufzustellen. Im Unterschied zum Jahresabschluss bedarf es beim Lagebericht nicht der Unterzeichnung durch das Geschäftsführungsorgan.[46]

80

Die Vorschriften über den Inhalt des Lageberichts teilen sich nunmehr in fünf Teilbereiche auf:

3.1 Darstellung und Analyse von Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage der Gesellschaft unter Einbeziehung wesentlicher Leistungsindikatoren (§ 289 Abs. 1 HGB)

81

Aus den Angaben Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage der Gesellschaft muss hervorgehen, wie das Geschäftsjahr aus Sicht der Gesellschaft verlaufen ist und wie sich die wirtschaftlichen Chancen und Risiken am Abschlussstichtag darstellen.[47] Es ist ferner ein Überblick über die gesamtwirtschaftliche und branchenbezogene Entwicklung zu geben. Hierbei sollte auch angegeben werden, inwieweit die Gesellschaft auf die Entwicklungen bzw. Veränderungen im abgelaufen Geschäftsjahr reagiert hat und ggf. welche Maßnahmen in Zukunft erforderlich sein werden.[48] Als Gegenstand für die Berichterstattung können sich die jeweiligen Funktionsbereiche des Unternehmens eignen.[49] In Bezug auf den Beschaffungsbereich sollte dabei die Versorgungslage sowie auf die RHB- und Energiekosten eingegangen werden. Hinsichtlich des Produktionsbereiches sind neben möglichen Änderungen und Erweiterungen des Produktionsprogramms auch wesentliche Investitionen in Anlagen und Maschinen und der Beschäftigungsgrad von Interesse. Bei Aussagen zum Absatzbereich ist auf die Aufgliederung des Umsatzes nach Tätigkeitsbereichen und geographisch bestimmten Märkten zu achten, die bereits gem. § 285 S. 1 Nr. 4 HGB im Anhang anzugeben ist. Hier kommen daher Veränderungen der Marktanteile, der Wechselkurse oder von Exportbeschränkungen für die Berichterstattung in Frage. Um ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse zu zeichnen, ist i.d.R. auf die Bereiche Finanzierung und Investition einzugehen. Hierfür eignen sich insbesondere eine Cashflow-Rechnung (bezogen auf das vergangene Geschäftsjahr) oder ein Finanzplan (bezogen auf die Zukunft). Ferner kommen Angaben über wesentliche Ereignisse im Geschäftsjahr in Frage, wenn diese für den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung waren.[50]

82

Der Lagebericht ist außerdem um eine Analyse zu erweitern, die über die Darstellung des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und Lage der Gesellschaft hinausgeht. Die Breite und Tiefe der Analyse wird dabei wesentlich von der Größe der Gesellschaft und der Komplexität der Geschäftstätigkeit abhängen.[51] Eine einfache Jahresabschlussanalyse auf Basis von Kennzahlen wird daher oftmals nicht weit genug gehen. Die Analyse gem. § 289 Abs. 1 S. 2 HGB muss daher mehr erklären als ein Unternehmensexterner ohnehin schon durch einfache Division diverser Bilanz- und Ergebnisposten selbst erfährt. Vielmehr gilt es hier, das Zahlenwerk des Jahresabschlusses um verbale, wirtschaftliche und marktpolitische Erklärungen zu ergänzen. Hinzukommen muss eine Investitionsanalyse, die auf die Zusammensetzung des Vermögens und die Dauer der Vermögensbildung eingeht sowie eine Finanzierungsanalyse, die Fristigkeiten berücksichtigt und die Innenfinanzierungskraft bzw. Verschuldungsfähigkeit der Gesellschaft erkennen lässt.[52]

83

§ 289 Abs. 1 S. 3 HGB verlangt die Angabe bedeutsamer finanzieller Leistungsindikatoren sowie deren Erläuterung unter Bezugnahme auf den Jahresabschluss. Hierunter fallen bspw. die Ergebnisentwicklung, Ergebniskomponenten, Zahlungsunfähigkeit und Kapitalausstattung. Der Lagebericht hat bei deren Analyse ergänzende Hinweise zum Jahresabschluss zu geben; gleichzeitig sollte jedoch eine Doppelung der Angaben vermieden werden.[53]

3.2 Prognose- und Risikoberichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft (§ 289 Abs. 1. S. 4 HGB)

84

Bei der Berichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung stellt sich zunächst die Frage nach dem Prognosezeitraum. Da es keine explizit aussagekräftige gesetzliche Norm gibt, ist hier auf die h.M.[54] abzustellen, die i.d.R. für den Einzelabschluss einen Zwei-Jahreszeitraum als sinnvoll erachtet. Auf Ebene des Konzernlageberichts ist durch den neuen DRS 20 „Konzernlagebericht“ die auch hier bisher als geltend angesehene Zweijahresfrist auf ein Jahr, bei gleichzeitig erhöhten Anforderungen an die Prognosegenauigkeit, angepasst worden.[55]

Auch für den Inhalt der Berichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung gibt es keine gesetzlich normierten Grundsätze. Durch die Einbindung in den 1. Abs. des § 289 HGB wird jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber eine Stellungnahme zur voraussichtlichen Entwicklung der VFE-Lage[56] sowie wesentlicher Funktionsbereiche und Eckdaten (Finanzierung, Belegschaft, Umsatz, Kosten, Geschäftsergebnis etc.) des Unternehmens verlangt.[57]

85

Die voraussichtliche Entwicklung ist mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken darzustellen. Erwartet wird hier eine gleichwertige und ausgewogene Darstellung. Das Vorsichtsprinzip des Jahresabschlusses gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ist hier nicht anzuwenden, da vermieden werden soll, dass ein zu positives oder ein zu negatives Bild von der Unternehmenslage gezeichnet wird. Eine Definition darüber, was unter Chancen und Risiken zu verstehen ist, liefert das Gesetz nicht.[58] Ankerpunkt für die Erläuterungen sind jedoch die VFE-Lage sowie die oben genannten Eckdaten. Des Weiteren sind bei den Risiken insbesondere auch diejenigen anzugeben, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden.

3.3 Einzelangaben

86

Hinsichtlich der Einzelangaben des Lageberichtes hat eine konkrete Berichterstattung zu erfolgen über:


Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Geschäftsjahr eingetreten sind,
Finanzinstrumente,
Forschung und Entwicklung,
Zweigniederlassungen der Gesellschaft sowie über
das Vergütungssystem für die Unternehmensführung von börsennotierten AG.

87

Der Lagebericht soll auch auf Vorgänge eingehen, die nach dem Geschäftsjahr eingetreten sind und dabei von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft sind. Durch diese Vorschrift sollen die Adressaten des Rechnungslegungswerkes über Vorgänge unterrichtet werden, die für die Beurteilung der zukünftigen Lage der Gesellschaft von Bedeutung sind. Der Berichtzeitraum umfasst dabei den Beginn des Geschäftsjahres bis hin zum Zeitpunkt des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer.[59]

88

Hinsichtlich der Finanzinstrumente ist der Umfang der Berichterstattung davon abhängig, wie hoch sich die Risikoexposition des Unternehmens darstellt.[60] Nach § 289 Abs. 2 Nr. 2a und b HGB ist bei der Berichterstattung auf die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft (Nr. 2a) sowie auf die Preisänderungs-, Ausfall-, Liquiditätsrisiken und Risiken aus Zahlungsstromschwankungen einzugehen.

89

§ 289 Abs. 2 Nr. 3 HGB verlangt eine Berichterstattung über den Forschungs- und Entwicklungsbereich. Hierdurch will der Gesetzgeber den Adressaten über den F&E-Bereich unterrichten, da dieser das Geschäftsergebnis durch Vorleistungen belastet, die erst in späteren Geschäftsjahren ertragswirksam werden. Die Berichterstattung sollte somit in erster Linie auf den Forschungs- und Entwicklungsaufwand eingehen. Daneben ist insbesondere über Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie über bestehende Forschungseinrichtungen und deren Erfolg Bericht zu erstatten.

90

§ 289 Abs. 2 Nr. 4 HGB verlangt eine Darstellung der Zweigniederlassungen der Gesellschaft. Sofern eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist, ist über sie zu berichten. Dabei sind der Gegenstand und Sitz, bei ausländischen Zweigniederlassungen das Land sowie mögliche Zusammenlegungen, Auflösungen und Errichtungen anzugeben. Betriebsstätten und Repräsentanzen sind von dieser Vorschrift nicht berührt.

91

Der durch das VorstOG neu eingeführte und in § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB konstituierte Vergütungsbericht für börsennotierte AG soll für mehr Transparenz gegenüber den Aktionären sorgen und ihnen erlauben, sich ein Bild über das Vergütungssystem des Vorstands und des Aufsichtsrats zu machen. Die Berichterstattung beschränkt sich laut Gesetz auf die in § 285 S. 1 Nr. 9 HGB genannten Gesamtbezüge, ein individualisierter Vergütungsbericht für die einzelnen Vorstandsmitglieder ist somit nicht vorgesehen. Der Vergütungsbericht besteht somit aus der Darstellung der Grundzüge des Vergütungssystems für die Gesamtbezüge des Vorstands, die ehemaligen Mitglieder des Vorstands und ihrer Hinterbliebenen, des Aufsichtsrates (ggf. auch eines Beirats), die ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrates (ggf. auch eines Beirats), sowie für deren Hinterbliebene.