Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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2.1.3 Dritte

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Auch die Hauptversammlung einer Publikumsgesellschaft ist keine öffentliche Veranstaltung.[10] Vertreter der Presse und sonstige Gäste (Geschäftspartner, ehemalige Organmitglieder etc.) haben daher kein Teilnahmerecht, ihre Anwesenheit wird aber verbreitet gestattet.[11] Ein Rederecht haben Gäste aber nicht.

2.2 Teilnahmepflicht

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Im Gegensatz zu den Aktionären, die über ihre Teilnahme an einer Hauptversammlung frei entscheiden können, sind die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat einer Gesellschaft gem. § 118 Abs. 3 S. 1 AktG zur Teilnahme an der Hauptversammlung verpflichtet. Eine Verletzung der Teilnahmepflicht bleibt jedoch ohne beschlussrechtliche Konsequenzen.[12] Die Teilnahmepflicht betrifft grundsätzlich nur die zum Zeitpunkt einer Hauptversammlung sich im Amt befindlichen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat.[13]

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Die Satzung der Gesellschaft kann nach § 118 Abs. 3 S. 2 AktG bestimmte Fälle vorsehen, in denen die Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf. Von dieser Möglichkeit der Lockerung der Präsenzpflicht sollte aber allenfalls bei ausländischen Aufsichtsratsmitgliedern nichtbörsennotierter Gesellschaften Gebrauch gemacht werden.[14]

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Die Teilnahme eines Abschlussprüfers an der ordentlichen Hauptversammlung ist nur für den Fall erforderlich, dass die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung erfolgt. In diesem Fall würde das Fernbleiben des Abschlussprüfers einen Anfechtungsgrund bedeuten.[15]

2.3 Teilnehmerverzeichnis

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Gem. § 129 Abs. 1 S. 2 AktG sind alle in der Hauptversammlung erschienenen oder vertretenen Aktionäre in das Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen. Anwesende Mitglieder der Verwaltung, Vertreter der Presse oder zugelassene Gäste brauchen nicht aufgeführt zu werden. Das Teilnehmerverzeichnis dient der Feststellung von Kapital- und Stimmquoren, bildet die Grundlage für die Abstimmungen nach dem Subtraktionsverfahren, ermöglicht den anwesenden Aktionären einen Einblick in die Besitzverhältnisse und gibt unter Umständen Hinweise auf Stimmverbote.[16]

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Das Teilnehmerverzeichnis ist auch bei kleinen Hauptversammlungen und insbesondere auch bei Vollversammlungen i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG zu erstellen.[17] Üblicherweise wird ein Teilnehmerverzeichnis in Spalten gegliedert und enthält folgende Angaben: Name und Wohnort des Aktionärs, wenn er seine Aktien selbst vertritt, und zusätzlich seines Vertreters bei offener Stellvertretung; in beiden Fällen handelt es sich um „Eigenbesitz“ i.S.d. § 129 Abs. 1 AktG; letzteres wird ebenfalls in einer dafür vorgesehenen Spalte angegeben; Name und Sitz des Kreditinstituts oder der Aktionärsvereinigung sowie Name des Vertreters dieser Gesellschaften bei verdeckter Stellvertretung; hierbei handelt es sich um „Vollmachtsbesitz“ i.S.d. § 129 Abs. 2 AktG, Name und Wohnort desjenigen, der zur Stellvertretung im eigenen Namen ermächtigt wurde; diese sog. Legitimationszession ist in § 129 Abs. 3 AktG beschrieben und wird im Teilnehmerverzeichnis üblicherweise mit „Fremdbesitz“ gekennzeichnet, Betrag und Gattung der Aktien.

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Im Aktiengesetz ist nicht geregelt, von wem das Teilnehmerverzeichnis aufzustellen ist. Mit der h.M.[18] ist davon auszugehen, dass der Veranstalter der Hauptversammlung und damit der Vorstand der Gesellschaft für die Erstellung verantwortlich ist.

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Gem. § 129 Abs. 4 AktG ist das Teilnehmerverzeichnis vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern einer Hauptversammlung zugänglich zu machen, d.h. es ist entweder in ausgedruckter Form auszulegen oder in elektronischer Form den Aktionären zur Durchsicht zur Verfügung zu stellen. Teilnehmer i.S.d. Vorschrift sind diejenigen Personen, die einen Anspruch auf Teilnahme an der Hauptversammlung haben, also Aktionäre und ihre Vertreter, nicht dagegen Pressevertreter und Gäste, denen die Anwesenheit lediglich gestattet wird.[19]

2.4 Legitimation der Teilnehmer

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Da an die Teilnahme eines Aktionärs oder seines Vertreters an einer Hauptversammlung immer auch das Rede- und Stimmrecht gebunden ist, liegt es im Interesse der Gesellschaft, sich in geeigneter Weise von der Legitimation des Teilnehmers zu überzeugen. Das gilt zum einen für die Personenidentität und zum anderen insbesondere für die Frage, ob der Teilnehmer auch tatsächlich und, wenn ja, in welcher Höhe an der Gesellschaft beteiligt ist.

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Die Überprüfung der Identität der einzelnen Teilnehmer ist am Tag der Hauptversammlung nur in beschränktem Maße möglich. In den meisten Fällen wird aufgrund der Anzahl der erscheinenden Personen die Überprüfung der Ausweispapiere jedes einzelnen nicht möglich sein; möglich ist allenfalls eine Plausibilitätsprüfung der Angaben auf der – in der Regel – vorzulegenden Eintrittskarte.[20]

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Zur Überprüfung der Frage, ob und in welcher Höhe ein Teilnehmer an der Gesellschaft beteiligt ist, gibt bei Namensaktien das Aktienregister den entsprechenden Hinweis; bei Inhaberaktien wird mit der Einladung zur Hauptversammlung häufig der bereits erwähnte Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechtes verlangt. Da eine Überprüfung der Legitimation eines Teilnehmers erst am Tag der Hauptversammlung den zeitlichen Rahmen der Veranstaltung sprengen würde, ist es empfehlenswert, in der Satzung der Gesellschaft – soweit § 123 AktG dies zulässt – Teilnahmevoraussetzungen, die vor der Hauptversammlung zu erfüllen sind, festzuschreiben.

6 › IV › 3. Leitung der Hauptversammlung

3. Leitung der Hauptversammlung

3.1 Versammlungsleiter

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Eine gesetzliche Bestimmung, aus der sich ergibt, wer die Hauptversammlung leitet, existiert nicht. Das Gesetz geht aber davon aus, dass es einen Vorsitzenden der Versammlung gibt. § 130 Abs. 2 AktG ordnet nämlich ausdrücklich an, dass der Vorsitzende das Ergebnis der Beschlussfassung zu verkünden hat. Da das Gesetz weder regelt, wie der Vorsitzende zu bestellen ist, noch welche Aufgaben er im Einzelnen hat, empfiehlt es sich, Regelungen dazu in die Satzung der Gesellschaft aufzunehmen.[21] Grundsätzlich kann jede natürliche Person, die der Versammlungssprache mächtig und in der Lage ist, dem Versammlungsverlauf zu folgen, Versammlungsleiter sein.[22] Allerdings ist es – insbesondere bei Publikumsgesellschaften – üblich, in der Satzung den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zum Versammlungsleiter zu bestimmen. Hilfsweise können Regelungen in die Satzung aufgenommen werden, nach denen die Hauptversammlung bei Verhinderung des Genannten einen Vorsitzenden der Versammlung wählt oder der Aufsichtsrat den Vorsitzenden bestimmt.[23] Für die AG ist anerkannt, dass weder Vorstand noch Notar die Versammlungsleitung ausüben dürfen.[24] Auch über die Abberufung des Versammlungsleiters trifft das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Eine Abberufung durch die Hauptversammlung wird aber aus wichtigem Grund immer möglich sein.[25] Der Versammlungsleiter hat alle Rechte, um einen zügigen und geregelten Ablauf der Hauptversammlung sicherzustellen;[26] er hat die sog. Leitungsbefugnis.[27] Er eröffnet und schließt die Hauptversammlung, er eröffnet und beendet die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten, er fordert zur Stimmabgabe auf, und er verkündet die Ergebnisse der Abstimmungen. Dem Versammlungsleiter obliegt es auch, die Hauptversammlung zu unterbrechen, wenn dies erforderlich erscheint (z.B. wenn ein ordnungsgemäßer Ablauf der Hauptversammlung nicht mehr gewährleistet ist).[28]

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Häufig werden dem Versammlungsleiter in der Satzung auch Funktionen wie die Festlegung der Art der Abstimmung und der Reihenfolge der Behandlung der Tagesordnungspunkte zugewiesen.[29] Neben diesen Leitungsbefugnissen hat der Versammlungsleiter auch diverse Ordnungsbefugnisse.[30]

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Die Beherrschung der deutschen Sprache durch den Versammlungsleiter ist zwar von hoher praktischer Bedeutung und für die effiziente Leitung wünschenswert, kann aber nicht rechtlich gefordert werden, sofern eine für alle Aktionäre zugängliche simultane Übersetzung in die deutsche Sprache sichergestellt ist.[31]

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In der monistisch verfassten SE soll es aus Neutralitätsgründen unzulässig sein, dass der Vorsitzende oder ein anderes Mitglied des Verwaltungsrats diese Funktion übernimmt.[32] Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Versammlungsleitung entweder durch einen Aktionär oder durch einen gesellschaftsfremden Dritten (z.B. einen Rechtsanwalt) wahrgenommen werden müsste.[33]

3.2 Struktur der Aussprache – Generaldebatte

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Der Versammlungsleiter eröffnet nach dem Vortrag des Vorstandsvorsitzenden, der sich anschließenden Erläuterung des im Geschäftsbericht abgedruckten Berichts des Aufsichtsrats und der Verkündung der Präsenz die Aussprache (siehe auch oben Rn. 101). In der Strukturierung der Aussprache ist der Versammlungsleiter weitgehend frei; bei der Behandlung der Versammlungsgegenstände wird er sich aber in der Regel an die durch die Tagesordnung vorgegebene Reihenfolge halten.[34] Es hat sich in der Praxis als zweckmäßig erwiesen, mehrere – je nach Umfang der Tagesordnung auch alle – Tagesordnungspunkte zusammen aufzurufen und die Aussprache einschließlich des Fragerechts auch zusammen stattfinden zu lassen (Generaldebatte).[35] Zu Beginn der Aussprache kann der Versammlungsleiter darauf hinweisen, dass die Redner sich kurz fassen und nur zu den Tagesordnungspunkten sprechen mögen.[36] Auf weitere Appelle an die Hauptversammlung sollte der Versammlungsleiter zunächst verzichten; nur dann, wenn der weitere Verlauf der Aussprache es erforderlich macht, ist der Versammlungsleiter gehalten, disziplinarische Maßnahmen anzukündigen und gegebenenfalls zu ergreifen.[37] Der Versammlungsleiter ist auch frei, die Reihenfolge der Redner festzulegen.[38] Häufig werden in der Praxis zuerst die Vertreter von Aktionärsvereinigungen oder von Banken aufgerufen; aus ihrer Funktion heraus decken sie zumeist ein breites Spektrum der die anwesenden Aktionäre interessierenden Fragestellungen und Themengebiete ab.[39]

 

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Bei der dualistischen SE wie auch bei der AG trifft den Vorstand gem. § 131 AktG die Auskunftspflicht. Beim monistischen System liegt die organinterne Zuständigkeit nach § 22 Abs. 6 SEAG allein bei den geschäftsführenden Direktoren; somit sind sonstige Mitglieder des Verwaltungsorgans zur Auskunft gegenüber Aktionären weder verpflichtet noch berechtigt.[40] Zur Beschränkung des Auskunftsrechts des Aktionärs auf erforderliche Auskünfte hat das OLG Stuttgart im Fall der Porsche SE[41] u.a. folgendes festgestellt: „Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG können nur Auskünfte beansprucht werden, die zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung der Hauptversammlung erforderlich sind. Art. 9 Abs. 1 S. 1 RL 2007/36/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften gebietet nicht, das Merkmal der 'Erforderlichkeit' in § 131 Abs. 1 S. 1 AktG einschränkend auszulegen.“

3.3 Anträge

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Wie in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben, gibt es viele Aufgaben, die dem Versammlungsleiter aufgrund seiner Funktion von Gesetz, Satzung oder – wenn vorhanden – Geschäftsordnung der Hauptversammlung zugewiesen werden.

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Allerdings gibt es auch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Ablauf einer Hauptversammlung, die nicht in die alleinige Kompetenz des Versammlungsleiters fallen, sondern zur Disposition der Hauptversammlung stehen. Dazu gehören z.B. die Entscheidungen, die Hauptversammlung vor Abwicklung der gesamten Tagesordnung zu schließen oder einzelne Tagesordnungspunkte von der Tagesordnung abzusetzen.[42] Befugt, einen darauf gerichteten „Antrag zur Geschäftsordnung“ (auch „Verfahrensantrag“ genannt) zu stellen, ist jeder Aktionär oder Aktionärsvertreter, aber auch Vorstand und Aufsichtsrat als Organe in ihrer Gesamtheit sowie die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat.[43] Geschäftsordnungsanträge sind stets bekanntmachungsfrei i.S.v. § 124 Abs. 4 S. 2 AktG.[44] Wird ein Antrag zur Geschäftsordnung in der Hauptversammlung gestellt, muss der Versammlungsleiter sich fragen, ob die geforderte Maßnahme noch in seine Entscheidungsgewalt fällt oder ob die Hauptversammlung darüber abzustimmen hat. Ist letzteres der Fall, ist zu entscheiden, wann über den Antrag abzustimmen ist.[45] Nach mittlerweile h.M. in der Literatur[46] kann zwar mit der Entscheidung über den Antrag – z.B. zur Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung – bis zum Ende der Debatte gewartet werden; in jedem Fall ist über den Antrag zur Geschäftsordnung aber vor dem Sachantrag abzustimmen. Bisher hat man aus Gründen der Verfahrensökonomie dafür plädiert, bei voraussichtlicher Aussichtslosigkeit des Antrags zunächst über den Sachantrag entscheiden zu lassen, und die den Verfahrensantrag befürwortenden Teilnehmer der Hauptversammlung aufgefordert, gegen den Sachantrag zu stimmen. Künftig ist für die Hauptversammlungspraxis allerdings zu empfehlen – auch wenn der Antrag zur Geschäftsordnung keine Aussicht auf Erfolg verspricht – zuerst über den Antrag zur Geschäftsordnung abstimmen zu lassen.[47] So können mögliche Anfechtungsrisiken vermieden werden.

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Neben den bereits erwähnten Anträgen auf Vertagung und Absetzung von Punkten von der Tagesordnung werden in Hauptversammlungen häufig weitere Anträge aus den Reihen der Aktionäre gestellt, wie z.B. auf Änderung der Reihenfolge der Redner, auf Änderung des Abstimmungsverfahrens, auf Unterbrechung der Hauptversammlung oder Ähnliches. Häufig fallen diese Wünsche und Begehren aber in die alleinige Entscheidungsbefugnis des Versammlungsleiters, sodass von einer Abstimmung über den Antrag durch die Hauptversammlung abgesehen werden kann.

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Von den Anträgen zur Geschäftsordnung bzw. den Verfahrensanträgen zu unterscheiden sind in der Hauptversammlung von Aktionären oder ihren Vertretern gestellte Sachanträge, die sich auf Gegenstände der Tagesordnung beziehen.[48] Gem. § 124 Abs. 4 S. 2 AktG dürfen solche Anträge auch ohne vorherige formelle Ankündigung gestellt werden. Sachanträge können konträr zum Beschlussvorschlag der Verwaltung stehen, den Beschlussvorschlag ergänzen oder inhaltlich davon abweichen.[49] Weichen die Anträge inhaltlich von den Verwaltungsvorschlägen ab, gehen sie also über die angekündigte Tagesordnung hinaus, sind sie gem. § 124 Abs. 4 AktG nicht bekanntmachungsfrei, mit der Folge, dass der Versammlungsleiter eine Beschlussfassung darüber in der Hauptversammlung ablehnen muss.[50] In den übrigen Fällen wird der Versammlungsleiter zunächst über den Beschlussvorschlag der Verwaltung abstimmen lassen; es liegt in seinem Ermessen, ob zuerst der Verwaltungsvorschlag oder der Antrag des Aktionärs zur Abstimmung gebracht wird.[51] Wird der Verwaltungsvorschlag mehrheitlich angenommen, ist für eine Abstimmung über den Gegenantrag des Aktionärs kein Raum mehr. Ist die Zulässigkeit eines Antrags zweifelhaft, so sollte der Versammlungsleiter zugunsten des Aktionärs großzügig verfahren und den Antrag nicht zurückweisen. Wird nämlich ein Gegenantrag zu Unrecht zurückgewiesen, so kann das nach Widerspruch zu Protokoll und Anfechtungsklage zur Nichtigkeit des betreffenden Hauptversammlungsbeschlusses führen.[52]

3.4 Ordnungsmaßnahmen

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In der Hauptversammlung üben die Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft ihre Mitgliedschaftsrechte aus. Hierzu muss ihnen ausreichend Gelegenheit gegeben werden. Auf der anderen Seite hat der Versammlungsleiter für eine zügige Erledigung der Tagesordnung und für eine Beendigung der Hauptversammlung in angemessener Zeit zu sorgen.[53] Dabei gilt auch für die SE gem. Ziffer 2.2.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex, dass der Versammlungsleiter darauf achten sollte, dass eine ordentliche Hauptversammlung spätestens nach vier bis sechs Stunden beendet ist. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen dem Vorsitzenden eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnahmen stehen jedoch unter einem dreifachen Vorbehalt. Sie müssen erforderlich und verhältnismäßig sein sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechen.[54] Es empfiehlt sich – sollten entsprechende Anhaltspunkte vorliegen, aber auch nur dann –, gleich zu Beginn der Hauptversammlung bei Verkündung der Formalia darauf hinzuweisen, dass die Hauptversammlung zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein muss, und an die Aktionäre zu appellieren, sich möglichst kurz zu fassen und nur zu den Punkten der Tagesordnung zu sprechen. Eine Rednerliste anzulegen, ist hilfreich; so lässt sich zu jedem Zeitpunkt der Hauptversammlung feststellen, wie viele Redebeiträge noch ausstehen.

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Im Einzelnen stehen dem Versammlungsleiter folgende Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung:

3.4.1 Allgemeine Beschränkung der Redezeit

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Eine Hauptversammlung ist grundsätzlich an dem Tag zu beenden, für den sie einberufen ist;[55] nur ausnahmsweise kann die Überschreitung der 24-Uhr-Grenze zulässig sein.[56] Nach Mitternacht gefasste Beschlüsse sind nicht per se nichtig, sondern nur anfechtbar.[57] Liegen zahlreiche Wortmeldungen vor oder ist mit einer Vielzahl von weiteren Wortmeldungen zu rechnen, kann der Versammlungsleiter generell die Redezeit beschränken.[58] Der Versammlungsleiter sollte aber erst dann, wenn die Zeit für eine rechtzeitige Beendigung der Hauptversammlung tatsächlich knapp zu werden droht, von diesem Recht Gebrauch machen. Die Ankündigung einer Redezeitbegrenzung braucht nicht gleich zu Beginn der Hauptversammlung zu erfolgen, sondern kann auch während des Verlaufs der Versammlung angeordnet werden. Obwohl dadurch die anwesenden Aktionäre unterschiedlich behandelt werden, ist diese Vorgehensweise zulässig.[59] Die zeitliche Beschränkung sollte regelmäßig nicht unter 10 Minuten liegen, da ansonsten nicht davon auszugehen ist, dass der Redner ausreichend Zeit hat, seine Anliegen zu formulieren.[60] Unter verschärften Voraussetzungen ist allerdings auch eine weitergehende Zeitbeschränkung zulässig.[61] Zu berücksichtigen ist außerdem, dass von der Redezeit die für die eigentlichen Fragen aufgewandte Zeit abzuziehen ist, da die Beschränkung der Redezeit nicht das Fragerecht erfasst.[62]

3.4.2 Schluss der Rednerliste

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Der Versammlungsleiter kann vor dem Hintergrund, dass die Hauptversammlung Mitternacht nicht überschreiten darf, rechtzeitig den Schluss der Rednerliste anordnen und damit die Entgegennahme weiterer Wortmeldungen ausschließen. Bereits angemeldete Redner dürfen noch das Wort ergreifen, und auch das Recht, Fragen zu stellen, bleibt bestehen.[63] Der Zeitpunkt für die Schließung der Rednerliste sollte so gewählt werden, dass noch genügend Zeit für die Beantwortung von Fragen – und gegebenenfalls erforderliche Abstimmungen – bleibt.

3.4.3 Schluss der Debatte

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Es besteht für den Versammlungsleiter die Möglichkeit, den Schluss der Debatte anzuordnen. Das hat zur Folge, dass sowohl den Aktionären, die sich noch zu Wort melden, als auch denjenigen, die in der Wortmeldeliste bereits verzeichnet sind, dieses nicht mehr erteilt wird. Diese Maßnahme ist insoweit strenger als die zuvor beschriebenen, als sie auch das Fragerecht generell ausschließt.[64] Von ihr ist erst dann Gebrauch zu machen, wenn eine zeitgerechte Abwicklung ansonsten nicht mehr möglich ist.

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Es ist aber durchaus üblich, dass der Versammlungsleiter nach Beendigung der Diskussion, wenn keine Aktionäre mehr auf der Rednerliste stehen und sich auf seine Nachfrage auch niemand mehr zu Wort meldet, ausdrücklich „die Debatte oder die Aussprache für beendet“ erklärt. Wenn sich dann später – etwa während der Abstimmung zu einem Tagesordnungspunkt – noch ein Aktionär zu Wort meldet, kann der Versammlungsleiter ihn darauf verweisen, ohne seine Aktionärsrechte zu beschneiden.