Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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5. Gegenanträge

86

Jeder Aktionär kann, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung, in der Hauptversammlung Gegenanträge stellen. Unter einem Gegenantrag versteht man den Antrag eines Aktionärs, der darauf gerichtet ist, einen entgegengesetzten oder vom Vorschlag der Verwaltung inhaltlich abweichenden Beschluss herbeizuführen oder eine Beschlussfassung, etwa durch Absetzung von der Tagesordnung oder Vertagung, zu verhindern.[43] Möchte der Aktionär allerdings erreichen, dass sein Antrag den in § 125 Abs. 1–3 AktG genannten Berechtigten zugänglich gemacht wird, muss er mindestens 14 Tage vor der Hauptversammlung der Gesellschaft seinen Antrag mit Begründung an die in der Einberufung hierfür mitgeteilte Adresse übersenden (§ 126 Abs. 1 AktG). Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen.

87

Eine zugänglich zu machende Ankündigung eines Gegenantrags liegt vor, wenn dem Begehren des Aktionärs zumindest im Wege der Auslegung entnommen werden kann, dass er beabsichtigt, in der Hauptversammlung einen Oppositionsantrag zu stellen. Es reicht also nicht aus, dass er ankündigt, abweichend von den Vorschlägen von Vorstand und Aufsichtsrat stimmen zu wollen. Vielmehr muss der Aktionär deutlich machen, dass er dem Verwaltungsvorschlag widersprechen will, ohne dass er allerdings einen eigenen Vorschlag unterbreiten müsste.[44] Ein Gegenantrag muss begründet werden. Die Fälle, in denen ein Gegenantrag und dessen Begründung nicht zugänglich gemacht zu werden brauchen, sind in § 126 Abs. 2 AktG geregelt. Insbesondere wenn der Vorstand sich durch die Mitteilung strafbar machen würde, die Verabschiedung des Gegenantrags zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluss der Hauptversammlung führen würde oder die Begründung des Antrags in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben enthält, kann von einer Veröffentlichung abgesehen werden. Weitere Tatbestände, bei denen die Gesellschaft den Antrag nicht zugänglich machen muss, sind in § 126 Abs. 2 S. 1 Nr. 4–7 AktG geregelt. Außerdem braucht gem. § 126 Abs. 2 S. 2 AktG die Begründung nicht zugänglich gemacht zu werden, wenn sie insgesamt mehr als 5 000 Zeichen beträgt.

88

Um die Pflicht der Gesellschaft auszulösen, den Antrag zugänglich zu machen, muss der Antrag innerhalb der oben unter Rn. 86 genannten Frist übersandt worden sein. Entscheidend ist der Zugang bei der Gesellschaft. Hierbei ist maßgebend, wann bei normalen Geschäftsgepflogenheiten noch mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Gleichwohl geht der BGH davon aus, dass ein Eingang bis 24 Uhr des letzten Tags der Frist ausreicht.[45] Diese Entscheidung wird in der Literatur zu Recht kritisiert, da in den späten Abendstunden mit einer Kenntnisnahme gerade nicht mehr gerechnet werden kann.[46] Die Übersendung an eine Zweigstelle der Gesellschaft reicht jedenfalls nicht aus, da es sich bei der Entgegennahme von Gegenanträgen um keine Angelegenheit handelt, wie sie von einer Zweigstelle regelmäßig erledigt werden kann.[47]

89

Seit Inkrafttreten des TransPuG müssen Gegenanträge nicht mehr durch Zustellung in Briefform mitgeteilt, sondern nur noch zugänglich gemacht werden. Dies kann durch Veröffentlichung auf der Website der Gesellschaft erfolgen, und zwar unverzüglich jeweils nach Eingang eines Gegenantrags.[48] Mit dem ARUG wurde in § 126 Abs. 1 S. 3 AktG für börsennotierte Gesellschaften geregelt, dass das Zugänglichmachen über die Internetseite der Gesellschaft zu erfolgen hat.

6 › III › 6. Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung

6. Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung

90

Wie in Rn. 6 bereits erläutert, kann gem. Art. 56 S. 1 SE-VO die Ergänzung der Tagesordnung für eine Hauptversammlung durch einen oder mehrere Punkte von einem oder mehreren Aktionären beantragt werden, sofern sein/ihr Anteil am gezeichneten Kapital mindestens 10 % beträgt. Gem. Art. 56 S. 3 SE-VO können die Satzung oder das Recht des Sitzstaats jedoch unter denselben Voraussetzungen, wie sie für AG gelten, einen niedrigeren Prozentsatz vorsehen. Diese Regelungsermächtigung in Art. 56 S. 3 2. Alt. SE-VO hat der nationale Gesetzgeber in § 50 Abs. 2 SEAG umgesetzt. Danach reicht es aus, wenn die Ergänzung der Tagesordnung von einem oder mehreren Aktionären beantragt wird, sofern sein oder ihr Anteil 5 % des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500 000 EUR erreicht. Diese Vorschrift entspricht § 122 Abs. 2 AktG.

91

Entsprechend der Spezialverweisung in Art. 56 S. 2 SE-VO werden die Verfahren und Fristen für einen Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung nach dem einzelstaatlichen Recht des Sitzstaates der SE festgelegt.[49] Für eine SE mit Sitz in Deutschland gilt also § 124 Abs. 1 S. 1 AktG, wonach die Ergänzung der Tagesordnung aufgrund eines Minderheitsverlangens i.S.d. § 50 Abs. 2 SEAG entweder bereits mit der Einberufung oder unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt gemacht werden muss.

92

Dem Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung muss nach § 122 Abs. 2 S. 2 AktG für jeden neuen Gegenstand eine Begründung und eine Beschlussvorlage beiliegen. Eine Dringlichkeit muss grundsätzlich nicht dargelegt werden.[50] Wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, darf sich das Ergänzungsverlangen nur auf solche Gegenstände der Tagesordnung beziehen, über die tatsächlich Beschluss gefasst werden kann.

93

Der Antrag ist an den Vorstand zu richten.[51] Das Verlangen einer Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 2 AktG muss der Gesellschaft mindestens 24 Tage, bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage vor der Versammlung zugehen; der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen (S. 3). Durch diese Fristvorgabe sind keine Zweifel möglich, für welche Hauptversammlung der Ergänzungsantrag gelten soll.[52]

Anmerkungen

[1]

Vgl. Rn. 5.

[2]

Art. 68 Abs. 2 SE-VO i.V.m. § 4 S. 2 SEAG und § 375 Nr. 4, §§ 376, 377 FamFG.

[3]

Vgl. Rn. 14.

[4]

So auch Brandt S. 181.

[5]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 1–4; Semler/Volhard/Reichert § 4 Rn. 4–15; Obermüller/Werner/Winden B. Rn. 34–39.

[6]

Vgl. auch § 121 Abs. 1 AktG.

[7]

S. o. Rn. 34 ff.; Obermüller/Werner/Winden B. Rn. 35; Semler/Volhard/Reichert § 4 Rn. 10 ff.; Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 2.

[8]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 3.

[9]

Vgl. Rn. 14.

[10]

S. o. Rn. 5 und Rn. 46.

[11]

Semler/Volhard/Reichert § 4 Rn. 20., s. auch MünchKomm AktG/Kubis Art. 54 SE-VO Rn. 6.

[12]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 9.

[13]

Vgl. bereits oben Rn. 50.

[14]

Obermüller/Werner/Winden B. Rn. 48.

[15]

Vgl. Rn. 48.

[16]

Sollten Satzungen noch auf den „elektronischen Bundesanzeiger„ hinweisen und ist der Aufsichtsrat gemäß Satzung zur Vornahme von Satzungsänderungen berechtigt, die nur die Fassung betreffen, sollte dies vorsorglich geändert werden. Ansonsten sollte die Satzung ggf. als dynamische Bezugnahme auf die Grundregel des jeweiligen Gesetzes auszulegen sein. Vgl. OLG Köln BB 2003, 2311 und Noack NZG 2004, 297, 299 m. w. N.

[17]

 

Die Pflicht zur Veröffentlichung im Börsenpflichtblatt ist mit dem Gesetz v. 22.12.2011, BGBl I 2011, 3044 weggefallen.

[18]

Vgl. Heidel/Pluta § 121 Rn. 38.

[19]

Obermüller/Werner/Winden B. Rn. 54.

[20]

In Ausnahmefällen empfiehlt es sich, die Hauptversammlung für zwei Tage einzuberufen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass sog. Aktionärskritiker die Versammlung durch zahlreiche Fragen in die Länge ziehen.

[21]

Dass im Fall einer entspr. Satzungsbestimmung (§ 121 Abs. 5 AktG) die Hauptversammlung einer deutschen SE auch im Ausland abgehalten werden kann, ist mittlerweile die wohl überwiegende Meinung, wobei auch hier die Kriterien der Bestimmbarkeit und zumutbaren Erreichbarkeit zu beachten sind. Für die Beschlussfassung einer Hauptversammlung im Ausland gilt nicht die Ortsform, sondern die Geschäftsform. Die notarielle Beurkundung nach § 130 Abs. 1 S. 1 AktG ist daher auch bei Auslandsversammlungen einzuhalten, vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker Art. 53 SE-VO Rn. 10.

[22]

Semler/Volhard/Reichert § 4 Rn. 99 ff.; nach § 121 Abs. 2 S. 1 AktG wird HV durch Vorstand einberufen. Das auf Gesetz oder Satzung beruhende Recht anderer Personen, die Hauptversammlung einzuberufen, bleibt unberührt. Der Aufsichtsrat ist nur ausnahmsweise zur Einberufung berechtigt, nämlich dann, wenn es das Gesellschaftswohl verlangt, siehe auch Hüffer § 121 Rn. 6.

[23]

Vgl. Hüffer § 121 Rn. 9.

[24]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 135.

[25]

RegBegr. BT-Drucks. 16/11642, 28.

[26]

Vgl. Hüffer § 121 Rn. 10d.

[27]

Verletzung führt nicht zum Anfechtungsrecht § 243 Abs. 3 AktG.

[28]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 225; Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 58.

[29]

Für den Inhalt der Mitteilung s. u. Rn. 77.

[30]

S. u. Rn. 74.

[31]

Vgl. zu dieser Problematik auch Obermüller/Werner/Winden E. Rn. 101.

[32]

Obermüller/Werner/Winden B. Rn. 140.

[33]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 234.

[34]

Großkommentar/Werner § 125 Rn. 15.

[35]

Vgl. dazu im Einzelnen unter Rn. 86 ff.

[36]

Vgl. MünchKomm AktG/Kubis § 125 Rn. 19.

[37]

Siehe oben Rn. 67–69.

[38]

Hüffer § 125 Rn. 5.

[39]

Hüffer § 125 Rn. 6.

[40]

Hüffer § 125 Rn. 5a m. w. N.

[41]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 249 m. w. N.

[42]

Abgedr. bei Großkommentar/Werner § 128 Rn. 85.

[43]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 281; Hüffer § 126 Rn. 2.

[44]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 35 Rn. 62; Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 284; Hüffer § 126 Rn. 2.

[45]

BGH WM 2000, 523, 524.

[46]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 293; Hüffer § 126 Rn. 4.

[47]

Semler/VolhardSchlitt § 4 Rn. 294.

[48]

RegBegr. zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, 20.

[49]

Vgl. dazu bereits Rn. 15.

[50]

Semler/Volhard/Schlitt § 4 Rn. 206.

[51]

Hüffer § 122 Rn. 9.

[52]

Heidel/Pluta § 122 Rn. 23; mangels Regelung in der SE-VO oder im SEAG befürwortet die h.M. eine analoge Anwendung von Art. 55 Abs. 3 SE-VO i.V.m. § 122 Abs. 3 AktG, sodass die Ergänzung der Tagesordnung, sollte dem Verlangen nicht entsprochen werden, notfalls über ein registerrechtliches Verfahren erreicht werden kann, s. Knapp DStR 2012, 2392.

6 › IV. Ablauf der Hauptversammlung

IV. Ablauf der Hauptversammlung

6 › IV › 1. Allgemeines (Ablauf im engeren Sinne)

1. Allgemeines (Ablauf im engeren Sinne)

94

Der Ablauf einer Hauptversammlung im Sinne einer Abwicklung nach konkreten zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben ist weder in der SE-VO noch im nationalen Recht (SEAG und AktG) geregelt. Die SE-VO verweist lediglich in Art. 53 für den Ablauf der Hauptversammlung auf das bestehende nationale Recht.

95

§ 48 Abs. 2 S. 2–4 SEAG enthält spezielle Hinweise zum Ablauf einer Hauptversammlung im monistischen System; hier geht es ausschließlich um die Erläuterung der der Hauptversammlung vorzulegenden Unterlagen (Jahresabschluss, Lagebericht etc.) zu Beginn der Versammlung. Im Wesentlichen stimmen die Regeln mit dem deutschen Aktiengesetz überein.

96

Das Aktiengesetz enthält eine Reihe von Einzelvorschriften, die bei der Abwicklung einer Hauptversammlung zu beachten sind. Eine zusammenhängende Regelung unter dem Stichwort „Ablauf“ gibt es aber nicht. Vielmehr hat sich für nationale AG im Verlauf vieler Jahre eine gängige Abwicklungspraxis bei Hauptversammlungen herausgebildet.

97

Gerüste für den Ablauf bilden zum einen die Tagesordnung der Hauptversammlung und zum anderen der Leitfaden des Versammlungsvorsitzenden.[1] An erster Stelle steht danach die Eröffnung der Hauptversammlung mit der Begrüßung der anwesenden Aktionäre, Gäste, Pressevertreter etc. Nach der Begrüßung erörtert der Versammlungsvorsitzende regelmäßig die erforderlichen Formalia. Dazu gehören die Feststellung über die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung, das Verfahren bei Wortmeldungen und Abstimmungen sowie die Bekanntgabe der Präsenzzone. Daran anschließend erfolgt der Übergang zur Tagesordnung. Im Rahmen des ersten Tagesordnungspunktes der ordentlichen Hauptversammlung „Vorlage des Jahresabschlusses“ werden in der Regel von einem Vorstandsmitglied Erläuterungen zum Jahresabschluss, Ausführungen zum vergangenen Geschäftsjahr sowie zu den bisherigen Entwicklungen des aktuellen Geschäftsjahrs gemacht.[2]

98

Nach dem Vortrag des Vorstands soll der Aufsichtsratsvorsitzende gem. § 176 Abs. 1 S. 2 AktG den im Geschäftsbericht abgedruckten Bericht des Aufsichtsrats erläutern. Anschließend werden kurz die noch anstehenden Tagesordnungspunkte aufgerufen. Regelmäßig erfolgt im Anschluss daran die Verkündung der Präsenz mit dem Hinweis auf das Vorliegen des Teilnehmerverzeichnisses zur Einsichtnahme der Aktionäre. Darauf folgt die Eröffnung der Aussprache. Hat der Vorstand alle Aktionärsfragen beantwortet, erfolgt die Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten. Je nach Anzahl der Tagesordnungspunkte und Art und Weise des Abstimmungsverfahrens kann dies eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Abstimmungen bilden regelmäßig den Schluss der Hauptversammlung.

99

Gem. § 118 Abs. 4 AktG kann die Satzung der Gesellschaft oder eine nach § 129 Abs. 1 AktG erlassene Geschäftsordnung vorsehen oder den Vorstand oder den Versammlungsleiter dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Hauptversammlung in Ton und Bild übertragen werden darf.[3] Diese Möglichkeit umfasst insbesondere die Übertragung in das Internet. Die klassische Präsenz-Hauptversammlung bleibt aber bestehen, da eine rein virtuelle Durchführung der Hauptversammlung derzeit vom Gesetz nicht vorgesehen ist.

100

Diskutiert wird unter Hinweis auf den europäischen Zuschnitt der SE ein großzügiger Umgang mit der Sprachwahl. Während bei der Hauptversammlung der AG die Versammlungssprache grundsätzlich für alle Teilnehmer deutsch ist, sollen bei der SE Wortbeiträge von Aktionären in jeder EU-Amtssprache oder zumindest auch in Englisch zulässig sein, die die Gesellschaft dann wohl für die übrigen Teilnehmer übersetzen lassen müsste. Eine Sprachenvielfalt zuzulassen, ist jedoch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten und wegen des möglichen Informationsverlustes abzulehnen. Eine aufgrund der Rechtsformwahl bestehende Verpflichtung erscheint nicht angemessen.[4] Da auch die deutschen Beurkundungsregeln anzuwenden sind, erscheint diese Meinung vorzugswürdig, auch wenn im Hinblick auf die Internationalität der Zusammensetzung des Aufsichtsrats viele Unternehmen bereits freiwillig Simultanübersetzung anbieten.

6 › IV › 2. Teilnahme an der Hauptversammlung

2. Teilnahme an der Hauptversammlung
2.1 Teilnahmerecht

2.2.1 Aktionäre

101

Gemäß § 118 Abs. 1 AktG ist die Hauptversammlung einer SE mit Sitz in Deutschland eine Präsenz-Hauptversammlung, die satzungsgemäß um eine Online-Teilnahme erweitert werden kann.[5] Grundsätzlich steht das Recht der Teilnahme an der Hauptversammlung allen Aktionären zu (Art. 38a SE-VO). Auch solche Aktionäre, die stimmrechtslose Aktien halten oder Aktien, die wegen nicht geleisteter Einlage kein Stimmrecht verleihen, sind grundsätzlich berechtigt, an der Hauptversammlung teilzunehmen.[6] Ausnahmsweise ist eine Teilnahme untersagt, wenn Aktionäre nicht entsprechend §§ 20 ff. AktG ihre Beteiligung an der betreffenden Gesellschaft angezeigt haben.

102

 

In der Satzung der Gesellschaft kann das Teilnahmerecht der Aktionäre nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber von einer Anmeldung der Aktionäre zur Hauptversammlung oder bei Inhaberaktien von einem Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechts abhängig gemacht werden.[7] Nach § 123 Abs. 2 S. 2 AktG muss die Anmeldung der Gesellschaft mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zugehen. Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. In der Satzung oder aufgrund satzungsgemäßer Ermächtigung in der Einberufung kann eine kürzere in Tagen zu bemessende Frist vorgesehen werden. Die Mindestfrist für die Einberufung der Hauptversammlung nach § 123 Abs. 1 AktG verlängert sich um die Tage der Anmeldefrist bzw. bei Inhaberaktien um die Nachweisfrist (§ 123 Abs. 3 S. 1 HS 2 AktG). Bei börsennotierten Gesellschaften reicht bei Inhaberaktien ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut aus. Der Nachweis hat sich bei börsennotierten Gesellschaften auf den 21. Tag vor der Hauptversammlung zu beziehen (Record Date) und der Gesellschaft mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zuzugehen (§ 123 Abs. 3 S. 2 und 3 AktG). Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. Auch hier kann die Satzung eine kürzere Frist vorsehen (§ 123 Abs. 3 S. 4 AktG).

103

Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechts und Anmeldung der Aktionäre sollen es der Gesellschaft erleichtern, sich einen Überblick über die zu erwartende Anzahl von Hauptversammlungsteilnehmern zu verschaffen sowie anhand der Anmeldelisten das Teilnehmerverzeichnis jedenfalls in groben Zügen vorzubereiten. Bei Namensaktien ist es üblich, nur eine Anmeldung zu verlangen, da bei Namensaktien anhand des Aktienregisters festgestellt werden kann, ob und über welchen Aktienbesitz der Einzelne verfügt.

104

Die Hinterlegung als mögliche Teilnahmevoraussetzung zur Hauptversammlung ist mit dem UMAG im Jahre 2005 weggefallen.

2.1.2 Aktionärsvertreter

105

Der Aktionär kann sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben lassen (§ 134 Abs. 3 AktG); eingeschlossen ist insoweit auch die Möglichkeit der Teilnahme des Vertreters an der Hauptversammlung sowie die Ausübung des Frage-, Stimm- und Antragsrechts durch ihn. Mit dem ARUG wurde für die Erteilung der Vollmacht, ihren Widerruf und den Nachweis die Textform (§ 126 b BGB) eingeführt, wenn in der Satzung oder in der Einberufung aufgrund einer Ermächtigung in der Satzung nichts Abweichendes und bei börsennotierten Gesellschaften nicht eine Erleichterung bestimmt wird. Die börsennotierte Gesellschaft hat zumindest einen Weg elektronischer Kommunikation für die Übermittlung des Nachweises anzubieten (§ 134 Abs. 3 S. 2 und 3 AktG). Wird mehr als eine Person bevollmächtigt, kann die Gesellschaft eine oder mehrere von diesen zurückweisen. Die Entscheidung darf nicht ermessensfehlerhaft getroffen werden; in der Hauptversammlung entscheidet der Versammlungsleiter.[8] Auch von der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter können bevollmächtig werden. Die von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter üben das Stimmrecht im Fall ihrer Bevollmächtigung weisungsgebunden aus. Die Vollmachten mit Weisungen müssen ebenfalls in Textform erteilt werden. Ohne Weisungen des Aktionärs sind die von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nicht zur Stimmrechtsausübung befugt. Die von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nehmen keine Aufträge zu Wortmeldungen oder zum Stellen von Fragen oder von Anträgen entgegen. Mangels anderer Willenskundgabe des Aktionärs gilt das persönliche Erscheinen des Aktionärs in der Hauptversammlung als Widerruf einer zuvor erteilten Vollmacht.

106

Dieselben Rechte wie ein durch Vollmacht zur Vertretung Berechtigter haben gesetzliche Vertreter von minderjährigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Aktionären. Sind juristische Personen Aktionäre, sind deren Organmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl teilnahmeberechtigt.[9]