Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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5 › IV. Gemeinsame Vorschriften

IV. Gemeinsame Vorschriften

241

Aufgrund der Wahlmöglichkeiten zwischen dem monistischen und dem dualistischen System hat der Gesetzgeber die Unternehmensverfassung in der SE-VO dreigegliedert. Nachdem er in Art. 38 SE-VO die Wahlfreiheit eingeräumt hat, hat er im ersten Abschnitt (Art. 39–42 SE-VO) Regelungen für das dualistische System aufgenommen und im zweiten Abschnitt (Art. 43–45 SE-VO) Regelungen zum monistischen System geschaffen. Im dritten Abschnitt hat er dann gemeinsame Vorschriften (Art. 46–51 SE-VO) für beide Systeme aufgenommen.[1]

5 › IV › 1. Amtszeit

1. Amtszeit

242

Die Mitglieder der Organe der Gesellschaft, d.h. der Vorstand und der Aufsichtsrat im dualistischen System sowie der Verwaltungsrat im monistischen System, können gem. Art. 46 Abs. 1 S. 1 SE-VO für einen Zeitraum von längstens 6 Jahren bestellt werden. Die Satzung kann eine kürzere Bestelldauer vorsehen. Wie bereits dargestellt, ist es zulässig, dass die Satzung nur eine Höchstdauer bestimmt und das Bestellungsorgan die konkrete Amtszeit des Organmitglieds festlegt.[2] Nach überwiegender Ansicht sind die geschäftsführenden Direktoren nicht von Art. 46 SE-VO erfasst.[3] Dies gilt unabhängig davon, ob man geschäftsführende Direktoren als Organ ansieht oder nicht.[4] Argumentiert wird dabei mit der systematischen Stellung des Art. 46 SE-VO, der sich nur auf Abschnitt 1 und Abschnitt 2 der SE-VO und die dort geregelten Organe, also Leitungs-, Aufsichts- und Verwaltungsorgan, beziehe.[5] Nach anderer Ansicht sind die geschäftsführenden Direktoren kein Organ, so dass der Wortlaut des Art. 46 SE-VO ohnehin nicht passe.[6] Somit ist die Amtszeit der geschäftsführenden Direktoren in der Satzung festzulegen. Diese Gestaltungsfreiheit wird zum Teil zu Recht als bedenklich empfunden.[7]

243

Das SEAG enthält aufgrund des Vorrangs der SE-VO keine eigenen Regelungen zur Amtszeit. Die 6-Jahres-Frist aus Art. 46 Abs. 1 SE-VO ist etwas länger als die fünfjährige Bestellhöchstdauer des Vorstands (§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG) und die vereinfacht gerechnet ebenfalls fünfjährige Bestelldauer für die Aufsichtsratsmitglieder (§ 102 Abs. 1 AktG). Diese um ein Jahr längere Frist ist rechtspolitisch durchaus akzeptabel.[8]

244

Die Wiederbestellung der Organmitglieder ist gem. Art. 46 Abs. 2 SE-VO – wie im deutschen AktG auch (§ 84 Abs. 1 S. 2 AktG) – möglich.[9]

245

Fraglich kann für den Aufsichtsrat allenfalls sein, wann die Wiederbestellung erfolgen kann. Art. 46 Abs. 2 SE-VO enthält wie § 102 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat keine Einschränkung für die Wiederbestellung. Für den Aufsichtsrat wird vertreten, dass die Wiederbestellung erst in der Hauptversammlung erfolgen kann, in der die Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds endet. Eine vorzeitige Wiederwahl wird für unzulässig erachtet. Begründet wird dies damit, dass bei einer vorzeitigen Wiederwahl Sinn und Zweck der gesetzlich festgelegten Höchstdauer nicht erreicht würde und ein Verstoß gegen die Wahlfreiheit gegeben wäre.[10]

246

Nach zutreffender, herrschender Meinung ist eine vorzeitige Wiederbestellung durch die Hauptversammlung zulässig. Bei der Berechnung der Höchstbestellungszeit gem. § 46 Abs. 1 SE-VO ist die Restlaufzeit jedoch mit einzurechnen. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Verlängerung der gesetzlichen Höchstbestelldauer bei gleichzeitiger Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung nicht eintreten kann.[11]

247

Da Art. 46 Abs. 2 SE-VO auch für den Vorstand keine Regelung über die Frist zur Wiederbestellung enthält, ist im dualistischen System gem. Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 84 Abs. 1 S. 3 AktG anwendbar. Der Vorstand kann demgemäß frühestens ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit wiederbestellt werden.

248

Im monistischen System gelten für den Verwaltungsrat die für den Aufsichtsrat im dualistischen System geltenden Bestimmungen, wonach eine vorzeitige Bestellung unter Anrechnung auf die Restlaufzeit zulässig ist. Auf die geschäftsführenden Direktoren ist § 84 Abs. 1 S. 3 AktG anwendbar. Dies lässt sich daraus ableiten, dass der Aufsichtsrat von der Hauptversammlung und die geschäftsführenden Direktoren vom Verwaltungsrat gestellt werden (Art. 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO, § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG).[12]

5 › IV › 2. Eignung

2. Eignung

249

Vorstand einer AG kann gem. § 76 Abs. 3 S. 1 AktG nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Vorstand kann nicht sein, wer sich gem. §§ 283–283d StGB strafbar gemacht hat oder wer durch gerichtliches Urteil oder Verwaltungsentscheidung ein Berufsverbot auferlegt bekommen hat (§ 76 Abs. 3 S. 3 und 4 AktG). Aufsichtsrat kann ebenfalls nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 100 Abs. 1 S. 1 AktG).

250

Aufsichtsrat kann nicht sein, wer gleichzeitig Organ von Tochtergesellschaften ist oder bereits 10 Aufsichtsratsmandate innehat.[13] Begründet wird dies damit, dass sowohl das Vorstandsamt als auch das Aufsichtsratsmandat eine persönliche Tätigkeit voraussetzen.[14]

251

Art. 47 Abs. 2 SE-VO verweist im Hinblick auf die persönliche Eignung auf die jeweiligen nationalen Aktienrechte, indem bestimmt wird, dass Personen, die nach dem Recht des Sitzstaats der SE dem Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegenden AG nicht angehören dürfen, auch nicht Organe der SE werden dürfen (Art. 47 Abs. 2 a SE-VO). Weiterhin stellt Art. 47 Abs. 2 b SE-VO klar, dass Personen, die durch eine Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung einer nationalen AG nicht als Organ angehören dürfen auch nicht Mitglieder eines Organs der SE werden dürfen. Die persönliche Eignung der Organe einer deutschen SE im dualistischen System ergibt sich daher direkt aus § 76 Abs. 3 AktG, § 100 AktG. Die persönliche Eignung der Verwaltungsratsmitglieder im monistischen System wird gem. § 27 SEAG inhaltsgleich geregelt.[15]

252

Von der in Art. 47 Abs. 1 S. 1 SE-VO dem nationalen Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, auch eine juristische Person zum Mitglied des Leitungs- oder Aufsichtsorgans der SE zuzuordnen, hat der deutsche Gesetzgeber trotz Anregung in der Literatur [16] keinen Gebrauch gemacht. § 27 Abs. 3 SEAG bestimmt in Übereinstimmung mit § 76 Abs. 3 S. 1, § 100 Abs. 1 S. 1 AktG, dass eine juristische Person nicht Mitglied des Verwaltungsrats sein kann.

5 › IV › 3. Zustimmungsbedürftige Geschäfte

3. Zustimmungsbedürftige Geschäfte

253

Der ursprüngliche Entwurf der SE-VO (Art. 72 Abs. 1 SE-VO 1991) sah noch einen Katalog von Geschäften vor, die im dualistischen System der Zustimmung des Aufsichtsorgans und im monstischen System des ausdrücklichen Beschlusses durch das Verwaltungsorgan bedurft hätten.[17]

254

Diesen starren Katalog hat die SE-VO (Art. 48 Abs. 1 SE-VO) zugunsten eines obligatorischen Regelungsauftrags an den Satzungsgeber aufgegeben. Vorgesehen ist jetzt, dass in der Satzung der SE die Arten von Geschäften aufgeführt werden müssen, für die im dualistischen System das Aufsichtsorgan dem Leitungsorgan seine Zustimmung erteilen muss und im monistischen System ein ausdrücklicher Beschluss des Verwaltungsorgans erforderlich ist. Für das dualistische System kann der nationale Gesetzgeber zusätzlich vorsehen, dass bestimmte Arten von Geschäften durch die Aufsichtsorgane von ihrer Zustimmung abhängig gemacht werden können. Für das monistische System ist eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen.[18]

255

Den Mitgliedstaaten bleibt es unbenommen, festzulegen, welche Arten von Geschäften in jedem Fall in die Satzung aufzunehmen sind (Art. 48 Abs. 2 SE-VO).[19] In Deutschland entspricht die Regelung in Art. 48 Abs. 1 SE-VO seit dem TransPuG der für den Aufsichtsrat geltenden Rechtslage. Gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG hat die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Die Gesetzesänderung beruht auf einer Anregung der Baums-Kommission.[20] In der Gesetzesformulierung ist die Anregung umgesetzt worden, indem die Worte „kann jedoch“ durch die Worte „hat jedoch“ in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ersetzt worden sind. Der Aufsichtsrat muss nunmehr einen Zustimmungskatalog aufstellen.[21]

256

Im DCGK ist dies in Ziff. 3.3 entsprechend umgesetzt worden, indem bestimmt wird, dass für Geschäfte von grundlegender Bedeutung die Satzung oder der Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats festlegen. Dazu gehören Entscheidungen oder Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern. Durch den Hinweis auf die Zustimmungspflicht bei grundlegenden Entscheidungen will der DCGK zum Ausdruck bringen, dass der Zustimmungskatalog nicht zu eng gefasst werden darf, um die eigenverantwortliche Führung der Gesellschaft durch den Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG nicht zu sehr einzuengen. Auf der anderen Seite muss durch den Zustimmungskatalog sichergestellt werden, dass grundlegende Entscheidungen der Aufsichtsratszustimmung ebenso unterworfen werden wie Entscheidungen, die die Gesellschaft potenziell schädigen können.[22]

 

257

Die Festlegung des Vorbehalts kann auf verschiedene Arten erfolgen. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG sieht die Festlegung in der Satzung oder durch Aufsichtsratsbeschluss vor. Art. 48 Abs. 1 S. 1 SE-VO sieht zwingend vor, dass die Satzung selbst zustimmungsbedürftige Geschäfte festlegen muss. Dem nationalen Gesetzgeber wird jedoch die Möglichkeit eingeräumt (Art. 48 Abs. 1 S. 2 SE-VO), im dualistischen System dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zu geben, selbst bestimmte Arten von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber in § 19 SEAG Gebrauch gemacht. Er hat damit einen weitgehenden Gleichklang zwischen SE und AG herbeiführen wollen.[23]

258

Für die SE im monstischen System ist eine solche Kompetenzzuweisung an den Verwaltungsrat nicht möglich, da Art. 48 Abs. 1 S. 2 SE-VO ausdrücklich nur auf das dualistische System Bezug nimmt. Aufgrund der Befugnis des Verwaltungsrats, selbst Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen und die geschäftsführenden Direktoren anzuweisen (§§ 22 Abs. 1, 44 Abs. 2 SEAG), ist die Einführung und Regelung solcher Zustimmungsvorbehalte für den Verwaltungsrat auch nicht erforderlich. Im monistischen System ist davon auszugehen, dass es sich bei den Geschäften, für die ein Zustimmungsvorbehalt nach den dargestellten Corporate Governance Grundsätzen gemacht werden müsste, um grundlegende Geschäftsführungsmaßnahmen und nicht um solche der laufenden Verwaltung handelt. Für solche Arten von Geschäften ist im monistischen System der Verwaltungsrat und nicht die geschäftsführenden Direktoren zuständig.[24]

259

Regelungstechnisch kann die Geltendmachung eines Zustimmungsvorbehalts durch einen einzelfallbezogenen Aufsichtsratsbeschluss oder durch die korrespondierende Aufnahme in die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtrats erfolgen. Im Anstellungsvertrag des Vorstands wird dann auf die Beachtung der Geschäftsordnung verwiesen. Im monistischen System wird in der Geschäftsordnung anstatt eines Zustimmungsvorbehalts die Wahrnehmung der dort bezeichneten Geschäfte durch den Verwaltungsrat geregelt. Im Anstellungsvertrag der geschäftsführenden Direktoren wird auf die Geschäftsordnung und die darin enthaltene Kompetenzzuweisung ebenfalls verwiesen.

260

Bei einem gesonderten Aufsichtsratsbeschluss besteht die Gefahr, dass er im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerät. Wenn der Aufsichtsrat im Rahmen der laufenden Überwachung der Geschäfte des Vorstands feststellt, dass ein einzelnes Geschäft besonders gefährlich für die Gesellschaft erscheint, kann er durch einen Ad-hoc-Beschluss einen Zustimmungsvorbehalt begründen. Im monistischen System wird der Verwaltungsrat die Geschäftsführung in diesem Fall selbst durchführen, d.h. die Umsetzung der Maßnahme an sich ziehen.[25]

5 › IV › 4. Information und Vertraulichkeit

4. Information und Vertraulichkeit

261

Um ihre Aufgaben vernünftig wahrnehmen zu können, benötigen die Leitungs- und auch die Überwachungsorgane der SE Informationen über die Gesellschaft. Diese Informationen dürfen jedoch nur zur Ausübung der Organaufgaben und im Interesse der SE wahrgenommen werden. Die Erlangung der Informationen ist für das dualistische und das monistische System unterschiedlich geregelt.

262

Der Vorstand unterrichtet den Aufsichtsrat im dualistischen System gem. Art. 41 Abs. 1 SE-VO mindestens alle 3 Monate über den Gang der Geschäfte der SE und der voraussichtlichen Entwicklung. Über Entwicklungen, die sich auf die Lage der SE spürbar auswirken können, hat der Vorstand den Aufsichtsrat ebenfalls rechtzeitig zu unterrichten (Art. 41 Abs. 2 SE-VO). Der Aufsichtsrat selbst kann gem. Art. 41 Abs. 3 SE-VO zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben alle zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Überprüfungen wahrnehmen. Jedes Mitglied des Aufsichtsrats kann von allen auf diese Weise dem Aufsichtsratsplenum übermittelten Informationen Kenntnis nehmen (Art. 41 Abs. 5 SE-VO). Ergänzend bestimmt § 18 SEAG, dass jedes Aufsichtsratsmitglied Informationen vom Vorstand verlangen kann. Die Information ist dann entsprechend § 90 Abs. 3 S. 2 AktG an das Aufsichtsratsplenum zu richten. Die Informations- und Prüfungsrechte entsprechen im Wesentlichen §§ 90, 111 Abs. 2 AktG.[26]

263

Im monistischen System erfolgt die Information gem. Art. 44 Abs. 1 SE-VO durch die mindestens alle 3 Monate stattfindenden Verwaltungsratssitzungen. Jedes Mitglied des Verwaltungsrats darf von allen Informationen, die dem Verwaltungsrat übermittelt werden gem. Art. 44 Abs. 2 SE-VO Kenntnis nehmen. Die Unterrichtung über die laufenden Geschäfte erfolgt gem. § 40 Abs. 6 SEAG durch die geschäftsführenden Direktoren, die entsprechend § 90 AktG an den Verwaltungsrat zu berichten haben, soweit die Satzung oder die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt

264

Während die Informationserlangung für das monistische und das dualistische System unterschiedlich ausgestaltet ist, ordnet Art. 49 SE-VO für beide Systeme einheitlich an, dass alle Informationen, die Organe der SE erhalten auch über das Ausscheiden aus dem Amt hinaus streng vertraulich behandelt werden müssen. Die Verschwiegenheitspflicht wird im zweiten Halbsatz insofern eingeschränkt, als sie nicht gilt, wenn eine Informationsweitergabe nach nationalem Recht vorgeschrieben oder zulässig ist oder im öffentlichen Interesse liegt.[27]

265

Das SEAG enthält keine Regelungen zur Vertraulichkeit, da die Vertraulichkeit in Art. 49 SE-VO geregelt wird. Die Vertraulichkeit ergibt sich nach nationalem Recht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG i.V.m. § 116 AktG. Wann es sich um vertrauliche Angaben oder Geheimnisse der Gesellschaft handelt, ist nicht allgemein zu definieren. Maßgeblich für die Reichweite der Vertraulichkeit oder der Verschwiegenheitspflicht für die Organe der SE ist das Unternehmensinteresse. Informationen über die Gesellschaft dürfen nur dann preisgegeben werden, wenn die Preisgabe im Unternehmensinteresse liegt. Wenn ein objektives Interesse der Gesellschaft an einer Geheimhaltung besteht, darf eine Preisgabe in keinem Fall erfolgen.[28]

5 › IV › 5. Beschlüsse

5. Beschlüsse

266

Die Beschlussfähigkeit und die Beschlussfassung für alle Organe regelt Art. 50 Abs. 1 SE-VO unmittelbar. Die Beschlussfähigkeit ist gegeben, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend oder vertreten ist (Art. 50 Abs. 1 a SE-VO). Die Beschlüsse werden mit der Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Mitglieder gefasst (Art. 50 Abs. 1 b SE-VO).

267

Art. 50 SE-VO sieht jedoch vor, dass in der Satzung abweichende Bestimmungen enthalten sein dürfen. Aufgrund der Anordnung der Satzungsautonomie für die Beschlussfähigkeit und die Beschlussfassung in Art. 50 SE-VO erübrigen sich nationale Ausführungsbestimmungen dazu, da nach Art. 9 Abs. 1 b SE-VO die angeordnete Satzungsfreiheit Vorrang vor nationalen Ausführungsbestimmungen hat.[29]

5 › IV › 6. Haftung der Organmitglieder

6. Haftung der Organmitglieder

6.1 Regelungssystematik

268

Die ersten Entwürfe zur SE-VO sahen in Art. 77 SE-VO 1991 eine eigenständige Haftungsregelung vor, die eine zwingende gesamtschuldnerische Haftung aller Organmitglieder für eigenes und fremdes Fehlverhalten beinhaltete. Dieser Ansatz eines eigenen Haftungssystems, das keine Differenzierungen zwischen den Funktionen und Aufgabenteilungen innerhalb der Organe vorsah, ist in der Literatur stark kritisiert worden.[30]

269

Art. 51 SE-VO sieht nunmehr sowohl für das dualistische als auch für das monistische System einen Verweis in das nationale Aktienrecht vor. Danach haften die Mitglieder des Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans gem. den im Sitzstaat der SE für die AG maßgeblichen Rechtsvorschriften für die Verursachung von Schäden, die die SE durch eine Pflichtverletzung der Organe erleidet.

270

Für das bisher dem deutschen Recht unbekannte monistische System verweist § 39 SEAG für die Verwaltungsratsmitglieder und § 40 Abs. 8 SEAG für die geschäftsführenden Direktoren auf § 93 AktG. Die Verweisung entspricht der Verweisung in § 116 AktG, der für die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls auf die für den Vorstand geltende Haftungsnorm des § 93 AktG verweist. Durch diese Verweisungen wird die Möglichkeit eröffnet, eine individuelle und an den konkreten Aufgaben des Organs orientierte Haftung der Organmitglieder zu entwickeln und das jeweilige Organmitglied lediglich für eigenes Fehlverhalten haften zu lassen.[31]

6.2 Organhaftung

271

Vorstandsmitglieder haften nach der Grundhaftungsnorm des § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG der Gesellschaft gegenüber auf Schadenersatz, wenn sie bei ihrer Geschäftsführung schuldhaft nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einhalten und der Gesellschaft daraus ein Schaden entsteht. Nach zutreffender h.M. handelt es sich bei § 93 Abs. 2 S. 1 AktG um eine eigene Anspruchsgrundlage, die an die Organstellung und nicht an den Anstellungsvertrag anknüpft, d.h. es ist ein Fall der Organhaftung anzunehmen.[32]

272

Für börsennotierte Gesellschaften wiederholt Ziff. 3.8 des DCGK entsprechend in verkürzter Form den Gesetzestext, indem er anordnet, dass Geschäftsleiter bzw. Aufsichtsratsmitglieder, die schuldhaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verletzen, der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sind.[33]

273

Aufgrund der Fülle der mit der Unternehmensführung verbundenen Sorgfaltspflichten sehen sowohl das Gesetz als auch der DCGK zutreffend davon ab, die haftungsrelevanten Sorgfaltspflichten aus der eigenverantwortlichen Unternehmensleitung i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG weitergehend als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu umschreiben bzw. zu definieren.[34]

274

Lediglich für bestimmte Sondertatbestände wird die Sorgfaltspflicht präzisiert. Dies gilt für die Verpflichtung zur Verschwiegenheit in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, die die Vorstandsmitglieder verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der SE als Ausprägung der organschaftlichen Treuepflicht Stillschweigen zu bewahren.[35]

275

In § 93 Abs. 3 AktG werden außerdem eine Reihe von Pflichtverletzungen, die zu einer Ersatzpflicht führen, genannt. Systematisch handelt es sich bei den in § 93 Abs. 3 AktG genannten Fällen jedoch nicht nur um eine Präzisierung der Pflichtverstöße, sondern gleichzeitig um eine Modifikation des allgemeinen Schadensbegriffs, wie er in §§ 249 ff. BGB vorgegeben ist. Bei Feststellung eines der in § 93 Abs. 3 AktG geregelten Pflichtverstöße besteht der Schaden für die SE bereits im Abfluss der Mittel oder in ihrer Vorenthaltung. Eine Gesamtvermögensbetrachtung unter Einschluss von Ansprüchen auf Rückzahlung der Einlageleistung oder Berücksichtigung von sonstigen Vorteilen ist nicht möglich. Der Einwand des fehlenden Schadens kann nur darauf gestützt werden, dass die entzogenen Beträge tatsächlich wieder zurückgeführt oder die vorenthaltenen Einlagen geleistet wurden.[36]

 

276

Von diesen gesetzlich geregelten Sonderfällen abgesehen, bestimmt sich die Haftung des Vorstands nach der Generalklausel in § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 AktG. Die Haftung ist im Einzelfall am Normzweck des § 93 AktG zu orientieren. Als Gegengewicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) und der dadurch begründeten Haftung der Gesellschaft, d.h. zum Auseinanderfallen von Handelndem und Haftendem, muss eine Innenhaftung begründet werden, durch die der Vorstand der Gesellschaft für sein Handeln verantwortlich wird.

277

Vorrangiger Normzweck des § 93 AktG ist daher der Schutz des Gesellschaftsvermögens.[37] Durch den Schutz des Gesellschaftsvermögens über die Haftung der Vorstandsmitglieder sollen auch die Aktionäre und die Gesellschaftsgläubiger, wozu auch die Arbeitnehmer gehören, geschützt werden. Der Vorstand soll durch das bestehende Haftungsrisiko präventiv dazu veranlasst werden, sein Handeln stets am Wohl der Gesellschaft auszurichten.

278

Die relativ strenge Haftung aus § 93 AktG darf aber nicht dazu führen, dass der Vorstand aufgrund der Gefahr einer persönlichen Haftung unternehmerische Entscheidungen nicht mehr trifft. Aus diesem Grund wurde durch das UMAG[38] § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eingeführt, um eine Überwälzung des Unternehmerrisikos auf den Vorstand zu verhindern. Dadurch wurde dem Vorstand bei der unternehmerischen Leitung und Führung der Gesellschaft ein unternehmerischer Ermessensspielraum eingeräumt, der dazu führt, dass Fehlentscheidungen keine Pflichtverletzungen sind, sondern im unternehmerischen Risiko der Gesellschaft und ihrer Aktionäre liegen, solange der Vorstand annehmen durfte auf Basis angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln und dies auch vernünftigerweise annehmen durfte.[39]

279

Ausgehend von dem so beschriebenen Normzweck ist das Verhalten des Vorstands jeweils im Einzelfall auf die Haftungsrelevanz zu überprüfen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass § 93 AktG zwingendes Recht ist und weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag oder einen Hauptversammlungsbeschluss (arg.e. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG) eingeschränkt werden kann.[40]

280

Der Grundtatbestand des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ordnet an, dass die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben. Die Beschreibung der Sorgfaltspflichten hat dabei eine doppelte Funktion. Es wird einerseits der Sorgfaltsmaßstab festgelegt, dem die Vorstandsmitglieder unterliegen, und damit das ihrer Haftung gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zugrunde liegende Verschulden festgelegt (subjektive Pflichtwidrigkeit), zum anderen wird ein allgemeiner Auffangtatbestand geschaffen, auf den sich alle Pflichtverletzungstatbestände zurückführen lassen (objektive Pflichtwidrigkeit).[41]

281

Die Haftung des Vorstandsmitglieds beginnt, da es sich um eine Organhaftung handelt, spätestens mit der Bestellung des Vorstandsmitglieds und seiner Annahme der Bestellung. Ob ein Anstellungsvertrag besteht, ist unerheblich.[42] Für die Haftung des Vorstands nach § 93 AktG ist es ebenfalls unerheblich, ob ein rechtswirksamer Bestellungsakt vorliegt. Auch die ohnehin nur deklaratorische Eintragung im Handelsregister ist nicht haftungsbegründend. Die Haftung beginnt nach allgemeiner Meinung bei fehlerhafter Bestellung oder fehlender Annahme der Bestellung in dem Zeitpunkt, in dem das Amt des Vorstandsmitglieds mit Wissen des Aufsichtsrats tatsächlich ausgeübt wird.[43]

282

Umstritten ist, ob bei gänzlichem Fehlen eines Bestellungsakts das sog. faktische Organ gem. § 93 AktG haftet. Teilweise wird dies mit der Begründung abgelehnt, dass bloß tatsächliche Umstände keine rechtliche Sonderverbindung begründen können, die eine Haftung auslöst.[44] Die dadurch entstehenden Haftungslücken sind jedoch nicht akzeptabel und dogmatisch auch nicht zwingend notwendig. Wenn die Geschäftsführung Ansatzpunkt für die Haftung gem. § 93 AktG ist, dann muss sie auch Ausgangspunkt für die Entscheidung sein, wer als Organ haftet. Wer die Geschäftsführungsaufgaben mit Billigung des Aufsichtsrats übernimmt, haftet unabhängig davon, ob er überhaupt als Organ bestellt wurde, für sein faktisches Organhandeln und kann sich nicht auf die fehlende Bestellung berufen.[45]

283

Die Haftung endet mit der Beendigung des Vorstandsamts.[46] Beim faktischen Vorstandsmitglied endet die Haftung dann, wenn es keine faktischen Organtätigkeiten tatsächlich mehr ausübt. Eine Haftung kann für nachwirkende Organpflichten, wie z.B. die Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch nach Beendigung des Organverhältnisses fortbestehen.[47]

284

Ein Anspruch aus § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 AktG hat folgende Voraussetzungen:[48] Aktivlegitimiert sind die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG), Gesellschaftsgläubiger gem. § 93 Abs. 5 AktG oder ein besonderer Vertreter gem. § 147 Abs. 2 AktG. Passivlegitimiert ist das Vorstandsmitglied, ein faktisches Vorstandsmitglied, im Falle des § 116 AktG das Aufsichtsratsmitglied, gem. § 39 SEAG das Verwaltungsratsmitglied und gem. § 40 Abs. 8 SEAG der geschäftsführende Direktor. Es muss eine Pflichtverletzung gem. § 93 Abs. 1 AktG vorliegen. Die Pflichtverletzung muss schuldhaft erfolgt sein. Durch die Pflichtwidrigkeit muss der Gesellschaft ein Schaden entstanden sein. Es darf kein Anspruchsausschluss gem. § 93 Abs. 4 AktG gegeben sein. Der Anspruch darf nicht gem. § 93 Abs. 6 AktG verjährt sein.

285

Wie bereits ausgeführt,[49] ist Schutzzweck der Norm, eine Schädigung der Gesellschaft zu verhindern. Aktionäre können aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG keine eigenen Ansprüche herleiten. Die Norm schützt ihre Vermögensansprüche nur mittelbar und ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.[50] Auch Dritte, z.B. Gläubiger der Gesellschaft, können aus § 93 Abs. 2 AktG keine Schadensersatzansprüche ableiten. Auch ihnen gegenüber ist § 93 Abs. 1 und 2 kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.[51]

286

Denkbar sind deliktsrechtliche Ansprüche der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger aus § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 f. StGB, § 92 AktG.[52]

287

Soweit Aktionäre nach diesen Normen eigene Ansprüche gegen den Vorstand haben, kann sich das sog. Problem des Doppelschadens stellen. Ein solcher Doppelschaden liegt dann vor, wenn das Vermögen des Aktionärs direkt nur durch die Wertminderung seiner Aktien geschädigt ist. Ein direkter Anspruch des Aktionärs gegen das Vorstandsmitglied kann grundsätzlich nur dann eintreten, wenn der Aktionär den Schaden der Gesellschaft ausgeglichen hat oder einen gesonderten unmittelbaren Schaden erlitten hat. Wenn der Schaden des Aktionärs lediglich der Reflex des der Gesellschaft entstandenen Schadens darstellt, kann der Aktionär keinen Anspruch auf Zahlung an sich, sondern lediglich Leistung an die Gesellschaft verlangen.[53]

288

Da die Gesellschaftsgläubiger, abgesehen von den beschriebenen deliktischen Ansprüchen, keinen eigenen Anspruch gegen die Gesellschaft haben, müssten sie bei einer Schädigung durch das Vorstandshandeln einen Titel gegen die Gesellschaft erwirken und aus diesem Titel dann einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (§§ 829, 835 ZPO) in die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand gem. § 93 AktG erwirken. Um diesen umständlichen Weg abzukürzen, räumt § 93 Abs. 5 AktG den Gläubigern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, den Ersatzanspruch direkt gegenüber dem Vorstand geltend zu machen. Streitig ist, ob der Gläubiger den Anspruch im Wege der Prozessstandschaft[54] oder einen eigenen Anspruch gegen die Vorstandsmitglieder geltend macht, dessen Bestand mit dem Gesellschaftsanspruch verknüpft ist.[55] Gegen eine Prozessstandschaft spricht, dass der Gläubiger gem. § 93 Abs. 5 AktG zuvor eine Leistung an sich selbst verlangen kann, aber eine Überweisung zur Einziehung entsprechend § 835 Abs. 1 1. Fall ZPO nicht angenommen werden kann, weil das Vorstandsmitglied auch bei Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger mit schuldbefreiender Wirkung an die Gesellschaft leisten kann. Deshalb wird man davon auszugehen haben, dass es sich um eine materielle Anspruchsvervielfältigung handelt.[56] Der Anspruch kann vom Gesellschaftsgläubiger in allen Fällen des § 93 Abs. 3 AktG und bei Vorliegen der Voraussetzungen der Generalklausel des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG dann geltend gemacht werden, wenn die Sorgfaltspflichten gröblich verletzt wurden.

289

Aus der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG folgt die Pflicht des Vorstands, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. Er hat sich so zu verhalten, wie ein pflichtbewusster selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens vergleichbarer Art, der treuhänderisch fremde Vermögensinteressen wahrnimmt, zu handeln hat. Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach dem in der konkreten Unternehmenssituation Erforderlichen und nicht nach den Usancen im Unternehmen oder dem in der Branche Üblichen. Die Sorgfaltspflicht wird durch die Vorschriften des AktG und etwaige Vorgaben im Anstellungsvertrag konkretisiert.[57]