Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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Anmerkungen

[1]

Hüffer § 119 Rn. 1.

[2]

Münch. Hdb. GesR IV/Wiesner § 19 Rn. 2; Müller Die Bank 2002, 544, 545.

[3]

Henn/Frodermann/Jannott/Jannott/Hagemann Kap. 2 Rn. 24; Teichmann BB 2004, 52, 55; Eder NZG 2004, 544, 545.

[4]

Thoma/Leuering NJW 2002, 1449, 1451; Gruber/Weller NZG 2003, 297.

[5]

Hommelhoff/Hopt/v. Werder/Witt S. 305 f.

[6]

Gruber/Weller NZG 2003, 297; Theisen/Wenz/Theisen/Hölzl S. 310; Eder NZG 2004, 544, 545.

[7]

Wiedemann/Wanzl FuS 2011, 51, 56.

[8]

Vgl. die Darstellung der Systeme in den übrigen EU-Staaten im 16. Kap.

[9]

Manz/Mayer/Schröder/Manz Art. 38 SE-VO Rn. 15; Habersack/Drinhausen/Scholz Art. 38 SE-VO Rn. 2.

[10]

Schulz/Geismar DStR 2001, 1078, 1082; Bungert/Beier EWS 2002, 1, 3.

[11]

Zur Wahlfreiheit auch Grundmann Rn. 1042 m.;w.N. in Fn. 58.

[12]

Teichmann ZGR 2002, 338, 442; Thoma/Leuering NJW 2002, 1449, 1451; Schwarz Einleitung Rn. 231 und Art. 43 SE-VO Rn. 124; Habersack/Drinhausen/Verse Art. 43 SE-VO Rn. 37.

[13]

Teichmann ZGR 2002, 383, 442; Neye/Teichmann AG 2003, 169, 175; Schwarz Einleitung Rn. 160.

[14]

Neye/Teichmann AG 2003, 169, 175, 177.

[15]

Kallmeyer ZIP 2003, 1531; Teichmann ZGR 2002, 383, 446, 447.

[16]

Grundlegend Hommelhoff AG 2003, 179, 180 f.; Brandi NZG 2003, 879; Veil WM 2003, 2169; Münch. Hdb. GesR VI/Teichmann § 49 Rn. 96; vgl. auch 11. Kap.

[17]

Vgl. Eidenmüller/Egert/Hornuf AG 2008, 721.

[18]

Arbeitskreis Aktien- und Kapitalmarktrecht ZIP 2009, 698 und ZIP 2011, 1841.

[19]

Www.worker-participation.eu/European-Company-SE/Facts-Figures (zuletzt abgerufen am 18.7.2014).

5 › II. Das dualistische System

II. Das dualistische System

5 › II › 1. Dualistische Leitungsstrukturen

1. Dualistische Leitungsstrukturen

13

Nach § 38b SE-VO verfügt eine SE im dualistischen System über ein Leitungsorgan und ein Aufsichtsorgan. Dies entspricht dem deutschen Modell der Trennung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Die in Art. 39–42 SE-VO zum dualistischen System enthaltenen Regelungen weisen jedoch eine deutlich geringere Regelungsdichte auf als die Vorschriften des deutschen AktG für Vorstand und Aufsichtsrat (§§ 76–116 AktG).

14

Da es eine Spezialverweisung in der SE-VO für das dualistische System nicht gibt, ist das deutsche AktG über Art. 9 Abs. 1 c iii SE-VO anwendbar. Dies folgt daraus, dass nur für die Staaten, die ein dualistisches System in ihrem nationalen Aktienrecht nicht kennen, in Art. 39 Abs. 5 SE-VO die Möglichkeit geschaffen wird, entsprechende Vorschriften für die SE zu erlassen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass in den Staaten, in denen ein dualistisches System nach nationalem Aktienrecht bereits besteht, keine speziellen die SE betreffenden Ergänzungsvorschriften erlassen werden können, sondern das nationale Aktienrecht ergänzende Anwendung findet.[1]

15

In der SE-VO sind lediglich zu einigen Spezialfragen (Mitgliederzahl der Organe, Wahrnehmung der Geschäftsleitung durch Mitglieder des Aufsichtsorgans, Informationsverlangen) spezielle Regelungen vorgesehen, die auch für diejenigen Staaten gelten, deren nationales Recht bereits ein dualistisches System kennt. Der deutsche Gesetzgeber hat in §§ 15–19 SEAG von diesen Regelungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, sich dabei aber bemüht, einen möglichst weitgehenden Gleichlauf mit dem nationalen Aktienrecht herzustellen. So entsprechen die Zahlen der Mitglieder der Leitungsorgane in §§ 16, 18 SEAG den Regelungen in §§ 76 Abs. 2, 95 AktG.[2]

16

Die dualistische Leitungsstruktur der SE wird demnach durch die eigenverantwortliche Leitung der SE durch den Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) und die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat (§ 111 AktG) bestimmt. Art. 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 SE-VO sind mit den deutschen Bestimmungen inhaltsgleich.

5 › II › 2. Leitungsorgan

2. Leitungsorgan

17

Leitungsorgan i.S.d. Art. 39 Abs. 1 SE-VO ist bei einer deutschen SE der Vorstand.

2.1 Zahl und Zusammensetzung

18

Der Vorstand einer SE kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. EUR hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er aus einer Person bestehen soll (§ 16 SEAG, § 76 Abs. 2 AktG). Bei einer mitbestimmten SE muss der Vorstand aus zwei Personen bestehen, von denen einer der Arbeitsdirektor ist (§ 38 Abs. 2 SEBG).

2.2 Bestellung und Abberufung

19

Die Bestellung und Abberufung des Vorstands erfolgt durch den Aufsichtsrat (Art. 39 Abs. 2 S. 1 SE-VO, § 84 Abs. 1 S. 1 AktG). Von der Möglichkeit, die Bestellungskompetenz vom Aufsichtsrat auf die Hauptversammlung zu übertragen (Art. 39 Abs. 2 S. 2 SE-VO) hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Dies beruht auf seinem Bestreben, einen möglichst umfassenden Gleichklang zwischen den auf die deutsche AG und den auf die SE anwendbaren Vorschriften herzustellen.[3]

2.2.1 Bestellung

20

Die Bestellung der Vorstandsmitglieder einer SE kann gem. Art. 46 Abs. 1 SE-VO auf höchstens sechs Jahre ab Amtszeitbeginn erfolgen.[4] Eine vom Aufsichtsrat für längere Zeit ausgesprochene Bestellung ist für die den Sechsjahreszeitraum überschreitende Zeit unwirksam.[5] Umstritten ist, ob es wie im deutschen Aktienrecht ausreichend ist, wenn die Satzung anstelle einer festen Amtsdauer nur eine Höchstdauer vorgibt.[6] Es wird vertreten, dass der Wortlaut des Art. 46 SE-VO, der von einem festgelegten Zeitraum spricht, eindeutig ist, weshalb die Bestimmung einer Höchstdauer nicht genügen soll.[7] Diese Ansicht überzeugt nicht. Dem Wortlaut wird entsprochen, wenn die Amtsdauer hinreichend bestimmbar und dadurch festgelegt ist.[8] Zudem würde andernfalls zumindest in dualistisch organisierten SE die Kompetenz zur Festlegung der Amtsdauer von Vorständen vom Aufsichtsrat auf die Hauptversammlung übertragen werden. Dies würde bei einer SE mit Sitz in Deutschland zu einer unnötigen Veränderung des Kompetenzgefüges führen.[9] Es reicht deshalb aus, wenn die Satzung nur eine Höchstdauer vorgibt und der Aufsichtsrat die individuelle Amtszeit im Rahmen dieser Höchstdauer festlegt. Dies gilt ebenfalls für die Amtszeit des Aufsichtsrats und des Verwaltungsrats, da gesetzliche Grundlage in beiden Fällen Art. 46 SE-VO ist.

21

Eine Mindestdauer der Bestellung ist gesetzlich nicht festgelegt. Der Aufsichtsrat verletzt aber seine Sorgfaltspflichten, wenn er eine zu kurze Bestellung wählt. Die Grenzen sind hier fließend. Im Allgemeinen wird eine Bestellung von mindestens einem Jahr zu erfolgen haben, um dem Vorstand eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Leitungsaufgaben zu ermöglichen.[10]

 

22

In den seltenen Fällen, in denen der Aufsichtsrat einen Vorstand nicht bestellen kann oder nicht bestellen will und die Bestellung eines Vorstandsmitglieds dringend erforderlich ist, kann das Gericht gem. § 85 Abs. 1 AktG einen sog. Notvorstand bestellen. Das Amt des Notvorstands erlischt, sobald der Mangel behoben ist (§ 85 Abs. 2 AktG), d.h. in dem Moment, in dem der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied ordnungsgemäß bestellt. Das erforderliche Vorstandsmitglied fehlt, wenn es aus dem Vorstand tatsächlich durch Tod, Amtsniederlegung oder Widerruf der Bestellung ausgeschieden ist. Eine nur vorübergehende Verhinderung ist kein Fehlen i.S.d. § 85 Abs. 1 AktG.[11] Die Bestellung des Vorstands ist dringlich, wenn der Gesellschaft, ihren Aktionären oder Gläubigern, der Belegschaft oder der Öffentlichkeit erhebliche Nachteile drohen und der Aufsichtsrat nicht oder nicht schnell genug tätig werden kann.[12] Ein solcher Fall ist regelmäßig bei der Spaltung anzunehmen, bei der der Vorstand für die Einberufung der Hauptversammlung benötigt wird.[13] Art. 39 SE-VO enthält keine dem § 85 Abs. 1 AktG vergleichbare Regelung für die Bestellung eines Notvorstands. Art. 39 Abs. 2 S. 1 SE-VO sieht lediglich die Bestellung durch das Aufsichtsorgan vor und entspricht insoweit § 84 Abs. 1 AktG. Da das geschilderte Regelungsbedürfnis für die Bestellung des Notvorstands in den Ausnahmefällen jedoch besteht, ergibt sich die Bestellungskompetenz des Gerichts aus Art. 9 c ii SE-VO.

2.2.2 Abberufung

23

Art. 39 Abs. 2 S. 1 SE-VO legt keine materiellen Voraussetzungen für die Abberufung fest. Zum Teil wird daraus gefolgert, dass deshalb ein wichtiger Grund für die Abberufung nicht vorliegen muss.[14] Da Art. 39 Abs. 2 S. 1 SE-VO aber nur die Zuständigkeit für die Abberufung durch den Aufsichtsrat regelt und nicht die Modalitäten der Abberufung, gilt vielmehr insoweit § 84 Abs. 3 S. 1 AktG über Art. 9c ii SE-VO. Die Bestellung zum Vorstandsmitglied kann somit gem. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG vom Aufsichtsrat nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt. Auch bei der Abberufung eines Vorstands einer deutschen SE ist somit ein wichtiger Grund erforderlich.[15]

24

Ebenso wie die Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgt der Widerruf durch Beschluss des Aufsichtsrats nach § 108 AktG. Ist der Beschluss fehlerhaft, so ist auch der Widerruf unwirksam.

25

Der Widerruf ist als interne Willensbildungsmaßnahme des Aufsichtsrats dem Vorstand gegenüber zu erklären. Die Erklärung erfolgt in der Regel durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, der vom Aufsichtsrat entsprechend im Beschluss bevollmächtigt wird.

26

Eine Frist für den Widerruf sieht das Gesetz anders als bei der Kündigung des Dienstverhältnisses gem. § 626 Abs. 2 BGB nicht vor. Grenzen des Widerrufs ergeben sich allenfalls aus den Grundsätzen der Verwirkung.[16]

27

Der Widerruf bedarf eines wichtigen Grundes. § 84 Abs. 3 S. 1 AktG will die Unabhängigkeit des Vorstands schützen und ist daher nicht abdingbar. Nach zutreffender Meinung kommt dem Aufsichtsrat bei der Entscheidung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Beurteilungsspielraum zu.[17] Die Gegenansicht[18] verkennt, dass der Aufsichtsrat im Interesse der Gesellschaft entscheiden können muss, was eine vertretbare Risikobeurteilung ist, und was als unvertretbare Fehlentscheidung zu werten ist.

28

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist.[19] Bei dieser Entscheidung sind die Interessen der Gesellschaft gegen die Interessen des Vorstandsmitglieds abzuwägen,[20] wobei den Gesellschaftsinteressen Vorrang eingeräumt werden kann.[21] Die Gegenansicht,[22] die die Interessen des Vorstands allein über den Bestand seines Anstellungsvertrages und den durch § 626 Abs. 1 BGB vermittelten Kündigungsschutz berücksichtigen will, übersieht, dass der Vorstand auch anerkennenswerte Interessen an dem Bestand seines Organverhältnisses haben kann. Dem Vorrang der Gesellschaftsinteressen kann bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen insoweit Rechnung getragen werden, als die materiellen Interessen des Vorstands über den Kündigungsschutz aus § 626 Abs. 1 BGB gewahrt werden.[23]

29

Wann ein wichtiger Grund vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und wird durch die bereits dargestellte Interessensabwägung festgestellt. Das Gesetz nennt als Beispiele die grobe Pflichtverletzung und die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

30

Eine ausführliche oder gar abschließende Darstellung, wann eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, ist an dieser Stelle nicht möglich. Als solche wurden ein grundlegender Vertrauensbruch, unrichtige Buchführung, Handeln zum Nachteil der Gesellschaft, Bestechlichkeit, unzulässige Kreditgewährung, Verweigerung von Berichten, nachhaltige Weigerung der Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems sowie die Aneignung von Gesellschaftsvermögen angesehen.[24]

31

Die Unfähigkeit zur Geschäftsführung kann in persönlichen Gründen, wie z.B. einer langandauernden Krankheit oder dem Fehlen der notwendigen Kenntnisse für die Vorstandstätigkeit in der konkreten Gesellschaft liegen.[25]

32

Ein Verschulden des Vorstandsmitglieds ist für die Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes nicht erforderlich.[26]

33

Unabhängig vom Verschulden des Vorstands und seinem Verhalten gibt das Gesetz in § 84 Abs. 3 S. 2 AktG als wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung auch den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung vor, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Einer besonderen Begründung des Hauptversammlungsbeschlusses bedarf es nicht. Selbst wenn dem Vorstandsmitglied keinerlei persönlicher Vorwurf zu machen ist und es sogar objektiv im Recht ist, genügt der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.[27]

34

Die Möglichkeit der Hauptversammlung, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen und damit den Widerruf seiner Bestellung zu ermöglichen, ist letztendlich Ausdruck der Machtbalance zwischen den Gesellschaftsorganen. Die eigenverantwortliche Stellung des Vorstandsmitglieds zur Leitung der Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG und damit Wahrung fremder Vermögensinteressen ist nur zu rechtfertigen solange das Vorstandsmitglied vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen wird.[28]

35

Der Vertrauensentzug bedarf, um Grundlage für den Widerruf sein zu können, eines Beschlusses der Hauptversammlung, der vor Ausspruch des Widerrufs gefasst wird. Eine Genehmigung des Widerrufs ist ebenso wenig möglich wie der außerhalb der Hauptversammlung ausgesprochene Vertrauensentzug durch den Mehrheitsaktionär. Auch die Entlastungsverweigerung durch die Hauptversammlung reicht als Vertrauensentzug noch nicht aus. Eine Entlastungsverweigerung bedeutet nur, dass die Hauptversammlung mit den Maßnahmen des Vorstands in der Vergangenheit nicht einverstanden ist, muss aber noch nicht bedeuten, dass die Hauptversammlung die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Vorstand grundsätzlich ablehnt.[29]

36

Gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG ist der Widerruf mit Zugang der Erklärung, die meist durch den Aufsichtsratsvorsitzenden erfolgt, beim Vorstand wirksam. Durch diese Norm soll die Unsicherheit über das Bestehen des Organverhältnisses beseitigt und Rechtssicherheit geschaffen werden.[30] Der Vorstand kann auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs vor den ordentlichen Gerichten klagen. Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann nicht vereinbart werden. Die Klage ist gegen die AG, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu richten. Es handelt sich um eine Gestaltungsklage. Das Gericht erklärt im Tenor die Abberufung für unwirksam.[31]

37

Eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz kann der Vorstand gegen die Abberufung nur herbeiführen, wenn Formfehler gerügt werden. Das Fehlen eines wichtigen Grundes kann wegen § 84 Abs. 3 S. 4 AktG nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden.[32]

2.2.3 Sonstige Beendigungsgründe

38

Außer durch den Widerruf kann die Organstellung des Vorstands auch in sonstiger Weise enden.

39

Das Vorstandsamt endet unproblematisch durch Fristablauf. Gem. Art. 46 Abs. 1 SE-VO kann die Bestellung des Vorstands nur für höchstens sechs Jahre erfolgen.[33] Wenn nach diesem Zeitraum keine Wiederbestellung erfolgt, endet das Vorstandsamt automatisch. Eine Beendigung nach sechs Jahren tritt auch ein, wenn die Vorstandsbestellung – entgegen Art. 46 Abs. 1 SE-VO – unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als sechs Jahre erfolgte.[34]

40

Unproblematisch ist auch die einvernehmliche Aufhebung der Bestellung. Sie erfolgt im Rahmen eines Aufhebungsvertrages mit dem Vorstand, in dem regelmäßig auch sein Anstellungsverhältnis aufgehoben wird. Die einvernehmliche Beendigung bedarf gem. §§ 108, 112 AktG eines Beschlusses des Aufsichtsrats. In dem Beschluss wird der Aufsichtsratsvorsitzende in der Regel ermächtigt, den Aufhebungsvertrag mit dem Vorstand zu unterzeichnen.[35]

41

Im Gesetz nicht geregelt ist die einseitige Amtsniederlegung durch den Vorstand als Gegenstück zum Widerruf der Bestellung. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Vorstand das Recht haben muss, sein Organverhältnis jederzeit mit sofortiger Wirkung durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zu beenden.[36]

42

Unproblematisch ist die Amtsniederlegung, wenn ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung vorliegt, z.B. eine unberechtigte Entlastungsverweigerung.

43

Problematisch ist, ob der Vorstand für die Amtsniederlegung entsprechend § 84 Abs. 3 S. 1 AktG einen wichtigen Grund haben oder zumindest angeben muss. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss analog § 84 Abs. 3 S. 4 AktG unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes mit Zugang der Niederlegungserklärung bei einem Aufsichtsratsmitglied die Bestellung enden.[37] Die Rechtsprechung hat zumindest für den GmbH-Geschäftsführer bei der Amtsniederlegung auf die Berufung auf einen wichtigen Grund verzichtet.[38] Für den Vorstand einer AG sollte aus Gründen der Rechtssicherheit entsprechend verfahren werden. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft in aller Regel ohnehin kein Vertrauen in einen Vorstand hat und kein Interesse mehr an dessen Tätigkeit hat, wenn er sein Amt niederlegt. Daher kommt es nicht darauf an, ob er für die Niederlegung wichtige Gründe hat oder nicht. Eine Ausnahme sollte lediglich in Missbrauchsfällen gemacht werden, insbesondere bei der Amtsniederlegung zur Unzeit. Bei einem funktionsfähigen Aufsichtsrat dürften diese Fälle jedoch eher selten sein.[39]

44

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Amtsniederlegung wird allerdings im Hinblick auf den Anstellungsvertrag relevant. Es ist anerkannt, dass eine gleichzeitige Kündigung des Anstellungsvertrages bei der Amtsniederlegung durch den Vorstand nicht erforderlich ist, weil der Anstellungsvertrag die materielle Absicherung des Vorstands darstellt. Legt der Vorstand somit sein Amt aus wichtigem Grund nieder, kann er weiter die Vergütung aus seinem Anstellungsvertrag verlangen. Die Amtsniederlegung ist dann kein wichtiger Grund für die Gesellschaft, das Anstellungsverhältnis gem. § 626 BGB zu kündigen.[40] Hat der Vorstand jedoch keinen wichtigen Grund für die Amtsniederlegung, ist die unberechtigte Amtsniederlegung stets ein wichtiger Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft.[41] Zudem verletzt der Vorstand bei einer Amtsniederlegung ohne wichtigen Grund seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft aus dem Anstellungsverhältnis und kann sich so schadensersatzpflichtig machen.[42]

 
2.3 Anstellungsverhältnis

2.3.1 Trennungstheorie

45

Von der organschaftlichen Bestellung zum Vorstand, durch die der Vorstand seine Vertretungs- und Handlungsbefugnis für die Gesellschaft erhält, ist sein schuldrechtliches Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Nach der sog. Trennungstheorie sind die korporationsrechtlichen und die schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Vorstandsmitglied und SE streng zu trennen. Dies ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs. 1 S. 1, 5, Abs. 3 S. 1 und 5 AktG.[43]

46

Die teilweise vertretene Einheitstheorie[44] widerspricht sowohl dem Wortlaut des § 84 AktG als auch seiner Entstehungsgeschichte. Überzeugende sachliche Vorteile der einheitlichen Behandlung bestehen ebenfalls nicht. Die einheitliche Behandlung ist auch nicht praktikabel, da das Organverhältnis – wie bereits gezeigt – eine vom Anstellungsvertrag unterschiedliche Entwicklung nehmen kann.[45]