Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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3. Funktion des Unternehmensgegenstands

52

Die Bedeutung der Bestimmung des Unternehmensgegenstands liegt vorrangig in der Information der Öffentlichkeit über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft. Daneben besteht die Überprüfungsmöglichkeit seitens des Registergerichts, ob die Tätigkeit erlaubt ist oder einer Genehmigung bedarf.

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Schließlich dient eine Konkretisierung auch dem Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan, dem der Kreis der Geschäfte vorgegeben wird, die er in Wahrnehmung seiner Geschäftsführungsaufgabe für die Gesellschaft vornehmen soll.[9] Überschreitet das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan seine Befugnisse, ist das Geschäft nach außen zwar wirksam, im Innenverhältnis machen sich Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan aber gem. Art. 51 SE-VO, § 93 AktG bzw. gem. Art. 43 Abs. 4 SE-VO, § 39 SEAG, § 93 AktG schadensersatzpflichtig.

4 › IV › 4. Schranken und Rechtsfolgen

4. Schranken und Rechtsfolgen

54

Wird überhaupt kein Unternehmensgegenstand in die Satzung aufgenommen oder verstößt der Unternehmensgegenstand gegen gesetzliche Verbote oder beinhaltet der Unternehmensgegenstand sittenwidrige Geschäfte oder genehmigungspflichtige Geschäfte, ohne dass eine Erlaubnis vorliegt, wird die Gesellschaft in aller Regel gar nicht erst eingetragen. Denn das Registergericht hat nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 38 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. im Fall der Verschmelzung nach Art. 26 Abs. 1 SE-VO vor der Eintragung die ordnungsgemäße Errichtung bzw. die Rechtmäßigkeit der Verschmelzung zu prüfen.

55

Erfolgt die Eintragung gleichwohl, kommen entweder die Klage auf Nichtigerklärung nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 275 AktG oder aber die Löschung nach § 397 S. 1 FamFG in Betracht. Die Voraussetzungen für diese Verfahren sind aber enger als die Voraussetzungen, unter denen ein Registergericht die Eintragung ablehnen kann. Denn nachdem die SE eingetragen wurde, genießt diese einen gewissen Bestandsschutz, was sich für die SE unmittelbar aus dem Rechtsgedanken des Art. 30 S. 1 SE-VO und zusätzlich (über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO) aus dem auf Bestands- und Verkehrsschutz gerichteten Normzweck des § 275 AktG ergibt.[10]

56

Erforderlich ist entweder, dass überhaupt keine Bestimmung über den Gegenstand in der Satzung enthalten ist, oder aber, dass die in der Satzung enthaltene Bestimmung gegen § 241 Nr. 3 oder 4 AktG verstoßen würde. Diese Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn der Unternehmensgegenstand nicht mit dem Wesen der AG zu vereinbaren ist oder der Unternehmensgegenstand Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse erlassen sind, oder der Unternehmenszweck gegen die guten Sitten verstößt. In all diesen (Ausnahme-)Fällen kommt entweder die Nichtigkeitsklage nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 275 AktG oder die Löschung von Amts wegen nach § 397 Abs. 1 FamFG in Betracht.[11]

Anmerkungen

[1]

Großkommentar/Röhricht § 23 Rn. 80; MünchKomm AktG/Pentz § 23 Rn. 69; BGHZ 102, 209; Spindler/Stilz/Holzborn § 179 AktG Rn. 62.

[2]

Henn/Frodermann/Jannott/Würz AktR, Kap. 4 Rn. 32.

[3]

Henn/Frodermann/Jannott/Würz AktR, Kap. 4 Rn. 38.

[4]

OLG Hamburg BB 1968, 267; Hüffer § 23 Rn. 22; Heidel/Braunfels § 23 Rn. 21; KölnKomm AktG/Arnold § 23 Rn. 75.

[5]

Heidel/Braunfels § 23 Rn. 21; Henn/Frodermann/Jannott/Würz AktR, Kap. 4 Rn. 38.

[6]

Hüffer § 23 Rn. 22; Großkommentar/Röhricht § 23 Rn. 103.

[7]

So vor allem vertreten für die GmbH: Ulmer/Habersack/Winter/Ulmer § 1 Rn. 8; Baumbach/Hueck/Fastrich § 1 Rn. 5.

[8]

Hüffer § 23 Rn. 24.

[9]

Henn/Frodermann/Jannott/Würz AktR, Kap. 4 Rn. 33; Zum Ganzen Großkommentar/Röhricht § 23 Rn. 81 ff.

[10]

MünchKomm AktG/Hüffer § 275 Rn. 21.

[11]

Zu den Einzelheiten vgl. Rn. 16 ff.

4 › V. Grundkapital

V. Grundkapital

4 › V › 1. Mindestkapital der SE

1. Mindestkapital der SE

57

Die Regelungen über das Kapital der SE enthält Art. 4 SE-VO. Gem. Art. 4 Abs. 1 SE-VO muss das gezeichnete Kapital mindestens 120 000 EUR betragen und auf Euro lauten (Art. 4. Abs. 2 SE-VO). Damit ist das Mindestgrundkapital der SE deutlich höher als das Mindestgrundkapital der deutschen AG, das gem. § 7 AktG 50 000 EUR beträgt. Es wird deswegen diskutiert, ob diese höhere Grundkapitalanforderung den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zur SE erschwert.[1] Allerdings ist schon die AG nicht die gängige Zielrechtsform für kleinere Unternehmen. Für die SE kommt hinzu, dass sich diese Rechtsform in erster Linie an Unternehmen richtet, die in mehreren Mitgliedstaaten aktiv sind und für die allein schon aus diesem Grunde die Mindestgrundkapitalanforderung keine ernstzunehmende Hürde darstellen dürfte. Rein tatsächlich belegen bereits die Gründungszahlen der SE, dass diese Rechtsform immer öfter als Alternative zu den rein nationalen Rechtsformen gesehen wird.[2]

58

Soweit es sich um Gesellschaften handelt, für die nach nationalem Recht höhere Kapitalanforderungen bestehen, gelten diese auch für die SE (Art. 4 Abs. 3 SE-VO). Die von Art. 4 Abs. 2 SE-VO geforderten 120 000 EUR sind daher als Mindestkapital zu verstehen.[3]

59

Sofern gegen die Kapitalanforderungen verstoßen wird, ist die SE nicht einzutragen. Wurde sie dennoch eingetragen, kommt es darauf an, ob die Satzung gar keine Bestimmung über das Grundkapital enthält oder ob dieses zu niedrig festgesetzt wurde. Fehlt es an jeder Bestimmung zum Grundkapital, können die Auflösungsklage nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 275 AktG oder das Amtslöschungsverfahren nach Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 399 FamFG die Folge sein.[4] Ist das Grundkapital in der Satzung ausgewiesen, entspricht dieses aber nicht den Anforderungen des Art. 4 SE-VO, kommen diese Verfahren nicht in Betracht.

4 › V › 2. Aufteilung in Aktien

2. Aufteilung in Aktien

60

Das Grundkapital der SE ist gem. Art. 1 Abs. 2 S. 1 SE-VO in Aktien zerlegt. Da in der SE-VO keine weiteren Vorschriften über Aktien enthalten sind, findet bezüglich der Arten und Gattungen der Aktien das nationale Aktienrecht Anwendung.[5] In Betracht kommen daher für SE mit Sitz in Deutschland Nennbetrags-, Stück-, Inhaber- und Namensaktien, Stammaktien sowie Vorzugsaktien und weitere Aktien mit besonderen Gattungsmerkmalen. In der Satzung sind daher folgende Regelungen vorzunehmen:

2.1 Form der Aktien

61

In der Satzung muss bestimmt werden, ob die SE Nennbetrags- oder Stückaktien ausgeben soll (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG). Werden Nennbetragsaktien

ausgegeben, weisen diese jeweils einen auf volle Euro lautenden Nennbetrag aus. Bei der Stückaktie verteilt sich das satzungsmäßige Grundkapital auf die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Diese haben dementsprechend lediglich einen – wenn man so will – rechnerischen Nennbetrag.

62

Beide Aktienformen dürfen, einmal bezogen auf den Nennbetrag und einmal bezogen auf den rechnerischen Nennbetrag, den Betrag von 1,00 EUR nicht unterschreiten.[6] Die Gründer der SE haben die freie Wahl, für welche Aktienform sie sich entscheiden. Es muss lediglich die Exklusivität der jeweiligen Form beachtet werden, § 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3 AktG; ein Nebeneinander von Nennbetrags- und Stückaktien ist nicht zulässig. Eine nachträgliche Umstellung auf die andere Form ist jedoch möglich.[7]

2.2 Art der Verbriefung der Aktien

63

 

Die Unterscheidung in Namens- und Inhaberaktien in § 10 Abs. 1 AktG bezieht sich lediglich auf die Art der Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts und nicht (wie die Unterscheidung zwischen Stück-und Nennbetragsaktien) auf die inhaltliche Form der Aktie. In der Satzung ist festzulegen, in welcher der beiden Arten die Ausgabe erfolgen soll (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG).[8] Inhaberaktien lauten auf den Inhaber und Namensaktien auf den Namen des jeweiligen Aktionärs. Eine Vielzahl von börsennotierten AG hat in den letzten Jahren ihre Aktien auf Namensaktien umgestellt, sodass mittlerweile die Namensaktie in der Praxis vorherrschend sein dürfte.[9] Hintergrund dieses Wandels sind neben den Erleichterungen durch das NaStrG[10] auch die mit der Namensaktie einhergehenden Vorteile für die Unternehmen. Durch die Ausgabe von Namensaktien sind der AG bzw. SE die Namen der Aktionäre bekannt. Damit können feindliche Übernahmen leichter vorhergesehen werden[11] und auch die Investor Relations können zielgerichteter gestaltet werden.

2.3 Aktiengattungen

64

Neben den zuvor angesprochenen Wahlmöglichkeiten zwischen den Arten und Formen der Aktien können zudem noch Aktiengattungen in der Satzung bestimmt werden.[12] Durch die Festlegung verschiedener Aktiengattungen werden die einzelnen Mitgliedschaftsrechte näher ausgestaltet. Nach § 11 S. 1 AktG können über die einzelnen Aktien unterschiedliche Rechte gewährt werden. Durch Gewährung jeweils gleicher Rechte für eine gewisse Anzahl von Aktien entstehen verschiedene Gattungen (§ 11 S. 2 AktG). Verschiedene Gattungen können jedoch nicht nur durch die Gewährung besonderer Rechte, sondern ebenso durch die Auferlegung besonderer Pflichten nach § 55 AktG entstehen.[13] Gem. § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG müssen die Gattungen in der Satzung der Art nach und der Anzahl nach festgelegt werden.[14] Prominentestes Beispiel für eine Aktiengattung sind die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.

2.4 Vinkulierung

65

Die Übertragbarkeit der Aktien richtet sich, mangels spezieller Regelungen in der SE-VO oder dem SEAG nach nationalem Aktienrecht, so dass auch Aktien einer SE mit Sitz in Deutschland frei übertragbar sind. Abweichende Satzungsbestimmungen sind gem. § 241 Nr. 3 AktG nichtig; als Beschränkung ist einzig die Vinkulierung von Namensaktien zulässig (§ 68 Abs. 2 AktG).[15]

66

Soweit eine Vinkulierung gewünscht sein sollte, ist dies in der Satzung der SE vorzusehen. Soweit lediglich bestimmt wird, dass die Übertragung der Aktien von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig ist, entscheidet über die Zustimmung bei der SE das Leitungs- (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 68 Abs. 2 S. 2 AktG) oder das Verwaltungsorgan (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 68 Abs. 2 S. 2 AktG, Art. 43 Abs. 4 SE-VO, § 22 Abs. 6 SEAG).

67

Bei der dualistischen SE kann der Satzungsgeber darüber hinaus die Kompetenz zur Erteilung der Zustimmung auch dem Aufsichtsorgan oder der Hauptversammlung zuweisen (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 68 Abs. 2 S. 3 AktG). Bei der monistischen SE steht dem Satzungsgeber nur die Option zu, über die Zustimmung die Hauptversammlung entscheiden zu lassen, was schlicht dem Umstand geschuldet ist, dass im monistischen System kein dem Aufsichtsrat entsprechendes Gremium vorgesehen ist, sondern dessen Aufgaben vom Verwaltungsorgan, das ohnehin über die Zustimmung zu entscheiden hat, erfüllt werden.

68

Sowohl beim dualistischen als auch beim monistischen System, hat der Satzungsgeber die Möglichkeit, die Gründe aufzuführen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf.

4 › V › 3. Angaben zur Aufbringung des Grundkapitals

3. Angaben zur Aufbringung des Grundkapitals

69

Hinsichtlich der Angaben in der Satzung zur Aufbringung des Grundkapitals ist nach den verschiedenen Gründungsalternativen zu unterscheiden.

70

Im Fall des Formwechsels (Art. 2 Abs. 4 SE-VO) reicht es aus, wenn in der Satzung festgesetzt wird, dass das Grundkapital durch Formwechsel des bisherigen Rechtsträgers erbracht wurde. Hierbei ist die Firma und der Sitz des formwechselnden Rechtsträgers anzugeben.

71

Ähnlich verhält es sich im Fall der Gründung durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1 SE-VO). Da es sich bei der Gründung durch Verschmelzung um eine sich einaktig vollziehende Kombination aus Verschmelzung und Formwechsel handelt,[16] ist in der Satzung das Vermögen der übernehmenden und übertragenden – mit Firma und Sitz zu benennenden – Gesellschaft als Sacheinlage festzusetzen.[17]

72

Bei der Gründung einer Holding-SE ist in der Satzung festzusetzen, dass das Grundkapital durch Einbringung der Anteile an den Gründungsgesellschaften erbracht wurde. Insoweit empfiehlt es sich, gestaffelt vorzugehen, da zu dem Zeitpunkt, in dem die Satzung festgestellt wird, noch gar nicht klar ist, wie viele Anteile der Gesellschafter der Gründungsgesellschaften tatsächlich eingebracht werden.[18]

73

Bei der Gründung einer Tochter-SE (Art. 2 Abs. 3 SE-VO) oder der SE-Tochtergesellschaft (Art. 3 Abs. 2 SE-VO) ergeben sich gegenüber der deutschen AG keine Besonderheiten, denn bei diesen Gründungsformen handelt es sich um eine klassische Bar- oder Sachgründung.[19]

Anmerkungen

[1]

Vgl. KölnKomm AktG/Wenz Art. 4 Rn. 2; Hommelhoff AG 2001, 279, 286; Habersack/Drinhausen/Diekmann Art. 4 SE-VO Rn. 11 f.; dass diese Unternehmen aber gerade nicht von dieser Rechtsform ferngehalten werden sollten, wird in dem 13. Erwägungsgrund zur SE-VO zum Ausdruck gebracht: „…empfiehlt es sich ein Mindestkapital festzusetzen, das die Gewähr dafür bietet, dass diese Gesellschaften über eine ausreichende Vermögensgrundlage verfügen, ohne dass dadurch kleinen und mittleren Unternehmen die Gründung von SE erschwert wird“.

[2]

Zu Statistiken wie viele SE Gründungen es in den letzten Jahrern gab, wobei die Zahl stetig ansteigt: Schuberth/von der Höh AG 2014, 439 ff.

[3]

KölnKomm/Wenz Art. 4 SE-VO Rn. 20f.; Habersack/Drinhausen/Diekmann Art. 4 SE-VO Rn. 17.

[4]

Habersack/Drinhausen/Diekmann Art. 4 SE-VO Rn. 9 f.; zu den Einzelheiten siehe auch unter Rn. 16 ff.

[5]

Lutter/Hommelhoff/Fleischer Art. 5 SE-VO Rn. 10; KölnKomm AktG/Wenz Art. 5 Rn. 10 f; MünchKomm AktG/Oechsler Art. 5 SE-VO Rn. 6.

[6]

Henn/Frodermann/Jannott/Hagemann § 2 Rn. 47.

[7]

Ausführlich zum Vorgehen bei der Umstellung der Aktienart: Henn/Frodermann/Jannott/Hagemann § 2 Rn. 50 f.

[8]

KölnKomm AktG/Dauner-Lieb § 10 Rn. 7.

[9]

Henn/Frodermann/Jannott/Hagemann § 2 Rn. 54.

[10]

Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung; vgl. Einführung zum Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG), BGBl I S. 123.

[11]

Henn/Frodermann/Jannott/Hagemann § 2 Rn. 55 f.

[12]

Henn/Frodermann/Jannott/Hagemann § 2 Rn. 72; Spindler/Stilz/Vatter § 11 AktG Rn. 1.

[13]

MünchKomm AktG/Heider § 12 Rn. 30; Großkommentar/Brändel § 12 Rn. 22; Münch. Hdb. GesR IV/Wiesner § 13 Rn. 9.

[14]

Münch. Hdb. GesR IV/Wiesner § 13 Rn. 7.

[15]

Spindler/Stilz/Vatter § 10 AktG Rn. 49.

[16]

Happ/Reichert 19.01 Rn. 51.

[17]

Happ/Reichert 19.01 Rn. 51; Manz/Mayer/Schröder/Schröder Art. 17 SE-VO Rn. 17 f; Habersack/Drinhausen/Marsch-Barner Art. 17 SE-VO Rn. 7 f.

[18]

Zu den Einzelheiten vgl. 3. Kap. Rn. 142.

[19]

Vgl. 3. Kap. Rn. 205.

4 › VI. Organstruktur

VI. Organstruktur

4 › VI › 1. Wahlmöglichkeit der Organisationsverfassung

1. Wahlmöglichkeit der Organisationsverfassung

74

Ein besonderes Merkmal der SE ist die Möglichkeit, die Organisationsverfassung auszuwählen. Der Satzungsgeber hat nach Art. 38 b SE-VO das Recht, entweder ein Aufsichts- und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder ein Verwaltungsorgan (monistisches System) zu wählen. Damit hat der Verordnungsgeber – unabhängig von der Rechtstradition des jeweiligen Mitgliedsstaates – die Möglichkeit geschaffen, zwischen dem monistischen und dem dualistischen System zu wählen. Dieses Wahlrecht ist eine der zentralen Neuerungen, die durch die Einführung der SE geschaffen wurde.[1] Somit können in den Ländern, die für ihre Gesellschaften monistische Leitungsstrukturen vorsehen, wie beispielsweise England, Luxemburg, Schweden oder Island;[2] nunmehr auch dualistische Leitungsstrukturen genutzt und umgekehrt in Ländern, in denen das dualistische System etabliert war, auch monistische Leitungsstrukturen gewählt werden. Diese Wahlfreiheit ist erst 1998 unter britischer Ratspräsidentschaft in den Text der SE-VO aufgenommen worden.[3]

75

Die Wahl zwischen monistischem und dualistischem Leitungssystem ist in der Satzung der SE vorzunehmen. Da die SE-VO keinen Auffangmechanismus vorsieht, der für den Fall eingreift, in dem der Satzungsgeber keine Wahl zwischen monistischem und dualistischem Leitungssystem getroffen hat, handelt es sich bei diesem Wahlrecht um einen Pflichtbestandteil der Satzung. Unterbleibt die Wahl in der Satzung, stellt dies ein Eintragungshindernis dar (Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 38 Abs. 4 Nr. 1 AktG).[4] Wird die SE dennoch eingetragen, liegt ein Satzungsmangel vor, der allerdings, mangels gesetzlich angeordneter Rechtsfolgen, ohne Konsequenzen bleibt.

4 › VI › 2. Nachträgliche Änderung der Organisationsverfassung

2. Nachträgliche Änderung der Organisationsverfassung

76

 

Obwohl der Wechsel vom einen zum anderen Leitungssystem in der SE-VO nicht ausdrücklich geregelt ist, muss ein solcher Wechsel ohne weiteres zulässig sein.[5] Bei einem solchen Wechsel des Verwaltungssystems handelt es sich um eine einfache Satzungsänderung, für die über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO die §§ 179 ff. AktG gelten.

77

Ein nachträglicher Wechsel des Leitungssystems führt auch nicht zu einem Anspruch der Aktionäre auf Abfindung, wenn diese gegen den satzungsändernden Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklären.[6] Für eine Analogie zu Art. 8 Abs. 5 SE-VO, § 12 SEAG oder zu § 207 Abs. 1 UmwG fehlt es an der Interessengleichheit. Die zuvor genannten, gesetzlich normierten Fälle weisen eine deutlich höhere Eingriffsintensität auf als der Wechsel vom monistischen zum dualistischen System bzw. umgekehrt. So ist ein solcher Wechsel von vorne herein nicht mit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung vergleichbar (Art. 8 Abs. 5 SE-VO, § 12 SEAG). Der Wechsel ändert lediglich die Leitungsstruktur. Dies wirkt sich zwar mittelbar auch auf die Rechte des einzelnen Aktionärs aus – der Aktionär einer monistischen SE kann unmittelbar das die Gesellschaft leitende Verwaltungsgremium bestellen, während er im dualistischen System lediglich Einfluss auf die Bestellung des Aufsichtsorgans hat –, aber die Wechselmöglichkeit zwischen den Leitungssystemen ist ein integraler Bestandteil der Rechtsform der SE und damit hinzunehmen. Demgegenüber muss sich der Aktionär bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung auf eine völlig neue Rechtsordnung einlassen, was die Rechtsstellung des Aktionärs deutlich stärker verändern kann. Ähnliches gilt für das Austrittsrecht des Gesellschafters im Falle des Formwechsels (§ 207 UmwG). Auch im letztgenannten Fall ändert sich die komplette Rechtsstellung des Gesellschafters, was dieser nicht hinzunehmen braucht.[7]

78

Der Wechsel des Leitungssystems löst – entgegen verbreiteter Ansicht[8] – keine Verhandlungspflicht über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer nach § 18 Abs. 3 SEBG aus. Der Wechsel vom einem in das andere Leitungssystem stellt gerade keine strukturelle Änderung dar, die geeignet ist, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern, wie dies § 18 Abs. 3 SEBG fordert. Für den Wechsel vom dualistischen ins monistische Leitungssystem liegt dieser Befund auf der Hand: Soweit Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sind, wären diese nach dem Wechsel Mitglieder des Verwaltungsorgans und dementsprechend an einem Gremium beteiligt, das nicht nur die Überwachung der Gesellschaft, sondern zusätzlich noch die Leitung verantwortet. Von einer Minderung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer, wie diese in § 18 Abs. 3 SEBG vorausgesetzt wird, kann dementsprechend keine Rede sein.[9]

79

Aber auch für den Wechsel vom monistischen zum dualistischen System gilt nichts anderes. Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem Wechsel des Leitungssystems überhaupt um eine strukturelle Änderung i. S. d. § 18 SEBG handelt.[10] § 18 SEBG soll das Mitbestimmungsregime für die Fälle, in denen sich das Unternehmen strukturell verändert, anpassungsfähig halten. Es geht folglich um Konstellationen, bei denen sich für die Arbeitnehmer im Unternehmen strukturell etwas ändert. Die Gesetzesbegründung zu § 18 SEBG nennt insoweit exemplarisch die Aufnahme einer mitbestimmten Gesellschaft durch eine nicht mitbestimmte SE.[11] Diese Änderung ist mit dem Wechsel des Leitungssystems nicht vergleichbar. Für den normalen Arbeitnehmer ändert sich durch den Wechsel des Leitungssystems nichts. Lediglich etwaige Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsorgan der SE wären nach dem Wechsel des Leitungssystems Mitglieder des Aufsichtsgremiums. Dies ist keine strukturelle Änderung im Sinne des § 18 SEBG.[12]

80

Da der Wechsel des Leitungssystems erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam wird (Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, § 181 Abs. 3 AktG), ist die entsprechende Satzungsänderung von den „alten“ Vertretern der SE anzumelden. Die Anmeldung setzt allerdings voraus, dass bereits die neuen Organmitglieder bestellt und ihre Vertretungsverhältnisse geregelt worden sind.[13]

81

Mit der Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung enden diealtenOrganverhältnisse (Aufsichtsorgan, Leitungsorgan, Verwaltungsorgan) automatisch. Im Falle des Wechsels vom monistischen ins dualistische System endet auch die Amtszeit der geschäftsführenden Direktoren. Ein gesonderter Widerruf ist nicht erforderlich. Soweit neben dem Organverhältnis – wie beim Leitungsorgan – noch Dienstverhältnisse bestehen, sind diese gesondert aufzuheben. Entsprechendes gilt für das Dienstverhältnis der geschäftsführenden Direktoren.

82

Soweit satzungsmäßige Entsenderechte für das neue Organ vorgesehen werden (Entsenderechte zum Aufsichtsorgan werden Entsenderechte zum Verwaltungsorgan und Entsenderechte zum Verwaltungsorgan werden Entsenderechte zum Aufsichtsrat), ist eine Zustimmung der Entsendeberechtigten zu dem Wechsel nicht erforderlich.[14]