Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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4.2.3 Umwandlungsbeschluss

256

Für den Umwandlungsbeschluss gilt über Art. 37 Abs. 7 SE-VO das mit Art. 7 der Verschmelzungsrichtlinie in Einklang stehende nationale Recht. Für die Umwandlung einer deutschen AG ist danach § 65 UmwG anwendbar. Der Umwandlungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst, soweit die Satzung nicht eine größere Kapitalmehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmt.[439] Sind mehrere Aktiengattungen vorhanden, bedarf der Umwandlungsbeschluss zustimmender Sonderbeschlüsse der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung.[440] Inhabern von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht steht bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht zu; eine Ausnahme gilt für den Fall des § 140 Abs. 2 AktG.[441]

257

Der Umwandlungsbeschluss setzt sich nach Art. 37 Abs. 7 S. 1 SE-VO inhaltlich aus der Zustimmung zum Umwandlungsplan und der Genehmigung der Satzung[442] zusammen. Er ist notariell zu beurkunden.[443] Inhalt des Zustimmungsbeschlusses zum Umwandlungsplan müssen sämtliche Regelungsgegenstände des Umwandlungsplans sein.[444] Die Genehmigung der Satzung entspricht ihrer Feststellung i. S. d. § 23 Abs. 1, 2 AktG. Anders als bei der Verschmelzung und der Holdinggründung kann die Hauptversammlung sich nicht das Recht vorbehalten, die Eintragung der SE davon abhängig zu machen, dass die nach § 13 Abs. 1 SEBG geschlossene Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer von ihr ausdrücklich genehmigt wird, da in Art. 37 SE-VO eine Art. 23 Abs. 2 S. 2, 32 Abs. 6 S. 3 SE-VO entsprechende Regelung fehlt.[445]

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Ein Beschluss des Aufsichtsrats der deutschen AG ist zur Wirksamkeit der Umwandlung selbst dann nicht erforderlich, wenn es sich um einen mitbestimmten Aufsichtsrat handelt. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Möglichkeit des Art. 37 Abs. 8 SE-VO keinen Gebrauch gemacht.[446]

4.2.4 Bestellung der Organmitglieder und des Abschlussprüfers

259

In dem Fall, dass in der SE ein Aufsichtsrat in gleicher Weise zu bilden ist wie in der umzuwandelnden AG, ist die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern entbehrlich.[447]

260

In allen anderen Fällen sind die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats der dualistisch strukturierten SE bzw. des ersten Verwaltungsrats der monistisch strukturierten SE zu bestellen. Diese Bestellung muss im Umwandlungsbeschluss[448] vorgenommen werden.[449] Die Vorschriften der §§ 30 Abs. 3, 31 AktG finden auf die SE keine – auch keine entsprechende – Anwendung.[450] Soweit zum Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht abgeschlossen sind, wird der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat konsequenterweise noch ohne Arbeitnehmervertreter in Übereinstimmung mit den satzungsmäßigen Vorgaben zusammengesetzt;[451] falls diese Verhandlungen ein Mitbestimmungsmodell zum Ergebnis haben, hat nach Eintragung der SE eine Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG bzw. § 25 Abs. 1 SEAG zu erfolgen und ist der Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat nach §§ 97 ff. AktG bzw. §§ 25 ff. SEAG – gegebenenfalls im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens – neu zu besetzen. Soweit zum Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung bereits abgeschlossen sind, kann schon der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat entsprechend dem Verhandlungsergebnis zusammengesetzt werden, wobei die Arbeitnehmervertreter erst nach Eintragung der SE hinzu gewählt werden.[452]

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Mit Wirksamwerden der Umwandlung enden die Mandate der Vorstandsmitglieder.[453] Im dualistischen System hat deshalb anschließend der Aufsichtsrat die ersten Mitglieder des Vorstands nach Art. 39 Abs. 2 SE-VO zu bestellen, im monistischen System der Verwaltungsrat die ersten geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 1 SEAG.

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Da die SE-VO zur Bestellung der Abschlussprüfer schweigt, wird der erste Abschlussprüfer der SE nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 30 Abs. 1 AktG in notarieller Form von den Aktionären, die für die Umwandlung gestimmt haben,[454] bestellt. Es empfiehlt sich, die Bestellung in den Umwandlungsbeschluss aufzunehmen.

4.2.5 Gründungsbericht

263

Bei der Gründung einer SE durch Umwandlung handelt es sich infolge der Geltung des Identitätsprinzips nicht um eine Neugründung und damit auch nicht um eine Sachgründung. Fraglich ist deshalb, inwieweit über Art. 15 Abs. 1 SE-VO die Regelungen der §§ 32 ff. AktG zu Gründungsbericht, Gründungsprüfung und Gründungsprüfungsbericht Anwendung finden. Der deutsche Formwechsel unterliegt nach § 197 UmwG den für die neue Rechtsform geltenden Gründungsvorschriften und wird zur Vermeidung eines Unterlaufens der Kapitalaufbringungsvorschriften entspr. den Regeln für eine Sachgründung behandelt.[455] Ob die Regelungen der §§ 32 ff. AktG über die Verweisungsnorm des Art. 15 Abs. 1 SE-VO überhaupt anwendbar sind, kann angesichts der Tatsache, dass die Umwandlung keine Neugründung darstellt und die Verweisungsnorm des § 197 UmwG keine direkte Anwendung findet, bereits ernsthaft bezweifelt werden. Darüber hinaus kommt, sollten die Regelungen der §§ 32 ff. AktG grundsätzlich anwendbar sein, eine analoge Anwendung des Grundgedankens des § 75 Abs. 2 UmwG in Betracht. § 75 Abs. 2 UmwG liegt der Gedanke zugrunde, dass Gründungsbericht und externe Gründungsprüfung entbehrlich sind, wenn die Kapitalaufbringung und -erhaltung aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften gesichert ist.[456] Dieser Gedanke ist für die Umwandlung gleichermaßen zutreffend. Hinzu kommt, dass Gründungsbericht und externe Gründungsprüfung inhaltlich nicht über Umwandlungsbericht und Umwandlungsprüfung hinausgehen, also keinem zusätzlichen Schutz dienen. Für die Gründungsprüfung ergibt sich dies bereits unmittelbar daraus, dass Art. 37 Abs. 6 SE-VO für die Umwandlungsprüfung auf die Kapitalrichtlinie[457] verweist, mit der die Vorschrift des § 33 AktG über die Gründungsprüfung im Einklang steht.[458] Die Entbehrlichkeit des Gründungsberichts folgt ferner aus einer Analogie zu § 245 Abs. 4 UmwG. Dessen Ratio, wonach beim Formwechsel einer AG in eine GmbH ein Bericht nicht erforderlich ist, weil die Aktionäre wegen ihres gegenüber GmbH-Gesellschaftern und KGaA-Komplementären typischerweise geringeren Einflusses auf die Gesellschaft nicht mit Berichtspflichten belastet werden sollen, greift auch bei der Umwandlung einer AG in eine SE.[459] Im Ergebnis sprechen deshalb die besseren Argumente dafür, einen Gründungsbericht gem. § 32 AktG – wie auch eine externe Gründungsprüfung gem. § 33 Abs. 2 AktG – für entbehrlich zu halten.[460] Da die Registergerichte zu einer extensiven Anwendung der Sachgründungsvorschriften im Rahmen eines nationalen Formwechsels neigen und deshalb erhebliche Rechtsunsicherheit herrscht,[461] ist es für die Praxis möglicherweise gleichwohl empfehlenswert, aus Vorsichtsaspekten diese Frage vorab mit dem Registergericht abzustimmen oder vorsorglich einen Gründungsbericht vorzusehen.

264

Ein vorsorglicher Gründungsbericht wäre von allen für die Umwandlung stimmenden Aktionären[462] zu erstatten und – aufgrund des Schriftformerfordernisses – von ihnen zu unterzeichnen.[463] Hinsichtlich des Inhalts eines Gründungsberichts kann auf die Ausführungen im Rahmen der Gründung einer Tochter-SE verwiesen werden.[464]

4.2.6 Interne Gründungsprüfung

265

Nach § 33 Abs. 1 AktG[465] haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen. Für eine monistisch strukturierte SE ist die Prüfung durch den Verwaltungsrat vorzunehmen.[466] Der Umfang der Gründungsprüfung durch die Organmitglieder hat sich auf den Hergang und alle damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Vorgänge der Gründung zu erstrecken und zusätzlich auf die in § 34 Abs. 1 AktG besonders hervorgehobenen Aspekte; dazu gehört im Falle der Umwandlung auch die Werthaltigkeit des Nettovermögens der AG im Verhältnis zur Höhe ihres Kapitals zuzüglich nicht ausschüttungsfähiger Rücklagen.

266

Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 34 Abs. 2 AktG ist durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. durch den Verwaltungsrat ein schriftlicher Gründungsprüfungsbericht zu erstatten.[467] Aus dem Schriftformerfordernis und der Gesamtzuständigkeit ergibt sich, dass der Gründungsprüfungsbericht durch sämtliche Organmitglieder persönlich zu unterzeichnen ist. Der Bericht muss alle Umstände enthalten, die Gegenstand der Prüfung waren.[468]

4.2.7 Externe Gründungsprüfung

267

Ob eine externe Gründungsprüfung durch einen oder mehrere gerichtlich bestellte Gründungsprüfer gem. § 33 Abs. 2 AktG stattzufinden hat, kann aus den zum Gründungsbericht angestellten Erwägungen[469] ernsthaft bezweifelt werden. Die besseren Argumente sprechen dagegen.[470] Angesichts der erheblichen Rechtsunsicherheit könnte es allerdings für die Praxis gleichwohl empfehlenswert sein, vorsorglich diese Frage vorab mit dem Registergericht abzustimmen. Die fachlichen Bestellungsanforderungen an den Gründungsprüfer ergäben sich aus § 33 Abs. 4 AktG. Der Gründungsprüfer könnte mit dem bestellten ersten Abschlussprüfer identisch sein.[471] Hinsichtlich des Umfangs entspräche die externe Gründungsprüfung der Gründungsprüfung durch die Organmitglieder.

 

268

Für den Gründungsprüfungsbericht einer vorsorglichen externen Gründungsprüfung gelten die Ausführungen zum Gründungsprüfungsbericht der Organmitglieder entsprechend.

4.2.8 Anmeldung der Umwandlung

269

Soweit es sich um eine deutsche SE handelt, richtet sich die Anmeldung der Umwandlung grundsätzlich nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO und § 3 SEAG, also nach den für eine deutsche AG geltenden Vorschriften sowie im monistischen System ergänzend nach § 21 SEAG. Mangels Neugründung ist jedoch eine Anmeldung durch alle Gründer, also alle für die Umwandlung stimmenden Aktionäre,[472] nicht sachgerecht. Die Anmeldung hat vielmehr entsprechend §§ 246 Abs. 1, 198 Abs. 1 UmwG durch den Vorstand der umzuwandelnden AG zu erfolgen, wobei die Anmeldung durch eine vertretungsberechtigte Anzahl von Vorstandsmitgliedern genügt.[473]

270

Zugleich sind entsprechend § 246 Abs. 2 UmwG die neuen Vorstandsmitglieder bzw. geschäftsführenden Direktoren der SE zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Diese haben in der Anmeldung die Versicherungen nach § 37 Abs. 2 AktG abzugeben. Zudem ist nach § 37 Abs. 3, 5 AktG, § 21 Abs. 2 SEAG deren jeweilige Vertretungsbefugnis anzugeben. Nach § 37 Abs. 4 AktG, § 21 Abs. 2 SEAG sind die dort genannten Anlagen beizufügen, insbesondere der Umwandlungsplan einschließlich Satzung, der Umwandlungsbericht und der Umwandlungsprüfungsbericht, ein Nachweis über die rechtzeitige Zuleitung des Umwandlungsplans an den Betriebsrat, die Niederschrift über den Umwandlungsbeschluss, die Urkunden über die Bestellung der Organmitglieder und der interne Gründungsprüfungsbericht.[474] Darüber hinaus hat der Vorstand der Anmeldung das sog. Negativattest gem. §§ 16 Abs. 2 S. 1, 198 Abs. 3 UmwG beizufügen; alternativ können, um die Eintragung ohne Negativattest zu ermöglichen, die notariell beurkundeten Verzichtserklärungen i. S. d. § 16 Abs. 2 S. 2 UmwG sämtlicher klageberechtigter Aktionäre vorgelegt werden. Liegt beides nicht vor, kann die Registersperre nur durch ein Unbedenklichkeitsverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG durchbrochen werden. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 2 SE-VO ist schließlich ein Nachweis über die Vereinbarung der Arbeitnehmerbeteiligung vorzulegen oder, soweit keine Vereinbarung getroffen wurde, ein Nachweis, dass die Verhandlungen nicht aufgenommen bzw. abgebrochen wurden oder die Verhandlungsfrist abgelaufen ist.[475]

4.2.9 Eintragung, Offenlegung, Bekanntmachung

271

Sind sämtliche Voraussetzungen der Umwandlung und darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 SE-VO erfüllt, wird die SE nach Art. 12 Abs. 1 SE-VO i. V. m. §§ 14, 39 AktG, §§ 8 ff. HGB in das Handelsregister eingetragen, und zwar nach § 3 Abs. 3 HRV in Abteilung B.[476]

272

Nach Art. 13 SE-VO i. V. m. § 10 HGB ist die Eintragung der SE durch das Registergericht ihres Sitzes bekannt zu machen. Anschließend ist die Eintragung der SE nach Art. 14 Abs. 1 SE-VO mittels einer Bekanntmachung zu Informationszwecken im Amtsblatt der Europäischen Union[477] zu veröffentlichen; diese Bekanntmachung muss die Firma der SE, die Handelsregisternummer, Datum und Ort der Handelsregistereintragung, Datum, Ort und Titel der Veröffentlichung sowie den Sitz und den Geschäftszweig der SE enthalten.

4.2.10 Wirkungen der Umwandlung

273

Mit der Eintragung der SE besteht die formwechselnde AG in der Rechtsform der SE weiter. Durch die Umwandlung wird das Grundkapital der formwechselnden AG zum Grundkapital der neuen SE, und die Aktionäre der AG werden zu Aktionären der SE. Im Hinblick auf das Identitätsprinzip hat Art. 37 Abs. 9 SE-VO keine eigenständige Bedeutung.

4.3 Schutz der Minderheitsaktionäre und Gläubiger

274

Die SE-VO enthält keine Regelungen zum Schutz von Minderheitsaktionären und Gläubigern. Anders als bei Verschmelzung und Holdinggründung[478] enthält die SE-VO auch keine Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers, entsprechende Regelungen vorzusehen.[479] Da auch das SEAG keine entsprechenden Regelungen vorsieht, steht im Falle der Umwandlung einer deutschen AG in eine SE weder den Minderheitsaktionären ein Anspruch auf Barabfindung (§§ 207 ff. UmwG)[480] oder bare Zuzahlung (§ 196 UmwG)[481] noch den Gläubigern ein Anspruch auf Sicherheitsleistung (§§ 204, 22 UmwG)[482] zu. Dies ist auch sachgerecht, da die korporative Struktur der SE im Wesentlichen der AG entspricht und sich deshalb die Rechtsstellung der Aktionäre und Gläubiger nicht wesentlich verändert oder gar verschlechtert. Die Umwandlung selbst kann auch nicht gleichzeitig mit einer Sitzverlegung verbunden werden (vgl. Art. 37 Abs. 3 SE-VO), durch die sich das auf die SE partiell anwendbare nationale Recht ändern würde. Darüber hinaus bestehen mit dem Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung aus § 242 UmwG und der Werthaltigkeitsprüfung nach Art. 37 Abs. 6 SE-VO bereits Schutzmechanismen für Minderheitsaktionäre und Gläubiger. Ein weitergehendes Schutzbedürfnis ist daher nicht gegeben.[483] Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Regelungskonzept im SEAG[484] und für den Schutz der Minderheitsaktionäre dem deutschen Formwechsel.[485] Für einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 196 UmwG fehlt es im Gegensatz zu einer SE-Gründung durch Verschmelzung oder als Holding-SE bereits an einem Umtauschverhältnis, weshalb eine Bezifferung des Anspruchs in der Praxis kaum möglich wäre.[486]

3 › III › 5. SE-Tochtergesellschaft

5. SE-Tochtergesellschaft

275

Die SE-Tochtergesellschaft i. S. d. Art. 3 Abs. 2 SE-VO wird – anders als die Tochter-SE, die nach Art. 2 Abs. 3 SE-VO von mehreren Gründern als Joint Venture errichtet wird – als Einmanngründung durch eine SE selbst errichtet.[487] Das Verfahren zur Gründung einer SE-Tochtergesellschaft ist in der SE-VO nicht geregelt. Über die Verweisungsnorm des Art. 15 Abs. 1 SE-VO findet auf die Gründung das nationale Aktienrecht des Sitzstaats Anwendung. Soweit die SE-Tochtergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat, handelt es sich um eine klassische Bar- oder Sachgründung nach deutschem Aktienrecht.[488] Möglich ist auch eine gemischte Bar- und Sachgründung, bei der ein Teil der Aktien gegen Bareinlagen und der andere Teil gegen Sacheinlagen übernommen werden. Soweit Sacheinlagen – bspw. die Einbringung von Tochtergesellschaften oder Betrieben – zu leisten sind, sind die besonderen Sachgründungsvorschriften des Aktienrechts zu beachten.

5.1 Vorbereitungsphase

5.1.1 Entschluss zur Gründung einer SE-Tochtergesellschaft

276

Da das Verfahren zur Gründung einer SE-Tochtergesellschaft einen Gründungsplan nicht vorsieht, beginnt die Vorbereitungsphase mit dem Entschluss des Vorstands bzw. Verwaltungsrats der SE zur Gründung einer SE-Tochtergesellschaft.[489]

5.1.2 Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG

277

Nach § 4 Abs. 2 SEBG haben der Vorstand bzw. die geschäftsführenden Direktoren[490] der gründenden SE, soweit diese oder die künftige SE-Tochtergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat,[491] unverzüglich nach Entschluss zur Gründung einer SE-Tochtergesellschaft die Arbeitnehmervertretungen in der SE und in ihren Tochtergesellschaften und Betrieben, soweit diese in die SE-Tochtergesellschaft eingebracht werden sollen,[492] über das Gründungsvorhaben zu informieren.[493] Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt diese Information gegenüber den Arbeitnehmern. Der Mindestinhalt der Information umfasst nach § 4 Abs. 3 SEBG:


die Identität und Struktur der SE und ihrer in die SE-Tochtergesellschaft einzubringenden Tochtergesellschaften und Betriebe und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten;
die in diesen Gesellschaften und Betrieben bestehenden Arbeitnehmervertretungen;
die Zahl der in diesen Gesellschaften und Betrieben jeweils beschäftigten Arbeitnehmer sowie die daraus zu errechnende Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer;
die Zahl der Arbeitnehmer, denen Mitbestimmungsrechte in den Organen dieser Gesellschaften zustehen.

278

Gleichzeitig sind die Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, das besondere Verhandlungsgremium nach §§ 5 ff. SEBG zu bilden.[494] Ziel dieser Information und Aufforderung ist es, dessen Bildung möglichst kurzfristig vorzunehmen und zügig in die Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung nach §§ 11 ff. SEBG einzutreten.[495]

5.2 Gründungsphase

5.2.1 Gründungsurkunde

279

Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 23 AktG wird die SE-Tochtergesellschaft mittels notariell beurkundetem Gründungsprotokoll errichtet. Diese Gründungsurkunde ist wesentliche Grundlage der Gründung. Sie ist von einem deutschen Notar zu beurkunden.[496] Nach § 23 AktG muss die Gründungsurkunde einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen.

5.2.1.1 Gründer

280

Die Gründungsurkunde muss die SE, die als Gründer der SE-Tochtergesellschaft auftritt,[497] namentlich ausweisen.[498] Nach § 23 Abs. 1 S. 2 AktG ist bei dem Gründungsakt eine rechtsgeschäftliche Vertretung aufgrund notariell beglaubigter Vollmacht zulässig.

5.2.1.2 Übernahme der Aktien

281

In der Gründungsurkunde muss die SE sämtliche Aktien der SE-Tochtergesellschaft übernehmen. Die Gründungsurkunde muss insoweit bei Nennbetragsaktien den Nennbetrag der Aktien und bei Stückaktien die Zahl der Aktien sowie den Ausgabebetrag und – im Falle mehrerer Gattungen – die Aktiengattungen spezifizieren.[499]

5.2.1.3 Einzahlung der Einlagen

282

Da zum Zeitpunkt der Errichtung der Gründungsurkunde regelmäßig noch keine Einzahlungen auf das Grundkapital erfolgt sind, sollte in der Gründungsurkunde festgelegt werden, wann und in welchem Umfang die übernommenen Einlagen zu zahlen sind.[500] Der entsprechende Einzahlungsnachweis ist bei der Anmeldung der Gesellschaft beizufügen.