Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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2.3.2 Barabfindungsangebot

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Soll die Holding-SE ihren Sitz im Ausland haben oder ist sie ihrerseits abhängig i. S. d. § 17 AktG, hat jede deutsche Gründungsgesellschaft in der Rechtsform einer AG[343] nach § 9 Abs. 1 SEAG im Gründungsplan jedem ihrer Aktionäre, der gegen den Zustimmungsbeschluss zum Gründungsplan Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Aktien gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten.[344] Dem Widerspruch zur Niederschrift stehen nach § 9 Abs. 1 S. 5 SEAG die in § 29 Abs. 2 UmwG genannten Fälle gleich. Anders als bei der baren Zuzahlung gem. § 11 SEAG können das Barabfindungsangebot also nur solche Aktionäre annehmen, die dem Zustimmungsbeschluss selbst widersprochen haben; diese Einschränkung rechtfertigt sich daraus, dass ein Anspruch auf Barabfindung denknotwendig das Ausscheiden aus der Gesellschaft voraussetzt. Im Unterschied zur Verschmelzung erwirbt nicht die Holding-SE, sondern die Gründungsgesellschaft die Aktien, weil bei der Holdinggründung die Gründungsgesellschaften bestehen bleiben und eine Gesamtrechtsnachfolge durch die SE nicht stattfindet.

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Da das Ausscheiden gegen Barabfindung zur Übernahme von Aktien durch die Gründungsgesellschaft führt, handelt es sich aus ihrer Sicht um einen Erwerb eigener Aktien. § 9 Abs. 1 S. 2 SEAG verweist deshalb – mit Einschränkungen – auf die entsprechenden Regelungen in §§ 71 ff. AktG. Der Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Abfindung ist nach § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG im Falle einer Verschmelzung nach deutschem Recht grundsätzlich zulässig; diese Vorschrift ist auf die Holdinggründung analog anzuwenden. Da sich der Erwerb eigener Aktien im Rahmen des § 71 Abs. 2 AktG halten muss, hat die Holdinggründung zu unterbleiben, wenn sich bereits vor Beschlussfassung abzeichnet, dass diese Grenze nicht eingehalten werden kann.[345] Ein trotzdem gefasster Beschluss ist anfechtbar,[346] der Aktienerwerb ist jedoch in jedem Falle schuldrechtlich[347] und dinglich wirksam.[348]

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Die Barabfindung, die die Verhältnisse der Gründungsgesellschaft im Zeitpunkt des Zustimmungsbeschlusses berücksichtigen muss, ist gem. §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 2 SEAG nach Ablauf des Tages, an dem die Holding-SE in ihrem Sitzstaat eingetragen und bekannt gemacht worden ist, mit jährlich 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. Die Angemessenheit der anzubietenden Barabfindung ist nach §§ 7 Abs. 3, 9 Abs. 2 SEAG durch Holdingprüfer entsprechend §§ 10–12 UmwG zu prüfen, sofern die Berechtigten nicht auf die Prüfung oder den Prüfungsbericht in notariell beurkundeter Form verzichten.

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Die widersprechenden Aktionäre können nach §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 2 SEAG das Barabfindungsangebot nur binnen zwei Monaten nach Eintragung und Bekanntmachung der Holding-SE annehmen. Im Falle eines Spruchverfahrens läuft die Annahmefrist zwei Monate nach der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger ab. Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Das Barabfindungsangebot kann formlos angenommen werden. Die Übertragung der Aktien erfolgt Zug um Zug gegen Erhalt der Abfindung zwischen dem widersprechenden Aktionär und der Gründungsgesellschaft. Möchte der Aktionär seine Aktien zwischen Fassung des Zustimmungsbeschlusses und Ablauf der Annahmefrist anderweitig veräußern, setzt die Regelung in §§ 7 Abs. 6, 9 Abs. 2 SEAG etwaige Verfügungsbeschränkungen bei der Gründungsgesellschaft außer Kraft.

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Die Regelung in §§ 7 Abs. 7, 9 Abs. 2 SEAG stellt die Verbindung zwischen dem Anspruch auf Barabfindung und einem Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung her. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist. Das Spruchverfahren richtet sich nach dem SpruchG. Zuständig für das Spruchverfahren ist nach § 2 Abs. 1 SpruchG das Landgericht, in dessen Bezirk die Gründungsgesellschaft ihren Sitz hat, deren Aktionäre antragsberechtigt sind, im Falle mehrerer zuständiger Landgerichte dasjenige, das zuerst in der Sache tätig geworden ist.[349]

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Dieses Spruchverfahren zur Überprüfung der Abfindung von Minderheitsaktionären findet nach Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO – wie das Verfahren zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses – nur dann Anwendung, wenn die übrigen Gründungsgesellschaften entweder in ihrem jeweiligen Sitzstaat ein entsprechendes Verfahren haben oder anderenfalls bei der Zustimmung zum Gründungsplan gem. Art. 32 Abs. 6 SE-VO durch ausdrücklichen Beschluss akzeptieren, dass die Aktionäre der deutschen Gründungsgesellschaften auf dieses Verfahren zurückgreifen können. In diesem Falle kann nach §§ 7 Abs. 5, 9 Abs. 2 SEAG eine Klage gegen die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass das Barabfindungsangebot zu niedrig bemessen oder dass die Barabfindung im Gründungsplan nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist.[350] Anderenfalls bleibt es bei der Anfechtungsmöglichkeit.

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Nach §§ 7 Abs. 7 S. 3, 9 Abs. 2 SEAG können auch Gesellschafter einer ausländischen Gründungsgesellschaft unter den Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO ein Spruchverfahren vor einem deutschen Gericht einleiten, wenn ihr nationales Recht ebenfalls ein derartiges Verfahren vorsieht und zudem die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gegeben ist. Gesellschafter einer Gründungsgesellschaft in einem Mitgliedstaat, der ein Spruchverfahren nicht kennt, können sich an dem deutschen Spruchverfahren nicht direkt beteiligen. Ihre wirtschaftlichen Interessen werden dadurch geschützt, dass sie nach § 6a SpruchG durch einen gemeinsamen Vertreter am Spruchverfahren beteiligt werden, der durch das Gericht auf Antrag bestellt wird.

3 › III › 3. Tochter-SE

3. Tochter-SE

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Das Verfahren zur Gründung einer Tochter-SE i. S. d. Art. 2 Abs. 3 SE-VO[351] ist in der SE-VO im Detail nicht geregelt. Art. 36 SE-VO verweist für die Gründer auf die nationalen Vorschriften über eine Beteiligung an der Gründung einer Tochtergesellschaft in Form einer AG. Für die Gründung der Tochter-SE selbst ist wiederum die Verweisung des Art. 15 Abs. 1 SE-VO auf das nationale Aktienrecht des Sitzstaates einschlägig. Es ist weder ein Gründungsplan noch eine Mitwirkung der Gesellschafterversammlungen der an der Gründung beteiligten Gründungsgesellschaften vorgesehen.[352] Vielmehr handelt es sich, soweit die Tochter-SE ihren Sitz in Deutschland hat, um eine klassische Bar- oder Sachgründung nach deutschem Aktienrecht. Möglich ist auch eine gemischte Bar- und Sachgründung, bei der ein Teil der Aktien gegen Bareinlagen und der andere Teil gegen Sacheinlagen übernommen werden (gemischte Einlagen). Soweit Sacheinlagen zu leisten sind, sind die besonderen Sachgründungsvorschriften des Aktienrechts zu beachten.

3.1 Vorbereitungsphase

3.1.1 Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochter-SE

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Da das Verfahren zur Gründung einer Tochter-SE einen Gründungsplan i.e.S. nicht vorsieht, beginnt die Vorbereitungsphase mit der bloßen Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochter-SE durch die Gründer.[353] Eine derartige Vereinbarung ist keine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Gründung und in den Gründungsvorschriften nicht einmal vorgesehen, jedoch in § 4 Abs. 2 S. 3 SEBG vorausgesetzt.

3.1.2 Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG

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Nach § 4 Abs. 2 SEBG haben die Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane[354] der Gründer, soweit sie selbst oder die künftige Tochter-SE ihren Sitz in Deutschland haben,[355] unverzüglich nach Abschluss der Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochter-SE die Arbeitnehmervertretungen in ihren Gesellschaften und in ihren Tochtergesellschaften und Betrieben, soweit diese in die Tochter-SE eingebracht werden sollen,[356] über das Gründungsvorhaben zu informieren. Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt diese Information gegenüber den Arbeitnehmern. Der Mindestinhalt der Information umfasst nach § 4 Abs. 3 SEBG:

 

die Identität und Struktur der Gründer und ihrer in die Tochter-SE einzubringenden Tochtergesellschaften und Betriebe und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten;
die in diesen Gesellschaften und Betrieben bestehenden Arbeitnehmervertretungen;
die Zahl der in diesen Gesellschaften und Betrieben jeweils beschäftigten Arbeitnehmer sowie die daraus zu errechnende Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer;
die Zahl der Arbeitnehmer, denen Mitbestimmungsrechte in den Organen dieser Gesellschaften zustehen.

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Gleichzeitig sind die Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, das besondere Verhandlungsgremium nach §§ 5 ff. SEBG zu bilden.[357] Ziel dieser Information und Aufforderung ist es, dessen Bildung möglichst kurzfristig vorzunehmen und zügig in die Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung nach §§ 11 ff. SEBG einzutreten.[358]

3.2 Gründungsphase

3.2.1 Gründungsurkunde

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Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 23 AktG wird die Tochter-SE mittels notariell beurkundetem Gründungsprotokoll errichtet. Diese Gründungsurkunde ist wesentliche Grundlage der Gründung. Sie ist von einem deutschen Notar zu beurkunden.[359] Nach § 23 AktG muss die Gründungsurkunde einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen.

3.2.1.1 Gründer

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Die Gründungsurkunde muss die Gründer der Tochter-SE namentlich ausweisen.[360] Nach § 28 AktG sind Gründer diejenigen Gesellschaften, die die Satzung in der Gründungsurkunde feststellen und Aktien der Tochter-SE übernehmen.[361] Nach § 23 Abs. 1 S. 2 AktG ist bei dem Gründungsakt eine rechtsgeschäftliche Vertretung aufgrund notariell beglaubigter Vollmacht zulässig.

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Obwohl nach deutschem Aktienrecht auch eine Einmanngründung zulässig ist,[362] ist diese Möglichkeit für die Gründung einer Tochter-SE wegen der Mehrstaatlichkeits-Anforderungen gem. Art. 2 Abs. 3 SE-VO nicht eröffnet.[363]

3.2.1.2 Übernahme der Aktien

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In der Gründungsurkunde müssen die Gründer sämtliche Aktien übernehmen. Dabei ist im einzelnen anzugeben, welche Aktien jeder Gründer übernimmt. Die Gründungsurkunde muss insoweit für jeden Gründer bei Nennbetragsaktien den Nennbetrag der Aktien und bei Stückaktien die Zahl der Aktien sowie den Ausgabebetrag und – im Falle mehrerer Gattungen – die Aktiengattung spezifizieren.[364]

3.2.1.3 Einzahlung der Einlagen

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Da zum Zeitpunkt der Errichtung der Gründungsurkunde regelmäßig noch keine Einzahlungen auf das Grundkapital erfolgt sind, sollte in der Gründungsurkunde festgelegt werden, wann und in welchem Umfang die übernommenen Einlagen zu zahlen sind.[365] Der entsprechende Einzahlungsnachweis ist bei der Anmeldung der Gesellschaft beizufügen.

3.2.1.4 Feststellung der Satzung

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Im Rahmen der Gründungsurkunde wird die Satzung der Tochter-SE festgestellt und beurkundet. Sie ist das Kernstück der Gründungsurkunde. Neben dem in § 23 Abs. 3, 4 AktG normierten Mindestinhalt muss sie jeden einem einzelnen Aktionär oder einem Dritten eingeräumten Sondervorteil[366] und den von der Gesellschaft zu tragenden Gründungsaufwand[367] ausweisen.

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Soweit eine Sachgründung vorliegt, müssen in der Satzung nach § 27 Abs. 1 AktG zusätzlich der Gegenstand der Sacheinlage, die Person des Gründers, der die Sacheinlage leistet, und der Nennbetrag bzw. die Zahl der dafür zu gewährenden Aktien festgesetzt werden.

3.2.2 Bestellung der Organmitglieder und des Abschlussprüfers

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Da die Tochter-SE neu gegründet wird, sind die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats der dualistisch strukturierten SE bzw. des ersten Verwaltungsrats der monistisch strukturierten SE zu bestellen. Den ersten Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat haben nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 30 Abs. 1 AktG[368] die Gründer zu bestellen. Nach Art. 40 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO können sie diese Bestellung durch die Satzung vornehmen; in diesem Zusammenhang kann hiermit nur die Gründungsurkunde[369] gemeint sein. Die Organbestellung in die Gründungsurkunde aufzunehmen, ist zwar nicht notwendig, aber – im Hinblick auf das Beurkundungserfordernis des § 30 Abs. 1 S. 2 AktG[370] – jedenfalls zweckmäßig. Die Vorschriften der §§ 30 Abs. 3, 31 AktG finden auf die SE keine – auch keine entsprechende – Anwendung.[371] Soweit zum Zeitpunkt der Gründung die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht abgeschlossen sind, wird der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat konsequenterweise noch ohne Arbeitnehmervertreter in Übereinstimmung mit den satzungsmäßigen Vorgaben zusammengesetzt;[372] falls diese Verhandlungen ein Mitbestimmungsmodell zum Ergebnis haben, hat nach Eintragung der SE eine Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG bzw. § 25 Abs. 1 SEAG zu erfolgen und ist der Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat nach §§ 97 ff. AktG bzw. §§ 25 ff. SEAG – gegebenenfalls im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens – neu zu besetzen. Soweit zum Zeitpunkt der Gründung die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung bereits abgeschlossen sind, kann schon der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat entsprechend dem Verhandlungsergebnis zusammengesetzt werden, wobei die Arbeitnehmervertreter erst nach Eintragung der SE hinzu gewählt werden.[373]

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Im Anschluss an die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats hat im dualistischen System der Aufsichtsrat die ersten Mitglieder des Vorstands nach Art. 39 Abs. 2 SE-VO zu bestellen, im monistischen System der Verwaltungsrat die ersten geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 1 SEAG.

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Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 30 Abs. 1 AktG erfolgt die Bestellung des ersten Abschlussprüfers durch die Gründer der Tochter-SE. Die Bestellung hat in notarieller Form zu erfolgen, ist also im Rahmen der Gründungsurkunde zweckmäßig.

3.2.3 Entbehrlichkeit von Zustimmungsbeschlüssen

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Grundsätzlich fällt die Gründung einer Tochter-SE in die Kompetenz der Leitungsorgane der an der Gründung beteiligten Gesellschaften, sind also keine Zustimmungsbeschlüsse ihrer Gesellschafterversammlungen erforderlich. Anders als bei der Verschmelzung oder der Gründung einer Holding-SE sieht die SE-VO derartige Beschlüsse nicht vor. Für deutsche Gründer verlangt das über Art. 36 SE-VO anwendbare deutsche Recht grundsätzlich ebenfalls keine Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen.

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Etwas anderes kann sich selbstverständlich aus den jeweiligen Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen der Gründer ergeben. Soweit dort Zustimmungsvorbehalte vorgesehen sind, benötigen die Leitungsorgane im Innenverhältnis die Zustimmung der entsprechenden Organe. Das Fehlen dieser Zustimmung hat zwar grundsätzlich[374] keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Gründung der Tochter-SE im Außenverhältnis, kann aber Schadensersatzpflichten der Mitglieder des Leitungsorgans auslösen.

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Die Vorstände von Gründern in der Rechtsform der deutschen AG haben darüber hinaus die sog. „Holzmüller“/„Gelatine“-Rechtsprechung des BGH[375] zu beachten. Bringt die AG im Zuge der Gründung einer Tochter-SE den wesentlichen Teil (ca. 80 %) ihres Geschäfts in die Tochter-SE ein, muss die Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen.[376] Auch das Fehlen dieser Zustimmung hat grundsätzlich keine Konsequenzen für die Wirksamkeit der Gründung der Tochter-SE.

3.2.4 Einzahlung der Einlagen, Einbringung etwaiger Sacheinlagen

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Bis zur Anmeldung der Gründung muss der eingeforderte Betrag der Bareinlagen auf ein Konto der Tochter-SE eingezahlt werden, wobei dieser nach § 36a Abs. 1 AktG mindestens 25 % des geringsten Ausgabebetrags und 100 % eines etwaigen Agios umfassen muss.

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Soweit es sich – auch nur teilweise – um eine Sachgründung handelt, muss jeder Gründer die Sacheinlage in die zu gründende Tochter-SE einbringen, die in der Satzung als von ihm zu erbringen festgesetzt worden ist. Die Gründer müssen also mit der Tochter-SE entsprechende Einbringungsverträge über die jeweilige Sacheinlage schließen. Der Einbringungsvertrag ist ein körperschaftsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art.[377] Der Einbringungsvertrag kann außerhalb der Satzung geschlossen und muss selbst grundsätzlich nicht beurkundet werden, es sei denn, die Beurkundung ist wegen des Gegenstands der Sacheinlage nach allgemeinen Vorschriften[378] erforderlich. Inhaltlich werden im Einbringungsvertrag regelmäßig noch einmal die Einbringungsverpflichtung und die Festsetzungen in der Satzung zu der Sacheinlage wiederholt und darüber hinaus hinsichtlich Einbringungsmodalitäten, Fälligkeit, wirtschaftlichem Stichtag und Gewährleistungshaftung konkretisiert.[379] Soll die Sacheinlage auch dinglich sofort eingebracht werden, kann der Einbringungsvertrag zudem bereits das dingliche Erfüllungsgeschäft enthalten.[380]

3.2.5 Gründungsbericht

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Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 32 AktG haben die Gründer einen Gründungsbericht zu erstatten. Er unterliegt dem Schriftformerfordernis, sodass er von den Vertretungsorganen (in vertretungsberechtigter Zahl) der als Gründer auftretenden Gesellschaften zu unterzeichnen ist. Der Gründungsbericht kann gleichzeitig mit der Beurkundung des Gründungsprotokolls erstellt werden.

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Inhaltlich hat sich der Gründungsbericht mit dem Hergang der Gründung zu befassen. Er muss sich also auf die Gründer, die jeweils übernommenen Aktien, die gegebenenfalls festgesetzten Sacheinlagen, die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats, den ersten Abschlussprüfer, die ersten Vorstandsmitglieder bzw. geschäftsführenden Direktoren sowie den Beurkundungsvorgang erstrecken.[381] Darüber hinaus muss der Gründungsbericht nach § 32 Abs. 3 AktG darlegen, ob von einem Gründer Aktien für Rechnung eines Organmitglieds übernommen und ob Organmitgliedern Sondervorteile gewährt wurden.

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Soweit eine Sachgründung vorliegt, sind außerdem die nach § 32 Abs. 2 AktG erforderlichen Angaben zur Angemessenheit zwischen dem Wert der Sacheinlagen und den dafür übernommenen SE-Aktien zu machen. Regelmäßig empfiehlt es sich, zu diesem Zweck ein Bewertungsgutachten eines Wirtschaftsprüfers beizufügen und die Angemessenheit der Gegenleistung unter Bezugnahme auf dieses Gutachten zu begründen.

3.2.6 Interne Gründungsprüfung

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Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 33 Abs. 1 AktG haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen. Für eine monistisch strukturierte SE ist die Prüfung durch die Mitglieder des Verwaltungsrats vorzunehmen.[382] Der Umfang der Gründungsprüfung durch die Organmitglieder hat sich auf den Hergang und alle damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Vorgänge der Gründung zu erstrecken und zusätzlich auf die in § 34 Abs. 1 AktG besonders hervorgehobenen Aspekte.[383] Im Falle einer Sachgründung müssen zusätzlich die Festsetzungen der Sacheinlagen in der Satzung und die Angemessenheit des Wertes der Sacheinlagen geprüft werden.[384]

 

228

Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 34 Abs. 2 AktG ist durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. durch den Verwaltungsrat ein schriftlicher Gründungsprüfungsbericht zu erstatten. Aus dem Schriftformerfordernis ergibt sich, dass der Gründungsprüfungsbericht persönlich von den Organmitgliedern[385] zu unterzeichnen ist. Der Bericht muss alle Umstände enthalten, die Gegenstand der Prüfung waren.[386]