Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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1.3.4 Bestellung der Organmitglieder und des Abschlussprüfers

87

Bei der Verschmelzung durch Neugründung sind die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats der dualistisch strukturierten SE zu bestellen. Im Falle der Verschmelzung zur Aufnahme ist es aufgrund des identitätswahrenden Rechtsformwechsels der übernehmenden AG in die SE wie bei einer Gründung durch Umwandlung (Art. 2 Abs. 4 SE-VO)[123] möglich, dass sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht ändert, wenn die Verhandlungen nach dem SEBG nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Im deutschen Umwandlungsrecht bleiben die Mitglieder des Aufsichtsrats bei einem Formwechsel nach § 203 S. 1 UmwG für den Rest ihrer Wahlzeit im Amt, wenn der Aufsichtsrat bei der neuen Rechtsform in gleicher Weise wie bei dem formwechselnden Rechtsträger gebildet wird. Die SE-VO regelt diesen Fall zwar nicht, es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum dieser Grundsatz nicht auch für die Verschmelzung zur Aufnahme entsprechend gelten soll, die mit einem Formwechsel der übernehmenden AG in eine SE verbunden ist; eine Neubestellung wäre in diesem Falle völlig unverhältnismäßig. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme ist der Aufsichtsrat daher nur dann neu zu bestellen, wenn der Aufsichtsrat der SE nicht in gleicher Weise wie bei der übernehmenden AG gebildet oder zusammengesetzt wird.[124] Eine andere Zusammensetzung ist jedoch bereits dann anzunehmen, wenn in der SE gem. § 36 SEBG fortan auch ausländische Arbeitnehmer bei der Besetzung der Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat zu berücksichtigen sind.[125] Bei der monistisch strukturierten SE sind die Mitglieder des ersten Verwaltungsrats in jedem Falle neu zu bestellen. Die Bestellung kann nach Art. 40 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO durch die Satzung vorgenommen werden; im Zusammenhang mit der Organbestellung kann hiermit nur die Gründungsurkunde,[126] d.h. der Verschmelzungsplan, gemeint sein. Mit dem Verschmelzungsplan ist die Bestellung zugleich Gegenstand der Verschmelzungsbeschlüsse.[127] Dem Beurkundungserfordernis des § 30 Abs. 1 S. 2 AktG wird durch die Beurkundung des Verschmelzungsplans Rechnung getragen.[128] Da die SE-VO in Art. 46 eine Regelung zur Amtszeit der Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitglieder enthält, für den ersten Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat jedoch weder eine Sonderregelung noch eine Regelungsermächtigung an die Mitgliedstaaten vorsieht, sind die Vorschriften der §§ 30 Abs. 3, 31 AktG auf die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats nicht – auch nicht analog – anwendbar.[129] Dies gilt auch deshalb, da § 30 Abs. 3 S. 1 AktG nur einen Ausgleich für die Mitbestimmungsfreiheit des ersten Aufsichtsrats einer AG (§ 30 Abs. 2 AktG) darstellt, während das erste Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer SE gerade nicht mitbestimmungsfrei ist.[130] Soweit zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht abgeschlossen sind, wird der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat konsequenterweise noch ohne Arbeitnehmervertreter in Übereinstimmung mit den satzungsmäßigen Vorgaben zusammengesetzt;[131] falls diese Verhandlungen ein Mitbestimmungsmodell zum Ergebnis haben, hat nach Eintragung der SE eine Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG bzw. § 25 Abs. 1 SEAG zu erfolgen und ist der Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat nach §§ 97 ff. AktG bzw. §§ 25 ff. SEAG – gegebenenfalls im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens – neu zu besetzen. Soweit zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung bereits abgeschlossen sind, kann schon der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat entsprechend dem Verhandlungsergebnis zusammengesetzt werden, wobei die Arbeitnehmervertreter erst nach Eintragung der SE hinzu gewählt werden.[132]

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Anschließend hat im dualistischen System der Aufsichtsrat die ersten Mitglieder des Vorstands nach Art. 39 Abs. 2 SE-VO zu bestellen, im monistischen System der Verwaltungsrat die ersten geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 1 SEAG.

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Da die SE-VO zur Bestellung der Abschlussprüfer schweigt, wird der erste Abschlussprüfer nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 36 Abs. 2 S. 2 UmwG, § 30 Abs. 1 AktG in notarieller Form von den sich verschmelzenden Rechtsträgern als Gründern bestellt. Empfehlenswert ist die Bestellung im Verschmelzungsplan.[133]

1.3.5 Gründungsbericht

90

Im Falle einer Verschmelzung durch Neugründung sind über Art. 15 Abs. 1 SE-VO grundsätzlich die aktienrechtlichen Vorschriften über Gründungsbericht, Gründungsprüfung und Gründungsprüfungsbericht gem. §§ 32 ff. AktG anwendbar. Da es sich jedoch bei sämtlichen übertragenden Rechtsträgern um Kapitalgesellschaften handelt, ist nach § 75 Abs. 2 UmwG ein Gründungsbericht gem. § 32 AktG entbehrlich.[134]

1.3.6 Interne Gründungsprüfung

91

Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 33 Abs. 1 AktG ist im Falle der Verschmelzung durch Neugründung eine Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. durch den Verwaltungsrat[135] der neuen SE durchzuführen.[136] Diese Prüfung erstreckt sich auf den Hergang – mithin alle tatsächlichen und rechtlichen Vorgänge[137] – der Gründung[138] und darüber hinaus auf die in § 34 Abs. 1 AktG genannten besonderen Aspekte,[139] soweit diese für die Verschmelzung durch Neugründung einschlägig sind.

92

Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 34 Abs. 2 AktG ist über die Gründungsprüfung ein schriftlicher Gründungsprüfungsbericht zu erstatten. Aus dem Schriftformerfordernis ergibt sich, dass der Gründungsprüfungsbericht persönlich zu unterzeichnen ist, und zwar wegen der Gesamtzuständigkeit der verpflichteten Organe durch sämtliche[140] Mitglieder. Der Gründungsprüfungsbericht muss alle Umstände enthalten, die Gegenstand der Prüfung waren.[141]

1.3.7 Externe Gründungsprüfung

93

Da es sich bei sämtlichen übertragenden Rechtsträgern um Kapitalgesellschaften handelt, ist bei einer Verschmelzung durch Neugründung nach § 75 Abs. 2 UmwG neben dem Gründungsbericht auch eine Gründungsprüfung durch externe Gründungsprüfer gem. § 33 Abs. 2 AktG entbehrlich.[142]

1.3.8 Anmeldung der Verschmelzung

94

Soweit deutsche Rechtsträger an der Verschmelzung beteiligt sind, finden für die Anmeldung der Verschmelzung über Art. 18 SE-VO die Vorschriften der §§ 16, 17 bzw. §§ 36, 38 UmwG Anwendung.[143] Nach §§ 16 Abs. 1, 38 Abs. 1 UmwG haben die Vorstände[144] jedes der an der Verschmelzung beteiligten deutschen Rechtsträgers die Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister an ihrem jeweiligen Sitz anzumelden. Ist zur Durchführung der Verschmelzung eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft durchgeführt worden, empfiehlt es sich, diese gleichzeitig anzumelden, da die Kapitalerhöhung vor der Verschmelzung einzutragen ist.[145]

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Der Anmeldung sind die in § 17 UmwG aufgeführten Anlagen beizufügen, also der Verschmelzungsplan, die Niederschriften der Verschmelzungsbeschlüsse, die erforderlichen Zustimmungserklärungen einzelner Aktionäre, der Verschmelzungsbericht und der Verschmelzungsprüfungsbericht oder die entsprechenden Verzichtserklärungen, ein Nachweis über die rechtzeitige Zuleitung des Verschmelzungsplans an den Betriebsrat, etwaig erforderliche staatliche Genehmigungsurkunden, ggf. der interne Gründungsprüfungsbericht sowie für jeden übertragenden Rechtsträger die Schlussbilanz. Außerdem haben die Vorstände der beteiligten deutschen Rechtsträger der Anmeldung das so genannte Negativattest gem. § 16 Abs. 2 S. 1 UmwG beizufügen. Bei diesem Negativattest handelt es sich um eine Eintragungsvoraussetzung; alternativ können, um die Eintragung ohne Negativattest zu ermöglichen, notariell beurkundete Verzichtserklärungen i. S. d. § 16 Abs. 2 S. 2 UmwG sämtlicher klageberechtigter Aktionäre vorgelegt werden.[146] Liegt beides nicht vor, kann die Registersperre nur durch ein Unbedenklichkeitsverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG durchbrochen werden.[147] Darüber hinaus ist im Falle eines Zustimmungsvorbehalts nach Art. 23 Abs. 2 SE-VO die Niederschrift über den Zustimmungsbeschluss einzureichen. Werden die Anlagen nicht vollständig eingereicht, kann dieser Mangel auch noch nachträglich behoben werden.[148]

96

Im Hinblick auf die neue SE ergeben sich bei der Verschmelzungsgründung Besonderheiten gegenüber §§ 3, 21 Abs. 1 SEAG. Im Falle der Verschmelzung durch Neugründung erfolgt die Anmeldung der SE gesondert bei dem Handelsregister am neuen Sitz der SE. Die Anmeldung hat nach § 38 Abs. 2 UmwG durch sämtliche Gründungsgesellschaften zu erfolgen.[149] Im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme kann neben sämtlichen Gründungsgesellschaften (§ 16 Abs. 1 S. 1 UmwG) nach § 16 Abs. 1 S. 2 UmwG auch alleine die übernehmende Gesellschaft die neue SE anmelden.[150] Die Anmeldung der SE erfolgt dabei zusätzlich zu der Anmeldung der Verschmelzung durch den übernehmenden Rechtsträger. Für jede Gründungsgesellschaft handeln dabei die jeweiligen Vertretungsorgane in vertretungsberechtigter Zahl. Die Vertretungsorgane der SE selbst sind daneben nicht für die Anmeldung zuständig. Im Falle einer dualistisch strukturierten SE ist die grundsätzlich nach § 3 SEAG einschlägige Vorschrift des § 36 Abs. 1 AktG, wonach die Anmeldung zusätzlich von allen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats der neuen SE vorzunehmen wären, nicht anzuwenden. Die über Art. 12, 15 bzw. 18 SE-VO zur Anwendung kommenden umwandlungsrechtlichen Regelungen der §§ 16, 38 UmwG sind gegenüber den Vorschriften des AktG vorrangig.[151] Ebenfalls nicht zur Anwendung kommt bei der Verschmelzungsgründung einer monistisch strukturierten SE die Vorschrift des § 21 Abs. 1 SEAG, der zufolge auch alle Mitglieder des Verwaltungsrats und alle geschäftsführenden Direktoren der neuen SE anzumelden hätten. Ausweislich der Gesetzesbegründung fungiert diese Regelung nämlich für Gesellschaften mit monistischer Leitungsstruktur als Äquivalent zur Vorschrift des § 36 Abs. 1 AktG im dualistischen System.[152] Sie greift daher nach ihrem Sinn und Zweck in den Fällen nicht ein, in denen § 36 Abs. 1 AktG ebenfalls nicht zur Anwendung kommt.[153]

 

1.3.9 Zweistufige Rechtmäßigkeitskontrolle

97

Das Rechtmäßigkeitskontrollverfahren ist bei der SE zweistufig ausgestaltet. Grund hierfür ist der supranationale Charakter der Verschmelzung. Jeder Mitgliedstaat kann die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsverfahrens nur insoweit überprüfen, als neben den Regelungen der SE-VO das eigene nationale Umwandlungs- und Aktienrecht Anwendung findet. Die Abgrenzung und Reichweite der Rechtmäßigkeitskontrollen nach Art. 25 bzw. 26 SE-VO korrespondiert konsequent mit den materiellen Verweisungsnormen in Art. 15 Abs. 1 bzw. 18 SE-VO.

1.3.9.1 Erste Stufe der Rechtmäßigkeitskontrolle

98

Die erste Stufe der Rechtmäßigkeitskontrolle ist in Art. 25 SE-VO geregelt und bezieht sich auf die Verfahrensabschnitte der einzelnen sich verschmelzenden Gesellschaften. Ebenso wie Art. 18 SE-VO für die betreffenden Verfahrensabschnitte auf das jeweils einschlägige nationale Verschmelzungsrecht verweist, ordnet Art. 25 Abs. 1 SE-VO die Rechtmäßigkeitskontrolle durch den jeweiligen Sitzstaat und die Anwendbarkeit des jeweils einschlägigen nationalen Prüfungsrechts an. Dadurch ist sichergestellt, dass die für die Prüfung zuständige Stelle die Einhaltung der anwendbaren materiellen Vorschriften auch tatsächlich überprüfen kann.

99

Für die beteiligten deutschen Rechtsträger fällt die Rechtmäßigkeitskontrolle der ersten Stufe nach Art. 68 Abs. 2 SE-VO i. V. m. § 4 SEAG, §§ 376, 377 FamFG, § 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG in die Kompetenz des zuständigen Registergerichts.[154]

100

Das Registergericht prüft die formellen Eintragungsvoraussetzungen, insbesondere die Vollständigkeit der Eintragungsunterlagen, sowie in materieller Hinsicht die Wirksamkeit des Verschmelzungsplans, die Verschmelzungsfähigkeit des betreffenden Rechtsträgers und die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsbeschlusses.[155] Liegen die nationalen Eintragungsvoraussetzungen vor, stellt das Registergericht nach Art. 25 Abs. 2 SE-VO eine Rechtmäßigkeitsbescheinigung aus.[156]

1.3.9.2 Zweite Stufe der Rechtmäßigkeitskontrolle

101

Die zweite Stufe der Rechtmäßigkeitskontrolle ist in Art. 26 SE-VO geregelt und bezieht sich auf den Verfahrensabschnitt der Durchführung der Verschmelzung und auf die Gründung der SE.[157]

102

Nach Art. 68 Abs. 2 SE-VO i. V. m. § 4 SEAG fällt die Rechtmäßigkeitskontrolle zweiter Stufe für eine deutsche SE in die Kompetenz des für diese zuständigen Registergerichts.

103

Soweit sich die Verschmelzungsdurchführung auf die Verfahrensabschnitte der Gründungsgesellschaften bezieht, reduziert sich die Kontrolle auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeitsbescheinigungen dahingehend, ob in den jeweiligen Sitzstaaten der Gründungsgesellschaften eine Rechtmäßigkeitskontrolle durchgeführt wurde.[158] Hierzu hat jede der sich verschmelzenden Gesellschaften der nach Art. 26 Abs. 1 SE-VO zuständigen Behörde die Rechtmäßigkeitsbescheinigung nach Art. 25 Abs. 2 SE-VO innerhalb von sechs Monaten nach Ausstellung zusammen mit einer Ausfertigung des von ihr beschlossenen Verschmelzungsplans vorzulegen.[159] Die Rechtmäßigkeitskontrolle zweiter Stufe erstreckt sich darüber hinaus auf die Regelungen der SE-VO und das über Art. 15 SE-VO[160] zu beachtende Verschmelzungs- und Gründungsrecht des Sitzstaates der SE. Nach Art. 26 Abs. 3 SE-VO ist insbesondere zu prüfen, ob die sich verschmelzenden Gesellschaften einem gleichlautenden Verschmelzungsplan zugestimmt haben und ob eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gem. der SE-RL geschlossen wurde.[161] Letzteres erfordert, dass der nach Art. 26 Abs. 1 SE-VO zuständigen Behörde außer den Unterlagen gem. Art. 26 Abs. 2 SE-VO ein Nachweis über die Vereinbarung der Arbeitnehmerbeteiligung bzw. alternativ über den Eintritt einer der anderen in Art. 12 Abs. 2 SE-VO genannten Voraussetzungen vorzulegen ist.

1.3.10 Eintragung, Offenlegung, Bekanntmachung

104

Erst wenn sämtliche in Art. 25, 26 SE-VO vorgesehenen Formalitäten erfüllt sind, kann nach Art. 27 Abs. 2 SE-VO die SE eingetragen werden. Darüber hinaus stellt Art. 12 Abs. 2 SE-VO noch einmal klar, dass die SE erst eingetragen werden kann, wenn eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gem. Art. 4 SE-RL geschlossen worden ist, ein Beschluss nach Art. 3 Abs. 6 SE-RL gefasst worden ist oder die Verhandlungsfrist nach Art. 5 SE-RL abgelaufen ist, ohne dass eine Vereinbarung zustande gekommen ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird die deutsche SE nach Art. 12 Abs. 1 SE-VO i. V. m. §§ 14, 39 AktG, §§ 8 ff. HGB in dem für ihren Sitz zuständigen Handelsregister eingetragen, und zwar nach § 3 Abs. 3 HRV in Abteilung B.[162] Mit der Eintragung der SE werden die Verschmelzung und die gleichzeitige Gründung der SE nach Art. 27 Abs. 1 SE-VO wirksam; die SE entsteht.

105

Nach Art. 28 SE-VO wird die Durchführung der Verschmelzung für jede sich verschmelzende Gesellschaft nach den entsprechenden Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats offen gelegt. Für jede sich verschmelzende deutsche Gesellschaft wird also die Verschmelzung in ihr jeweiliges Handelsregister eingetragen. Da die Verschmelzung bereits wirksam geworden ist, kommt dieser Eintragung nur noch Publizitätswirkung zu.

106

Nach Art. 28 SE-VO i. V. m. § 19 Abs. 3 UmwG, § 10 HGB hat das Registergericht des Sitzes jedes der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger die Eintragung der Verschmelzung im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Ebenso ist nach Art. 13 SE-VO i. V. m. § 10 HGB die Gründung der SE durch das Registergericht ihres Sitzes bekannt zu machen. Anschließend ist die Eintragung der SE nach Art. 14 Abs. 1 SE-VO mittels einer Bekanntmachung zu Informationszwecken im Amtsblatt der Europäischen Union[163] zu veröffentlichen; diese Bekanntmachung muss die Firma der SE, die Handelsregisternummer, Datum und Ort der Handelsregistereintragung, Datum, Ort und Titel der Veröffentlichung sowie den Sitz und den Geschäftszweig der SE enthalten.

1.3.11 Wirkungen der Verschmelzung

107

Hinsichtlich der Wirkungen ist zwischen den Verschmelzungsarten zu unterscheiden:

108

Bei der Verschmelzung durch Aufnahme geht nach Art. 29 Abs. 1 SE-VO mit Wirksamwerden der Verschmelzung das gesamte Aktiv- und Passivvermögen jeder übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über, werden die Aktionäre der übertragenden Gesellschaften Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft,[164] erlöschen die übertragenden Gesellschaften und nimmt die übernehmende Gesellschaft die Rechtsform einer SE an.

109

Bei der Verschmelzung durch Neugründung geht nach Art. 29 Abs. 2 SE-VO bei Wirksamwerden der Verschmelzung das gesamte Aktiv- und Passivermögen der sich verschmelzenden Gesellschaften im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neu entstehende SE über, werden die Aktionäre der sich verschmelzenden Gesellschaften Aktionäre der SE und erlöschen die sich verschmelzenden Gesellschaften.

110

Im Hinblick auf den supranationalen Charakter der Verschmelzung können die zu § 20 UmwG hinsichtlich des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge entwickelten Grundsätze nicht unbesehen übernommen werden. Vielmehr sind nach Art. 29 Abs. 3 SE-VO nationale Besonderheiten anderer Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wirksamkeitsanforderungen für die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände, Rechte und Verbindlichkeiten zu beachten.

111

Art. 29 Abs. 4 SE-VO stellt ausdrücklich klar, dass alle Arbeitsverhältnisse der übertragenden Rechtsträger einschließlich sämtlicher bestehender Rechte und Pflichten auf die SE übergehen.[165]

112

Nach Eintragung der SE kann die Verschmelzung nach Art. 30 S. 1 SE-VO nicht mehr für nichtig erklärt werden.[166]

1.4 Schutz der Minderheitsaktionäre

113

Wie im deutschen Umwandlungsrecht werden die Minderheitsaktionäre der beteiligten deutschen Rechtsträger – neben den Mitwirkungsrechten bei den Verschmelzungsbeschlüssen – zum einen durch die Möglichkeit eines Spruchverfahrens zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses und zum anderen durch ein Barabfindungsangebot im Verschmelzungsplan, das ebenfalls durch ein Spruchverfahren überprüft werden kann, geschützt. Im Hinblick auf den supranationalen Charakter der Verschmelzung unterliegt die Anwendbarkeit dieser Verfahren allerdings gewissen Einschränkungen.

1.4.1 Verbesserung des Umtauschverhältnisses

114

§ 6 SEAG sieht ein Verfahren zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses vor.[167] Nach Art. 25 Abs. 3 SE-VO findet dieses Verfahren nur dann Anwendung, wenn die übrigen sich verschmelzenden Gesellschaften entweder in ihrem jeweiligen Sitzstaat ein entsprechendes Verfahren haben oder anderenfalls bei der Zustimmung zum Verschmelzungsplan gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO durch ausdrücklichen Beschluss akzeptieren, dass die Aktionäre der beteiligten deutschen Gesellschaften auf dieses Verfahren zurückgreifen können; die Einleitung eines solchen Verfahrens hindert nicht die Ausstellung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung gem. Art. 25 Abs. 2 SE-VO, die allerdings einen Hinweis auf das anhängige Verfahren enthalten muss.

115

Liegen die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO vor, kann nach § 6 Abs. 1 SEAG eine Klage gegen den Verschmelzungsbeschluss einer übertragenden deutschen Gesellschaft nicht darauf gestützt werden, dass das Umtauschverhältnis der Anteile nicht angemessen ist. Ist das Umtauschverhältnis nicht angemessen, kann jeder Aktionär einer übertragenden deutschen Gesellschaft nach § 6 Abs. 2 SEAG stattdessen von der SE einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen. Der Anspruch auf bare Zuzahlung wird also nur den Aktionären der übertragenden Rechtsträger gewährt.[168] Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Aktionär Widerspruch zur Niederschrift erklärt oder überhaupt gegen die Verschmelzung gestimmt hat;[169] anderenfalls müssten die Aktionäre dem Verschmelzungsbeschluss widersprechen, obwohl sie lediglich das Umtauschverhältnis angreifen wollen, und es ergäbe sich außerdem ein Widerspruch zu der inter-omnes-Wirkung der Entscheidung im Spruchverfahren gem. § 13 S. 2 SpruchG. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Ermittlung der Barzuzahlung ist analog § 7 Abs. 2 SEAG derjenige der Beschlussfassung über die Verschmelzung.[170] Aus Gläubigerschutzgesichtspunkten unterliegt der Anspruch auf bare Zuzahlung den Grenzen der Kapitalerhaltungsregeln.[171]

 

116

Der Anspruch auf bare Zuzahlung ist gem. § 6 Abs. 3 SEAG nach Ablauf des Tages, an dem die Verschmelzung im Sitzstaat der SE eingetragen und bekannt gemacht[172] worden ist, mit jährlich 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

117

§ 6 Abs. 4 SEAG stellt die Verbindung zwischen einem Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 6 Abs. 2 SEAG und der gerichtlichen Nachprüfung im Spruchverfahren her.[173] Macht ein Aktionär einer übertragenden Gesellschaft unter den Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO einen Anspruch auf bare Zuzahlung geltend, erfolgt eine gerichtliche Bestimmung einer angemessenen baren Zuzahlung nach dem SpruchG. Zuständig für das Spruchverfahren ist nach § 2 Abs. 1 SpruchG das Landgericht, in dessen Bezirk der Rechtsträger seinen Sitz hat, dessen Aktionäre antragsberechtigt sind, im Falle mehrerer zuständiger Landgerichte dasjenige, das zuerst in der Sache tätig geworden ist.[174]

118

Um Doppelarbeit und sich widersprechende Entscheidungen deutscher und ausländischer Gerichte zu vermeiden, können nach § 6 Abs. 4 S. 2 SEAG auch Aktionäre eines ausländischen Rechtsträgers ein Spruchverfahren vor einem deutschen Gericht einleiten, wenn ihr nationales Recht ebenfalls ein derartiges Verfahren vorsieht und zudem die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gegeben ist. Aktionäre einer übertragenden Gesellschaft in einem Mitgliedstaat, der ein Spruchverfahren nicht kennt, können sich an dem deutschen Spruchverfahren nicht direkt beteiligen. Um ihnen die Sorge vor dem deutschen Spruchverfahren zu nehmen und die Zustimmung nach Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO zu erleichtern, werden ihre wirtschaftlichen Interessen, die durch eine aus dem Vermögen der SE aufzubringende bare Zuzahlung betroffen sind, dadurch geschützt, dass sie nach § 6a SpruchG durch einen gemeinsamen Vertreter am Spruchverfahren beteiligt werden, der durch das Gericht auf Antrag bestellt wird.[175]

119

Im Umkehrschluss aus der Einschränkung in § 6 Abs. 1 SEAG folgt, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO nicht vorliegen, die Möglichkeit der Anfechtungsklage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses erhalten bleibt.[176] Stimmen also die Gesellschaften in Mitgliedstaaten, in denen kein Verfahren zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses existiert, der Anerkennung des in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Spruchverfahrens nicht zu, können Anfechtungsklagen gegen den Verschmelzungsbeschluss auch auf die Behauptung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses gestützt werden.[177] Der Verschmelzung zur Gründung einer SE droht in diesen Fällen das Damoklesschwert des Scheiterns, zumindest das Damoklesschwert „räuberischer Aktionäre“.[178]