Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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1.2.6 Verschmelzungsprüfung

58

Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. §§ 9, 60, 73 UmwG ist der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf für jede beteiligte deutsche AG durch einen oder mehrere Verschmelzungsprüfer zu prüfen. Die Verschmelzungsprüfung soll sicherstellen, dass die Aktionäre in Kenntnis der Wertverhältnisse der beteiligten Rechtsträger über die Verschmelzung abstimmen und dass Benachteiligungen durch unzutreffende Umtauschverhältnisse von vornherein verhindert werden.[61] Grundsätzlich ist die Verschmelzungsprüfung nach § 60 UmwG für jede AG durchzuführen. Alternativ besteht nach Art. 22 S. 1 SE-VO die auch aus § 10 Abs. 1 UmwG bekannte Möglichkeit einer gemeinsamen Verschmelzungsprüfung; eine Ausnahme gilt nur, soweit im Falle des up-stream merger eine Verschmelzungsprüfung ohnehin nicht erforderlich ist.[62] Das für die Prüfung maßgebliche Recht richtet sich – ohne, dass eine echte Rechtswahlmöglichkeit besteht – kumulativ nach den Regelungen der Rechtsordnungen aller Gründungsgesellschaften.[63]

59

Im Falle getrennter Verschmelzungsprüfungen werden die Verschmelzungsprüfer für die beteiligten deutschen Gesellschaften auf Antrag des jeweiligen Vertretungsorgans durch das Landgericht bestellt, in dessen Bezirk ein übertragender Rechtsträger seinen Sitz hat.[64] Im Falle einer gemeinsamen Verschmelzungsprüfung werden der oder die Verschmelzungsprüfer auf gemeinsamen Antrag der Leitungs- oder Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde des Mitgliedstaats bestellt, dessen Recht eine der sich verschmelzenden Gesellschaften oder die künftige SE unterliegt.[65] Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 11 Abs. 1 UmwG, § 319 HGB sind als Verschmelzungsprüfer nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften befähigt. Als Verschmelzungsprüfer dürfen trotz des etwas missverständlichen Wortlauts in Art. 22 S. 1 SE-VO ausschließlich unabhängige Sachverständige tätig werden.[66]

60

Prüfungsgegenstand ist der Verschmelzungsplan und vor allem die Kontrolle der Umtauschverhältnisse und etwaiger Ausgleichszahlungen. Die Zweckmäßigkeit der Verschmelzung ist dagegen nicht Prüfungsgegenstand.[67]

61

Nach Art. 22 S. 2 SE-VO haben die Verschmelzungsprüfer das Recht, von jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften alle Auskünfte zu verlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe für erforderlich halten. Obwohl diese Formulierung enger ist als der Wortlaut der entsprechenden Regelung in Art. 10 Abs. 3 der Verschmelzungsrichtlinie, kann dies keine Einschränkung des Auskunftsrechts bedeuten.[68] Auch im Fall der Gründung einer SE durch Verschmelzung haben die Verschmelzungsprüfer daher das Recht, von den anderen beteiligten Rechtsträgern Unterlagen einzufordern und eigene Nachprüfungen vorzunehmen.

62

Nach Art. 31 Abs. 1 SE-VO i. V. m. §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2, 3 UmwG ist eine Verschmelzungsprüfung entbehrlich, wenn im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme sich alle Aktien der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden (up-stream merger)[69] oder alle Aktionäre aller beteiligten Rechtsträger in notariell beurkundeter Form[70] auf eine Verschmelzungsprüfung verzichten.[71] Wie auch für den Verschmelzungsbericht ist ein auf die beteiligten deutschen Gesellschaften beschränkter Verzicht nicht möglich.[72]

1.2.7 Verschmelzungsprüfungsbericht

63

Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 12 UmwG haben die Verschmelzungsprüfer einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis der Prüfung (Verschmelzungsprüfungsbericht) abzugeben. Im Falle einer gemeinsamen Prüfung nach Art. 22 S. 1 SE-VO wird ein gemeinsamer Verschmelzungsprüfungsbericht erstellt. Aus dem Schriftformerfordernis folgt, dass der Verschmelzungsprüfungsbericht von den Prüfern unterzeichnet werden muss. Der Verschmelzungsprüfungsbericht muss erläutern, ob der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf entsprechend den gesetzlichen Anforderungen richtig und vollständig ist, und hat den in § 12 Abs. 2 UmwG angegebenen Mindestinhalt zum Umtauschverhältnis aufzuweisen. Er ist den jeweiligen Vorständen der sich verschmelzenden Gesellschaften auszuhändigen.[73]

64

Nach §§ 8 Abs. 3, 12 Abs. 3 UmwG ist ein Verschmelzungsprüfungsbericht entbehrlich, wenn im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme sich alle Aktien der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden[74] oder alle Aktionäre aller beteiligten Rechtsträger in notariell beurkundeter Form[75] auf einen Verschmelzungsprüfungsbericht verzichten.[76] Ebenso wie hinsichtlich der Verschmelzungsprüfung ist ein auf die beteiligten deutschen Gesellschaften beschränkter Verzicht nicht möglich.[77]

1.2.8 Nachgründungsbericht, Nachgründungsprüfung

65

Nach Art. 18 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 67 S. 1 UmwG sind im Falle einer Verschmelzung durch Aufnahme die Nachgründungsregeln des § 52 Abs. 3, 4, 6–9 AktG entsprechend anwendbar, wenn der Verschmelzungsplan in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der übernehmenden Gesellschaft beurkundet wird.[78] In diesen Fällen hat vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft deren Aufsichtsrat den Verschmelzungsplan zu prüfen und einen schriftlichen Nachgründungsbericht zu erstatten. Außerdem muss vor der Beschlussfassung eine Nachgründungsprüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattfinden.[79]

66

Nach § 67 S. 2 UmwG sind Nachgründungsbericht und Nachgründungsprüfung nicht erforderlich, wenn auf die zu gewährenden Aktien der SE nicht mehr als 10 % ihres Grundkapitals entfällt; wird anlässlich der Verschmelzung das Grundkapital erhöht, ist nach § 67 S. 3 UmwG das erhöhte Grundkapital zugrunde zu legen.[80] Die Regelungen des § 52 Abs. 3, 4, 6–9 AktG sind auch nicht anzuwenden, wenn die übernehmende Gesellschaft ihre Rechtsform durch Formwechsel einer GmbH erlangt hat, die zuvor bereits seit mindestens zwei Jahren im Handelsregister eingetragen war (§ 67 S. 2 Alt. 2 UmwG); entsprechendes gilt im Falle eines vorherigen Formwechsels von einer KGaA.[81] Nach § 52 Abs. 9 AktG gilt das Gleiche dann, wenn der Unternehmensgegenstand der übernehmenden AG der Erwerb von Unternehmen ist; der praktische Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung dürfte gering sein.

1.2.9 Bekanntmachung des Verschmelzungsplans

67

Über Art. 18 SE-VO findet hinsichtlich der beteiligten deutschen Rechtsträger für die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans § 61 UmwG Anwendung. Nach § 61 S. 1 UmwG muss der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf vor der Einberufung der Hauptversammlung, die gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO über die Zustimmung zur Verschmelzung beschließen soll, zum Handelsregister eingereicht werden. Das Registergericht hat nach § 61 S. 2 UmwG daraufhin im elektronischen Bundesanzeiger[82] einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf beim Handelsregister eingereicht worden ist. Ein Verzicht der Anteilsinhaber der Gründungsgesellschaften auf die Frist zur Bekanntmachung und die Bekanntmachung selbst ist möglich.[83] Auf die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans selbst können die Anteilsinhaber der übertragenden Gründungsgesellschaft nur dann nicht verzichten, wenn eine SE mit Sitz im Ausland gegründet wird. Denn die Bekanntmachung des Verschmelzungsplans ist maßgeblich für den Fristbeginn zur Anmeldung der Ansprüche von Gläubigern auf Sicherheitsleistung nach §§ 8 S. 1, 13 Abs. 1 und 2 SEAG.[84]

68

Darüber hinaus sind nach Art. 21 SE-VO für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften im Amtsblatt des jeweiligen Mitgliedstaats, dessen Recht sie unterliegen, folgende Angaben bekannt zu machen: Rechtsform, Firma und Sitz der sich verschmelzenden Gesellschaften, das Register, bei dem die in Art. 3 Abs. 2 der Publizitätsrichtlinie[85] genannten Urkunden für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften hinterlegt worden sind, sowie die Nummer der Eintragung in das Register, einen Hinweis auf die Modalitäten für die Ausübung der Rechte der Gläubiger der betreffenden Gesellschaft gem. Art. 24 SE-VO sowie die Anschrift, unter der erschöpfende Auskünfte über diese Modalitäten kostenlos eingeholt werden können, einen Hinweis auf die Modalitäten für die Ausübung der Rechte der Minderheitsaktionäre der betreffenden Gesellschaft gem. Art. 24 SE-VO sowie die Anschrift, unter der erschöpfende Auskünfte für diese Modalitäten kostenlos eingeholt werden können, die für die SE vorgesehene Firma und ihr künftiger Sitz.

69

Nach § 5 S. 1 SEAG sind die gem. Art. 21 SE-VO bekannt zu machenden Angaben dem Handelsregister bei Einreichung des Verschmelzungsplans, also zum Zeitpunkt des § 61 S. 1 UmwG, mitzuteilen. Das Registergericht hat diese Angaben nach § 5 S. 2 SEAG zusammen mit dem nach § 61 S. 2 UmwG vorgeschriebenen Hinweis, also ebenfalls im elektronischen Bundesanzeiger,[86] bekannt zu machen.

 

1.2.10 Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG

70

Nach § 4 Abs. 2 SEBG[87] haben die Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane[88] der sich verschmelzenden Rechtsträger, soweit sie selbst oder die künftige SE ihren Sitz in Deutschland haben,[89] unverzüglich nach Offenlegung des Verschmelzungsplans[90] die Arbeitnehmervertretungen in ihren Gesellschaften, Tochtergesellschaften und Betrieben[91] über das Gründungsvorhaben zu informieren. Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt diese Information gegenüber den Arbeitnehmern. Der Mindestinhalt der Information umfasst nach § 4 Abs. 3 SEBG:


die Identität und Struktur der sich verschmelzenden Gesellschaften, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten;
die in diesen Gesellschaften und Betrieben bestehenden Arbeitnehmervertretungen;
die Zahl der in diesen Gesellschaften und Betrieben jeweils beschäftigten Arbeitnehmer sowie die daraus zu errechnende Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer;
die Zahl der Arbeitnehmer, denen Mitbestimmungsrechte in den Organen dieser Gesellschaften zustehen.

71

Gleichzeitig sind die Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, das besondere Verhandlungsgremium nach §§ 5 ff. SEBG zu bilden.[92] Ziel dieser Information und Aufforderung ist es, dessen Bildung möglichst kurzfristig vorzunehmen und zügig in die Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung nach §§ 11 ff. SEBG einzutreten.[93] Bei der Verschmelzung einer börsennotierten AG kann die Unsicherheit hinsichtlich Dauer und Ergebnis der Verhandlungen im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht problematisch sein.[94]

1.2.11 Einberufung und Vorbereitung der Hauptversammlung

72

Über Art. 18 SE-VO sind für die beteiligten deutschen Rechtsträger die aktienrechtlichen Vorschriften über die Einberufung einer Hauptversammlung nach §§ 121 ff. AktG anwendbar.[95] Danach ist die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden deutschen Gesellschaften, die nach Art. 23 Abs. 1 SE-VO der Verschmelzung zustimmen soll, durch den Vorstand[96] einzuberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit entscheidet.[97]

73

In der Praxis steht die Wahl des Zeitpunkts der Hauptversammlung, die über die Verschmelzung beschließt, im Zusammenhang mit der Frage, wann die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung durchgeführt werden sollten. Bei größeren (insbesondere börsennotierten) Publikumsgesellschaften bietet es sich aufgrund der Ungewissheit über das Zustandekommen des Verschmelzungsbeschlusses und der Gefahr zeitlicher Verzögerungen wegen etwaiger Anfechtungsklagen an, zunächst den Hauptversammlungsbeschluss zu fassen und erst danach die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung durchzuführen. Dies gewährleistet, dass Anfechtungsprozesse parallel zum Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren erledigt werden können und den zeitlichen Ablauf der Verschmelzung nicht zwingend verzögern. In kleineren Gesellschaften kann es demgegenüber vorzugswürdig sein, die Hauptversammlung erst nach Abschluss des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens einzuberufen.

74

Die Einberufung muss entgegen der 30-Tage-Frist des § 123 Abs. 1 S. 1 AktG wegen der für die Auslegung der Unterlagen (§ 63 UmwG) maßgeblichen Monatsfrist aus Art. 11 Abs. 1 der Verschmelzungsrichtlinie (RL 78/855/EWG, vgl. Art. 18 SE-VO) mindestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung erfolgen.[98] Sie ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.[99] Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt, kann die Einberufung mit eingeschriebenem Brief erfolgen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt.[100] Bei der Einberufung ist gleichzeitig die Tagesordnung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen,[101] dies gilt auch für den wesentlichen Inhalt des Verschmelzungsplans.[102] Handelt es sich aufgrund vollständiger Präsenz aller Aktionäre um eine Vollversammlung, ist diese von der Beachtung der vorstehenden formalen Vorschriften befreit, soweit kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht.[103]

75

Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung ist darauf zu achten, dass nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 63 Abs. 1 UmwG von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der AG zur Einsicht der Aktionäre bestimmte Unterlagen auszulegen sind. Hierbei handelt es sich um den Verschmelzungsplan oder seinen Entwurf, die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger für die letzten drei Geschäftsjahre,[104] eine Zwischenbilanz, falls der Stichtag des letzten Jahresabschlusses bei Aufstellung des Verschmelzungsplans oder seines Entwurfs mehr als sechs Monate zurücklag, die Verschmelzungsberichte und die Verschmelzungsprüfungsberichte.

76

Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der vorbezeichneten Unterlagen zu erteilen.[105]

77

Auch soweit sich im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befindet und die übernehmende Gesellschaft deutschem Recht unterliegt, kann auf die Einberufung einer Hauptversammlung nicht verzichtet werden. Auch in diesen Fällen ist ein Verschmelzungsbeschluss gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO erforderlich, weil daneben für die Anwendbarkeit von § 62 UmwG kein Raum ist.[106]

1.3 Gründungsphase

1.3.1 Durchführung der Hauptversammlung

78

Für die Durchführung der Hauptversammlung gelten über Art. 18 SE-VO für die beteiligten deutschen Rechtsträger die entsprechenden Regelungen im AktG und UmwG. Danach sind die Unterlagen, die schon vor der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre auszulegen sind,[107] auch während der Hauptversammlung zugänglich zu machen[108] und ist der Verschmelzungsplan bzw. sein Entwurf zu Beginn der Verhandlung durch den Vorstand mündlich zusammenfassend zu erläutern sowie über jede wesentliche Veränderung des Vermögens der Gesellschaft zu unterrichten, die seit dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder der Aufstellung des Entwurfs eingetreten ist.[109] Zudem stellt § 64 Abs. 2 UmwG klar, dass sich das allgemeine Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 Abs. 1 AktG auf alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten auch der anderen Rechtsträger erstreckt.[110]

1.3.2 Kapitalerhöhungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft

79

Zur Durchführung der Verschmelzung durch Aufnahme ist im Regelfall eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft erforderlich, um die Aktien zu schaffen, die den Aktionären der übertragenden Gesellschaften als Gegenleistung zu gewähren sind. Hinsichtlich Erforderlichkeit und Einzelheiten der Kapitalerhöhung ist auf das jeweilige nationale Verschmelzungsrecht zurückzugreifen; soweit der übernehmende Rechtsträger deutschem Recht unterliegt, ist insoweit für die Erforderlichkeit der Kapitalerhöhung auf §§ 68 f. UmwG und für die Einzelheiten der Durchführung der Kapitalerhöhung – allerdings mit den Einschränkungen des § 69 Abs. 1 S. 1 UmwG – auf §§ 182 ff. AktG abzustellen. Danach darf die übernehmende Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung ihr Grundkapital nicht erhöhen, soweit sie Aktien eines übertragenden Rechtsträgers innehat, ein übertragender Rechtsträger eigene Aktien innehat oder ein übertragender Rechtsträger Aktien der übernehmenden Gesellschaft besitzt, auf die der Ausgabebetrag nicht voll geleistet ist.[111] Eine Kapitalerhöhung ist zulässig, aber nicht zwingend, soweit die übernehmende Gesellschaft eigene Aktien besitzt oder ein übertragender Rechtsträger Aktien der übernehmenden Gesellschaft besitzt, auf die der Ausgabebetrag bereits voll geleistet ist.[112] Wird das Kapital der übernehmenden Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung erhöht, gelten die in § 69 UmwG angeordneten Erleichterungen: Die Kapitalerhöhung scheitert nicht an noch ausstehenden Einlagen, eine Prüfung der Sacheinlage findet nur in den dort genannten Sonderfällen statt, in der Anmeldung sind die noch offenen Einlagen nicht anzugeben, ein Zeichnungsschein für die neuen Aktien ist nicht erforderlich, und ein Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen.[113]

80

Der Kapitalerhöhungsbeschluss bedarf nach § 182 Abs. 1 AktG einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Sind mehrere Gattungen von stimmberechtigten Aktien vorhanden, bedarf der Kapitalerhöhungsbeschluss nach §§ 138, 182 Abs. 2 AktG zustimmender Sonderbeschlüsse der Aktionäre jeder Gattung.

81

Von der Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung ist die Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger zu unterscheiden, die darüber hinaus erforderlich ist, um das Mindestgrundkapital von 120 000 EUR gem. Art. 4 Abs. 2 SE-VO zu erreichen. Diese ist vor der Verschmelzung durchzuführen und richtet sich nach den allgemeinen Kapitalerhöhungsvorschriften des nationalen Aktienrechts.

1.3.3 Verschmelzungsbeschluss

82

Nach Art. 23 Abs. 1 SE-VO hat dem Verschmelzungsplan die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften zuzustimmen. Da die Verordnung darüber hinaus keine Regelungen zum Zustimmungsbeschluss enthält, gelten für die beteiligten deutschen Rechtsträger über Art. 18 SE-VO die Regelungen des § 65 UmwG.[114] Danach bedarf der Verschmelzungsbeschluss einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, wobei die Satzung eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann.[115] Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, bedarf der Verschmelzungsbeschluss zustimmender Sonderbeschlüsse der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung.[116] Der Verschmelzungsbeschluss jedes beteiligten deutschen Rechtsträgers ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 13 Abs. 3 S. 1 UmwG zu beurkunden.[117]

83

Im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme ist fraglich, ob ein Verschmelzungsbeschluss der übernehmenden deutschen Gesellschaft über Art. 18 SE-VO nach § 62 UmwG entbehrlich ist, wenn sich mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befindet. § 62 UmwG setzt zwar Art. 27 der Verschmelzungsrichtlinie um, dabei wurde jedoch durch den deutschen Gesetzgeber lediglich ein Wahlrecht ausgeübt, sodass die Regelung nicht zwingend europaweit einheitlich ist. Demgegenüber ist der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 SE-VO eindeutig, der einen Verschmelzungsbeschluss für jede der sich verschmelzenden Gesellschaften fordert, und eine Erleichterung ist insoweit in Art. 31 SE-VO gerade nicht aufgenommen worden.[118] Zudem kann aus materiellen Gründen nicht auf einen Verschmelzungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft verzichtet werden, weil diese sich im Zuge der Verschmelzung formwechselnd in eine SE umwandelt. Danach sprechen die besseren Gründe dafür, § 62 UmwG nicht anzuwenden.[119] Auch in den dort genannten besonderen Fällen ist also ein Verschmelzungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft erforderlich.

84

Im Falle der Verschmelzung durch Neugründung darf eine übertragende deutsche Gesellschaft nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 76 Abs. 1 UmwG den Zustimmungsbeschluss erst fassen, wenn sie und jede andere übertragende AG bereits seit zwei Jahren im Register eingetragen sind.[120]

 

85

Die Hauptversammlungen der beteiligten deutschen Rechtsträger müssen keinen Beschluss nach Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO über die Anerkennung etwaiger Spruchstellenverfahren in anderen Mitgliedstaaten fassen, da ein derartiges Spruchverfahren in Deutschland besteht.

86

Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats und damit die Bestellungsbeschlüsse haben kann, wird es häufig empfehlenswert sein, die Verschmelzungsbeschlüsse erst zu einem Zeitpunkt zu fassen, zu dem die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach § 13 Abs. 1 SEBG bereits abgeschlossen ist. Liegt zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse diese Vereinbarung noch nicht vor, kann sich nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 SE-VO die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften das Recht vorbehalten, die Eintragung der SE davon abhängig zu machen, dass die geschlossene Vereinbarung von ihr ausdrücklich genehmigt wird.[121] Da für den Genehmigungsbeschluss eine neue Hauptversammlung erforderlich ist, kann ein solcher Zustimmungsvorbehalt das Eintragungsverfahren erheblich verzögern. Die Genehmigungskompetenz kann dennoch nicht alternativ auf den Aufsichtsrat verlagert werden, um den Prozess zu beschleunigen, weil die SE-VO eine solche Delegation nicht vorsieht und darin eine mit der Organisationsstruktur der AG unvereinbare Selbstbeschränkung der Hauptversammlung läge.[122]