Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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2 › III. Wesen und Struktur der SE

III. Wesen und Struktur der SE

2 › III › 1. Begriff

1. Begriff

38

Der Begriff der Europäischen AG wird in der Verordnung nicht näher definiert. Der Sprachgebrauch innerhalb der Verordnung ist zudem uneinheitlich. In der deutschen Fassung werden daneben auch die Begriffe Europäische Gesellschaft und Societas Europaea verwendet, ohne dass hiermit Bedeutungsunterschiede verbunden wären.[1]

39

Die SE-VO begreift die Europäische AG als eigenständige, supranationale Rechtsform (Art. 1 Abs. 1 SE-VO), die neben die nationalen Gesellschaftsformen tritt.[2] Trotz des Charakters der SE-VO als Rahmenregelung, die vielfach auf das nationale Aktienrecht verweist,[3] handelt es sich bei der Europäischen AG nicht nur um eine Modifikation einer nationalen AG. Neben der europarechtlichen Rechtsgrundlage spricht auch der numerus clausus der zulässigen Gründungsvorgänge[4] für die Eigenständigkeit der Rechtsform. So geht die SE-VO zutreffend davon aus, dass die Umwandlung einer AG in eine SE und umgekehrt einen Rechtsformwechsel darstellt. Die in der SE-VO erstmals geregelte grenzüberschreitende Sitzverlegung und Verschmelzung bildeten bei Erlass der Verordnung Besonderheiten der Rechtsform der SE. Seit der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie[5] in den §§ 122a–122l UmwG gilt dies allerdings nur noch für die grenzüberschreitende Sitzverlegung.

2 › III › 2. Strukturmerkmale der SE

2. Strukturmerkmale der SE

40

Art. 1 SE-VO führt einige wichtige Strukturmerkmale der SE auf, ohne jedoch eine umfassende Definition zu enthalten oder auch nur die Besonderheiten der SE als supranationale Rechtsform zu erfassen. Die SE ist demnach eine Handelsgesellschaft, die über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, deren Kapital in Aktien zerlegt ist und deren Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Die SE ist somit i. S. d. deutschen Terminologie eine Körperschaft in Form einer Kapitalgesellschaft.

2.1 Rechtspersönlichkeit

41

Die SE verfügt über eigene Rechtspersönlichkeit (Art. 1 Abs. 3 SE-VO). Sie kann somit selbst Träger von Rechten und Pflichten sein (Rechtsfähigkeit). Die Rechtsfähigkeit der SE beginnt am Tag ihrer Eintragung in das zuständige Register des Mitgliedstaates, in dem die SE ihren Sitz hat (Art. 16 Abs. 1 SE-VO). Die Eintragung ist daher konstitutiv für die Erlangung der Rechtsfähigkeit. Das Erlöschen der Rechtspersönlichkeit ist in der SE-VO nicht geregelt und richtet sich daher nach dem Recht des Sitzstaates, dürfte aber angesichts von Art. 14 SE-VO zumindest die Löschung der SE im Register voraussetzen.[6]

42

Als juristische Person ist die SE selbst nicht unmittelbar handlungsfähig, sondern auf ihre Organe und Vertreter angewiesen. Aufgrund der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO finden auf Fragen der Zurechnung von Erklärungen und Wissen ihrer Vertreter sowie hinsichtlich der Haftung der SE für Handlungen ihrer Organe das Recht des Sitzstaates Anwendung, da diese Bereiche in der SE-VO nicht geregelt sind.

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Aus der Rechtsfähigkeit der SE folgt ihre Parteifähigkeit. Sie kann daher als Partei an Zivil- und Verwaltungsverfahren teilnehmen und wird hierbei von ihren Organen vertreten.

2.2 Haftungsbegrenzung

44

Gem. Art. 1 Abs. 2 S. 2 SE-VO haftet jeder Aktionär nur bis zur Höhe des von ihm gezeichneten Kapitals. Die Formulierung ist missverständlich. Gemeint ist, dass den Gläubigern für Verbindlichkeiten der SE nur das Gesellschaftsvermögen haftet.[7] Eine direkte Haftung der Aktionäre gegenüber den Gläubigern der SE wird nicht angeordnet; auch nicht im Falle einer nicht vollständigen Erbringung der Einlageleistung. Insbesondere kann Art. 1 Abs. 2 S. 2 SE-VO nicht im Sinne einer akzessorischen Haftung des Aktionärs für Verbindlichkeiten der Gesellschaft beschränkt auf das gezeichnete Kapital verstanden werden.[8] Allerdings steht die SE-VO der Anwendung einer Regelung des nationalen Aktienrechts, durch die der Gesellschaft oder auch den Gläubigern der Gesellschaft Ansprüche gegen den Aktionär wegen Einlagenrückgewähr eingeräumt werden, oder auch einem Haftungsdurchgriff,[9] den das nationale Recht vorsieht, nicht entgegen.

2.3 Grundkapital und Aktien

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Die SE hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (Art. 1 Abs. 2 S. 1 SE-VO). Das Grundkapital der SE lautet auf Euro und muss mindestens 120 000 EUR betragen (Art. 4 SE-VO).[10] Die relativ hohe Mindestkapitalisierung soll die Gewähr für eine ausreichende Vermögensgrundlage der Gesellschaft bieten, ohne kleinen und mittleren Unternehmen die Gründung einer SE zu erschweren.[11] Die SE-VO folgt damit im Grundsatz der Schutzkonzeption eines gesetzlichen Mindesthaftkapitals, da den Gläubigern der Gesellschaft lediglich das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Die Regelung der SE-VO beschränkt sich jedoch auf die Anordnung einer bestimmten Nennkapitalziffer und überlässt alle weiteren Regelungen zur Sicherstellung der vollständigen Aufbringung und ungeschmälerten Erhaltung des Grundkapitals dem nationalen Recht (Art. 5 SE-VO). Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Aktien und sonstiger von der Gesellschaft begebener Wertpapiere oder Rechte.

2.4 Aufbau und Organisationsstruktur

46

Der Aufbau und die Organstruktur der SE entsprechen den in der EU für AG bekannten Formen. Eine aus deutscher Perspektive grundlegende Neuerung hinsichtlich der Organisationsverfassung bringt dabei Art. 38 b SE-VO, der ein Wahlrecht zwischen dem hierzulande nach dem AktG vorgeschriebenen dualistischen System, mit voneinander getrennten Aufsichts- und Leitungsorganen, und dem monistischen System, mit einem einheitlichen Verwaltungsorgan, vorsieht.[12]

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Als Grundorgan verfügen SE beider Organisationsformen über eine Hauptversammlung der Aktionäre (Art. 38 a SE-VO); diese übt vergleichbare Funktionen aus wie die Hauptversammlung einer inländischen AG. Hinsichtlich ihrer Organisation, ihres Ablaufs und des Abstimmungsverfahrens enthält die Verordnung spezielle Regeln; subsidiär gilt wiederum das nationale Aktienrecht (Art. 53 – 60 SE-VO).[13]

2.5 Die SE als Handelsgesellschaft

48

Die SE wird in der deutschen Fassung des Art. 1 Abs. 1 SE-VO als eine Rechtsform bezeichnet, in der Handelsgesellschaften unter den in der SE-VO aufgeführten Voraussetzungen gegründet werden können. Während der Gegenstand des Unternehmens einer deutschen AG gem. § 3 Abs. 1 AktG nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes bestehen muss, könnte aus Art. 1 Abs. 1 SE-VO zu folgern sein, dass eine SE zwingend ein Handelsgewerbe betreiben muss. Allerdings wird in anderen Sprachfassungen der SE-VO lediglich neutral von Gesellschaften gesprochen. Aus dem deutschen Wortlaut der SE-VO lässt sich daher eine so weitgehende Einschränkung nicht ableiten; vielmehr kann eine SE jeden gesetzlich zulässigen Zweck verfolgen.[14] Eine SE mit Sitz in Deutschland ist jedoch gem. § 3 Abs. 1 AktG, § 6 Abs. 2 HGB in jedem Falle Formkaufmann.[15]

Anmerkungen

[1]

Die SE-VO verwendet in der deutschen Fassung in der Überschrift den Begriff der Europäischen Gesellschaft. Im 8. Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 1 SE-VO ist von der Europäischen AG die Rede. Das Kürzel SE wird im 8. Erwägungsgrund und in Art. 1 Abs. 1 SE-VO definiert. In Art. 1 Abs. 1 SE-VO wird zugleich der Begriff der Societas Europaea eingeführt, dem die Abkürzung SE entlehnt wurde.

[2]

Vgl. 6. Erwägungsgrund zur SE-VO.

[3]

Vgl. oben Rn. 4 und 10.

[4]

S. dazu unten 3. Kap. Rn. 1.

[5]

RL 2005/56/EG des Rates v. 26.10.2005, ABlEU Nr. L 310 v. 25.11.2005, 1 ff.

[6]

Art. 63 SE-VO verweist nur bezüglich der Auflösung und Liquidation ausdrücklich auf das nationale Recht, während Art. 14 SE-VO vorsieht, dass die Löschung einer SE bekannt zu machen ist, also in der SE-VO vorausgesetzt wird. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob eine SE mit Sitz in Deutschland erst mit Löschung und Vermögenslosigkeit (so Lutter/Hommelhoff/Lutter Art. 1 Rn. 16) oder bereits mit Löschung im Register erlischt und ggf. als Nachgesellschaft fortbesteht (so Habersack/Drinhausen/Bachmann SE-VO Art. 63 Rn. 61).

 

[7]

Allg. Meinung, vgl. Münch. Hdb. GesR IV/Austmann § 82 Rn. 1; MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 6; Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 5; KölnKomm/Siems SE-VO Art. 1 Rn. 21.

[8]

Die Formulierung der VO erinnert an § 171 Abs. 1 HGB: Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar.

[9]

KölnKomm/Siems SE-VO Art. 1 Rn. 22.

[10]

Gem. Art. 67 SE-VO können Mitgliedstaaten, die der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion nicht angehören, Sonderregelungen treffen, um SE mit Sitz in diesen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die Grundkapitalziffer und die Aktiennennbeträge in der nationalen Währung auszudrücken.

[11]

Vgl. 13. Erwägungsgrund der SE-VO.

[12]

Dazu unten 5. Kap. Rn. 74 ff.

[13]

Dazu unten 6. Kap. Rn. 1 ff.

[14]

Eine SE kann somit auch zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit oder zur Verfolgung ideeller, vermögensverwaltender oder gemeinnütziger Zwecke errichtet werden, vgl. Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff SE-VO Art. 1 Rn. 5; MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 4; Spindler/Stilz/Caspar SE-VO Art. 1 Rn. 3.

[15]

Habersack/Drinhausen/Habersack SE-VO Art. 1 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff SE-VO Art. 1 Rn. 5; Spindler/Stilz/Caspar SE-VO Art. 1 Rn. 2; im Ergebnis ebenso MünchKomm AktG/Oechsler SE-VO Art. 1 Rn. 4: direkte Folge von Art. 1 Abs. 1 SE-VO.

2 › IV. Die Mitgliedschaft des Aktionärs

IV. Die Mitgliedschaft des Aktionärs

49

Nach dem deutschen Begriffsverständnis umfasst die in der Aktie verkörperte Mitgliedschaft des Aktionärs die Summe aller Rechte und Pflichten, die ihm als Mitglied der AG zustehen bzw. die er in dieser Eigenschaft zu erfüllen hat.[1] Die Rechte des Aktionärs können in Vermögensrechte, wie das Dividendenbezugsrecht, und Herrschafts- bzw. Verwaltungsrechte, wie das Stimmrecht, das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und Auskunftsrechte, unterteilt werden.

50

Die SE-VO enthält nur wenige ausdrückliche Regelungen, die die Mitgliedschaft des Aktionärs direkt betreffen. Neben der bereits erwähnten Haftungsbeschränkung auf die Einlageleistung des Aktionärs (Art. 1 Abs. 2 SE-VO) zählen hierzu Verwaltungsrechte, die vornehmlich in der Hauptversammlung auszuüben sind,[2] sowie der Minderheitenschutz.[3] Der Gleichbehandlungsgrundsatz, der aufgrund der 2. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie[4] im Aktienrecht aller Mitgliedstaaten verankert ist, findet wiederum über das nationale Aktienrecht Anwendung auf die Aktionäre der SE. Im deutschen Recht wurde der Gleichbehandlungsgrundsatz in § 53a AktG umgesetzt. Nach dieser Bestimmung hat die Gesellschaft die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.

51

Über die Generalverweisung kommen ferner die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Treuepflicht des Aktionärs[5] zur Anwendung, da die Verweisung Richterrecht mit einschließt.[6]

52

Die Ausgestaltung der Mitgliedschaft des Aktionärs der SE unterliegt damit zu großen Teilen dem nationalen Recht. Das einzelstaatliche Recht ist schließlich auch für den Erwerb, die Übertragbarkeit und den Verlust der Mitgliedschaft maßgeblich. Es bestehen mithin im Bezug auf die Mitgliedschaft des Aktionärs zwischen der Beteiligung an einer SE mit Sitz in Deutschland und der Beteiligung an einer deutschen AG keine grundsätzlichen Unterschiede.

Anmerkungen

[1]

Statt vieler Henn/Frodermann/Jannott 2. Kap. Rn. 166 ff.; Münch. Hdb. GesR IV/Wiesner § 17 Rn. 1.

[2]

S. zur Hauptversammlung 6. Kap.

[3]

Vgl. etwa Art. 55 SE-VO, der das Einberufungsrecht einer Aktionärsminderheit regelt, und z. B. in Bezug auf Strukturmaßnahmen, 6. Erwägungsgrund sowie Art. 8 Abs. 5 SE-VO, der den Schutz der Minderheitenaktionäre, die einer Sitzverlegung widersprochen haben, im Wege einer speziellen Verweisung den Mitgliedstaaten zuweist.

[4]

Art. 42 der RL 77/91/EWG des Rates v. 13.12.1976, ABlEU Nr. L 26 v. 31.1.1977, 1 ff.

[5]

Grundlegend: BGHZ 103, 184 – Linotype; BGHZ 127, 107, 111 (BMW) und BGHZ 129, 136, 142 f. – Girmes; Zusammenfassung des Diskussionsstands bei Hüffer § 53a Rn. 16 und Henn/Frodermann/Jannott 2. Kap. Rn. 193.

[6]

S. o. Rn. 37.

3. Kapitel Gründung

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

II. Gründungsformen

III. Gründungsverfahren

IV. Vorrats-SE

V. Vorgesellschaft

VI. Haftung

VII. Nachgründung

VIII. Zweigniederlassungen

3 › I. Allgemeines

I. Allgemeines

3 › I › 1. Begrenzte Gründungsmöglichkeiten

1. Begrenzte Gründungsmöglichkeiten

1

Bei der SE handelt es sich um eine europäische Gesellschaftsform. Zum Schutz der nationalen Gesellschaftsformen vor Konkurrenz durch diese supranationale Rechtsform verlangt der Verordnungsgeber in der SE-VO[1] für die Gründung einer SE eine transnationale Dimension (Mehrstaatlichkeitsprinzip). In einem numerus clausus stellt er nur fünf SE-Gründungsformen mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die Erfüllung des Mehrstaatlichkeitsprinzips zur Verfügung. Außerdem lässt er in den einzelnen Gründungsformen jeweils nur bestimmte Gesellschaftsformen als Gründer zu. Damit schränkt er die Gründungsmöglichkeiten in mehrfacher Hinsicht ein. Erstens können natürliche Personen nicht als Gründer einer SE auftreten. Zweitens können sich – abhängig von der Gründungsform – einzelne Gesellschaftsformen nicht an der Gründung einer SE beteiligen. Und drittens steht den Gründern der Weg in die SE nur offen, wenn sie die Gründungsform-spezifischen Anforderungen an die Mehrstaatlichkeit erfüllen. Man mag aus rechtspolitischer Sicht darüber diskutieren, ob die vorstehenden Gründungserschwernisse durch nationalstaatliche Interessen oder Bedürfnisse gerechtfertigt sind und ob der Akzeptanz der SE eine großzügigere Öffnung nicht besser getan hätte.[2] Die Beratungspraxis jedenfalls hat gegenwärtig von dem Status quo der SE-VO auszugehen und setzt ihre Kreativität ein, um den Gestaltungsspielraum der SE-VO auszuschöpfen.[3] Daneben bleibt abzuwarten, ob und wann der Verordnungsgeber hier eine weitere Öffnung zulässt.[4]

3 › I › 2. Anwendbares Recht

2. Anwendbares Recht

2

Die Gründungsformen sind in Art. 2 SE-VO und Art. 3 Abs. 2 SE-VO geregelt. Die Gründungsvorschriften selbst finden sich in Art. 15 ff. SE-VO. Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO findet auf die Gründung einer SE das Recht ihres künftigen Sitzstaates Anwendung, auf eine in Deutschland einzutragende SE also deutsches Recht. Soweit es jedoch um Verfahrensschritte geht, die allein den einzelnen Gründungsgesellschaften zuzuordnen sind, verweist die SE-VO auf deren jeweiliges Sitzrecht.[5] Da mit Eintragung der SE ihre Gründungsphase abgeschlossen ist, bestimmt ab diesem Zeitpunkt die allgemeine Verweisungsnorm des Art. 9 SE-VO die Normenhierarchie.[6]

3 › I › 3. Beteiligung von Unternehmen außerhalb der EU

3. Beteiligung von Unternehmen außerhalb der EU

3

Der Verordnungsgeber stellt die SE als europäische Gesellschaftsform nur Gründern zur Verfügung, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der EU haben.[7] Unternehmen außerhalb der EU ist daher die unmittelbare Beteiligung an der Gründung einer SE grundsätzlich verwehrt. Ihnen bleibt nur die mittelbare Gründung über eine eigene europäische Tochtergesellschaft, soweit diese die Voraussetzungen der jeweiligen Gründungsform erfüllt. Darüber hinaus ermöglicht es Art. 2 Abs. 5 SE-VO jedem Mitgliedstaat vorzusehen, dass sich eine Gesellschaft, die ihre Hauptverwaltung nicht in der EU hat, an der Gründung einer SE beteiligen kann, sofern sie nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde, ihren Satzungssitz in diesem Mitgliedstaat hat und mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaats in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung steht.[8] Der deutsche Gesetzgeber hat im SEAG[9] von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sodass in Deutschland eine SE nicht unter Beteiligung von Unternehmen außerhalb der EU gegründet werden kann.[10]

Anmerkungen

[1]

VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABlEG Nr. L 294 v. 10.11.2001, 1 ff., geändert durch die VO (EG) Nr. 885/2004 des Rates v. 26.4.2004 (ABlEU Nr. L 168 v. 1.5.2004, 1 ff.), die VO (EG) Nr. 1791/2006 des Rates v. 20.11.2006 (ABlEU Nr. L 363 v. 20.12.2006, 1) und die VO (EU) Nr. 517/2013 des Rates v. 13.05.2013 (ABlEU Nr. L 158 v. 10.6.2013, 1 ff.) – s. Anh. I. 1.

 

[2]

Vgl. dazu auch den Evaluierungsbericht der Kommission über die Anwendung der SE-VO nach Art. 69 SE-VO v. 17.11.2010 KOM(2010) 676, S. 7 f., sowie den Reformvorschlag des Arbeitskreises Aktien- und Kapitalmarktrecht (AAK) ZIP 2009, 698 zur Streichung des Mehrstaatlichkeitsgebots.

[3]

Neben dem engen numerus clausus der Gründungsmöglichkeiten erweitert die zulässige Verwendung von Vorratsgesellschaften in der Rechtsform der SE die Handlungsspielräume (siehe hierzu Rn. 304 ff.).

[4]

Allerdings beabsichtigt die Europäische Kommission trotz der breiten Unterstützung für eine Überarbeitung des SE-Statuts ausweislich einer im Jahr 2012 durchgeführten öffentlichen Konsultation kurzfristig keine Revision, „da die erwarteten Vorteile einer Überarbeitung im Sinne einer Vereinfachung und Verbesserung […] die potenziellen Herausforderungen bei einer Neueröffnung der Diskussion nicht aufwiegen würden“, KOM/2012/740/2, S. 16; hierzu Hopt ZGR 2013, 165, 194 ff.

[5]

Bspw. Art. 18, 32 Abs. 4, 36 SE-VO.

[6]

Theisen/Wenz/Neun S. 50 ff.; Teichmann ZGR 2002, 383, 415.

[7]

Den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in diesem Sinne gleichgestellt sind auch die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen – vgl. Anh. XXII – 10a.01 des EWR-Abkommens i.d.F. des Beschl. des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 v. 25.6.2002.

[8]

Soweit sich hierbei Einschränkungen für Staaten ergeben konnten, deren Rechtsordnung der Sitztheorie und nicht der Gründungstheorie folgten (vgl. etwa Teichmann ZGR 2002, 383, 414; ders. ZIP 2002, 1109, 1111), ist nach der Rspr. des EuGH zur Niederlassungsfreiheit gegenüber dem Aufnahmestaat (vgl. ZIP 1999, 438 ff. – Centros; ZIP 2002, 2037 ff. – Überseering; ZIP 2003, 1885 ff. – Inspire Art) jedoch ein Umdenken in den bisher noch der Sitztheorie folgenden Rechtsordnungen erfolgt. Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedstaaten sind danach jedenfalls im Ergebnis auch als solche anzuerkennen und gemäß ihrer Gründungsrechtsordnung zu behandeln (vgl. aus Sicht des deutschen Rechts BGH NJW 2003, 1461; NJW 2005, 3351; NJW 2005, 1648).

[9]

BGBl I 2004, 3675 – s. Anh. I.3.

[10]

Zur Begr. Neye/Teichmann AG 2003, 169, 171; infolge der durch das MoMiG (BGBl I 2008, 2026) jedenfalls für Gesellschaften in der Rechtsform einer AG oder GmbH eingeführten Möglichkeit zur Wahl eines vom inländischen Satzungssitz abweichenden ausländischen Verwaltungssitzes halten dies für überprüfungsbedürftig Lutter/Hommelhoff/Bayer Art. 2 SE-VO Rn. 27; MünchKomm AktG/Oechsler Art. 2 SE-VO Rn. 47; Habersack/Drinhausen/Habersack Art. 2 SE-VO Rn. 25.