Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter

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Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter
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Denise Remisberger

Fidibus und das Pergament aus dem Goldenen Psalter

Ein Mönch Fidibus Krimi

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

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Impressum neobooks

Vorwort

Während Papst Johannes XII. in Rom den Vatikan zu einem Bordell umfunktionierte, König Otto der Grosse das Ostfrankenreich plus Oberitalien und baldige Heilige Römische Reich durch die Stärkung des Reichsepiskopats durchmauschelte, was den treu ergebenen Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen immer mehr königliche Befugnisse und den eigensinnigen Stammesherzögen immer weniger einräumte, Bischof Konrad von Konstanz unermüdlich Bauwerke nach ihren Vorbildern in Jerusalem und Rom errichtete, die Herrschenden des Herzogtums Schwaben, Burchard III. und seine Frau Hadwig, nicht immer einer Meinung waren und Abt Craloh im Kloster Sankt Gallen seine Mönche terrorisierte, wanderte Fidibus, Cellerar im Kloster Sankt Gallen, nur mit einem guten Tröpfchen bewaffnet, das er ins befreundete Kloster Reichenau im Bodensee tragen wollte, durch den tiefdunklen Arboner Forst, in dem es nur so wimmelte von garstigen Räubern, zauberkundigen Kräuterfrauen, verschrobenen Einsiedlern, sturköpfigen Burgfräuleins, die dort eigentlich nichts verloren hatten, entlaufenen Leibeigenen, in aller Eile hindurchpreschenden herzoglichen Panzerreitern, Kaufleuten, die ihre Waren auf Mauleseln transportierten, freien Bauersleuten, die eine Mistgabel auch mal zu ihrer Verteidigung einsetzten und Witwen, die nichts Besseres zu tun hatten, als für Recht und Ordnung zu sorgen, denn damit war es nicht weit her im Jahre des Herrn 956.

1

«Diese verdammten Wurzeln», lästerte Fidibus leise vor sich hin, da er gerade über eine gestolpert war, die besonders frech aus dem schmalen, von vielen Füssen fest gestampften Weg hervorlugte, der vom Kloster Sankt Gallen nach dem Bistum Konstanz und somit auch zur Insel Reichenau führte und «Konstanzer Strasse» genannt wurde. Die Bischöflichen aus Konstanz und die Äbtischen aus Sankt Gallen hielten sich zwar seit dem Grenzvertrag von 854 an die territoriale Aufteilung ihrer Grundbesitzungen, doch mögen taten sie sich gegenseitig immer noch nicht. Und Fidibus mochte sowieso nicht viele Leute, nicht mal die eigenen, geschweige denn irgendwelche anderen. Fünfzig Lenze lang hatte er da schon seine Erfahrungen mit den Menschen gesammelt. Da durfte er doch die Nase voll haben von ihnen, oder? Fidibus ärgerte sich häufig und fluchte viel; natürlich nur, wenn ihn niemand hörte. Als Mönch und auch noch mit dem hohen Amt des Cellerars beauftragt, sollte er für alle anderen ein Vorbild sein. Und trinken sollte er auch nicht so viel, und essen, und und und. Plötzlich krachte es im Gehölz des Arboner Forsts, der vom Bodensee bis zum Säntis grossflächig Hügel und Tobel bedeckte, teils gerodet, teils undurchdringlich, und sehr gefürchtet.

«Wen haben wir denn da!», nuschelte ein mit einem langen Messer bewaffneter Bärtiger, während er den Mund voller Nüsse hatte, die er genüsslich zermalmte.

«Werter Herr, ich nenne mich Fidibus, einfacher und mausarmer Mönch aus dem nahen Kloster. Doch wer seid Ihr?»

«Ich nenne mich Dumpfbacke. Räuber Dumpfbacke. Ich bin der Schrecken dieser Wälder. Gib mir alles, was du besitzt, Mönch.»

«Aber ich besitze nichts, werter Herr.»

«So? Was tust du dann hier, mitten im Wald?»

«Ich bin auf dem Weg zum Kloster Reichenau, um dort einen lieben Freund zu besuchen, ein bisschen zu reden und zu trinken.»

«Trinken?»

«Kissleggzeller Grutbier.»

«Grutbier? Hast du welches dabei?»

«Nein, nein. Dieses speziell gewürzte Bier kommt aus der Gegend zwischen Zeller- und Obersee, von einem unserer Meierhöfe. Das Kloster Reichenau bekommt es aber direkt geliefert. Es ist also bereits dort.»

«Kenn ich nicht.»

In der Zwischenzeit waren noch zwei andere Räuber dazugekommen, die genauso unfreundlich aussahen wie ihr Anführer.

«Dumpfbacke, was quasselst du die ganze Zeit mit dem? Rauben wir ihn endlich aus!», rief einer davon und erntete Zustimmung.

«Also gut, Leute. Rauben wir ihn aus.»

Doch in dem Moment, als Dumpfbacke und seine Kumpane loslegen wollten, trat jemand aus dem Wald und die drei Gesellen rannten panisch davon. Es gab nicht vieles, wovor sich Räuber Dumpfbacke fürchtete, aber vor dieser Gestalt schon.

«Wer bist du?», flüsterte Fidibus mit weit geöffneten Augen.

Die Frau, in einem kurzärmeligen knöchellangen Obergewand aus leichter Schafwolle, unter dem ein langärmeliges Unterkleid aus Nesseltuch hervorlugte, das sie mit einem Sud aus Rainfarn gelb eingefärbt hatte, und mit langen braunen Haaren, die sie offen und ohne Schleiertuch trug, lächelte spöttisch: «Das willst du gar nicht so genau wissen, Mönch Fidibus. Ich heisse Trude, lebe im Wald und kenne mich mit Pflanzen aus; mit heilenden und weniger heilenden. Die Kirche mag mich nicht besonders, doch du hast ein gutes Herz.»

«Das weisst du jetzt schon, ohne mich zu kennen?»

«Das weiss ich jetzt schon, ohne dich zu kennen. Komm, ich begleite dich ein Stück auf deinem Weg.»

Und Trude lief leichtfüssig voran, allerdings nicht auf der Konstanzer Strasse, sondern über einen Wildwechsel, der mit ungeübtem Auge nicht gut auszumachen, für die Waldbewohnerin aber leicht aufzufinden war.

 

«Hier wohne ich», zeigte Trude auf ein aus heimischem Eschen- und Eibenholz gebautes Häuschen mit einem Dach aus Rindenstücken. In Hörweite rauschte der Steigbach. «Ich muss noch schnell etwas holen.» Und Trude verschwand kurz im Häuschen. Sie liefen noch ein bisschen weiter, bis sich vor ihnen eine gerodete Fläche auftat.

«Das ist ja einer unserer Meierhöfe, Hof Gommenschwil.»

«Ja. Ich muss mein Schleiertuch umbinden, sonst stellen sie mich noch an den Schandpfahl. Bei denen könnte das durchaus passieren. Frauen, die nach zweiunddreissig Lenzen immer noch nicht heiraten wollen, fallen ins Auge. Immerhin übt die Niederadelsfamilie, welche diesen Meierhof für dein Kloster verwaltet, die Niedere Gerichtsbarkeit aus.»

Die Kräuterfrau und der Mönch wanderten weiter talabwärts, bis zu den Weilern Häggenschwil und Lömmenschwil und weiter bis nach Hagenwil und Altnau am Bodensee und noch weiter bis nach Münsterlingen, wo Trude sich verabschiedete, denn sie hatte eine Freundin im Benediktinerinnenkloster, die sie besuchen wollte.

Inzwischen war es Abend geworden. Jetzt im Sommer, da die zwölf Stundenabschnitte des Tages länger dauerten, war es noch hell. Bis zur Vesper würde er es nicht mehr schaffen, aber zur Komplet war er sicher auf der Insel Reichenau angekommen. Fidibus marschierte nun zügig auf der gut begehbaren Strasse am Bodenseeufer entlang, vorbei an den ausgelegten Binsen-Reusen zum Fischfang, vorbei an den Flachsfeldern und Fronhöfen, auf denen die Hörigen in Leibeigenschaft arbeiten mussten, die aber nicht ihnen gehörten, sondern in den meisten Fällen entweder dem Bistum Konstanz oder dem Kloster Sankt Gallen, umrundete Konstanz und erreichte den Ermatinger-Steg, auf dem der grimmige Fährmann Theodor hockte und auf Kundschaft wartete.

«Überfahrt nach Reichenau, was?»

«Ja, Theodor. Ich habe auch ein gutes Tröpfchen für dich. Hier.» Und der Mönch zog den kleineren der beiden Tonbehälter, randvoll mit Apfelwein gefüllt, unter seiner Kutte hervor und überreichte ihn dem grinsenden Bootsmann.

2

Äbtissin Dagoberta aus dem Kloster Münsterlingen öffnete ihre kostbar mit Amethysten verzierte Truhe, schob die Gewänder und Bücher darin zur Seite und hob den doppelten Boden leicht an, indem sie drei Finger in eine Öffnung an der Seite schob. Das kleine Leinensäckchen, gefüllt mit getrockneten Fingerhutblättern, welches ihr ihre Freundin Trude heute mitgebracht hatte, versteckte sie in dem dafür vorgesehenen Hohlraum.

Dann stellte Dagoberta ihre Kerze, die auf einem kleinen Teller mit Vertiefung in der Mitte und Haltegriff versehen stand, neben das Altarbild der Maria, kniete sich hin und faltete die Hände: «Liebe Maria, du weisst, ich bin keine Christin, wie die Männer es gerne sehen würden. Ich glaube nur an dich, nicht an deinen Sohn, nicht an Gottvater, nicht an seinen Gegenspieler Satan und schon gar nicht an das Geschwätz der Herren in kirchlichem Amt. Das ist unser Geheimnis, Maria. Auch ich trage ein Geheimnis mit – das der Trude, die nicht nur an eine deiner keltischen Vorgängerinnen, die Totengöttin Aericura, glaubt, sondern zum Schrecken aller, wenn sie es wüssten, auch mit Feen und Gnomen plaudert, als wären es Menschen. Nur in Gedanken. Nicht laut. Das wäre viel zu gefährlich. Ketzerei wird mit dem Tode bestraft. Ja, Maria. Und jetzt horte ich auch noch ein giftiges Kraut. Für alle Fälle. Vielleicht brauche ich es eines Tages. Vielleicht muss ich einmal jemanden töten. In Notwehr. Vielleicht.»

3

Das botanische Werk aus dem Jahre 827 «Von der Pflege der Gärten» lag vor Cellerar Fidibus und Hospitalar Ottfried aus dem Kloster Reichenau auf dem rau gezimmerten Holztisch in der karg eingerichteten Zelle des Mönchs. Es war spät und Ottfried hoffte, dass seine ihm anvertrauten Gäste endlich alle tief und fest schliefen.

«Ich brauche unbedingt eine Abschrift dieser paar Seiten hier, Ottfried. Über das Pfropfen. Ich habe das Ziel, unseren Apfelbaumgarten zu veredeln. Wenn ich die Setzreiser, die ich vom Bauern Rennhas aus Untergoldach habe, ansetzen könnte, würden die Äpfel ein bisschen grösser und saftiger werden, wenigstens mit der Zeit.»

«Wir haben hier bereits Kopien gefertigt, Fidibus. Aber die bekommst du nicht umsonst, das weisst du.»

«Eine Anzahlung habe ich dir bereits mitgebracht. Hier.» Und Fidibus zog einen grösseren Tonbehälter aus dem Ledersack unter seiner Kutte hervor, zog den in Öl getauchten und mit Hanf umwickelten Holzstopfen vom Gefäss und schenkte die goldene Flüssigkeit in zwei Tonbecher ein.

«Koste mal, Ottfried.»

Nachdem Ottfried getrunken hatte, nahm er gleich noch einen zweiten Schluck.

«Köstlich, Fidibus, leicht säuerlich mit einer sonnigen Note, die im Gaumen zurückbleibt.»

4

Ganz früh am Morgen hockte der Ministeriale Furdin in seiner feuchten Kammer in der Niederburg, dem Stadtteil von Konstanz, in dem die Handwerker, die Fischersleute und die Beamten, genannt Ministeriale, wohnten, und wartete darauf, dass es Tag wurde.

Als Junge war er dabei ertappt worden, wie er, ziemlich geschickt für sein Alter, in der Bischofskirche eine Schatulle aufgebrochen hatte, mit der frevelhaften Absicht, die sich darin befindende Reliquie, die Bischof Konrad von seiner letzten Pilgerfahrt nach Jerusalem im Austausch gegen einen wertvollen Ring aus seinem Privatvermögen mitgebracht hatte, zu stehlen.

Anstatt den diebischen Buben nun einfach unter den Galgen zu hängen, hatte der Bischof entschieden, ihn in seine Dienste zu nehmen. Furdin kam aus einer hörigen Bauernfamilie und wollte mehr aus seinem lausigen Leben machen. Darum besass er genau die richtigen Voraussetzungen für das Amt eines Ministerialen. Er war zwar immer noch ein Leibeigener, doch seine Aufgaben zeugten nun von grösserem Gewicht. Vornehmlich wurde Furdin eingesetzt, um die Vorgänge im Kloster Sankt Gallen auszuspionieren. Allem voran wollte Konrad darüber informiert sein, was dort jeweils gerade für Bücher verfasst und kopiert wurden. Schliesslich besass das Bistum Konstanz eine Dombibliothek, die in einem ständigen Wettstreit mit dem Kloster Sankt Gallen stand. Und nicht nur die. Der Bischof wollte auch sonst wissen, was die Äbtischen den lieben langen Tag so trieben. Darum hatte Furdin den Auftrag bekommen, das Kloster Sankt Gallen, als harmloser Gast auf Pilgerreise verkleidet, zu besuchen und sich ein bisschen umzuhören und ein bisschen herumzuschleichen. Furdin war der Spion mit den geheimsten Aufträgen am Bischofshof. Und darauf war er arg stolz. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte noch mehr. Er wollte etwas in seinen Besitz bringen, das ihm Macht verlieh. Und er wusste auch schon, was.

5

Fidibus lüpfte seine kratzige Kutte und stieg über den erst kniehohen Erdwall, in den Holzbalken, ergänzt mit Steinen und Sand und überdeckt mit Lehm, hineingetrieben worden waren, als der gute Abt Anno noch lebte. Nun, unter dem grausamen Abt Craloh, stockten die Bauarbeiten an der Klostermauer, die sowohl Kloster als auch Klosterdorf vor Übergriffen sichern sollte. Im Kloster angekommen, rannte ihm Kunibert, der Infirmar, entgegen, während er ein kühles Tuch, in Arnikatinktur getaucht, auf seinen schmerzenden Kopf drückte.

«Fidibus, ich muss mit dir reden. Komm schnell in meine Zelle.»

Kunibert setzte sich auf den gut gefüllten Strohsack, der in seinem Holzkistenbett lag, und Fidibus auf den wackeligen Schemel davor.

«Als ich diesen Abend, kurz vor der Vesper, in der Klosterbibliothek sass, um im Waltharilied unseres Dekans Ekkehard etwas nachzulesen, das mir entfallen war, wurde ich brutal niedergeschlagen.»

«Hast du den Täter gesehen?»

«Nein. Der Schlag kam von hinten und landete direkt auf meinem armen alten Kopf.»

«Hast du denn nichts gehört?»

«Nein. Meine Konzentration war voll auf das grosse Heldengedicht gerichtet. Aber ich weiss, was entwendet wurde. Es ist schrecklich», weinte Kunibert. «Unser wunderbarer Goldener Psalter lag aufgeschlagen auf einem der Tische. Fidibus! Eine Doppelseite fehlt. Die Illustration vom Feldzug des Joab. Eine wunderschöne Buchmalerei. Karolingisch. Fast hundert Jahre alt. Ach, Fidibus! Das Pergament wurde sorgfältig herausgelöst.»

«Keine einfache Sache. Schliesslich werden unsere Pergamentblätter in leder- und metallüberzogene Holzdeckel gelegt und an lederne Buchrücken geheftet.»

«Was sollen wir jetzt tun, Fidibus?»

«Wir gehen sofort in die Bibliothek und legen den Goldenen Psalter einfach in die grosse Truhe zurück, um uns dann mit aller Geduld diesem Übel zu widmen.»

«Ich habe das Werk bereits zurückgetan, Fidibus. Zum Glück kam niemand in den Raum, als ich zusammengesackt auf Bank und Tisch lag. Sonst hätten sie mich sicher hinausgetragen und in ein Krankenbett gelegt.»

«Ja, zum Glück. Wenn unser Abt Craloh von diesem schrecklichen Raub erführe, würde er einen Schuldigen suchen und diesen womöglich in dir finden, weil du das Hereinschleichen des Diebs nicht bemerkt hast. Wahrscheinlich würde er auch noch behaupten, du hättest gemeinsame Sache mit dem Schurken gemacht.»

«Gott bewahre!»

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