Star Trek - Legacies 3: Der Schlüssel zur Hölle

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»Ihre Tochter, Joanna. Sie scheint eine bemerkenswerte Frau zu sein.« Amanda hatte von Schwester Chapel während der abschließenden Behandlung auf der Krankenstation der Enterprise erfahren, wer die Frau war. Obwohl sie bei Ärzten auf Centaurus in Behandlung gewesen war, hatten die Beschädigungen am Krankenhaus von New Athens Dr. McCoy dazu veranlasst, ihren Transport auf die Enterprise anzuordnen. Das war ihr mehr als recht, denn sie hatte bereits beschlossen, dass sie nicht dort warten konnte, während ihr Sohn und seine Schiffskameraden sich auf eine verzweifelte Mission in unbekannte Gefilde begaben, um Sarek und die anderen zu retten. Sie wollte auf der Enterprise sein, falls und wenn dieses Wunder eintrat. Was Joanna McCoy anging, so wurde Amanda erst, nachdem sie von ihrer Verbindung zum leitenden medizinischen Offizier des Schiffs erfahren hatte, bewusst, warum der Arzt in den ersten Stunden nach dem Abflug des Schiffs von Centaurus so angespannt und abgelenkt gewirkt hatte.

McCoy nickte. »Sie ist mein ganzer Stolz, das Einzige, von dem ich ohne Zweifel sagen kann, dass ich es richtig gemacht habe.«

»Sie ist genau wie Sie«, sagte Amanda und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. »Ihre Leidenschaft, ihr Wunsch, anderen zu helfen, ohne Rücksicht auf Gefahr. Ich habe sie auf Centaurus beobachtet. Sie zögerte nicht einen Augenblick und ich bin absolut sicher, dass ich nur ihretwegen noch lebe. Ich und Sarek … wo immer er auch ist.«

McCoy zwang sich zu einem Lächeln. »Vielen Dank. Es ist nett von Ihnen, das zu sagen.«

»Sie glauben doch, dass sie leben, nicht wahr?«

»Ich … ich bin mir nicht sicher.«

Wieder legte Amanda ihre Hand auf seinen Arm. »Ich bin es aber. Ich glaube es von ganzem Herzen. Genauso wie ich glaube, dass Ihre Tochter dort ist, bei meinem Mann, und sich um ihn kümmert, so wie sie sich um mich gekümmert hat.«

McCoy bewegte seinen Arm und ergriff ihre Hand. »Ich leihe mir etwas von dieser Hoffnung, wenn es Ihnen nichts ausmacht, und ich bin sicher, dass Joanna genauso dankbar dafür ist, Ihren Mann zu haben, wie umgekehrt.«

Amanda lächelte. »Dankbarkeit? Vergessen Sie nicht, von wem wir sprechen. Begnügen wir uns damit, dass er ihre kompetente Leistung als Krankenschwester anerkennt.«

Trotz der trüben Gedanken, die ihn beunruhigten, kehrte McCoys Lächeln zurück. »Stimmt. Wie dumm von mir.« Er drückte einmal ihre Hand, bevor er sie losließ. »Jetzt fühle ich mich etwas besser, dank Ihnen.«

Sie nickte verständnisvoll. Zum ersten Mal, seit sie an Bord der Enterprise gekommen war, spürte sie echte Hoffnung, dass sich alles zum Besten wenden würde.

»Nein. Ich danke Ihnen, Leonard.«


VIER

Er hatte weniger als eine halbe Stunde an seinem Schreibtisch gesessen und schon spürte Kirk, wie seine Augen schwer wurden. Wenn er die Pflichten hätte aufzählen sollen, die er bei erster Gelegenheit abschaffen würde, hätte die Überprüfung von Statusberichten jeder Art ganz weit oben gestanden.

Statusberichte der Abteilungsleiter der Enterprise waren natürlich notwendig, da Kirk großes Interesse an jedem Aspekt seines Schiffs und seiner Besatzung hatte. Auch wenn er vielleicht nicht jede Einzelheit jedes Ausrüstungsteils oder jeder Aufgabe verstand, war es entscheidend, dass er sich nicht seiner Verantwortung entzog, sich so viel wie möglich einzubringen. Er verließ sich zwar auf die Expertenmeinungen seiner leitenden Mitarbeiter und anderer Besatzungsmitglieder, um seine Wissenslücken zu schließen, aber das durfte nicht zum Ersatz für echte Zusammenarbeit mit den Menschen unter seinem Kommando werden.

Nachdem er sich dieser Berichte entledigt hatte, sah er jetzt den letzten Nachrichtenverkehr des Sternenflottenkommandos durch. Der ständige Strom von Kommuniqués aus dem Hauptquartier ließ sich nicht vermeiden. Und obwohl er wusste, dass die Informationen in diesen Berichten wichtig waren, war die Durchsicht oft todlangweilig. Es war nicht das erste Mal, dass Kirk sich dabei ertappte, wie er einen sehnsüchtigen Blick auf sein Bett warf. Er musste gestehen, dass es ein verlockender Gedanke war. In den letzten Tagen hatte er wegen der angespannten Lage der Enterprise und der Reparaturen, mit denen Mr. Scott und seine Ingenieure weiterhin beschäftigt waren, kaum geschlafen.

Schlafen kannst du später.

Vorerst warteten die Berichte und sein Kaffee. Kirk dankte jeder Gottheit, die ihm zuhörte, dass der Replikator in seinem Quartier wieder in Betrieb war und ihm ständigen Zugang zu diesem Wunderelixier bot. Kirk trank bereits seine zweite Tasse, seit er sich hingesetzt hatte, seufzte und widmete seine Aufmerksamkeit wieder den Berichten und Computerdatenkarten, mit denen sein Schreibtisch übersät war.

Die Rettung kam in Form seines Türsummers und mehr als erleichtert sagte Kirk: »Herein.«

Die Tür glitt zur Seite und zum Vorschein kam McCoy, der mit verschränkten Armen im Korridor stand. Kirk bemerkte einen Trikorder, der über die linke Schulter seines Freundes geschlungen war.

»Reparieren die das Schiff oder bauen sie uns einfach ein neues?«, erkundigte sich McCoy.

»Pille«, begrüßte ihn Kirk mit einem Lächeln. »Was kann ich für dich tun?« Er sah seinen Freund zum ersten Mal, seit er ihn und die übrigen Führungsoffiziere des Schiffs darüber informiert hatte, dass sie ins Libros-System zurückkehren würden.

»Ich hatte es satt, die Wände meines Büros anzustarren, und dachte, ich mache einen Spaziergang.« Der Arzt betrat den Raum und die Tür schloss sich hinter ihm. »Dann fing das Schiff an rumzuspinnen und ich wurde neugierig. Ich hab einen Blick in den Maschinenraum geworfen.« Er schüttelte den Kopf. »Scotty scheucht seine Jungs ganz schön rum.«

Kirk war im Laufe der Jahre vielen medizinischen und wissenschaftlichen Fachleuten begegnet, die Raumschiffen zugeteilt waren. Im Gegensatz zu den meisten von ihnen war der leitende medizinische Offizier der Enterprise nicht der Typ, der sich in der Krankenstation oder einem Labor einschloss und so tat, als würde der Rest des Universums nicht existieren. Er durfte sich überall im Schiff frei bewegen und zog es vor, durch die Korridore der Enterprise zu schlendern, wenn seine Zeit es erlaubte, und sich mit der Besatzung auszutauschen, die das Schiff ihr Zuhause nannte. Ihr geistiges und körperliches Wohlbefinden auf diese Weise zu beurteilen war – zumindest nach Meinung des Arztes – weitaus zielführender als die formellere Atmosphäre eines Untersuchungsraums.

Heute jedoch vermutete Kirk, dass sein Freund umherstreifte, weil es seiner eigenen psychischen Gesundheit diente. »Wie geht es dir?«, fragte er und deutete auf den Sessel auf der anderen Seite seines Schreibtischs.

McCoy nahm seinen Trikorder ab und legte das Gerät auf den Schreibtisch, bevor er sich in den Sessel fallen ließ. »Alles in allem? Ich komme zurecht. Es ist die Ungewissheit, die an mir nagt.«

Es lag in McCoys Natur, sich um das Wohlergehen aller zu sorgen, und dieses Mitgefühl war seit seinem Dienstantritt an Bord der Enterprise bei zahlreichen Gelegenheiten auf die Probe gestellt worden. Diese Situation war jedoch ganz anders als die bisherigen Missionen, von denen einige das Schiff, seine Besatzung und die Handvoll Schiffskameraden, die er zu seinen engen Freunden zählte, in große Gefahr gebracht hatten. Sie war viel persönlicher. Seine Tochter Joanna – zusammen mit Botschafter Sarek sowie Ratsmitglied Gorkon vom klingonischen Hohen Rat und General Kovor, dem Kommandanten eines klingonischen Schlachtkreuzers – war in das letzte Kapitel eines Rätsels hineingezogen worden, das vor fast zwei Jahrzehnten begonnen hatte.

Die gegenwärtige Situation war Wochen zuvor durch den ungewöhnlichen und unerwarteten Besuch eines ehemaligen Besatzungsmitglieds der Enterprise, Captain Una, ausgelöst worden. Ihre Verbindungen zu diesem Raumschiff gingen auf die frühesten Missionen des ersten kommandierenden Offiziers Robert April zurück, unter dem Una als junger Lieutenant gedient hatte. Nachdem Christopher Pike Aprils Nachfolge angetreten hatte, war Una befördert und zum Ersten Offizier des Schiffs ernannt worden. Später, nachdem Pike die Enterprise an Kirk übergeben hatte, war Una schließlich selbst zum Captain befördert worden und hatte ihr eigenes Kommando erhalten, die U.S.S. Yorktown, der sie derzeit zugeteilt war. Obwohl viele Jahre vergangen waren, hatte ihre Verbundenheit mit der Enterprise und ihren beiden ehemaligen Captains sie mit einem höchst ungewöhnlichen Ziel zurückkehren lassen.

Una hatte aus Kirks Quartier ein fremdes Artefakt entwendet, das ihm von Christopher Pike und Pike zuvor von April anvertraut worden war. Das Artefakt, der Transferschlüssel, war das Kernstück einer viel größeren und weitaus mächtigeren Technologie. Dier außerirdische Wissenschaftlir Eljor hatte einen »Transferfeldgenerator« entwickelt, um xies Volk, die Jatohr, aus xiesim eigenen, dem Untergang geweihten Universum in dieses zu bringen. Diese Bemühungen hatten sich auf Usilde konzentriert, einen Planeten im Libros-System, zu dem die Enterprise derzeit unterwegs war.

»Ich kann nicht glauben, dass du und Spock dieses Geheimnis die ganze Zeit für euch behalten habt«, sagte McCoy. »Ich weiß, es gibt immer Dinge, die du mir aus dem einen oder anderen Grund nicht sagen kannst, weil sie geheim sind oder was auch immer. Aber nach allem, was wir durchgemacht haben, ist es schwer zu glauben, dass du so was immer noch allein mit dir rumträgst.«

 

Kirk antwortete: »Es war nichts Persönliches, Pille. Es ist nur etwas, das von Captain zu Captain weitergegeben wurde. Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, hätte ich das verdammte Ding an den nächsten Captain weitergegeben und wäre fröhlich meiner Wege gezogen.«

Der Schlüssel und sein Ursprung waren von Captain April während des ersten Besuchs der Enterprise auf Usilde entdeckt worden. Eljors Transferfeldgenerator hatte die Form eines gewaltigen Bauwerks, das die Jatohr »Zitadelle« nannten. Diese diente den Jatohr als Landepunkt für den Übergang zwischen den Universen. Obwohl Eljor bei der Erschaffung des Geräts gute Absichten gehegt hatte, hatten die ersten Jatohr, die den Übertritt aus ihrem eigenen Universum geschafft hatten, sofort damit begonnen, den Planeten zu kolonisieren und den langwierigen Prozess des Terraformings einzuleiten, um ihn ihren eigenen Bedürfnissen anzupassen. Sowohl das bestehende Ökosystem der Welt als auch die einheimischen Bewohner, zu denen die empfindungsfähige Spezies der Usildar gehörte, hatten sehr darunter gelitten. Darüber hinaus sollte der Planet als Brückenkopf dienen, als Stützpunkt in diesem Universum, von dem aus sich die Jatohr auf andere Systeme ausbreiten wollten, um womöglich anderen Welten ähnlichen Schaden zuzufügen.

Die Jatohr stellten eine unmittelbare Gefahr für die Usildar dar. Doch für die beiden Universen war der Transferfeldgenerator eine noch größere Bedrohung. Das hatte April und seine Besatzung dazu veranlasst, Eljor dabei zu helfen, xies eigenes Volk in die Realität, aus der es gekommen war, zurückzuschicken. Eljor hatte xies eigenes Leben geopfert und April den Transferschlüssel anvertraut, ohne den der Transferfeldgenerator nicht funktionierte. Der Übergang zwischen den Universen blieb verschlossen, solange der Schlüssel sicher verwahrt war. Eljor wollte verhindern, dass der Schlüssel und der Generator für weitere ausbeuterische oder zerstörerische Zwecke verwendet würden, und April hatte versprochen, die letzten Wünsche dies Jatohr-Wissenschaftlirs zu respektieren.

Zu diesem Zweck hatte der Captain den Schlüssel behalten und ihn nicht den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Sternenflotte zur Untersuchung übergeben, um sicherzustellen, dass er nicht möglicherweise in die falschen Hände geriet. April hatte den Schlüssel in einem versiegelten Fach in seiner Kabine an Bord der Enterprise aufbewahrt. Nachdem April das Schiff verlassen hatte, war der Schlüssel zu Pikes Geheimnis geworden. Sowohl Pike als auch Una hatten ihn und seine Geheimnisse weiter bewahrt, bis Kirk und Spock an der Reihe waren. Kirk war davon ausgegangen, dass er den Schlüssel irgendwann demjenigen übergeben würde, der in seine Fußstapfen als nächster Captain der Enterprise trat.

»Glaubst du, dass Joanna und Sarek Captain Una gefunden haben?«, überlegte McCoy. »Ich frage mich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist.«

»Das kann man unmöglich wissen, Pille, aber wenn die Funktionsweise des Transferschlüssels immer annähernd gleich ist, könnten sie durchaus alle am selben Ort gelandet sein.« Kirk hatte keine Beweise für seine Theorie. Stattdessen verließ er sich auf sein Bauchgefühl und eine gehörige Portion Hoffnung. Selbst Spock konnte nach seiner erneuten Untersuchung des fremden Geräts diese Frage nicht final beantworten. »Spock sucht immer noch nach Antworten. Wenn jemand herausfinden kann, wie das Ding funktioniert, dann er.«

McCoy brummte. »Ich weiß. Sag ihm nur nicht, dass ich das gesagt habe, okay?«

»Dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Kirk konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, denn er freute sich, dass die Laune seines Freundes sich ein kleines bisschen besserte. »Außerdem hat er genauso ein Interesse daran, der Sache auf den Grund zu gehen, wie du.«

»Vielleicht sogar ein bisschen mehr«, antwortete der Arzt. »Schließlich ist Una fast so was wie Familie für Spock. Eine Zeit lang stand sie ihm vielleicht näher als Sarek. Zumindest bevor er und Spock das Kriegsbeil begraben haben.«

Captain Unas Diebstahl des Transferschlüssels aus Kirks Quartier und ihre anschließende Flucht von der Enterprise waren durch ein persönliches Schuldgefühl motiviert gewesen. Während ihrer ersten Erkundung des Planeten achtzehn Jahre zuvor hatten Captain April und seine Besatzung, darunter Lieutenant Una, entdeckt, dass der Transferschlüssel auch dazu verwendet werden konnte, Einzelpersonen und kleine Gruppen aus diesem Universum zu entfernen und sie in das Heimatuniversum der Jatohr zu schicken. Unas Landetrupp und später vier Mitglieder der Brückenbesatzung der Enterprise waren ihm zum Opfer gefallen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Möglichkeit, festzustellen, ob sie den Übergang überlebt hatten oder ob sie zurückgeholt werden konnten. Von diesem Tag an fühlte Una, die dem Schicksal ihres Landetrupps nur knapp entronnen war, sich für das verantwortlich, was ihren Schiffskameraden zugestoßen war – ganz gleich ob sie nun tot oder »nur« ohne Hoffnung auf Rettung verschollen waren.

Sie hätte diese Last für den Rest ihrer Tage mit sich herumgeschleppt, doch dann erfuhr sie von der Begegnung der Enterprise mit einem eigentümlichen Ionensturm und dem Transport von Kirk – zusammen mit McCoy, Montgomery Scott und Lieutenant Uhura – in ein Paralleluniversum, das in vielerlei Hinsicht ihrem eigenen entsprach. Nachdem sie Kirks detaillierten Bericht über diesen Vorfall gelesen hatte, erkannte Una, dass ihre Freunde möglicherweise eine ähnliche Erfahrung gemacht hatten.

Anhand dieser Informationen und nachdem sie den Transferschlüssel gestohlen hatte, hatte es nicht lange gedauert, dahinterzukommen, dass sie den Schlüssel nach Usilde zurückbringen würde. Kompliziert wurde die Angelegenheit, weil dieser Raumsektor in den vergangenen achtzehn Jahren zu einem Streitpunkt zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich geworden war. Die Spannungen zwischen den beiden Mächten waren hoch und jeglicher Zwischenfall mochte reichen, um einen interstellaren Krieg auszulösen. Außerdem war davon auszugehen, dass Captain Unas Handlungen die Klingonen auf die Anwesenheit der Jatohr-Zitadelle aufmerksam gemacht hatten, wodurch ihre fortschrittliche Technologie überhaupt erst für das Reich interessant geworden war. Da sich die Zitadelle und die Transferfeldtechnologie in der umstrittenen Region befanden, war es von größter Wichtigkeit, dass weder Una noch der Transferschlüssel in klingonische Hände fielen. Kirk und die Enterprise hatten dies verhindert. Aber vorher hatte Una die Entscheidung getroffen, sich in das Universum der Jatohr zu begeben, um ihre lange verschollenen Kameraden zu finden und zurückzuholen. Kirk hatte ihren Plan unterstützt und auch ihrer Bitte zugestimmt, dass die Enterprise nach sechzig Tagen mit dem Transferschlüssel zurückkehren und den Generator in der Hoffnung aktivieren sollte, sie und ihre Freunde von einem festgelegten Ort zurückzuholen.

»Ich wünschte nur, Una hätte mich einfach um Hilfe gebeten«, sagte Kirk. »Sie hätte wenigstens Spock fragen können und der hätte mich gefragt. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass wir der Sternenflotte oder Befehlen zuwiderhandeln, um einem Freund zu helfen.« Spock hatte dieses Konzept im vergangenen Jahr auf die Spitze getrieben, als er sich dafür entschieden hatte, seinen ehemaligen Captain nach Talos IV zu bringen, dem einzigen Planeten, zu dem Reisen unter Androhung der Todesstrafe von der Sternenflotte untersagt waren. Die Einzelheiten dieses Vorfalls wurden geheim gehalten, aber Kirk wusste, dass Spocks Entscheidung, so sehr sie auch gegen die Vorschriften der Sternenflotte verstieß, die richtige für Pikes Wohlergehen gewesen war. Hätte der Vulkanier gezögert, Una zu helfen – einer anderen ehemaligen Schiffskameradin, die er respektierte? Keinen Moment lang. Und Kirk hätte es auch nicht getan, wenn man ihn nur gefragt hätte.

»Und wenn sie gefragt hätte«, ergänzte McCoy, »hätten wir den ganzen anderen Ärger möglicherweise vermeiden können.«

Trotz der Komplikationen, die die Anwesenheit der Klingonen im System und auf dem Planeten mit sich brachte, hatte Kirk geschworen, Unas Bitte zu erfüllen. Dann war der Schlüssel von der als Mensch getarnten romulanischen Spionin Sadira gestohlen worden, die als Kirks Yeoman Lisa Bates gedient hatte. Sadira war mit dem Schlüssel zu einem romulanischen Schiff geflohen, das die Enterprise von Chippewa Prime aus verfolgt hatte. Kirk glaubte deshalb, in seiner Pflicht versagt und das Vertrauen der Captains Pike und April enttäuscht zu haben.

Der Schlüssel war während der Friedensverhandlungen zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich auf dem Planeten Centaurus viel früher als erwartet wieder aufgetaucht. Sadira hatte das fremdartige Gerät benutzt, um Schlüsselfiguren beider Delegationen zu beseitigen und sie offenbar in das Universum der Jatohr zu transportieren – womöglich sogar an denselben Ort, an den die Schiffskameraden von Captain Una verbannt worden waren. Danach war auch Botschafter Sarek zusammen mit Joanna McCoy beseitigt worden. Nachdem die Existenz des Transferschlüssels und der Macht, die ihm innewohnte, bekannt geworden waren, waren die Friedensgespräche gescheitert und der Quadrant war einem Krieg so nah wie nie zuvor, da die Klingonen die Föderation beschuldigten, ihren Vertreter, Ratsmitglied Gorkon, ermordet zu haben.

Obwohl Kirk mit der Enterprise den Transferschlüssel nach einem erbitterten Kampf mit Sadira und ihrem romulanischen Kriegsschiff wieder an sich hatte bringen können, war er gezwungen gewesen, den Klingonen die Wahrheit über diesen und den Transferfeldgenerator zu offenbaren, um zu verhindern, dass das Reich Vergeltung für den Verlust Gorkons übte. Jeglicher Anschein von Höflichkeit war hinweggefegt worden, als die Klingonen die großartigen militärischen Anwendungsmöglichkeiten der Jatohr-Technologie erkannt hatten. Obwohl die Klingonen die Zitadelle der Jatohr bereits besetzt hatten, waren ihre Bemühungen, die Technologie zu nutzen, ohne den Schlüssel vergeblich. Kirk schloss jedoch nicht aus, dass es klingonischen Wissenschaftlern irgendwann gelingen könnte, einen geeigneten Ersatz für die fehlende Komponente zu entwickeln. Kirk hatte kaum eine andere Wahl, als die Enterprise zurück nach Usilde zu beordern. Er hoffte, die völlige Übernahme der Zitadelle durch die Klingonen und einen Krieg mit dem Reich verhindern zu können. Sollte ihm das nicht gelingen, blieb ihm nur die Hoffnung, Captain Una, Joanna, Sarek, Gorkon und alle anderen, die im Paralleluniversum gefangen waren, vielleicht retten zu können.

Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?

McCoy sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Sternenflottenkommando im Moment besonders gut auf dich zu sprechen ist. Hast du was von ihnen wegen deiner plötzlichen Planänderung gehört?«

»Das ist noch milde ausgedrückt.« Kirk warf einen Blick auf sein Computerterminal. Er hatte die neuesten Schreiben der Sternenflotte durchgesehen. Man wollte wissen, welche Absichten er mit seiner Rückkehr zum Libros-System verfolgte. Die Klingonen befanden sich in der Umlaufbahn des immer noch umstrittenen Planeten Usilde. Das machte die ganze Situation zu einem Pulverfass – und die Enterprise war die Zündschnur. Wenn man die Romulaner und ihre Absicht, unter allen Umständen Chaos zu stiften, mit einbezog, wurde alles noch komplizierter.

»Sie sind nicht gerade glücklich darüber, dass ich den Transferschlüssel nicht rausrücke,« sagte er nach einem Moment. »Sie verstehen, warum Usilde wichtig ist, und zwar nicht nur aus strategischer Sicht in Bezug auf die Technologie der Jatohr. Aber wir dürfen nicht damit warten, Captain Una und die anderen zu retten.« Er zeigte auf das Computerterminal. »Einer der Berichte, die ich gelesen habe, stammte vom Geheimdienst der Sternenflotte. Anscheinend ziehen die Romulaner sich zurück, zumindest vorerst.«

McCoy runzelte die Stirn. »Sie ziehen sich zurück?«

»Einem Bericht eines Agenten zufolge, der verdeckt im romulanischen Senat arbeitet, ist der Praetor nicht sehr erbaut darüber, wie sich die Dinge mit Sadira entwickelt haben.« Kirk seufzte. »Eines ihrer Schiffe auf sehr öffentliche und peinliche Weise zu verlieren und dann mit leeren Händen dazustehen war nicht das, was er im Sinn hatte.«

»Vielleicht sollten wir ihm ein paar Blumen schicken.«

Kirk lächelte. »Keine schlechte Idee. Wie dem auch sei, wir wissen, dass den Romulanern so was überhaupt nicht gefällt. In dem Bericht steht auch, dass die romulanische Regierung in Bezug auf Usilde erst mal eine abwartende Haltung einnimmt, aber man ist offensichtlich sehr an der Technologie der Jathor interessiert.«

 

McCoy sagte: »Na, zumindest werden sie uns für eine Weile in Ruhe lassen. Die Situation ist schon schwierig genug, mit den Klingonen, die uns im Nacken sitzen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht wegen Spionage und diesem ganzen Firlefanz zur Sternenflotte gegangen.«

Kirk drehte sich in seinem Sessel um und öffnete einen kleinen Schrank, der in die Zwischenwand eingelassen war, die die beiden Räume seines Quartiers voneinander trennte. Dann holte er eine bauchige Flasche und zwei Gläser heraus.

Zum ersten Mal zeigte sich ein Hauch von McCoys vertrautem Humor in seinen Augen. »Spendierst du mir einen Drink, Seemann?«

»Du bist nicht der Einzige mit guten Rezepten«, erwiderte Kirk, goss eine gesunde Dosis saurianischen Brandy in beide Gläser und bot McCoy eines an.

Der Arzt lehnte sich in seinem Sessel zurück und entgegnete: »Du lernst es noch.« Er kippte den Brandy in einem Zug hinunter, holte tief Luft und schloss die Augen. Nach einem Moment sagte er: »Nein. Ich fühle mich immer noch miserabel.« Er seufzte. »Ich mache mir Sorgen um sie, Jim. Ich mache mir um sie alle Sorgen.«

»Ich auch.« Kirk lehnte sich zurück. »Wir werden sie finden, Pille.«

McCoy musterte ihn über den Schreibtisch hinweg. »Wie kannst du da so sicher sein?«

»Weil die andere Möglichkeit ist, sie dort zu lassen – und das lasse ich nicht zu, solange auch nur die geringste Chance besteht, dass wir sie retten können.«

Er hoffte, dass die Worte überzeugend genug waren, um seinen Freund zu trösten, aber für Kirk klangen sie hohl. Er unterdrückte seine plötzliche Verunsicherung und kippte seinen Brandy ebenfalls hinunter.

Sie waren am Leben. Kirk spürte es, aber was mochte mit ihnen in diesem anderen Universum geschehen?