Ich schlüpfe in deine Haut

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Offene Türen

Auch wenn wir unsere Gespräche fast jeden Tag fortsetzten und ich gleichzeitig eine Reihe von tiefgründigen Erfahrungen machte, wurde Barney immer müder. Er fraß weniger und schlief mehr. »Gibt es noch irgendetwas, was ich für dich tun kann?«, fragte ich ihn eines Frühmorgens. »Hast du vor, bald von uns zu gehen? Wie kann ich dir helfen?«

So viele Fragen!, antwortete Barney mit einem heiteren Unterton. Es ist richtig, dass ich meine Schwingungen auf einer Ebene verlangsame, aber das lässt sie auf einem anderen Level zunehmen. Mein Bedarf an ›Schlaf‹ ist in Wirklichkeit eine Form der Meditation oder des Zentrierens in einem anderen Raum. Ich arbeite jetzt nicht nur auf unserer realen Ebene, sondern auch noch auf anderen Ebenen.

Es stimmt, dass ich daran denke, meinen Körper zurückzulassen, aber wir haben noch genug Zeit, um unsere Diskussionen zu vollenden. Dir kommt jetzt kurz der Gedanke, zu fragen, warum ich ›bis auf den letzten Drücker‹ mit diesen Gesprächen gewartet habe, doch ein anderer Teil von dir weiß, dass dies die Eigenschaft des richtigen Timings und der Entfaltung der Dinge in dieser Dimension ist. Wenn ich dir diese Informationen früher gegeben hätte, hättest du sie dann überhaupt hören können? Und wenn ja – warum sollte ich dann noch auf der Erde verweilen? Ich will damit nicht sagen, dass ich nur wegen dir hier bin, aber vielleicht begreifst du nun das Wesen unserer Beziehung: Ein Großteil der Zeit, die wir miteinander verbracht haben, hat zu diesen Gesprächen geführt.

Barney hielt inne und sah intensiv in eine Ferne, die ich nicht sehen konnte. Nach einer Weile hörte ich sein vertrautes Seufzen. Er drehte mir den Kopf zu, warf mir einen Blick unter dem Schreibtisch zu und sprach weiter.

Was mich betrifft, so bin ich ein alter Hund. Außerdem bin ich eine alte Seele auf der Erde. Ich habe schon viele Leben auf Erden verbracht und kenne mich mit der irdischen Lebensweise bestens aus. Um das richtig zu verstehen, könnte es helfen, die Türen ein bisschen aufzumachen, in eine frühere Zeit zurückzugehen und sich anzusehen, wie die Erde codiert ist.

Die Erde wurde ursprünglich als ein polares System errichtet. In der Definition der Dualität bedeutet das, die Manifestierung ist so aufgebaut, dass sie sich von den ›niedrigeren‹ physikalischen Organismen in ›höhere‹ und komplexere Organismen entwickelt und umgekehrt von ›höheren‹ oder feinstofflicheren Aspekten des Geists in ›niedrigere‹ dichtere, physikalische Formen umwandelt.

Aus diesem Grund ist die Manifestation auf der Erde ein gleichzeitiges Zusammentreffen von hoch und tief, links und rechts, männlich und weiblich, hell und dunkel. Der Nexus der beiden ist der Kern der Manifestierung auf dieser Dimensionsebene.

In vielerlei Hinsicht bedeutet der Tod nur das Verlassen dieses Nexus, dieses Rahmens, und der Übergang zu einer anderen Ebene des Seins – auf der dieser Rahmen der Polarität oder Gegensätze nicht besteht.

Doch unzählige Menschen empfinden den Rahmen der Polarität als hilfreich und anschaulich. Gut und Böse, Himmel und Hölle bieten für viele immer noch einen starken Halt, und das ist auch der Grund, weshalb der Tod in zahlreichen Religionen vom Christentum bis hin zum tibetischen Buddhismus über diese polarisierenden Begriffe definiert wird. Anhand solcher Lehren lässt sich mit der vordergründigen Erfahrung mit dem Tod umgehen.

KARMISCHE PROJEKTIONEN

Ein paar Minuten, nachdem wir unser Gespräch an jenem Vormittag beendet hatten, warf ich einen Blick auf mein Bücherregal. Spontan kam mir in den Sinn, eine alte Ausgabe des Werks Das tibetanische Totenbuch oder Die Nach-Tod-Erfahrung auf der Bardo-Stufe. Ein Weisheitsbuch der Menschheit¹ (Artemis und Winkler Verlag, 2003) von W. Y. Evans-Wentz aufzuschlagen. Ich hatte das Buch seit dem College vor zwanzig Jahren nicht mehr angerührt. Doch sobald ich es in der Hand hielt, spürte ich, dass es einen Grund für mich gab, es noch einmal zu lesen.

Einige Stunden später hatte ich zahlreiche Bestätigungen, Momente der Erregung und des wachsenden Bewusstseins erlebt. Dieses faszinierende Werk ist nicht nur eine Anleitung für die Toten mit detaillierten Anweisungen, wie man sich durch die sich wandelnden Phänomene des Bardo (des Reichs zwischen dem Tod und der Wiedergeburt) bewegen sollte, sondern auch für die Lebenden. Es enthält viele Formulierungen, die Barneys Worte wiedergaben, wie zum Beispiel »Die Kunst des Sterbens«, und ein Abschnitt im Buch zog mich besonders an.

»Reden wir heute über Projektionen?«, fragte ich am nächsten Morgen.

Sag mir in Einzelheiten, was du herausgefunden hast und wie deine Frage lautet.

Wie so oft, wenn Barney und ich uns für unsere Gespräche zusammensetzten, waren wir schon am selben Punkt. Es war daher nicht nötig, ihm zu erklären, dass ich das Buch gefunden hatte, oder auch nur, um welches Buch es sich handelte – er wusste es längst. Und trotzdem: Indem Barney mich bat, spezifischer zu werden, ermutigte er mich, mir über mein Vorhaben und meinen Fokus klarer zu werden.

»Zuerst fand ich die unterschiedlichen Ebenen des bewussten Sterbens heraus. Eine dieser Ebenen wird das Sehen der karmischen Illusionen genannt. Sie interessiert mich, weil sie sich darauf bezieht, unsere persönlichen Überzeugungen, kulturellen Vorstellungen und emotionalen Zwänge zu erkennen und dahinterzuschauen. Daher glaube ich, karmische Illusionen könnte eine Umschreibung für Projektionen sein.«

Auf einer weiteren Ebene sind sie es. Und wie Zak einmal angedeutet hat, ist das Karma ein Glaubenssystem. Ich bin zwar kein Experte auf dem Gebiet des Karmas, aber was ich dir darüber sagen kann, ist, dass ich durch das Shapeshifting etwas anderes über Projektionen gelernt habe.

Das meine ich, wenn ich sage, dass es eine Hauptstraße und viele Umwege zum Tod gibt. Wenn der Tod als eine bewusste Initiierung betrachtet wird, fängt man an, ein besseres Gefühl für die Straßenkarte des Todes zu bekommen. Aus eben diesem Grund ist es klug, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Man wird dadurch mit der Straßenkarte und auch mit dem Terrain vertrauter. Obwohl, wie du weißt, diese Art von Wissen niemals die Erfahrung an sich ersetzen kann.

Ein großer Teil der Angst vor dem Tod hat mit Verwirrung zu tun. Wenn man anfängt, die Wege derer, die vor uns gegangen sind, näher zu betrachten, erhält man eine gewisse Sicherheit. Man wird vielleicht etwas vertrauter mit dem, was einen erwarten könnte – Fallen, sinnlose Umwege und so weiter. Es geht darum, gut vorbereitet zu sein. Wissen hilft dir, besser gewappnet zu sein. In dieser Phase ist es gut, zu kategorisieren, da sich dadurch ein Sinn ins Chaos bringen lässt.

Zum Beispiel ist das Bild, das du in letzter Zeit mit dir herumträgst, eine runde Schlaufe, die endlos ist, das heißt, ein ›Ende‹ wird zum nächsten Ende.

Barney meinte eine chinesische Vorstellung, von der ich vor kurzem gelesen hatte. Es ging dabei um einen tieferen Aspekt der Yin/Yang-Symbolik, nämlich, dass der alte Yang (das Überwiegende der älteren männlichen Energie) sich beim Sterben als die junge Yin (junge weibliche Energie) neu entwickelt. Diese wiederum reift in die alte Yin (ältere weibliche Energie), die irgendwann auch wieder stirbt und sich in den jungen Yang (junge männliche Energie) entwickelt, der sich zum alten Yang entwickelt. Und so fängt der Kreis von neuem an.

Als Ganzes gesehen stellt jede Ebene des Kreises einen angemessenen Teil unseres Weges dar – obwohl wir auch an einen Punkt kommen, an dem der nächste Schritt bedeutet, über den eigentlichen Kreis hinauszugehen. Für manche bedeutet der Schritt eine Inversion der Schlaufe; für andere bedeutet er das Durchdringen des Kreises. Dies lässt sich durch viele Metaphern beschreiben.

Aber lass uns zu den Projektionen zurückkommen. Ich kann die Erfahrungen, die ich in meinen vielen Leben als Lehrmeister des Shapeshiftings gemacht habe, mit dir teilen, und auch, wie das zu meinen Lehren über den Tod geführt hat. In mancherlei Hinsicht ist das Shapeshifting eine Studie zahlreicher Projektionen entlang des Kreises sowie die Methode, wie man diesen Kreis aus Projektionen durchdringen kann.

Ganz zu Anfang gab es auf der Erde nur ein paar Formen, die eine Seele annehmen konnte. Bei den Anfangsstadien des Lebens ging es um Angleichung und neue Schöpfungen. Das heißt, die Seele nahm eine Gestalt an und passte sich ihr an. Sie machte sich mit der Form vertraut. Manche Seelen wandten dann diesen Anpassungsmechanismus an, um neue Formen zu erschaffen. Deswegen besteht eine Evolution der Arten. Immer mehr Formen wurden geboren. Sie wurden immer spezieller und innerhalb dieser speziellen Form sogar noch spezieller. Ein visuelles Symbol dessen sind zum Beispiel die Wurzeln (unter der Oberfläche) oder die Äste (über der Oberfläche) eines Baums. Er hat ein paar Hauptwurzeln oder ‑äste, die aus dem Stamm wachsen und sich dann in weitere Wurzeln oder Äste verzweigen, die sich wiederum verzweigen. Diese Metapher des ›Familienstammbaums‹ lässt sich auch auf die Evolution der Spezies anwenden.

Wenn nun eine Methode der spezialisierten Evolution ihren Höhepunkt erreicht hat, entsteht oft Apathie – eine Rastlosigkeit, das Verlangen nach etwas Neuem. Und so beginnt eine neue Form der Evolution (ein neuer Ast!). Vergiss nicht, dass ich in allgemeinen Begriffen spreche. Wenn also eine Evolutionsphase zu Ende geht, gibt es Äste, die schon abgestorben sind, während andere noch wachsen. Generell ebnet die Phase des Höhepunkts jedoch einen weiteren Weg oder eine neue Ebene der Evolution.

 

Manchmal finden auf einem Planet Kreuzungen von Spezies statt, bei denen Geschöpfe gepaart und vermischt werden, um etwas Neues hervorzubringen. Eine weitere Variante ist die Reinkarnation/Transmigration, bei der die Seele umherspringt und in verschiedene Arten schlüpft, um in zahlreichen Leben mehr über unterschiedliche Formen und Muster des Bewusstseins zu erfahren. Und eine weitere Variante davon ist das Shapeshifting, bei dem es sich eher um einen bewussten Transmigrationsprozess ›mitten im Leben‹ handelt. Ich selbst fing an, mich schon vor vielen, vielen Lebenszeiten dafür zu interessieren.

Wieder einmal verwende ich Lebenszeiten als bildhafte Ausdrucksweise. Wenn wir uns diesen Abschnitt des Kreises ansehen würden, der die Mysterien von Zeit und Raum durchdringt, würden wir es als ein multidimensionales Ganzes erkennen. Doch zum Zweck der linearen Entwicklung wollen wir das praktische fiktive Bild der verschiedenen Leben verwenden.

Meine ersten Erfahrungen mit Shapeshifting waren seltsam, auch wenn ich einen sehr guten Lehrmeister hatte und durch seine Fähigkeiten ›eingewiesen‹ wurde. Doch beim ersten Mal, als ich es allein ausprobierte, war das Element der Angst noch vorhanden.

Du musst verstehen, dass es verschiedene Ebenen des Shapeshiftings gibt. Auf der einen Ebene kann man sich mit dem Bewusstsein eines anderen Wesens verbinden und in seinen Geist oder Körper ›schlüpfen‹, um mehr über seine spezifische Form mit ihren einzigartigen Gedanken, Perspektiven und so weiter zu erfahren.

Es gibt jedoch noch eine weitere Ebene des Shapeshiftings, auf der du körperlich eine andere Gestalt als deine eigene annimmst. Das Ganze ist ziemlich komplex, doch grundsätzlich passt du deinen Körper der Matrix oder Schablone der fremden Spezies an. Es ist eine Art Minitod, weil deine Gedanken – genauer gesagt, die Art und Weise, wie du denkst – während des vollständigen Prozesses des Shapeshiftings in die bestimmte Denkweise dieser spezifischen Spezies umgewandelt werden.

In gewisser Weise passiert dasselbe, wenn wir uns unterhalten, Dawn. Du ›hörst‹ mich mit deinen Denkmustern, auch wenn das, was ich kommuniziere, meine Gedanken sind. Unsere Kommunikation ist die Begegnung zweier Gedankenformen. Sie werden zu einem bestimmten Grad übersetzt. So wie auch ein bestimmtes Maß an Projektion erfolgt.

»In letzter Zeit sehe ich Projektion nicht unbedingt als etwas Negatives an. Wie du sagst, gibt es in dem Kreis oder Zyklus Punkte, an denen Projektionen unserer eigenen unterdrückten Erfahrungen eine Hürde sind – insofern, als dass wir unsere Projektionen für ›real‹ halten, während wir an einem anderen Punkt erkennen, dass selbst Gedanken und Wahrnehmungen Projektionen sind. Sie sind nicht so sehr ›wirklich‹ oder ›unwirklich‹ als vielmehr Methoden, die uns helfen, verschiedene Aspekte von uns zu verstehen und darüber zu reden.«

Ganz richtig. Und um Shapeshifting sowie die Kunst, diese karmischen Illusionen zu durchschauen, begreifen zu können, ist das auch notwendig. Solange ein Glaubenssystem als ›real‹ angesehen wird, wird die Realität von den Regeln dieses Glaubenssystems kontrolliert. Stimmt’s?

»Ja, das ergibt einen Sinn.«

Es reicht nicht, zu sagen ›Das ergibt einen Sinn‹ oder ›Ja, das glaube ich‹. Denn um weiterzukommen, muss man es auf bestimmten Ebenen wirklich empfinden oder erleben. Diese Erfahrung hast du vor kurzem selbst gemacht.

Ich lachte und schauderte gleichzeitig. Barney bezog sich auf eine Reihe von Träumen, die ich hatte, in der ein »Teufelsjunge« mich beobachtete. Zuerst fürchtete ich mich vor seinem schmutzigen Äußeren und seiner neckenden Art, doch in späteren Träumen versuchte ich, mich mit ihm zu unterhalten. Aber jedes Mal rannte er weg und versteckte sich in meinen Rückenmuskeln. Erst vor ein paar Tagen, während mir der Rücken massiert worden war, war mir plötzlich der Teufelsjunge in diesen Träumen wieder eingefallen. Ich hatte ihn lebhaft vor Augen, während die Masseurin die Muskeln meines Rückens mit den Daumen knetete. Er lächelte mich an – doch ich erkannte sein Lächeln als mein eigenes. Als Resultat wurde mir spontan bewusst, dass der Junge von meinen eigenen Überzeugungen erschaffen worden war. Das war keine intellektuelle Erkenntnis, sondern das Wissen – durch ein tiefes Bauchgefühl –, dass der Teufelsjunge aus einem Netzwerk von Überzeugungen geformt war. Als meine Muskeln sich entspannten, lief mir ein starker Schauer über den Rücken.

»Richtig«, erinnerte ich mich. »Als mir klar wurde, dass der ›Teufelsjunge‹ mein eigenes Glaubenssystem war, wurde mir leichter, so als würde eine schwere Schicht aus Gedanken und Überzeugungen von mir abfallen und weg schweben.«

Ja, das beschreibt es gut. Denn Überzeugungen bilden eine Art Decke oder Himmel über einem und um einen herum. Dieses Konstrukt ist deine ›Welt‹, dein Weltbild. Dies wurde schon öfters von anderen diskutiert und es gibt viele gute Werke über dieses Thema, doch solange es vom Körper nicht real erlebt wird, lässt es sich mit allen Worten der Welt nicht vollständig erklären.

»Ich glaube, du hast Recht. Erst seit ich es selbst gefühlt habe, kenne ich es wirklich.«

Lass uns hier für heute enden, sagte Barney und seufzte leise unter dem Schreibtisch. Der Faden, den wir das nächste Mal aufgreifen, ist, wie die Entwicklung des Shapeshiftings einen auf eine bewusstere Weise zur Auflösung der bewussten Form führen kann.

Darauf war ich gespannt.

EINE UNTERSUCHUNG

Wir wollen die Kunst des Shapeshiftings näher untersuchen, begann Barney am nächsten Tag. Unter der breitgefächerten Kategorie der sich verändernden Formen gibt es viele Varianten und viele Ebenen, wie sich ein stärkeres Bewusstsein dieser Kunst erreichen lässt.

Von der Oberfläche bis zum Kern bedeutet dies, durch eine Unterhaltung der miteinander geteilten Gedanken mehr über ein Tier (oder ein anderes Wesen) zu erfahren – ähnlich, wie wir es gerade tun – und das eigene Bewusstsein zu verändern, um mit dem Tier ›mitzugehen‹ und die Dinge durch seine Augen zu sehen. Auf tieferen Ebenen heißt das, das eigene Bewusstsein mit dem des Tieres zu verschmelzen, während man das eigene Bewusstsein (das Körperbewusstsein) beibehält, um ein vollständigeres Gefühl der Vereinigung zu erhalten, bei der man zum Tier selbst wird.

»Was geschieht an diesem Punkt mit dem Bewusstsein des Tieres?«

Als Erstes musst du wissen, dass dies meistens im beiderseitigen Einverständnis erfolgt, um einen Lernerfolg zu erzielen, und es daher für beide von Nutzen ist. Schließlich ist das ein Teil der Freude an der Vielfalt: dass so viele Geschöpfe die Wirklichkeit auf so unterschiedliche Weise sehen, hören, wahrnehmen, denken und erleben. Wenn du ein größeres Bewusstsein für viele ›verschiedene‹ Sichtweisen entwickelst, wirst du das Ganze erfüllter erleben.

Doch zurück zu deiner Frage. In einer Situation der Bewusstseinsverschmelzung kann es passieren, dass das Bewusstsein des anderen Wesens für eine gewisse Zeitspanne ›stillgelegt‹ wird. Häufig ist es parallel zu deinem eigenen Bewusstsein vorhanden, wenn auch in einem eher ruhenden Zustand. (In extremen Fällen kann das Bewusstsein verloren gehen, auch wenn das sehr selten geschieht, und das beiderseitige Einverständnis beinhaltet, dass du die Rückkehr des Bewusstseins deines Gastgebers sicherstellst, bevor dein eigenes Bewusstsein ihn verlässt).

Je mehr man mit Shapeshifting arbeitet, desto stärker wird häufig das Verlangen, Form auf sogar noch tiefere Weise zu erleben. Es ist ein Muster, das ich beobachtet habe: Wenn man sich auf einer bestimmten Ebene erweitert, folgt die Sehnsucht nach mehr Tiefe. An diesem Punkt wünscht man sich vielleicht, nicht nur im Bewusstsein, sondern auch körperlich eine andere Form anzunehmen. Es gibt verschiedene Methoden, von denen jede ihre eigenen subtilen Varianten besitzt.

Ein Weg dahin ist, den Körper physisch in eine schon vertraute Gestalt umzuformen. Auf der Ebene der zellularen Matrix gibt es eine Vielzahl von bekannten Gestalten, die man sich aussuchen kann. Dann nimmt dein physischer Körper tatsächlich eine andere Form innerhalb dieser Matrix an. Denk an den Mythos vom Werwolf – die Fähigkeit, sich körperlich in einen Wolf oder eine andere Kreatur zu verwandeln. Man verändert nicht nur sein Bewusstsein, sondern bringt auch den umgewandelten Körper mit. Dadurch wird die Realität nicht nur durch das Bewusstsein, sondern auch emotional und physikalisch erlebt. Eine Variante davon ist die Möglichkeit, in eine ausgestorbene Spezies oder gar eine unbekannte Spezies zu schlüpfen. Dieser Prozess ist komplizierter, auch wenn er unter gewissen Umständen nützlich sein kann. Auf der Erde wird dies jedoch derzeitig eher als eine ›dunkle‹ Form des Shapeshiftings angesehen.

»Und aus welchem Grund?«

Es ist eine uralte Form des Shapeshiftings, die ursprünglich angewandt wurde, um an der Manipulierung des Evolutionskurses oder dem Wachstum des Bewusstseins auf einem bestimmten Gebiet mitzuarbeiten. Auch wurde sie von dunkleren Kräften als eine Methode genutzt, um Chaos zu verbreiten. Allgemein gilt, dass diese Art der ›kreativen Transformation‹ mit Manipulierung – und zwar körperlich und mental – zu tun hat. Aber zu gewissen Zeiten war das auf der Erde sehr nützlich und im Grunde haftet dieser Form nichts ›Dunkles‹ an.

Eine weitere Form des Shapeshiftings ist, den eigenen Körper in einem ruhenden oder schlafenden Zustand zu belassen, während man das Bewusstsein anwendet, um einen zweiten ›Körper‹ zu manifestieren und zu animieren. Das bedeutet, dass der Körper seine gewöhnliche Gestalt beibehält, während das Bewusstsein in eine temporäre Gestalt – wie ein Double – schlüpft, um die Welt anders zu erleben. Auch hier ist die Tendenz zu Kontrolle und Manipulation zum jetzigen Zeitpunkt der Evolution der Erde stärker; deswegen bleiben die letzteren Arten von Shapeshifting hauptsächlich in Form von Geschichten, Legenden und Mythen verborgen.

Auch der ›Aufstieg‹ ist eine Form von Shapeshifting, wenn auch wiederum in einer anderen Richtung. Man kann es sich als die Umkehrung der letzteren Formen vorstellen, denn das Aufsteigen ist die Aktivierung des Lichtkörpers auf der physikalischen Ebene. Das heißt, es ist die Spiritualisierung des Physischen – eine Verlagerung der Trennung von physikalisch und spirituell in eine Art Verschmelzung.

Siehst du, wie das in das Shapeshifting hineinpasst?

»Ich habe es nicht als solches erkannt, bis du es erwähnt hast. Aber es stimmt – es ist eine Verlagerung der alten Dualität in eine neue Form des physikalisch-spirituellen Bewusstseins.«

Richtig. Beim Aufstieg geht es darum, den Fluss der Verbundenheit zu aktivieren, während man gleichzeitig sein Bewusstsein und seinen Körper zu einer anderen Form erweitert. Die äußere Gestalt mag zwar unverändert aussehen, aber die innere Form entspricht einer anderen Schwingungsebene. Sie hält das Licht anders fest und ermöglicht dadurch das Erleben der Welt und Wirklichkeit auf eine andere Weise. Auch das ist eine Form von Shapeshifting.

Dieselbe Metapher trifft auf den Tod zu – er bedeutet Shapeshifting in eine größere, erweiterte Perspektive von ›Zeit‹. Die Herausforderung des Aufstiegs zu diesem Zeitpunkt ist, es auf eine bewusste Art zu tun, die im Körperlichen basiert. In gewisser Weise verkürzt man dadurch den Tod – denn statt von Form zur Nichtform und wieder in Form überzugehen, lernt man, bewusst von Form zu Form zu schlüpfen. Es geht hier mehr um eine Veränderung der Schwingungen als um das körperliche Shapeshifting, auch wenn es dasselbe Kernmuster ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt solltest du tiefer mit Tieren arbeiten, sie fragen, ob sie dir gestatten, ›mitzukommen‹ und das Leben aus ihrem Blickwinkel zu erleben. Es kann sein, dass einige von ihnen auch das Leben aus deiner Perspektive kennenlernen wollen, und auch das wäre nützlich.

Eine Phase des empirischen Experimentierens ist nun angebracht. Ich werde in deiner Nähe sein. Ich werde dich beobachten und dich in die richtige Richtung lenken. Das habe ich schon viele Male gemacht, und ich freue mich und fühle mich geehrt, diese Rolle in deinem Leben spielen zu können.

 

»Danke, Barney«, sagte ich. »Auch mir ist es eine Ehre, deine Hilfe und Führung in Anspruch nehmen zu dürfen.«

DER GROßE BILDSCHIRM

Barney hielt sein Wort. Er half mir, mit dem Bewusstsein anderer »mitzugehen«, während er gleichzeitig seinen eigenen Weg weiterging. Er schlief immer mehr und fraß immer weniger, und es war deutlich zu erkennen, dass er langsam losließ. Auch wenn ich ihn fast täglich aufsuchte, hatten wir unsere Gespräche vorübergehend unterbrochen, um mir die Zeit zu geben, die Perspektiven anderer Tiere kennenzulernen.

Eines Morgens, als ich mir besonders große Sorgen um ihn machte, humpelte Barney unter meinen Schreibtisch und verkündete, dass er keine Schmerzen habe und wohl noch ein paar Tage länger bei mir bleiben würde. Du brauchst mich noch nicht auf die Wiese zu bringen, sagte er mit dem Anflug eines Lächelns.

Dann erklärte er mir: Ich erinnere mich an ein Leben als Pferd, ein weißes Pferd. Du hast es schon einmal gesehen.

»Ja«, sagte ich, als mir das Pferd aus einem anderen Traum wieder einfiel. »Und jetzt sehe ich dich als weißes Pferd mit Flügeln.« Dieses Bild legte sich plötzlich auf mein Traumbild.

Ach! Das ist eine andere Form!, stieß Barney aus. Meistens habe ich lange Leben geführt – lange im Vergleich zur Länge der Tage, die eine bestimmte Spezies gewöhnlich lebt. Jetzt, in diesem Leben, komme ich ans Ende meiner Tage. Wir haben gestern Abend kurz über das Ende gesprochen, weißt du noch?

Ich erinnerte mich an unsere flüchtige Unterhaltung beim Einschlafen. »Du hast gesagt, es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie man gehen kann, wie man aus dem Leben treten kann.«

Genau. Ich ziehe meistens die älteren Möglichkeiten vor: einen Spaziergang in die Natur, ein Plätzchen finden, wo ich mich hinlegen und mich der Erde, den Tieren übergeben kann. Oder aufhören zu fressen. Oder eine ganz alte Methode: einfach aufhören zu atmen. Das ist ein eleganter Weg.

Du fragst mich, was ich in den letzten Tagen gemacht habe, während ich so viel schlief und mich ausruhte. Und ich habe dir gesagt, dass ich Pläne machen muss. Das werde ich noch näher erklären, damit du verstehen kannst, wie sich diese Reise bewusster erleben lässt.

Barney machte eine lange Pause. Vielleicht wollte er mich sanft daran erinnern, mein Bewusstsein über die Pausen des Lebens zu vertiefen. Und über die des Todes.

Ein großer Teil meiner Energie hat sich in letzter Zeit auf andere Seinsformen verlagert. Ich sehe es als ein Verlagern des Bewusstseins an – das Licht meines inneren Wesens auf einen anderen Aspekt meiner selbst zu richten, auf den ich mich näher konzentrieren möchte. Vieles von dem, was du vielleicht mein bewusstes Erleben nennst, verlagert sich in andere Schichten, andere Formen oder Aspekte meiner selbst, so dass die Kenntnisse genutzt werden können. Sie werden nicht ›erinnert‹, so wie du Erinnerung begreifst, sondern vielmehr auf einer anderen Ebene mittels Synthese verbunden. Ich spreche hier von reinen Grundgefühlen, Emotionen und Verständnis.

Ohne einen empirischen Bezug lässt es sich nur schwer erklären. Lass es uns zusammen als Reise machen – wie eine Geschichte, die sich entfaltet, in Ordnung?

»Aber ja, natürlich!« Als ich die Augen zumachte, bat Barney mich, das, was ich erlebte, bewusst zu schildern. Das erste Bild, das mir kam, war Barney als das weiße Kaninchen und ich als Alice im Wunderland. Was für ein Häschentraum ist das denn?, wunderte ich mich.

»Wir stehen vor einem großen schwarzen Loch«, berichtete ich Barney, während ich zusah, wie sich die Szene entfaltete. »Und du sagst zu mir: Erinnere dich, erinnere dich! Du stößt mich ins Loch und dann springst du hinterher. Wir gehen das Loch hinunter, aber in Wirklichkeit fühlt es sich eher so an, als würden wir ins Loch gehen. Und jetzt gelangen wir in ein gemütliches Zimmer unter der Erde, in der ein riesengroßer Holzschrank steht. Du bereitest den Tee vor, während ich mir den Schrank ansehe. Er ist verwirrend für mich, weil ich immer nur einen kleinen Ausschnitt betrachten kann und nicht das ganze Möbelstück. Du sagst, ich soll einen Schritt zurücktreten, weil manchmal der Blick verschleiert, wenn man etwas aus zu großer Nähe betrachtet.

Also trete ich zurück und setze mich zu dir an den Tisch. Wir trinken Tee. Als ich wieder auf den Schrank schaue, springt ein großer Bildschirm wie der eines Fernsehers heraus. Er ist hellblau – ein wunderschönes Blau, das zugleich Licht ausstrahlt. Du reichst mir die Fernbedienung und sagst, ich solle zappen. Das Erste, was ich sehe, ist eine Kriegshow, doch dann taucht plötzlich eine Comicversion des weißen Kaninchens in der Show auf, und du sagst: Siehst du – das ist die wirklichere Wirklichkeit! Achte auf das Kanin­chen! Und dann merke ich, dass du wieder Barney der Hund bist, aber jetzt trägst du eine Brille.

Du sagst mir, ich solle Geduld haben, dass es hier etwas gibt, was ich sehen soll, aber ich traue dieser Bildschirmmetapher nicht so ganz. Du forderst mich immer wieder auf, das Kaninchen zu beobachten, und ich sehe, wie es in den Bildschirm springt und verschiedene Szenen in verschiedenen Shows spielt. Und jetzt ist es so, als würden sich alle im Bildschirm übereinanderlegen, und sie lassen sich wie Buchseiten umblättern. Vermische die Metaphern, sagt das Kaninchen. Vermische die Metaphern!

Und jetzt zeigst du mir, dass es immer dasselbe ist, auch wenn ich auf einen anderen Kanal umschalte. Du sagst: Siehst du, es ist alles dasselbe – immer dasselbe! Und endlich verstehe ich, was du meinst, denn das weiße Kaninchen ist immer dasselbe, ganz egal, welche Szene es spielt. Das ist das Erwachte!, sagst du zu mir. Unabhängig vom Szenario tut das weiße Kaninchen, was es will, weil es zu sich selbst erwacht ist. Es fällt nicht auf die Szene herein, denn es weiß, dass sie nur wie in einer Fernsehsendung zaubert. Das ist eine gute Metapher für dich.

Jetzt sagst du mir, die Zeit sei gekommen, um ins Fernsehen zu steigen. Du sagst, wir müssten rennen, und deswegen renne ich mit dir, und wir springen ins blaue Licht hinein. Und es verwandelt sich ins Meer! Herrlich! Und du sagst: Die große Rückkehr! So ist es, wenn man stirbt. Man erwacht in die Vorstellung, dass dies alles nur eine Illusion ist; alles ist ein Szenario, um dich dazu zu bringen, dich zu erinnern. Das ist der Zweck des Spiels – nicht, um Sachen oder Liebe oder Wissen anzusammeln. Sondern nur, um sich zu erinnern. Denn wenn man sich erinnert, erwacht man zu seinem wahren Selbst – oder zumindest zu einer bewussteren Version seines wahren Selbst als das, wofür man sich gehalten hat.

»Wahnsinn!«, sagte ich und riss die Augen auf, als wir zurückkehrten. Ich sah auf Barney herab und rieb sein Hinterbein sanft mit den Zehen.

»Was hatte das Zweite zu bedeuten?«, fragte ich ihn vorsichtig. »Was ist mit der Liebe?«

Liebe, so wie sie von vielen Menschen verstanden wird, ist die Liebe zu Sachen. Sogar wenn du das Gefühl hast, eine Person zu lieben, liebst du meistens eine Sache: eine stilisierte oder idealisierte Version einer Reflexion deiner selbst, die du auf jemand anderen projiziert hast. Die Emotion Liebe besitzt viel Macht, da sie sich als Mündung zum großen Ozean der Erinnerungen eignet. Doch es ist unproduktiv, sich auf die Liebe auf dem Bildschirm zu konzentrieren, statt in den Bildschirm hineinzuspringen.

Wenn du mir sagst, dass du mich lieb hast, klammerst du dich manchmal an einer bestimmten Art von Beziehung fest. Auch ich habe das Zusammensein mit dir genossen. Aber lass uns dies auf eine höhere Ebene des Verstehens bringen, Dawn. Wir wollen nicht in den alten Bindungen der Vergangenheit herumwühlen. Lass es uns auf eine bewusstere und realere Beziehungsebene bringen, auf der es den Fluss und die Bewegung und das Jetzt des Werdens gibt.

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