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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 1

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„Das war also das Schwein“, sagte Ferris Tucker.

„Er und der ‚Taubstumme‘, der gar nicht taubstumm war“, sagte Hasard und wandte sich zu Francis Drake um. „Verzeihung, Sir, daß ich Sie umgestoßen habe.“ Er grinste den Kapitän an. „Aber als Schießhund darf man nicht zimperlich sein.“

Der Kapitän, sonst immer eisern beherrscht, hatte einige Mühe, seine Fassung zurückzugewinnen. Er fragte nichts. Seine Sorge galt dem Schiff, dem Kampf.

„Vorwärts!“ sagte er knapp, schwang sich über die Reling und sprang auf das spanische Schiff hinüber.

„Los, Ferris! Paß auf ihn auf“, sagte Hasard. „Ich muß diesen Mistkerl hier fesseln.“

Ferris Tucker nickte und setzte mit einem riesigen Satz dem Kapitän nach, der sich bereits auf dem Achterkastell des Spaniers mit einem Don duellierte und die Klingen kreuzte.

Hasard schleppte den bewußtlosen Gordon Brown zum Besanmast, hievte ihn dort hoch und band ihn fest. Dann hob er das Fleischermesser auf, betrachtete es kopfschüttelnd und stieß es über dem Kopf von Gordon Brown in das Holz des Besanmastes. Neben ihm tauchte plötzlich das Bürschchen auf und drückte ihm einen Kurzsäbel in die Hand.

„Ich hab alles gesehen“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Du hast es mal wieder allein geschafft. Aber ich hätte dir geholfen, wenn etwas schiefgegangen wäre. Entern wir jetzt den Don?“

„Wir beide?“

„Wir beide“, sagte das Bürschchen und umklammerte das Entermesser.

„Vorwärts“, sagte Hasard, setzte über die Reling und sprang auf das feindliche Achterdeck.

„Arwenack!“ schrie Donegal Daniel O’Flynn mit gellender Stimme und stürzte hinter dem Seewolf her.

Der riesige Mann und der Junge aus Falmouth räumten zusammen mit dem Schiffszimmermann das Achterdeck des Spaniers auf. Für den Kapitän blieb kaum etwas zu tun – allenfalls das, die Übergabe des spanischen Captains entgegenzunehmen, der die Waffen streckte, als er nur noch allein auf dem Achterdeck kämpfte.

Die Galeone hieß „Santa Barbara“ und hatte Gewürze und chinesische Seidenstoffe geladen. Sie hatte Amerika umsegelt, die Kanarischen Inseln umgangen und wollte die Azoren anlaufen.

Die Männer der „Marygold“ hatten wie Wölfe gewütet. Es gab nur einen Gefangenen, den Captain. Der andere Captain erhielt Gesellschaft.

Francis Drake befahl seiner Mannschaft, sich auf dem Mitteldeck der „Marygold“ zu versammeln. Er winkte Hasard zu, mir ihm aufs Achterdeck zu kommen.

Erstaunt sahen die Männer den an den Besanmast gefesselten Gordon Brown, über dessen Kopf ein Fleischermesser im Holz steckte. Gordon Brown war wieder bei Besinnung und blickte sich mit irren Augen um. Er lallte etwas Unverständliches und schüttelte den Kopf mit den schmierigen Haaren.

Der Kapitän trat an die Zierbalustrade, deutete mit ausgestrecktem Arm auf den gefesselten Mann und sagte: „Seht ihn euch an, Männer der ‚Marygold‘. Er hat das Schändlichste versucht, was ein englischer Seemann tun kann. Er hat versucht, mich, den Kapitän dieses Schiffes, zu ermorden.“

Ein dumpfes Murren stieg aus den Kehlen der Männer.

„Ein Mann hat diesen Mordversuch verhindert“, fuhr der Kapitän fort, „jener, den ihr den Seewolf nennt. Ich hatte ihm den Auftrag erteilt, den mysteriösen Dingen, die an Bord der ‚Marygold‘ passiert waren, nachzugehen. Wie es scheint, hat er diesen Auftrag erfüllt. Bitte, Mister Killigrew, äußern Sie sich dazu.“

Hasard trat an die Balustrade und blickte zu den Männern hinunter, die ihn mit offenen Mündern anstarrten.

Ruhig erklärte er: „Es ist, wie der Kapitän sagt. Aber es ist nicht alles. Vor sechs Tagen belauschte ich nachts ein Gespräch, das Gordon Brown und ein anderer Mann in der Kombüse führten. Dieser andere Mann war jener, der von euch der ‚Taubstumme‘ genannt wurde. Er war weder taub noch stumm, sondern sehr gesprächig. Er nannte Gordon Brown ‚Amigo‘ ...“

Der Kapitän fuhr herum. „Ein Spanier?“

„Jawohl, Sir, ein Spanier. Er hatte von der spanischen Krone den Auftrag, Sie zu ermorden. Gordon Brown wurde von ihm mit Golddublonen bestochen.“

„Das ist ja ungeheuerlich“, murmelte der Kapitän.

„Er hatte den Plan“, fuhr Hasard fort, „diesen Mord während eines Enterkampfes zu begehen – so wie er es heute versucht hat. Bei unserer ersten Prise war ihm das mißlungen, weil ein eigentlicher Kampf nicht stattfand. Daraufhin beschloß der Spanier, auf andere Weise vorzugehen. Zuerst entleerte er die vier Wasserfässer in der Vorpiek – zusammen mit Gordon Brown. Dabei wurden sie von John Johns überrascht. Der Spanier erstach ihn. Die Sache mit der Ratte geht allerdings allein auf das Konto Gordon Browns. Als nächstes kerbten sie den Bugspriet an. Das Leck wiederum war das Werk des Spaniers. Gordon Brown war dabei insofern Helfershelfer, als er aus der Werkzeugkiste von Ferris Tucker den Holzbohrer entwendete. Der Versuch, das Schiff zu versenken, schlug fehl, wie ihr alle wißt. Wahrscheinlich begriff der Spanier zu diesem Zeitpunkt, daß er auf diese Weise nicht weiterkam. Die Gefahr einer Entdeckung war zu groß. Er kehrte zu seinem ursprünglichen Plan zurück. Tatsächlich passierte ja auch von diesem Zeitpunkt ab nichts mehr. Aber heute war der Tag, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich brauchte weiter nichts zu tun, als Gordon Brown und den Spanier zu beobachten. Ihr Anschlag auf den Kapitän ist mißlungen.“

Eine fast atemlose Stille folgte. Die Blicke, die an Hasard gehangen hatten, wanderten zu dem gefesselten Mann und wurden mörderisch.

„Ich – ich bin unschuldig!“ schrie Gordon Brown. „Der Spanier hat mich dazu gezwungen. Er wollte mich ermorden, wenn ich ihm nicht gehorchte!“

Hasard glitt zu ihm und griff ihm von oben ins Hemd. Er zog einen Lederbeutel hervor, riß ihn vom Hals des schreienden Mannes, öffnete ihn und fischte eine goldene Münze heraus. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er sie hoch.

„Der Judaslohn“, sagte er ruhig. „Er wurde keineswegs gezwungen, sondern bestochen.“

„Mein Geld!“ schrie Gordon Brown. „Gib mir mein Geld, du verdammter Hund! Es gehört mir, mir, mir ...“

Hasard warf ihm den Beutel ins Gesicht und wandte sich angewidert ab.

„Profoß!“ sagte der Kapitän knapp und hart. „Walten Sie Ihres Amtes. Als oberster Gerichtsherr an Bord der ‚Marygold‘ erkläre ich Gordon Brown der ihm zur Last gelegten Verbrechen für schuldig und befehle, ihn zu Tode zu bringen. Er soll an der Rah hängen.“

„Nein!“ schrie Gordon Brown. „Nein! Gnade! Ich bin unschuldig! Der Spanier hat mich verführt – ah ...“

„Du Stinktier!“ fuhr ihn der Profoß an. „Du hundsgemeines dreckiges Stinktier! Jetzt stirb wenigstens wie ein Mann!“

Er band den brüllenden Gordon Brown los und stieß ihn zum Mitteldeck hinunter. Kräftige Fäuste packten zu.

Sie fierten die Großrah weg, legten dem tobenden Mann eine Schlinge um den Hals, befestigten sie an der Nock und hievten die Rah hoch.

Das Brüllen brach abrupt ab.

Gordon Brown hatte seine Schulden bezahlt. Eine halbe Stunde später wurde er der See übergeben.

Wasserfässer wurden an Bord der „Marygold“ gehievt. Ferris Tucker stieg mit einigen Männern auf die „Santa Barbara“ über, beseitigte die ärgsten Schäden und begann den vorderen Mast zu reparieren.

Hasard wollte aufs Mitteldeck hinunterspringen und wurde von Francis Drake zurückgehalten.

„Einen Moment, Mister Killigrew“, sagte er. „Da ist noch einiges zu besprechen.“

„Sir?“

Die grauen Augen blickten ihn durchdringend an. „Sie hätten mir bereits vor sechs Tagen melden müssen, was Sie gehört hatten.“

Hasard nickte.

„Mag sein, Sir. Aber war das belauschte Gespräch ein Beweis? Zwei Aussagen hätten gegen meine Aussage gestanden – in dem einen Fall allerdings die Aussage eines ‚Taubstummen‘. Diesen Mann hielten Sie für völlig unbescholten, wie Sie sich erinnern werden. Nein, ich wollte den ganz klaren Beweis. Darum wartete ich ab.“

„Und wenn es schiefgegangen wäre?“

Hasard lächelte seinen Kapitän mit jenem Charme an, den manche für frech hielten.

„Sir, diese ‚Wenns‘ existieren in meinem Wortschatz nicht.“

„Typisch“, sagte der Kapitän. „Sie sind ein frecher Kerl, Hasard. Sind Ihre Brüder auch so frech?“

„Nicht ganz“, erwiderte der Seewolf.

Völlig unvermittelt sagte der Kapitän: „Mister Killigrew, Sie werden die „Santa Barbara“ nach Plymouth segeln.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Hasard fast automatisch, und dann erst begriff er im vollen Umfang, welchen Auftrag ihm der Kapitän erteilt hatte, und was das bedeutete. Er war nicht mehr der Mann im Vordeck, er hatte sich das Achterdeck erobert und würde ein Schiff als Kapitän führen.

„Na?“ sagte der Kapitän und jenes versteckte Lächeln erschien in seinen Augen.

„Danke, Sir“, sagte Hasard etwas lahm.

„Jetzt bleibt Ihnen wohl die Spucke weg, wie?“

„Jawohl, Sir, absolut.“

„Endlich mal hab ich das letzte Wort“, sagte der Kapitän, und jetzt lächelten sich die beiden Männer an.

„Haben Sie besondere Wünsche, wen Sie mit an Bord nehmen wollen, Hasard? Ich werde Ihnen fünfzehn Männer unterstellen. Reicht Ihnen das?“

„Das reicht, Sir. Ja, wenn ich Wünsche äußern darf — ich möchte Ferris Tucker und Ben Brighton, den Bootsmann mitnehmen. Außerdem Donegal Daniel O’Flynn, Blacky, Smoky und den Kutscher.“

Der Kapitän wiegte den Kopf.

„Tucker und Brighton gebe ich Ihnen ungern. Aber vielleicht haben Sie recht, wenn Sie zwei erfahrene, zuverlässige Männer wünschen. Gut. Ich bin einverstanden. Suchen Sie auch die anderen Männer nach Ihrer Wahl aus. Sobald die ‚Santa Barbara‘ wieder seeklar ist, trennen wir uns. Melden Sie sich in Plymouth bei Kapitän John Thomas, der alles Weitere regeln wird. Dann sollten wir uns wohl noch eine Seekarte ansehen, damit Sie wissen, wo wir jetzt stehen. Hat Sir John Sie auch in der Navigation unterwiesen?“

 

„Jawohl, Sir. Seine Ausbildung war perfekt.“

„Erstaunlich“, murmelte der Kapitän.

Hasard folgte ihm in die Kapitänskammer.

Am Spätabend segelte die „Santa Barbara“ unter Führung Philip Hasard Killigrews, des Seewolfes, nordwärts. Das große Abenteuer begann ...

ENDE