Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 33», strona 16

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5.

„Feuer!“ brüllte jemand in dem Moment, als sich fast aller Augen auf die See richteten.

Dichter, schwerer Qualm quoll aus der Luke auf der Kuhl hervor. Noch verwirbelte der Wind den grauschwarzen Rauch und drückte ihn über das Süll hinweg auf die Planken, wo er auffaserte und schnell verwehte. Aber eine zunehmend dichtere Wolke drang von unten herauf.

Einige Augenblicke lang starrten die Männer fassungslos auf die Luke. Keiner wollte glauben, was er sah. Doch der Rauch blieb und wälzte sich langsam zur Back.

„Schnell!“ befahl der Kapitän. „Holt Pützen! Öst Wasser! Eine Kette bilden!“

Noch züngelten keine Flammen hoch. Aber dann wäre es ohnehin zu spät gewesen, die „Respeto“ retten zu wollen.

Capitán Pigatto riß die Luke auf. Als erster stieg er die schmalen Tritte hinunter. Beklemmend legte sich der Qualm auf seine Lungen. Er mußte husten und wedelte hilflos mit den Armen durch die Luft, ohne jedoch den Rauch vertreiben zu können. Die Sicht blieb miserabel.

Zwei oder drei Kerle folgten ihm. Ihre Schritte polterten den Niedergang hinunter.

„Geht nach achtern!“ befahl Pigatto. „Irgendwo muß der verdammte Qualm seine Ursache haben.“

Das Spill für den Buganker lag vor ihm. Wenige Yards dahinter führten noch einmal Stufen nach unten.

Dem Kapitän fiel das Atmen zunehmend schwerer. Das Gefühl, ersticken zu müssen, ließ sich nicht mehr ignorieren. Tränen schossen ihm in die Augen, die zu brennen begannen.

Der Qualm war überall.

Pigatto wollte einen Befehl zur Kuhl rufen, doch schon der erste krächzende Laut hatte einen keuchenden Hustenanfall zur Folge. Er taumelte, krachte ans Spill und klammerte sich daran fest wie ein Ertrinkender an der nächstbesten aufschwimmenden Planke.

Der Schwelbrand war wieder aufgeflackert. Eine andere Erklärung fand er nicht. Aber vielleicht ließ sich die Glut noch löschen. Wasser mußte her. Verdammt, wo blieben die Kerle mit den Pützen? Falls Schiff und Ladung durch ihr Zögern verlorengingen, würde er jeden einzelnen zur Rechenschaft ziehen.

Keuchend und hustend, fast blind vor Tränen und Qualm, wandte er sich um und taumelte zurück. Seine Füße schienen kaum noch die Planken zu berühren. Im nächsten Moment geriet alles um ihn herum in Bewegung. Das Gefühl, inmitten eines rasenden Wirbels zu stehen, wurde übermächtig. Capitán Pigatto brach zusammen, bevor er den nach oben führenden Niedergang erreichte.

Nur mehr wie aus weiter Ferne registrierte er sich nähernde Schritte. Gleich darauf prallte jemand gegen ihn.

„Da liegt einer“, hörte er.

Die Männer bückten sich. Ohrenbetäubend laut schwoll das Dröhnen des Blutes in seinen Schläfen an. Pigattos Herz schlug wie rasend und vom Magen ging ein stärker werdendes Würgen aus. Vor seinen Augen wirbelten bunte Sterne durcheinander.

Ein Schwall kalten, salzigen Wassers schlug über ihm zusammen und ließ die Benommenheit vorübergehend erträglicher werden.

„Das ist der Capitán!“ Seltsam verzerrt drang die Stimme an sein Ohr. Aber immerhin verstand er noch, was der Kerl sagte.

„Wir müssen ihn nach oben schaffen. Pack schon mit an!“

„He!“ rief der andere offenbar zur Kuhl hinauf. „Fangt die Pütz auf und helft uns.“

Pigatto fühlte sich hochgehoben und unsanft über die Stufen in die Höhe gezerrt. Er war viel zu benommen, um sich gegen die rauhe Behandlung zu sträuben. Ununterbrochen hörte er jemanden stöhnen. Als er endlich begriff, daß er selbst die kläglichen Laute produzierte, wuchteten ihn die Kerle schon aus der Luke.

„Der Qualm da unten ist fürchterlich, der Capitán muß halb erstickt sein.“

„Habt ihr Feuer gesehen?“

„Nur Rauch. Doch der ist dichter als der schlimmste Nebel. Wenn einer von uns unter Deck gewesen wäre, hätten wir das Scheiß-Feuer vielleicht rechtzeitig bemerkt. Aber Pigatto mußte uns ja bestrafen. Damit hat er sich selbst einen verdammt schlechten Dienst …“

„Halt’s Maul, Berco!“ brüllte der Bootsmann.

„Die Wahrheit will niemand hören“, begehrte Angel Berco auf.

Tomas d’Alvarez, der Bootsmann, schlug überraschend zu. Seine Faust traf Berco mitten ins Gesicht und riß ihn von den Füßen.

„Noch ein Wort, und du bist der erste, der unter Deck krepiert!“

D’Alvarez wandte sich an den Feldscher, der neben dem Kapitän kniete und dessen Schläfen massierte:

„Was ist mit ihm?“

„Er hat die Besinnung verloren“, erwiderte Cazalilla. „Der Rauch lähmt seine Atmung. Gebt mir nasse Tücher!“

Barbara, Zapata und einige weitere Männer verschwanden in der Luke. Andere hantierten inzwischen auf dem Achterdeck, das vom Qualm noch verschont blieb, und drangen von dort aus vor. Aber auch sie hatten ihre Halstücher ins Wasser getaucht und schützend vors Gesicht gebunden. Der Rauch ließ sich so wesentlich besser ertragen.

Julio Cazalilla erhielt das Gewünschte. Erst betupfte er Pigattos Stirn, gleich darauf schlug er ihm das zusammengeraffte Tuch um die Ohren, daß es laut klatschte. Wenigstens erhielt der Kapitän auf diese Weise eine gesunde Gesichtsfarbe zurück.

Krampfhaft würgend, schlug er die Augen auf. Doch sein Blick ging durch den Arzt hindurch und verlor sich in weiter Ferne.

„Schafft ihn zum Schanzkleid! Schnell! Hängt ihn bäuchlings über den Handlauf, aber haltet ihn fest.“

Drei Männer genügten, um Cazalillas Befehl auszuführen. Der Kapitän hing kaum kopfüber außenbords, als er sich auch schon erbrach. Aus dem Würgen wurde ein krampfhafter, anhaltender Husten, der den Körper heftig schüttelte.

Der Arzt grinste breit.

„Capitán Pigatto ist unverwüstlich“, sagte er. „Was wollt ihr mehr?“

Wassereimer in Händen, tasteten sie sich vorwärts. Juan Barbara war überzeugt davon, daß der Qualm aus der Nähe der Vorpiek heraufdrang. Wahrscheinlich war der Schwelbrand wieder aufgeflammt, obwohl keiner der Crew das noch für möglich gehalten hätte. Manchmal ging es eben saudumm zu.

„Wir müssen bis zum untersten Deck“, bestimmte Barbara. Hinter dem Tuch klang seine Stimme seltsam dumpf.

„Wenn der Kahn inzwischen absäuft, sitzen wir gewaltig in der Tinte“, erwiderte Zapata.

„Denk an die Schätze in den Laderäumen.“

„Davon habe ich herzlich wenig, wenn ich erst im Himmel bin.“

„In der Hölle“, berichtigte der Segelmacher.

„Hä?“

Langsam drang der Rauch auch durch die feuchten Tücher hindurch. Jorge Zapata spürte ein stärker werdendes Brennen im Hals, das nur davon herrühren konnte.

Im Bereich des Vorschiffs und unmittelbar über der Bilge waberte der Rauch besonders dick. Zudem breitete sich ein Gestank wie nach verbranntem Fisch aus. Von hier in die Piek vorzudringen, war schier unmöglich.

„Wir müssen zurück!“ bestimmte Barbara. „Kippt das Wasser meinetwegen hier hin.“

Die Männer akzeptierten ihn als Anführer, weil er oft bewiesen hatte, daß er zu improvisieren verstand und seit mehr als zwanzig Jahren zur See fuhr. Die Erfahrung blieb bei einem so langen Zeitraum nicht aus.

Sie mußten zusehen, daß sie wieder an die frische Luft gelangten. Der Rauch rief bohrende Kopfschmerzen und eine zunehmend bleierne Schwere in den Beinen hervor.

„Wir können nur von oben her an die Vorpiek heran“, sagte Barbara. „Wenn wir die Planken über den Zwischendecksbalken zerschlagen …“

„Wenn! Wieviel Zeit bleibt uns überhaupt?“

„Auf jeden Fall genug. Sagt dem Zimmermann Bescheid und holt euch Pigattos Zustimmung.“

Unvermittelt fühlte sich Jorge Zapata an der Schulter gepackt. Der Segelmacher hinderte ihn daran, den anderen nach oben zu folgen.

„Wir gehen nach achtern“, raunte Juan Barbara ihm zu. „Ich habe mit dir zu reden.“

Der Rauch war inzwischen überall, er kroch wie ein unersättlicher Moloch durch die „Respeto“. Unter dem Achterdeck, ungefähr auf der Höhe des Spills für den Heckanker, war er aber noch einigermaßen erträglich.

„Wieviel Rum hast du herangeschafft?“ fragte der Segelmacher unvermittelt.

„Wieviel …? Ich verstehe nicht.“

„Du weißt, von was ich rede. Oder soll ich dir auf die Sprünge helfen?“

„Laß mich in Ruhe. Das Schiff ist in Gefahr, und dir fällt nichts Besseres ein, als über Rum zu reden.“ Zapata wollte sich losreißen, doch da geriet er bei Juan Barbara an den Falschen. Der hielt ihn mit eisernem Griff zurück.

„Wenn es dir lieber ist, daß ich dem Kapitän die Augen öffne! Ich habe im Gegensatz zu dir nichts zu verlieren.“

Zapata erschrak, aber er ließ sich nichts anmerken. Was wußte Juan? Hatte er eine Ahnung, wie der Schwelbrand in der Vorpiek ursprünglich entstanden war? Oder ging es ihm lediglich um den heimlich an Bord geschafften Rum?

„Ich gebe dir zwei Stunden Zeit“, sagte Barbara in dem Moment. „Dann mußt du dich entschieden haben, ob Pigatto dich auspeitschen oder kielholen lassen soll, oder du mir lieber ein kleines Schweigegeld zahlen willst.“

Darauf legte Juan es also an. Jorge Zapata lachte schrill, aber er merkte selbst, daß seine Stimme unsicher klang.

„Ich habe nichts“, erklärte er. „Such dir einen anderen Dummen, den du leichter einschüchtern kannst.“

„Zweihundert Reales, Jorge. Das ist der Preis für mein Stillschweigen. Ich weiß, du besitzt soviel, du hast es dir jahrelang vom Mund abgespart.“

„Dann werde ich das Geld bestimmt keinem solchen Mistkerl wie dir in den Rachen werfen!“

„Du wirst“, sagte Barbara zuversichtlich. „Weißt du, wie das ist, wenn du unter dem Kiel durchgezogen wirst und die scharfkantigen Muscheln am Rumpf dir das Fleisch von den Knochen fetzen? Pigatto läßt sich bestimmt Zeit, dich durchzuholen, darauf hast du mein Wort.“

In der ersten zornigen Reaktion war Jorge versucht, sich auf den Segelmacher zu stürzen und ihm an die Kehle zu gehen. Aber Juan Barbara schien genau das geahnt zu haben, denn er hatte sich bereits herumgeworfen und verschwand mit weit ausgreifenden Schritten hinauf zum Achterdeck.

Sehr zur Belustigung der Arwenacks hatte der Kutscher nacheinander seinen großen Kochkessel und eine Reihe kleiner Töpfe und Pfannen auf der Kuhl aufgereiht und schickte sich an, sie mit Seewasser und einer gehörigen Menge Sand auf Hochglanz zu bringen.

„Hä-hä-hä!“ äffte er die feixenden Gestalten nach, die ihm mehr oder weniger ungeniert bei der Arbeit zusahen, freilich ohne auch nur im Entferntesten auf die Idee zu verfallen, ihm bei der umfassenden Säuberungsaktion zu helfen.

Sauberkeit war eines guten Kochs oberstes Gebot – noch dazu, wenn er wie der Kutscher zugleich die Funktion des Feldschers innehatte. Auf Schiffen, auf denen die Kombüse zumeist vor Dreck starrte, waren die Kerle häufig krank, wenn sie nicht gleich wegen Dünnpfiff oder gar der Ruhr darniederlagen.

„Spül den Sand gut ab, Kutscher“, sagte Big Old Shane. „Die Körner knirschen sonst zwischen den Zähnen.“

Der Koch blickte nur kurz auf.

„Feiner Sand reinigt auch die Zähne“, erwiderte er. „Du solltest das beherzigen. Oder hast du nichts dagegen, wenn ich dir nacheinander alle Beißerchen ziehe?“ Er hatte die Lacher auf seiner Seite.

„Ihr habt es gehört!“ rief Shane in die Runde. „Ab morgen gibt es unserer gesunden Zähne wegen nur noch Sandsuppe, und zwar morgens, mittags und abends.“

Zu seiner Überraschung kippte der Kutscher tatsächlich einen ganzen Eimer voll Sand in den Kessel und schüttelte gleich mehrere Pützen Seewasser hinterher. Grinsend schlug er sich die Hemdsärmel bis hinter die Ellenbogen zurück, dann tauchte er die Arme ein und begann eifrig zu rühren.

„Wichtig ist, daß die Zutaten gut vermischt werden“, sagte er. „Damit sich kein Bodensatz bildet, der anbrennen kann, sobald der Kessel über dem Feuer hängt. He, Bill, ich brauche noch einige Gewürze! Du findest sie auf der Platte in der Kombüse.“

Bill, mit Ausnahme der Zwillinge der jüngste Mann an Bord, wirkte völlig verdattert. Offenbar war er sich nicht schlüssig, ob der Koch es ernst meinte oder nicht.

„Geh schon!“ befahl Edwin Carberry.

„Ab sofort achte ich mehr auf meine Pfunde“, erklärte der dickliche Paddy Rogers. „Das heißt, ich werde nur noch Obst und solche Sachen essen.“

„Es soll sogar Köche geben, die Wasser anbrennen lassen“, sagte Mac O’Higgins. Er erntete dafür einen bitterbösen Blick des Kutschers.

„Woher willst ausgerechnet du das wissen?“

Higgy grinste schräg.

„Weil ich es mit eigenen Augen sehe“, erklärte er. „Überzeuge dich selbst.“

Fast alle blickten in die Richtung, die Mac ihnen zeigte. Tatsächlich wirbelten von einer der Galeonen Rauchschleier auf.

„Das ist die ‚Respeto‘“, sagte Carberry verblüfft.

„Und wenn schon.“ Der Kombüsenmann verschluckte sich und mußte husten, im nächsten Moment richtete er sich steif auf und beschattete die Augen mit beiden Händen. Unbewegt starrte er zur „Respeto“ hinüber.

„Da brennt bestimmt kein Essen an.“

„Der Schlorren hat schon wieder Feuer gefangen“, bestätigte Old Donegal. „Möchte bloß wissen, was die Burschen da drüben treiben.“

Der Profos gab Alarm.

Die von der Galeone aufsteigende Rauchwolke wurde allmählich dichter, so daß der Wind sie nicht mehr auseinandertreiben konnte. Noch wehte sie in geringer Höhe auf die offene See hinaus, aber über kurz oder lang würde sie auch unter der Kimm zu sehen sein – sofern bis dahin die „Respeto“ nicht in Flammen aufgegangen war.

Solange der Kapitän noch unter den Folgen der Rauchvergiftung litt, lag es am Bootsmann und dem dürren Ersten, die Rettung des Schiffes zu versuchen. Die Fracht war zu kostbar, als daß sie kampflos aufgegeben werden durfte. Ein Umladen auf die anderen Galeonen barg die Gefahr, daß das Feuer plötzlich offen ausbrach und übersprang. Andererseits war wegen der dichten Qualmentwicklung unter Deck jeder Löschversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt.

„Reißt die Luken auf!“ befahl d’Alvarez. „Die Stückpforten ebenfalls. Der Rauch muß wenigstens vom oberen Deck leichter abziehen können.“

Jemand meldete, daß Capitán de Vilches’ Schebecke den Kurs geändert habe und sich rasch näherte. D’Alvarez winkte barsch ab.

„Der soll sich um seinen eigenen Kram kümmern. Von dem und seinen Leuten habe ich die Nase voll.“

Das war nicht einmal übertrieben und sogar wörtlich zu nehmen. Ein großer, mordshäßlicher Kerl mit vernarbtem Gesicht und gewaltigem Kinn hatte ihn mit der Gewalt eines auskeilenden Pferdes niedergeschlagen. Ihm wollte d’Alvarez nicht noch einmal begegnen – schon deshalb, weil er sich revanchieren und vermutlich zur Waffe greifen würde. Der Bootsmann hielt es mit dem Bibelvers, der da besagte: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Inzwischen hatte sich der Qualm auch einen Abzug über die Back gesucht, unter der einer der Wohnräume der Mannschaften lag. Für die Männer auf den anderen Schiffen des Konvois mußte es so aussehen, als brenne die „Respeto“ an allen Ecken und Enden. Der vorangegangene Schwelbrand war in seiner Rauchentwicklung nicht halb so schlimm gewesen.

D’Alvarez fragte sich, was derart heftig kokelte. Wahrscheinlich hatte die Glut diesmal auf die Fässer mit Teer und Pech übergegriffen. Das bedeutete aber auch, daß sie es verflucht schwer haben würden, das Feuer zu löschen.

Er beugte sich über die Lukenöffnung.

„Was ist los da unten?“ brüllte er. „Ich darf wohl erwarten, daß ihr euch beeilt!“

Eine Antwort blieb aus. Aber endlich war das Poltern der schweren, an eisernen Bändern aufgehängten Pfortendeckel zu hören. Sie schlossen die Geschützpforten wasserdicht ab. In rascher Folge zerrten die Männer nun die Pforten an beiden Seiten des Schiffes auf. Die Maßnahme hatte tatsächlich den gewünschten Erfolg, denn auch außenbords wirbelte plötzlich der Rauch auf.

Kommentarlos übernahm Pigatto wieder die Schiffsführung. Er wirkte zwar noch blaß, und sein Gesicht glänzte vom Schweiß, aber er ließ es sich nicht nehmen, selbst die Befehle zu erteilen.

„Dreht das Schiff quer zum Wind, damit er die oberen Decks frei bläst!“

„Davon würde ich abraten, Capitán“, sagte Zapata. „Die Gefahr, daß die Brise das Feuer erst richtig entfacht, ist zu groß.“

Pigatto funkelte ihn zornig an. „Du bist Decksmann! Wie ein Schiff zu führen ist, dürfte dir kaum bekannt sein.“

„Ich verstehe genug …“

„Willst du meine Anordnungen anzweifeln?“ unterbrauch der Capitán schroff.

„Nein“, sagte Zapata.

„Dann schweig!“

Die Segel killten, als sich die „Respeto“ quer vor den Wind legte. Die Krängung nach Backbord war deutlich zu spüren.

„Tucht die Segel auf!“

Während die Crew noch verbissen arbeitete, segelten die nachfolgenden Schatzschiffe in Luv heran. Pigatto sah, daß die Boote klariert wurden. Offenbar glaubten die Kapitäne, schon jetzt die Mannschaft abbergen zu müssen.

„Die sollen kein solches Affentheater aufführen“, schnaubte Pigatto. „So wahr ich auf diesen Planken stehe, ich bringe die ‚Respeto‘ heil ans Ziel.“

Er ließ zu den Schiffen signalisieren, daß sie auf Distanz bleiben sollten. Gleiches galt für die Schebecke, doch Don Julio de Vilches scherte sich offensichtlich einen Dreck um die Wünsche des Capitáns.

Pigatto zupfte schon wieder in seinen Nasenlöchern herum. Daß plötzlich Blut an den Fingerspitzen klebte, schien ihn zu irritieren.

„Wenn de Vilches unbedingt meint, sich einmischen zu müssen, knall ich ihm einen Drehbassenschuß vor die Figur, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Linares, den Einpfünder auf der Back laden!“

Téofilo Linares wollte abwehren und sagen, daß es Wahnsinn sei, den Sonderbeauftragten seiner Majestät auf diese Weise zu provozieren, aber als er Pigattos Gesichtsausdruck sah, beeilte er sich, dem Befehl Folge zu leisten. So wenig ihm schmeckte, de Vilches’ Leute an Bord zu sehen, noch weniger gefiel ihm, der Meuterei bezichtigt zu werden. Und Miguel Pigatto war mit derartigen Anschuldigungen schnell bei der Hand.

Die voraussegelnde „Reputación“ halste, drehte in den Wind und bezog Warteposition. Auch auf der „Santos los Reyes Mayos“ und dem Flaggschiff des Generalkapitäns, der „Salvador“, war man auf den Qualm aufmerksam geworden. Beide Galeonen näherten sich auf Kreuzkurs.

Pigatto brüllte ein halbes Dutzend Namen. Die Betreffenden erhielten Zimmermannsbeile, Äxte und Sägen und sollten versuchen, von oben her zum Brandherd vorzustoßen.

„Wer den Qualm nicht mehr aushält, soll sich ablösen lassen. Aber ich erwarte, daß jeder sein Bestes gibt.“

6.

„Da haben wir die Sauerei“, schimpfte Old Donegal Daniel O’Flynn inbrünstig. „Die Spanier sind zu blöd, ein mickriges kleines Feuerchen unter Kontrolle zu halten. Möchte bloß wissen, wie die das angestellt haben, daß die Galeone schon wieder qualmt.“

„Schwimm hin und frag sie“, riet Big Old Shane.

Old Donegals Granitgesicht wies schlagartig einige Falten mehr auf. Nachdenklich kratzte er sich den Kopf.

„Zu was sollte das gut sein?“

„Du erfährst vielleicht, was los ist.“

„Deshalb springe ich nicht wie ein Verrückter ins Wasser. Wie ich Hasard kenne, bringt er die Schebecke ohnehin auf Enterkurs.“

„Auf die Art geht es natürlich auch.“

Old Donegal bedachte den Schiffsschmied mit einem mißtrauisch forschenden Seitenblick.

„Du versuchst doch nicht etwa, mich für dumm zu verkaufen?“ fragte er lauernd.

„Ganz bestimmt nicht, Sir. Das läge mir jungem Spund fern.“ Tatsächlich hatte Old Donegal einige Jährchen mehr auf dem Buckel als Shane, doch mußte er schon besonders guter Laune sein, um das zuzugeben.

„Aaachtung!“ erklang es von irgendwoher.

Der Blick des Alten pendelte zwischen Shane und der „Respeto“ hin und her, ohne daß er sich schlüssig wurde, wem mehr Aufmerksamkeit zu widmen war.

„Du solltest zur Seite treten“, sagte der graubärtige Riese.

„Pah“, erwiderte Old O’Flynn, „ich höre schon gar nicht mehr hin, weil du ohnehin nur Stuß quasselst.“

„So wie Mary Snugglemouse, wenn du ihr den Kopf vollaberst.“

„Laß Mary aus dem Spiel. Was zwischen uns beiden ist, geht dich überhaupt nichts an. Soll ich dir sagen, was es dich angeht? Einen …“

„Ich weiß“, sagte Big Old Shane. „Aber vielleicht hättest du die Güte, die Augen trotzdem mal nach hinten zu richten.“

Old Donegal hörte auf, sich zu kratzen. Er fuhr sich mit dem Handrücken durchs Gesicht. Sein Blick ruhte auf der „Respeto“, die sich zunehmend in dichten Qualm hüllte.

„Eine schöne Schweinerei ist das“, murmelte er. „Wenn Zustände wie da drüben auf einem englischen Schiff herrschen würden …“

„Siiir! Old Donegal! Bist du tauuub?“

Pfeifend atmete der Alte aus. „Was brüllt Roger hinter meinem Rücken herum?“ fragte er. „Ich bin nicht schwerhörig. Wenn der Mister Takelmeister was von mir will, soll er sich gefälligst herbemühen. Ist ja keine Weltreise.“

Tief holte Big Old Shane Luft. Er hatte Mühe, nicht lauthals herauszuplatzen, schließlich sah er, was sich hinter Old O’Flynns Rücken abspielte. Die Männer, die damit befaßt waren, das Großsegel herumzuholen, schnitten die unmöglichsten Grimassen.

„Du solltest dich vielleicht doch …“

„… umdrehen? Nein. Ich stehe hier und beobachte das Geschehen auf der ‚Respeto‘. Schließlich hat sie ’ne Menge Kostbarkeiten geladen. Warum muß ich mich dabei stören lassen?“

„Weil …“ Big Old Shane gab es auf, dem alten Dickschädel zu verklaren, was los war. Er würde schon sehen, was ihm seine Sturheit einbrachte.

Roger Brighton und die anderen, die am Großmast hantierten, gelangten gleichzeitig zum selben Entschluß. Sie holten die Großrahrute endgültig herum.

Old Donegal Daniel O’Flynn fühlte sich recht unsanft von der Seite her angerempelt. Erstaunlich schnell wirbelte er herum. Seine Rechte zuckte mit der Krücke hoch, aber der Schlag ging ins Leere, weil niemand hinter ihm stand.

Der eigene Schwung ließ ihn taumeln. Ehe er sich’s versah, kippte er nach vorn, wobei die Männer an den Tauen eifrig nachhalfen, und hing unvermittelt bäuchlings über der Rahnock, die sehr schnell in die Höhe stieg.

Nun war die Reihe an ihm, lauthals zu brüllen.

„Das war Absicht! Ein Attentat auf den Admiral! Ich werde es euch heimzahlen, ihr heimtückisches Pack!“

Die Arwenacks prusteten vor Lachen. Selbst Hasard grinste, als er seinen Schwiegervater auf der Rahrute liegen und wie ein Ertrinkender mit Armen und Beinen rudern sah.

„Schimpfen, Sir, ist in deiner Lage unangebracht!“ rief der Profos. „Halte dich lieber gut fest.“

Old Donegal antwortete mit einer unanständigen Aufforderung. Und dann zeigte er den Burschen an Deck, daß er trotz seines Alters noch lange nicht abgewrackt war und in seinen Knochen noch genügend Kraft steckte, um es mit jedem Moses aufzunehmen. Nicht einmal seine Beinprothese setzte ihm dabei sonderlich zu.

Auf dem Bauch liegend, hangelte er sich auf der nur mehr leicht schräg stehenden Rahrute zum Mast hin. Einigen Männern stockte der Atem, als er sich dann von der Spiere gleiten ließ und vorübergehend nur mehr an einer Hand hing. Arwenack konnte kaum besser turnen, als der Alte es jetzt demonstrierte. Augenblicke später hing er an der Verstagung des Großmastes und hangelte rückwärts ab, die Beine über das Tau gekreuzt.

Bis er wieder auf den Planken stand, war er zwar sichtlich außer Atem, doch das tat dem Staunen der Arwenacks keinen Abbruch. Old Donegal Daniel O’Flynn grinste herausfordernd.

„Du kannst tatsächlich noch mit jedem Irrwisch mithalten“, sagte Carberry in echter Bewunderung.

„Die Feier wird auf später verschoben!“ rief Hasard vom Achterdeck. „Oder soll die ‚Respeto‘ vor unseren Augen sinken?“

Das wollte niemand. Schon gar nicht wegen der wunderbaren Schätze, die jede Galeone an Bord hatte.

Mittlerweile näherten sich auch einige der anderen Schiffe. Von der „Respeto“ aus wurde ihnen signalisiert, auf Distanz zu bleiben.

„Sieht so aus, als brauchte Pigatto diesmal keine Hilfe“, sagte Dan O’Flynn.

Der Seewolf winkte ab.

„Das gilt nicht für uns“, sagte er.

Aber das war schlichtweg ein Irrtum, wie sich gleich darauf herausstellte.

„Ich vermute, daß die Crew dort drüben lieber abbrennt, als uns noch einmal an Bord zu lassen“, sagte der Profos, wobei er sich gleichzeitig erwartungsvoll die Hände rieb.

Hasard begann sich zu fragen, wie Pigatto reagieren würde. Er traute dem muffigen, undurchsichtigen Kerl beinahe jede Reaktion zu.

„Wir gehen langsamer ran“, entschied er. „Das Großsegel aufgeien!“

Dadurch erhielten die Arwenacks Zeit, das Geschehen auf der Galeone zu beobachten, soweit dies durch den dichten Rauch überhaupt noch möglich war.

Die Distanz betrug rund dreihundert Yards. Die Schebecke segelte mit nahezu achterlichem Wind, also fast rechtwinklig zur „Respeto“.

„Gleich kracht’s“, sagte Dan.

Der Profos kniff die Brauen zusammen und musterte ihn eindringlich.

„Bei wem?“ wollte er fragen, doch das Wort blieb ihm im Mund stecken. Drüben, auf der Back der „Respeto“, blitzte und donnerte es, und weit vor der Schebecke schlug der „Blitz“ ein. Gerade auf halber Distanz zwischen beiden Schiffen stieg ein jämmerliches Fontänchen in die Höhe.

Ungläubig rieb sich Carberry die Augen.

„Ein Mückenschiß“, sagte er. „Diese olivenfressenden Rübenschweine haben wohl zu lange in der prallen Sonne gestanden? Was bilden die sich ein? Denen sollte man den Achtersteven polieren, bis ihre Haut so rot ist wie die eines Pavians.“

Er wußte nicht, daß genau in dem Moment Capitán Pigatto weitaus schlimmere Worte benutzte und kein gutes Haar an Linares ließ, der viel zu früh gefeuert hatte.

„Beidrehen bei zweihundert Yards!“ befahl der Seewolf. Das lag auf jeden Fall außerhalb der Reichweite der Drehbassen.

„Du willst ihnen nicht beistehen?“ fragte. Dan.

„Sie wollen uns nicht“, sagte Hasard. „Oder soll ich den Drehbassenschuß als freundliche Einladung auffassen?“

„Diese Miesmuschel von Kapitän ändert seine Meinung bestimmt noch.“ Der Profos zeigte sich zuversichtlich, was nicht zuletzt auch daran lag, daß es ihn gehörig in den Fäusten juckte. „Wartet nur erst, bis die da drüben langsam, aber sicher geröstet werden. Dann wird es Pigatto hoffentlich eine Ehre sein, sich von uns retten zu lassen.“

Die Sicht unter Deck und damit auch die Bedingungen für die Crew der „Respeto“ waren ein wenig besser geworden. Vor den Stückpforten der Steuerbordseite wirbelte die frische Brise den Qualm heftig durcheinander und trieb ihn in dichten Schwaden quer durchs Schiff. Ein Gestank nach Teer und Farben lastete überall.

Das Dröhnen wuchtiger Axthiebe und das Kreischen der Sägen hallten durchs Schiff. Die Männer verausgabten sich, um von oben her schleunigst an den schwelenden Brandherd zu gelangen. Nach wie vor trugen sie nasse Tücher vor den Gesichtern, weil der Rauch so einigermaßen erträglich wurde.

Niemand hätte geglaubt, daß die alten Planken derart widerstandsfähig sein würden. Noch dazu federten sie unter den Hieben.

Die erste Öffnung, aus der dichter schwarzer Qualm nach oben quoll, war dennoch schnell geschaffen. Schwitzend und fluchend versuchten die Männer, sie so weit zu vergrößern, daß sie bequem nach unten steigen konnten.

Verbissen hieb Zapata auf die Planken ein. Seine Augen tränten, der Hals brannte, aber darauf achtete er nicht. Er war wütend – auf sich selbst, auf die anderen und die Umstände …

Unvermittelt fiel der Segelmacher ihm in den Arm.

„Das Loch ist groß genug. Du hast hoffentlich nicht die Reales vergessen.“

„Keine Angst“, zischte Zapata. „Ich denke dran.“

Der Rauch von unten her wurde dichter. Zu erkennen war herzlich wenig, nur ein düsteres Glühen inmitten der wogenden Schwärze. Mindestens fünf oder sechs verschiedene Brandnester zeichneten sich ab. Durch die Luftzufuhr begannen die Flammen aufzulodern und schneller um sich zu greifen.

Der Bootsmann brachte eine Jakobsleiter und zwei Eimer. Viel erreichte er nicht, als er das Wasser von oben her auskippte. Es zischte und dampfte und die Glut färbte sich vorübergehend dunkler, aber die Flammen züngelten danach sofort wieder auf. Der Qualm wurde dichter.

„Jemand muß hinuntersteigen.“ Tomas d’Alvarez rollte die Leiter aus. Er griff sich einfach den ihm am nächsten stehenden Mann und schickte ihn in die Vorpiek. „Du bist dran, Barbara, geh schon!“

Decksleute mannten weitere wassergefüllte Eimer herbei und nahmen die leeren mit zur Kuhl. Ob sie auf den Niedergängen eine Kette bildeten, um sich möglichst nicht gegenseitig zu behindern, war nicht zu erkennen.

Barbara stieg in die Piek hinunter. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, war oben noch nicht in dem Ausmaß wahrzunehmen gewesen.

„Die Eimer!“ rief er, als er auf einer der letzten Sprossen stand. D’Alvarez reichte sie ihm nach unten.

„Wie sieht es aus?“

„Wenn ich mehr erkennen könnte, wäre ich froh.“

Ringsum prasselte und knisterte es und waberte die Glut. Glühend zeichneten sich die Umrisse von Matratzen und Wergballen, von Fässern und Kisten ab.

Barbara schüttete das Wasser aus einem Eimer auf den Boden. Er brauchte einen Fleck, auf dem er sicher stehen konnte. Den Inhalt der zweiten Pütz kippte er sich über den Kopf. Die Hitze war daraufhin nicht mehr ganz so unerträglich.

Jemand stocherte von oben herab mit einem Bootshaken in der Glut herum. Ein bis eben noch zusammenhaltender Ballen brach daraufhin in zwei Teile auseinander und entließ einen Schwall nach allen Seiten davonstiebender Funken. Sengend legte sich die Hitze auf Barbaras Gesicht.

„Wollt ihr Idioten da oben mich umbringen?“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. „Ich brauche verdammt noch mal mehr Wasser.“

Der Bootshaken krachte neben ihm auf die Planken, kippte langsam und fiel in die erneut auflodernden Flammen. Barbara verspürte das mulmige Gefühl, daß das nicht zufällig geschah. Er wurde in seinen Grübeleien aber sofort unterbrochen, weil die Kerle eine Talje angeschlagen hatten und nun in schnellerer Folge gefüllte Pützen zu ihm herunterließen.

Die Flammen leckten an einigen Balken empor und züngelten bereits unter der Decke entlang. Die Hitze wurde immer unerträglicher. Juan Barbara wußte, daß er nicht mehr lange durchhalten würde, trotzdem versuchte er zu retten, was zu retten war. Je weiter das Feuer sich ausbreitete, desto schwieriger würde seine Bekämpfung werden.

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