Reisen unter Osmanen und Griechen

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Man hatte gerade die Schädel der Griechen gesammelt, die sich von denen der Türken durch die Stellung unterschieden, in der sie lagen. Besondere Verehrung wurde denen erzeigt, welche auf dem Weg lagen, den der Überrest der Besatzung bei dem letzten und verzweifelten Ausfall genommen hatte, wobei es nur wenigen gelang, sich durchzuschlagen. Ich nahm aus dem Haufen einen schön geformten Schädel, der die Spuren von vier Wunden an sich trug. Er war an der Stirn von einer Pistolenkugel gestreift, hinten rechts, waren zwei Säbelhiebe eingedrungen, aber nicht durchgedrungen; über dem linken Auge klaffte eine tiefe Spalte, Wunden die wohl bei dem versuchten Durchschlagen gefallen waren. Dieser Schädel war lange mein trauriger Gefährte.

Die Besatzung wohnte in Erdhöhlen dicht unter den Wällen, wurde aber durch das von allen Punkten kreuzende türkische Feuer arg mitgenommen. Jede Spur eines Gebäudes, von dem, was sonst die Stadt ausmachte, war verschwunden, bis auf die Trümmer einiger steinernen Häuser nahe der Bucht. Im Verhältnis zu der Ausdehnung des Umkreises fielen die meisten Granaten in den Mittelpunkt und wurden von den Türken so hoch geworfen, daß sie sehr tief in die Erde drangen und so, unter der Oberfläche zerspringend, wenig Schaden taten. Zweihundert Häuser waren jetzt schnell wieder aufgebaut oder hergestellt; ein kleiner Basar sah schon ganz hübsch aus und die Kaffeehäuser füllten sich mit Müßiggängern, die Billard spielten und Eis aßen. Wir waren bei dem Rasieren des Bräutigams und der Toilette der Braut, des ersten Brautpaares seit der Zerstörung und Widerherstellung der Stadt.

Wir plauderten lange mit dem Vater der Braut, der sie allein von einer zahlreichen Familie gerettet hatte. Ihre vergangenen Leiden schienen vergessen in der glücklichen Gegenwart. Ganz unmöglich kann ich das alle Stände durchdringende Jubelgefühl beschreiben; es war eine Wiederholung dessen, was ich ein Jahr vorher in Morea erlebt hatte: Kein Verschmachten mehr, keine Schrecken, keine eilige Flucht oder ängstliche Erwartung, keine abgezehrten Gestalten und gräßlichen Blicke, keine gebrochenen Herzen und zerrissene Kleider mehr, sondern statt dessen Kraft und Gesundheit, Friede, Hülle und Freude, festliche Kleider und lustige Töne. Freilich gehörten zu diesen fröhlichen Leuten nicht die Angehörigen der vom Protokoll betroffenen Ortschaften.

Wir verließen Messolonghi mit Bedauern und wurden bis an das Tor von einem Teil der Familie des Marki geleitet, eines alten Anführers, der vor Jahren eine Art von Unabhängigkeit auf den Echinaden behauptete, als legitimer Nachfolger des Königs, der bei der Belagerung Trojas dreißig Schiffe befehligte. Er war einer der Hauptverteidiger von Messolon -ghi; seine Frau und Töchter hatten die Weiberhaufen angeführt, die so wacker während der Nächte an den Festungswerken arbeiteten; bei Tage zu arbeiten verbot ihnen die morgenländische Sitte. Als wir in die Ebene kamen, wurden wir unaufhörlich durch die mit Wasser und Schlamm angefüllten Gräben, Zickzacke und Einschnitte gehemmt. Nicht ohne Verlust und Schaden, und nach einer mehrstündigen Mühseligkeit erreichten wir den Fuß des Hügels, auf dem die Ruinen stehen, die man „Kyria Iríni“ nennt, zwischen zwei und drei Meilen von Messolonghi. Wir hielten diese Trümmer nach ihrem Stil, ihrer Ausdehnung und Lage für Neu-Pleurona; der Hügel, auf dem sie liegen, ein Teil von Zygos, ist eine Fortsetzung des Kallidromos. Von seinem Gipfel hatten wir eine schöne und weite Aussicht auf die unmittelbar unter uns liegende Ebene von Messolonghi und auf die Küste von dem herrlichen Berge Chalkis bis an die Echinaden, die Lagunen und die Vivaria (Fischteiche), die von der See abgeschnitten und durch lange gerade Linien voneinander getrennt waren. Rechts seitwärts liegt das venezianische Anatolikó, gleich einer Lotusblume auf seinem kleinen Golf schwimmend. Meerabwärts entrollt die Ebene ihre reiche Anschwemmung vom Achelous und Evenus, bietet jetzt aber wenig mehr dar, um Almatheas Wahl Ehre zu machen, obgleich jetzt ein fetterer Segen als das Zentaurenblut die kalydonischen Gefilde befruchtet und der Achelous mit seinen „fetten Wellen“ neue Inseln angesammelt hat. Schon Strabo erzählt uns, Römer in Patras hätten die Fischteiche gepachtet, aber sie müssen jetzt viel größer und reicher sein als früher, und sind so erstaunlich voll, daß sie ganz lebendig scheinen. Ich hörte einen Ausdruck auf sie anwenden, von dem ich mich erinnere, daß die Ungarn ihn gebrauchen, wenn sie von ihrer Theiß reden: „Sie riechen nach Fischen.“ So ist also die Fruchtbarkeit der Erde durch die Ergiebigkeit der See ersetzt; Neptun ist auf das Land gelockt, um Behälter für die Flossenträger zu bilden, statt wie sonst überall ausgeschlossen zu werden, um Ceres’ Ähren Platz zu machen, und Amaltheas Horn muß, will man den Reichtum ihrer Lieblingsebene andeuten, jetzt ihre goldenen Garben und purpurnen Früchte mit Tonnen gesalzener Fische und Fäßchen geräucherten Rogens vertauschen.

Der Schauplatz vor uns aber, der sich von den Curzolero-Felsen oder Echinaden bis an die gegenüberliegende Küste von Morea erstreckt, hat noch ein anderweitiges Interesse. Hier wurde nämlich eine der größten Seeschlachten gefochten, die von größerem und dauernderem Einfluß auf Europas Verhältnisse gewesen, als irgend ein anderes Seegefecht von der Schlacht bei Actium an bis zu der von Trafalgar. Am 7. Oktober 1571, dicht an der Küste, die nun schweigend zu unseren Füßen ruht und auf den Gewässern, die jetzt so ruhig sind wie ein Landsee und nur von einem Segel befahren werden, waren fünfhundert Galeeren im tödlichen Kampf begriffen; zehn Meilen weit war das Wasser mit einer Masse menschlicher Wesen dick bedeckt, die Wut atmeten und Tod verbreiteten, die wilde Furie des alten Kriegs und der alten Waffen mit den erhabenen Schrecken des neuen Geschützes verbindend. Als die Sonne niedersank über diesem grausen Gemetzel, lagen 250 Schiffswracke regungslos auf den Wellen, gerötet vom Herzblut von 35 000 Menschen. Das war das Bild, welches die denkwürdige Schlacht von Lepanto darbot, von der Cervantes im hohen Alter sagte, die Erinnerung daran sei ihm lieber als der rechte Arm, den er dabei verlor.15

Die Streitkräfte der Türken und der Verbündeten (des Papstes, Spaniens und Venedigs) waren beinah ganz gleich; beide Teile waren gleich kampfbegierig, gleich siegvertrauend; auf beiden Seiten flößten ausgezeichnete Heerführer Vertrauen ein, erregten Nacheiferung, sicherten die kriegser fahrene Führung und verhießen einen verzweifelten Kampf. Die Türken östlich von Messolonghi, die venezianische Flotte segelte die Küste von Akarnanien herab, und als sie zwischen den Curzolero-Inseln durchfuhr, kam sie unerwartet dem Feind zu Gesicht. Die erste Abteilung der Verbündeten unter Doria16 ging soweit seewärts, daß das Zentrum und das Hintertreffen aussegeln und eine gerade Schlachtlinie bilden konnten; diese erstreckte sich vier Meilen weit, zwischen je zwei Schiffen war immer eine Schiffslänge freigeblieben.

„Sobald man die Ungläubigen bemerkte“, sagt Contarinis lebhafte Erzählung17, „erscholl die frohe Nachricht von Schiff zu Schiff. Dann begannen die Christen in der Freude ihrer Herzen die Verdecke zu räumen, Waffen überall zu verteilen, wo es not tat und sich selbst zu rüsten, je nach ihrer Art und Weise, einige mit Hakenbüchsen und Hellebarden, andere mit eisernen Kolben, Piken, Schwertern und Dolchen. Kein Schiff hatte weniger als zweihundert Soldaten an Bord; auf den Flaggschiffen waren drei oder vierhundert. Mittlerweile luden die Büchsenmeister ihr Geschütz mit viereckigen, runden und Kettenkugeln und rüsteten ihr Ernstfeuerwerk18 mit den Töpfen, Granaten, Kugelnetzen und anderen zum Abfeuern nötigen Dingen. Jedes Schiff war wie zu einem Fest- und Freudentag mit Flaggen, Wimpeln, Fähnchen, Panieren und Fahnen geschmückt; die Trommeln, Trompeten, Pfeifen und Hörner ertönten; ein allgemeiner Freudenruf erscholl durch die Armada, und jeder einzelne betete für sich zur heiligen Dreieinigkeit und zur gebenedeiten Mutter Gottes, während die Priester und manche Hauptleute von einem Schiffsende zum anderen eilten, Kruzifixe in den Händen tragend und die Mannschaft ermahnend zu dem aufzuschauen, der sichtbar vom Himmel herniedergestiegen sei, um die Feinde seines Namens zu bekämpfen. Bewegt und entflammt vom heiligen Eifer erhob sich die große Gemeinschaft zu einem Leib, einem Geist und einem Willen, den Tod verachtend und keinen anderen Gedanken hegend, als den, für unseren Herrn und Heiland zu fechten. Wer dem anderen Unrecht getan oder von ihm gelitten hatte, umarmte ihn als Bruder, und Brust an Brust vergossen die Versöhnten Tränen der Rührung. O du gesegnete und gnadenreiche Allmacht Gottes, wie wunderbarlich sind deine Werke an denen, die da glauben!“ (Contarini, 48 b.)

Zuerst nahten sich die Flotten langsam und majestätisch; die Sonne war schon über Mittag hinaus und schien daher blendend den Türken ins Gesicht, und da ein Westwind sich gerade erhob, bevor die Flotten aneinander kamen, so bekamen die Verbündeten auch den Vorteil des Windes, so daß, als das Kanonenfeuer begann, der Rauch den Türken gerade entgegengetrieben wurde. Ein Korsar, der zum Rekognoszieren vorausgeschickt war, hatte das Hintertreffen nicht gesehen, berichtete also falsch über die Anzahl der Christen und sagte überdies, die großen Galeassen im Vordertreffen hätten nur auf den Vorderteilen Kanonen. Die Türken segelten also furchtlos vorwärts, in der Voraussetzung, daß wenn sie der Vorderbucht vorbei wären, alle Gefahr vorüber sein würde. Groß war also ihre Bestürzung, als von jeder Schiffsseite ein dichtes, gut gezieltes und ununterbrochenes Feuer losdonnerte, wovon jeder Schuß traf, indem die Kanonen viel niedriger gestellt waren als die von den mächtigen türkischen Schiffen, Zerstörung überallhin verbreitend, wohin das Feuer reichte. Lange blieben die Moslemin diesen tödlichen Salven ausgesetzt, da ihnen der Wind in die Zähne blies, und so oft in Zwischenräumen der Rauch sich verzog, sahen sie eine gräuliche Verwirrung von zersplitterten Focken, Rahen, Masten und Segeln; hier spalteten Galeeren auseinander, dort standen andere in Flammen, einige versanken, andere trieben mit der Flut hinab, nicht mehr gelenkt, denn ihre Ruderbänke waren zerschossen, und überall war die Oberfläche der See bedeckt mit verwundeten, toten oder ertrinkenden Menschen. (Contarini, S. 51.)

 

Ali Pascha und Don Juan, jeder ausgezeichnet durch die Flagge des Oberbefehlshabers, segelten aus dem Gedränge. Dreimal wurde Alis Galeere geentert und seine Mannschaft bis an den Hauptmast gedrängt und dreimal wurden die Spanier zurückgeworfen, bis in einem verhängnisvollen Augenblick Don Juan, gedrängt von einer unverhältnismäßigen Übermacht, die dem Pascha zu Hilfe geeilt war, ohne die Möglichkeit eines Entsatzes rettungslos verloren schien. Dennoch kam noch zeitig Hilfe und Don Juan konnte den Kampf mit seinem ausgezeichneten Gegner erneuern, und als seine Enterer wieder Haken anschlugen an des Paschas Galeere und noch einmal aufs Verdeck sprangen, da fiel Ali von einem Flintenschuß, und seine Mannschaft streckte die Waffen. Des Paschas Haupt wurde vom Rumpf getrennt und auf einen Speer gesteckt, den Don Juan selbst auf der Spitze seines Mastes befestigte. Die bald erkannte grausige Trophäe verbreitete Schrecken auf der ganzen muselmanischen Flotte und entschied das bis dahin schwankende Los des Tages.

Das Siegesgeschrei der Verbündeten im Hauptkorps fand erfreulichen Widerhall am linken Flügel, doch am rechten ging das Gefecht noch fort mit weniger gesichertem Erfolge. Doria hatte sich in einem weiten und fernen Kreis geschwenkt, als wollte er den Feind überflügeln, und war deswegen nicht ins Gefecht gekommen. Das geübte Auge Uludschi Alis bemerkte plötzlich den großen Vorteil, den diese Lücke in der christlichen Linie ihm darbot; er stürzte sich auf fünfzehn so von ihren Genossen getrennte Schiffe, nahm eine maltesische und verbrannte eine venezianische Galeere.

Die überlegene Taktik des algerischen Befehlshabers hielt den Doria noch länger in Atem, bis jener durch die schon durchbrochene Linie der Christen mutig drang, auf die Curzolari lossteuerte und mit zwanzig oder dreißig Schiffen seines Geschwaders den Rückzug bewerkstelligte. Dieser kleine Überrest, nebst einer ebensogroßen Reserve war alles, was nach fünfstündiger Schlacht von der großen türkischen Armada übrig war. Furchtbar war es wirklich, sagt Contarini, die See anzusehen, die von Blut gefärbt und mit Leichen bedeckt war, und traurig, die zahllosen Verwundeten zu schauen, die von den Wellen fortgeschleudert wurden und sich an zerbrochene Schiffstrümmer klammerten! Da konnte man Türken und Christen durcheinander erblicken, die, während sie sanken oder schwammen, um Hilfe flehten, oder vielleicht auf demselben Brett um den Besitz rangen. Überall hörte man Schreien, Stöhnen oder Weherufen, und als der Abend niedersank und Finsternis die Flut bedeckte, wurde das Schauspiel nur noch um so grauenhafter.

Die Türken verloren in dieser Seeschlacht die kaum glaubliche Zahl von 40 000 Mann an Getöteten, Gefangenen oder Befreiten und über zweihundert Kriegsschiffe. Dennoch war binnen sechzehn Monden nach dieser mörderischen Niederlage das siegreiche Bündnis aufgelöst und ein Traktat unterzeichnet, der Venedig zum Tribut an die Pforte verpflichtete, „so daß es schien,“ sagt Voltaire, „als hätten nicht die Christen, sondern die Türken die Schlacht bei Lepanto gewonnen.“ Die Ursache ist aber einfach genug: In sechs Monaten hatten die Türken, eine Anstrengung machend, wie nur die Römer im Ersten Punischen Krieg, eine Flotte ausgerüstet gleich der verlorenen, und überlegen derjenigen, welche die Verbündeten besaßen, die der Schlacht ausweichend nicht die See halten konnten. Nichtsdestoweniger rettete der Sieg von Lepanto Venedig und hinderte die Türken daran, in Italien oder Spanien einzufallen. Sollte der Besitzer von Konstantinopel einmal wieder das Mittelmeer bedrohen, so ist zu fürchten, daß Venedig, Barcelona und Ancona keine Flotten wieder ausrüsten, um die Unabhängigkeit ihres gemeinschaftlichen Besitztums zu schützen. Die ehemalige Königin des adriatischen Meeres hat keinen Doria mehr, Spanien keinen Don Juan d’Austria, für deren Schläfe die Lorbeeren von Lepanto grünen könnten.

1Ein Stremma ist beinahe ein Dritteil eines Morgen Landes. (Ein Morgen Land (= acre) enthält 4,40 Quadrat-Yards: ein Yard 5 Fuß; Anm. d. Übers.)

2Griechisch: νῦν μὲν τεταπεινωμέναι, τò δὲ παλαιòν πϱóσχημα τῆς έλλάδος ἦν ταῦτα τὰ ϰτίσματα (Jetzt zwar liegen sie danieder, doch einst waren diese Bauwerke das Vorbild von Hellas = Strabo I. 9)

3Es ist kaum nötig zu bemerken, daß die Entfernungen nach Stunden gerechnet werden; eine Stunde im Osten, so gut wie in Deutschland, kann man eine französische Lieue (entspricht etwa 4 km) rechnen.

4François Pouqueville (1770-1838), französischer Reisender und Diplomat (Red.).

5Griechisch: εὔϰαϱπος ϰάμπος.

6Griechisch: ἐλευθεϱία.

7Griechischer Begriff für eine militärische Einheit (Red.).

8Griechisch: εμπέλλοι.

9Diese regulären Irregulären stehen auf der Stufe des Übergangs von den früheren Horden zu disziplinierten Truppen; sie sind nämlich dem regelmäßigen Aufrücken einander untergeordneter Grade unterworfen, aber keineswegs diszipliniert.

10Beides griechische Generäle, die sich bei der verzweifelten, letztlich aber doch gescheiterten Verteidigung Messolonghis gegen die Türken in den Jahren 1822 und 1825-1826 große Verdienste erwarben (Red.).

11Von Venedig gegründete Hafenstadt in Epiros (Red.).

12Ali Pascha von Jannena (1741-1822), dem es gelang, in Nordgriechenland von 1810 bis 1821 ein von der Hohen Pforte unabhängiges Gebiet einzurichten (Red.).

13John Hobhouse (1786-1869), der 1812 einen Reisebericht mit dem Titel „Journey into Albania and other Turkish Provinces“, erschienen in London, herausbrachte (Red.).

14Eine geschützte äußere Festungsmauer bzw. eine Erdaufschüttung, die verhindern soll, dass man Feinde von der Mauer wegen des toten Winkels nicht wahrnimmt (Red.).

15Hier irrt Urquhart, denn Cervantes verlor im Verlauf der Schlacht die linke Hand durch drei Pistolenschüsse. Ansonsten bliebe der Ausdruck auch unverständlich (Red.).

16Giovanni Andrea Doria, gest. 1606, war der Befehlshaber Flotte der sog. Heiligen Liga von 1571, der sogar während der Schlacht ein Beispiel für die bei solchen Gelegenheiten immer wieder anzutreffende Hinterlist der Venezianer bot (Red.).

17Giovanni Pietro Contarini, Historia de bello nuper Venetis a Selimo II. Turcarum Imperatore illato. Basel 1573. Zum Teil gleichzeitig erschienen bereits Übersetzungen des Textes in die gebräuchlichen europäischen Sprachen (Red.).

18Alter Ausdruck, dessen Gegensatz das zur Erheiterung dienende Feuerwerk ist (Red.).

FÜNFTES KAPITEL
ANATOLIKÓ - TRIGARDON - MOOR VON LEZINI - SCHWIMMEN NACH EINEM KLOSTER - SENKUNG DER KÜSTE VON AKARNANIEN UND EPIRUS

In Anatolikó schliefen wir im Haus des Erzbischofs, wo wir wieder den ganzen Abend und den folgenden Morgen mit der Grenzlinie gepeinigt wurden, dem einzigen Gegenstand, über den zu sprechen das Volk Lust hat. Einigermaßen bekam die Angelegenheit immer eine neue Gestalt, und die Darstellung und Ansicht des kriegerischen Prälaten Porphyrios gewährte uns Unterhaltung. Er war früher Erzbischof von Arta gewesen, aber während der Revolution hatte er sich gegürtet, trug Pistolen im Gürtel und hatte bei mancher Gelegenheit einen Reiterzug angeführt, das Kreuz in der einen Hand, das Schwert in der anderen. Wir besahen in der Kirche die Stelle, wo glücklicherweise eine Granate einen Brunnen öffnete, während der Pascha von Skodra die Stadt belagerte und nahe daran war, sie zu erobern, weil es ihr an Wasser fehlte.

Gegen regelmäßige militärische Operationen muß Anatolikó viel leichter zu verteidigen sein als Messolonghi, das in der Tat durchaus nicht leicht zu verteidigen ist, obgleich es, wie der Erfolg bewiesen hat, für eine griechische Verteidigung und einen türkischen Angriff viel besser paßt. Die Griechen fürchten sich nämlich wenig vor Breschen und Sturmlaufen, aber sie haben Angst vor dem gewaltigen und unaufhörlichen Granatenregen, den die große Ausdehnung und der weiche Boden von Messolonghi weniger zerstörend machte als er es in dem beengten Raum und auf dem Felsenboden von Anatolikó gewesen sein würde.

Von Anatolikó nach Niochóri ist eine Stunde; von da nach Katóchi, wo man über den Aspropotamos kommt, wieder eine Stunde. Wir wandten uns nach links, gingen den Fluß hinab und kamen in einer halben Stunde zu den Ruinen von Trigardon, die in einem weiten Kreis von zyklopischen und hellenischen Mauern drei Hügel einschließen, die in früheren Zeiten eine der Inseln von der Gruppe der Echinaden gewesen sein müssen. Fast die Hälfte des Umkreises stößt an das große Moor von Lezini. An der Nordseite im Moor scheinen Überbleibsel eines Hafens zu liegen. Ein tiefer Kanal führt durch das Moor von der See bis zu diesem Punkt, und auf seinem Lauf sieht man nichts von dem Schilf, womit der übrige Teil des Moors, vom nördlichen Hügel zehn oder zwölf Meilen weit, gleich einer Ebene mit grünen Gesträuchen bedeckt ist.

Wir waren sehr erstaunt über die Ausdehnung und Pracht der Trümmer von Alt-Pleurona im Vergleich mit dem beschränkten Umfang der Gegend. Neu-Pleurona setzte uns noch mehr in Erstaunen. Aber Trigardon und die Menge der hellenischen Überreste, die wir jetzt nach allen Seiten hin erblickten, erfüllten uns mit Bewunderung. In dem Raum einer Tagesreise waren in diesem fast unbekannten Winkel Denkmäler des Reichtums und der Macht zusammengedrängt, die alles übertrafen, was von der Glorie des Peloponnes übrig geblieben ist. Wir müssen aber nicht vergessen, daß dies die Gefilde waren, denen des Augias Ställe den Dünger lieferten, wo Herakles’ Arm die Mistgabel führte, wo die in dieser mythologischen Sprache aufbewahrte Kunst des Ackerbaus und der Gewerbefleiß mit der Güte der Erde und dem Tribut der See gesegnet wurden. Kein Wunder daher, daß es hier gewesen sein soll, wo „der Überfluß mit seinem Füllhorn in das lachende Leben sprang.“ Deshalb waren solche Bauwerke errichtet, um die Güter zu schützen, welche die Götter verliehen, und nach dreieinhalbtausend Jahren Zeugnis zu geben von der Verfeinerung, die mit solcher Tatkraft verbunden war, von der Wissenschaft, die sich mit solchem Wohlstand vereinte.

Ein hübscher junger Mensch, den wir in Katóchi um den Weg nach Trigardon fragten, erbot sich, uns zu begleiten. Er bestieg sein Pferd und zeigte uns die interessantesten Punkte, die allein aufzufinden uns vielleicht Tage weggenommen hätten. Wir bedauerten, daß wir unser Zelt vorausgeschickt hatten und so also nur wenige Stunden zum Umherwandern hatten. Die Dichtheit des Unterholzes und besonders des Schwarzdorns, der überall unser Erzfeind gewesen war, machte den Besuch jedes einzelnen Teiles schwierig und verhinderte uns geradezu, die Stelle zu untersuchen, wo der alte Hafen gelegen haben mußte. Ein großer Turm hellenischer Bauart, noch jetzt fast fünfzig Fuß hoch, verteidigt den Hafen, wie er früher war, gegen die Stadt, und vieleckige Mauern, die sich von der Stadt her strecken und den Hafen umkreisen, sind mit den Stadtmauern durch Erdaufwürfe verbunden, die sich ersichtlich aus anderer Zeit herschreiben. Unter diesen Ruinen herrschte die vieleckige Bauart vor, entbehrte aber gänzlich des charakteristischen Altertums, das man in den zyklopischen Überresten von Tiryns oder selbst von Mykenai findet. Die Steine sind fast von gleichen Größen, schön verbunden und an den Ecken ziseliert. Während wir über die den Hafen umgebende Mauer kletterten, kamen wir zu unserem größten Erstaunen zu einem Torweg in der vieleckigen Mauer mit einem Bogen darüber. Der Bogen war sehr flach, fast halbzirkelförmig; die ihn bildenden Steine bewahrten den Charakter des Vielecks.

Obgleich dieser Bogen in einer Mauer sich befindet, von dem Baustil, der dem entferntesten Altertum angehört, so möchte ich ihn nicht gleichstellen mit den Ruinen von Pleurona und Chalkis, nicht einmal mit denen aus dem Zeitalter des Perikles. Doch möchte ich ihn in eine Zeit vor der Ankunft der Römer in Griechenland setzen, und wäre das richtig, so würde es beweisen, daß, obgleich die Bögen gewöhnlich nicht angewendet wurden, sie doch wenigstens in Griechenland bekannt waren vor der römischen Eroberung. Die Ruinen von „Kyria Iríni“ bestätigen diese Vermutung. Die Ausfalltore in den Mauern sind gewölbt, wenn auch der Bogen zuweilen nur aus zwei Steinen besteht, die von jeder Mauerseite zusammenstoßen und in einen Halbzirkel ausgehöhlt sind; zuweilen ist der Bogen aber auch aus drei Steinen gebildet, wovon der mittlere dann einen regelmäßigen Schlußstein abgibt. In demselben Ort befindet sich eine geräumige Zisterne im Felsen, die von drei Mauern durchschnitten wird und in jedem derselben sind verschiedene Bogen; aber obgleich ihre Form gotisch ist, sind sie doch nach indischem Grundsatz gebaut. Das Gewölbe im Gebäude zu Mykenai, das man gewöhnlich Agamemnons Grab nennt, ist aus einer Reihenfolge von Kreisen gebildet, die je höher je enger werden, so daß jeder Kreis ein waagerechter Bogen ist.

 

Trigardon (ein verdorbenes slawisches Wort, das so viel bedeutet wie „Dreistadt“) muß das alte Oiniadai sein. Jeder Zweifel daran müßte schwinden, wenn man meine Beschreibung des Hafens mit der folgenden Stelle im Polybius vergleicht, aus den Kriegen Philipps des Zweiten mit den Ätoliern. Nach dem siegreichen Einfall in Ätolien und der Bestürmung von Thermus ging Philipp zurück nach Oiniadai, wohin er seine Flotte geschickt hatte, um die Rückkehr des Heeres nach der Küste zu erwarten. Die Ätolier rüsteten sich, diesen stark befestigten Platz zu verteidigen, aber Philipps Nahen erfüllte sie mit panischem Schrecken und sie räumten die Stadt. Philipp nahm sie in Besitz, verheerte von dort aus das kalydonische Gebiet und brachte die gesammelte Beute in die Stadtmauern. Der Geschichtsschreiber sagt: „Er bemerkte die bewundernswerte Lage der Stadt, die an den Grenzen Akarnaniens und Ätoliens liegt, an der Mündung des Achelous, an dem Eingang des korinthischen Meerbusens, nur hundert Stadien von der peloponnesischen Küste, und da die Stadt durch ihre Festungswerke und das sie umgebende Moor stark ist, so beschloß er, sie noch mehr zu befestigen. Er umgab daher den Hafen und die Schiffsstation mit einer Mauer und verband sie mit der Zitadelle.1

Unser Führer erzählte uns, daß an einigen Stellen sich unterirdische Klüfte oder Altäre2 befinden, zu denen man ihn als Kind mitgenommen habe; die Seiten seien mit Gemälden3 bedeckt, aber das seien keine Heiligenbilder. Er konnte sich aber auf den Platz nicht wieder besinnen. In den Felsen ist ein Theater eingehauen, dessen rechtes und nördliches Ende durch einen Aufwurf gestützt wird, und mit vieleckigem Mauerwerk versehen ist, so wie das südliche Ende mit hellenischem und einer Treppenflucht neben den Sitzen. Die Area hält etwa fünf und dreißig Schritte; zwanzig Reihen Sitze, dreieinhalb Fuß tief, laufen rund umher, und vielleicht doppelt so viele erheben sich hinter diesen. Die Stadt ist eben so vollständig untergegangen wie ihre Zeitgenossen, aber sie ist so mit Wald angefüllt und so weitläufig, daß sie nur mit Schwierigkeiten untersucht werden kann, und noch manche unerforschte archäologische Schätze enthalten mag.

Die Sonne war nicht mehr weit vom Horizont, als wir mit Widerstreben die Trümmer verließen. Wir mußten nach Katuna zurückkehren; von da waren es noch zwei Stunden nach dem Kloster Lezini und eben so weit nach Guria, dem Dorf, wohin wir unser Zelt zum Aufschlagen geschickt hatten. Wir beschlossen, den Weg nach dem Kloster einzuschlagen. Gleich jedem Fußweg in Griechenland war der Weg nach Lezini kaum von den Schafwegen zu unterscheiden; überdies führte er über einen dichtbewachsenen Hügel, und nicht ohne uns von Herzen Glück zu wünschen (obgleich uns niemand erwartete), befanden wir uns eine halbe Stunde nach Dunkelwerden am Rande des Moors, aber - das Kloster lag mitten drinnen! Wir waren nun wirklich in Verlegenheit; eine halbe Stunde riefen und schrieen wir, aber nur Schakale antworteten uns. Was sollten wir tun? Wir waren über die Maßen müde, ebenso hungrig und besonders unlustig, eine der Alternativen zu wählen, umzukehren oder ohne Abendbrot uns niederzulegen auf die kalten Felsen zwischen dem Gequake von Myriaden Fröschen, deren unzählbare Stimmen aus dem zwanzig bis dreißig Quadratmeilen weiten Moor erschollen, und zwar so taktmäßig, daß man sie mit Pulsschlägen der Erde hätte vergleichen können. Ich entkleidete mich also, band mein Hemd rund um meinen breitrandigen Strohhut und vertraute mich den Najaden des Moors. Ich hatte mich aber in meiner Schätzung der Entfernung arg verrechnet. Die Nacht war rabenschwarz; durch das Moor führte ein Kanal nach dem Kloster; die Seiten schienen fest, aber wenn ich versuchte, mich daran zu hängen, oder hinauf zu klettern, so versank ich in dem Schlamm oder verstrickte und ritzte mich in die Dornen und das gebrochene Schilf. So wurde ich gezwungen, mich im offenen Kanal zu halten, und das Wasser, das mein Hemd und Hut erreicht hatte, drückte mir nun den Kopf nieder und drang mir in die Ohren. In dieser wahrhaftig nicht beneidenswerten Lage schwamm ich langsam fort, als ich plötzlich sah, denn hören konnte ich gar nichts, daß ein Boot dicht bei mir im Begriff war, mich zu überfahren. Ich schrie auf mit all dem Ausdruck, den ein plötzlicher Schrecken und ein Mundvoll Wasser verleihen. Der Schiffer war nicht um ein Haar weniger erschreckt von dem unmenschlichen Schrei aus dem Wasser und dem Anblick einer weißen, schwimmenden Substanz, gleich einer ungeheuren Wasserlilie, unter welcher Gestalt sich die Leute den Nix oder Moorgeist denken. Er schrie und brüllte, fuhr mit aller Macht davon, stieß gegen das Ufer, taumelte Hals über Kopf und verlor seine Stange. Dann plätscherte er zurück zum Kloster mit der Bank aus dem Boot. Ich konnte nichts tun als ihm nachschwimmen, als ich glücklicherweise auf ein Schilfbündel stieß, mich daran hing, um auszuruhen und so einen Augenblick lang mein Haupt mit der nassen Last aus dem Wasser heben konnte. Da traf mein Ohr der nicht weit entfernte Ruf: „Wer da? Zurück! Sprich, oder ich schieße!“ und erst nach viertelstundenlangen Versicherungen und Erklärungen wurde es mir gestattet, dem Ufer mich zu nähern, wobei ich die oft wiederholte tröstliche Versicherung bekam, daß zwanzig Musketen und ein Neunpfünder voll Kartätschen auf mich gerichtet wären, wovon als Beweis die brennende Lunte diente, die mir gezeigt und geschwungen wurde. So zähneklappernd und zerfetzt ich auch war, konnte ich mich doch nicht enthalten, über diese kriegerische Zurüstung mich lustig zu machen. Endlich hatte ich die Leute überzeugt, daß ich kein Moorgeist wäre, denn sonst hätte ich nicht um ihre Erlaubnis gebeten; daß ich kein Räuber wäre, weil ich sonst nicht so laut geschrieen hätte; und daß ich nur ein nacktes Menschenkind wäre. Da erlaubten sie mir ans Land zu kommen, und nun wurde ich so herzlich aufgenommen, wie niemals sonst in meinem ganzen Leben. Der eine zog seine Schuhe von den Füßen ab und mir an; der zweite seinen Schurz, um mich damit zu gürten; der dritte hüllte mich in seine warme Jacke, und meine Toilette wurde zum unendlichen Vergnügen der ganzen Gesellschaft von den Domherren des ehrwürdigen Abtes besorgt. In diesem Zustand kam ich oder wurde vielmehr getragen nach dem nahen Kloster, während ein Boot abgeschickt wurde, meinen Reisegefährten zu holen. Er und ich haben uns nie über die Entfernung einigen können; er machte nur eine halbe Meile daraus, ich wenigstens anderthalb, und nach meiner Schwimmpartie sollte ich es doch am besten wissen. Die Griechen waren über diese Heldentat sehr erstaunt, die erst einmal vorgekommen war, obgleich Hunderte bei dem Versuch, auf diese Weise den Türken zu entfliehen, umgekommen waren.

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