The Outlaw

Текст
Автор:
Из серии: The Outlaw #1
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
The Outlaw
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

David Goliath

The Outlaw

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Haftungsausschluss

Verortung

Lautschrift

Das Kartenhaus

Das Kartenhaus

Die Eisenbahn

Die Eisenbahn

Die Hure

Die Hure

Die Farm

Die Farm

Der Sheriff

Der Sheriff

Der Saloon

Der Saloon

Die Ranch

Die Ranch

Der Pakt

Der Pakt

Das Dynamit

Das Dynamit

Der Detektiv

Der Detektiv

Der König

Der König

Die Sucht

Die Sucht

Der Marshal

Der Marshal

Das Fieber

Das Fieber

Der Sturm

Der Sturm

Der Prediger

Der Prediger

Das Duell

Das Duell

Der Totengräber

Der Totengräber

Der Zeuge

Der Zeuge

Das Reservat

Das Reservat

Das Gift

Das Gift

Die Flucht

Die Flucht

Die Rettung

Die Rettung

Der Abschied

Der Abschied

Das Ende

Das Ende

Impressum neobooks

Haftungsausschluss

Fiktiv.

Verortung

Paradise City, Nevada, USA

1888

Lautschrift

Percheron - [pɛrʃəˈrɔ̃ː]

Das Kartenhaus

»Die Katze aus dem Sack zu lassen,

ist sehr viel einfacher als sie wieder zurückzupacken.«

*aus Wild West Whim-Wham, New York City, 1888

Das Kartenhaus

John kam auf seinem großen, schwarzen Hengst, einem Percheron, gemächlich aus der flimmernden Prärie, gerahmt von kargen, kantigen Bergen, angetrabt. Seine Hutkrempe schützte seine Augen vor den umherwirbelnden Sandkörnern und dem gleißenden Licht der Sonne. Die Hitze stach, und Staub hatte sich auf Pferd und Reiter gelegt. Neben dem schwarzen Tier trabte ein weißes Exemplar, ebenso majestätisch, verbunden durch ein Seil am führenden Rappen.

Auf dem weißen Pferd saß William Emerald, dessen Kopf sich in eine schwarze Haube ohne Sehschlitze hüllte. Getrocknetes Blut haftete am Hals unterhalb der Haube und musste seinen Ursprung weiter oben, am Schädel, haben. Seine aufgeschürften Handknöchel rieben aneinander und ergaben sich einem festverzurrten, unnachgiebigen, rauen Seil, das an Johns Sattel vertäut war. William Emerald taumelte im Sattel, als habe man ihn stundenlang durch die endlose Einsamkeit getrieben, ohne Rast oder Proviant, der sengenden Hitze schutzlos ausgeliefert.

Das Gespann passierte die Eisenbahngleise und enterte die sterbende Steppenstadt Paradise City. Vorbei am tropfenden Wassersilo, das sich wie ein riesiges Ei, neben dem verwitterten Bahnhofsgebäude, mit dem Kirchturm um die Höhe duellierte. Vorbei an verlassenen Häusern, an Ruinen, an Gerippen aus Holzbalken und Skeletten aus Holzlatten. Vorbei an aufgegebenen Geschäften und heruntergekommenen Fassaden. Vorbei an löchrigen Zäunen und schiefen Planken. Immer neben dem ausgetrockneten Dead Creek, der sich wie eine gehäutete, blutleere, verdorrte Schlange um die Stadt windete, und von kleinen Holzbrücken überwunden wurde.

Verdutzte Augenpaare hielten inne, um die Ankunft zu beobachten. Das Hufgetrappel übertünchte das Raunen der Bewohner, die sich gegen Austrocknung und Armut stemmten. Sie trugen abgewetzte, teils zerfetzte Kleidung; hatten verfilztes Haar und schmutzige Haut. Dreck, Sonne und Alltag zerrten an den Fasern und zerrieben sie unaufhaltsam. Die Mienen wirkten eingefallen, müde, zerfurcht, zerklüftet. Traurige, tote Augen starrten zu den Reitern, die Staub hinter sich aufwirbelten. Über der Stadt kreisten die Geier und in den Erdhöhlen um die Stadt herum warteten die Kojoten auf die abgemagerten Menschenleiber, die bald auf der First Street liegen würden.

Vorm letzten Saloon, Heaven Hell, brachte John die Pferde zum Stehen. Er stieg ab, band seinen Hengst an, schritt die knarzenden Holzstufen hinauf aufs Podest, riss das angeschlagene Fahndungsblatt vom Stützbalken, entfernte die lederne Schutzhülle von seinem Revolver, den er vor der Brust im Brustholster trug, und ging durch die doppelflügelige Pendeltür.

Im Heaven Hell empfingen ihn atonale Klaviermusik, Männergelächter, Sägespäne, die Alkoholpfützen und Kotze kaschierten, und vollbusige Animiermädchen in langen, dunklen, hochgeschlossenen Kleidern, die über engverschnürten Korsetts hingen. John marschierte auf den Tresen zu. Niemand im Saloon interessierte sich für den staubigen Neuankömmling, der seinen Colt Thunderer im Lederholster vor der Brust trug, statt wie üblich an der Hüfte, wo John stattdessen sein 1886er-Winchester-Gewehr wie ein drittes Bein mit sich führte – noch zum Schutz in Leder gewickelt und mit Beinbändern befestigt.

Er legte das Fahndungsblatt, das nach William Emerald verlangte und 100 Bucks Belohnung versprach, auf den Tresen und salutierte heimlich der US-Flagge darüber, mit ihren 38 Sternen und den 13 Streifen. Als der Saloonbesitzer, Friedensrichter und Schankwirt Allan Sin zu ihm kam, nickte John nach draußen. Er positionierte sich so, dass er die Tür im Blick hatte, genauso wie den restlichen Saloon. Dadurch zeigte er Allan Sin die staubige Schulter. Aber der Tür dreht man schließlich niemals den Rücken zu.

Allan Sin schluckte. Seine Augen pendelten von John, zum Fahndungsblatt und zur Tür, wohinter der Gesuchte sein sollte – im erbarmungslosen Sonnenlicht. Er gönnte sich schnell einen Schluck Whiskey und schüttelte danach mit dem Kopf.

 

»Nein«, nuschelte Allan Sin ablehnend. »Das ist ein Whiteman. Kann mich nicht erinnern, ihn zum Abschuss freigegeben zu haben. Verschwinde!«

Aber John pochte mit dem Finger auf das Fahndungsblatt, auf das retuschierte, selbstgefällige Schwarz-Weiß-Lächeln von William Emerald auf krisselig, beigem Papier. »100 Bucks«, sagte er mit trockener Kehle.

Allan Sin musterte Johns Brustrevolver. Dann gab er seiner Frau, Joy Sin - einer an der Treppe nach oben in den wirklich verruchten Bereich stehenden, beleibten Chinesin mittleren Alters - zu verstehen, dass sie jemanden holen solle. Joy Sin nahm widerwillig die Stufen nach oben. Sie schimpfte mit den Armen.

John signalisierte Allan Sin, er möge ihm auch einen Whiskey geben. Als dieser sich weigerte, nickte John an ein Holzbrett mit vielen kleinen Holztafeln und Namen darauf, denen wiederum unzählige Kerben innewohnten.

»100 Bucks«, raunte er, mit zusammengekniffenen Augen zu den Holztafeln, und erhielt den gewünschten Whiskey, mit dem eine weitere Kerbe in einer der heftiger geschundenen Holztafeln einherging.

Aus seiner Tasche holte er seine letzte schwarze Kaubohne. Er drehte sie verträumt, nachdenklich, kritisch. Da, wo sie war, gab es keine mehr. Er nahm die Kaubohne in den Mund, kaute darauf herum, schloss die Augen, schluckte und spülte mit Whiskey nach. Sofort trübte sich sein Geist; Schmerzen wurden betäubt; Nebel legte sich auf seine müden Pupillen.

Bisonbaron und Bürgermeister Sherman Mayor setzte sich neben ihn, noch am Zuknöpfen von weißem Hemd und grauer Weste über den dicken Bauch im Baumwollunterhemd und mit Röte im Gesicht, wegen vergangener Anstrengung und Lippenstift, und mit dem Geruch des Aktes an ihm.

»Das ist ein Whiteman!«, wiederholte Allan Sin nervös, »Einer der White Horses!«, und wies Sherman Mayor auf das Fahndungsblatt hin. »Wer hat diesen Unsinn verzapft?«

Der winkte ab, »Schon gut«, und orderte Whiskey für sich und seinen Gast. Dann wendete er sich dem Gast zu: »John, schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?«

»Mit den 100 Bucks besser.«

»Brauchst du das Geld?«, fragte Sherman Mayor fürsorglich.

John nickte und nippte am spendierten Whiskey.

»Gebe ich dir zu wenig Lohn?«

»Ich habe Pläne«, erwiderte John.

Sherman Mayor lachte. »Die haben wir doch alle. Vielleicht kann ich dir helfen.«

John lehnte ab. Sein Finger tippte auf die angeschriebenen 100 Bucks.

Sherman Mayor atmete tief durch. »Verstehe mich nicht falsch, John. Ich bin froh, dass sich jemand um das Problem gekümmert hat. Aber ich habe nicht erwartet, dass sich jemand um das Problem kümmert. Es diente eher der Abschreckung für diesen Schurken. Er sollte sich fernhalten. Ich dachte nicht, dass jemand den Mut besitzt, sich mit den White Horses anzulegen.« Besorgt schaute er zur Tür und durch den gut gefüllten Saloon, wo Würfelspiele, Kartentricks, Whiskey, Adams Ale und Animiermädchen Ablenkung vom harten Westen vorgaukelten. Zwischendrin lag der Prediger Godfrey Parson mit Kutte und Kilt zwischen eingepferchten Brüsten und schalem Bier auf seinem Dudelsack und schlief seinen Rausch aus. Sherman Mayor bekreuzigte sich bei diesem Anblick scheinheilig.

John sah zu ihm, fordernd.

»Du bringst uns in große Schwierigkeiten, John. Wo ist er?«

John deutete zur Tür.

Sherman Mayor zählte ein Geldbündel ab und reichte es ihm. Sofort wanderte ein Großteil des Geldes weiter zu Allan Sin, der Johns Kerbentafel umdrehte, damit Platz für neue Striche war.

Sherman Mayor und John traten vor die Tür, wo sie von 3 Schnauzbärten – grau, dick und länglich vom alten City Marshal Ed Five, braun und kompakt von seinen jungen Deputys Porter Point und Dave Star - abgefangen wurden.

»Bürgermeister, was soll der Unfug?«, zeterte Ed Five ungehalten durch seinen grauen Schnauzbart, mit einem zweiten, zerknüllten Fahndungsblatt in der Hand, und zeigte zu William Emerald, der sich unter der schwarzen Kopfhaube in der Sommersonnenhitze kaum noch im Sattel halten konnte. Im nächsten Moment kippte dieser um, fiel aus dem Sattel, verhedderte sich im Seil, das seine Hände abschnürte, und blieb seitlich reglos an seinem weißen Pferd hängen.

Porter Point stürzte sofort hin, schnitt das Seil durch und bettete William Emerald auf den Boden. Die Haube zog er vom Kopf, was einen halb zertrümmerten Schädel offenbarte, besprenkelt mit trockenen Blutfäden und hängenden Hautfetzen, den Ohrmuscheln beraubt - abgeschnitten. Porter Point schickte Dave Star zum Textilgeschäft Taylor‘s Clothes gegenüber, um medizinischen Beistand zu holen.

Ed Five rümpfte die Nase. »Das ist nicht gut.«

Sherman Mayor räusperte sich. »Wie hast du das angestellt, John?«

John schob den Schaft seiner 1886er-Winchester von der Hüfte nach vorn, um zu antworten. Unter dem ledernen Schutz könnte man William Emeralds Schädelblut vom Gewehrschaft abwischen.

»Dafür habe ich dir das Ding nicht gegeben«, munkelte Sherman Mayor. »Die Ohren?«

»Damit mich die Toten nicht hören«, erwiderte John.

»Bürgermeister!«, schnaufte Ed Five ungehalten, »Da haben Sie uns etwas eingebrockt! Wie sollen wir das erklären? Wie sollen wir das da den White Horses erklären?«

»Ein Schurke, der meine Emma beschmutzte«, erwiderte Sherman Mayor. »Zur Hölle mit ihm!«

Ed Five stierte in die Ferne, zum Ausgang der Stadt, wo man meilenweit nichts als staubige, steinige Prärie, kniehohe Wüstensträucher und vereinzelte, vegetationsarme Bergketten sah. »Hätten Sie uns nicht vorher einweihen können? Dann hätten wir uns vorbereiten können, hätten Männer rekrutiert, hätten Barrikaden errichtet, hätten die Armee um Hilfe gebeten.«

»Hören Sie auf zu backen, Marshal. Die White Horses sind hundert Meilen weit weg. Die werden sich nicht wegen dieses Schurken auf die Reise begeben.«

Ed Five verdrehte die Augen, denn er rechnete mit dem Schlimmsten – eine Invasion der Banditenbande.

»Papa?«

Die 3 Männer vorm Saloon drehten sich um. Emma Mayor, eine junge Dame, die eben erst empfängnisbereit und heiratsfähig geworden war, stand fassungslos hinter ihnen und starrte auf William Emerald, der gerade wie ein Häufchen Elend im Arm von Porter Point in die ewigen Jagdgründe einfuhr.

»Will!«, schrie sie und rannte entsetzt zum Sterbenden, mit der kalten Schulter für ihren Vater. Sie kniete sich weinend hin und nahm den zerschundenen Kopf ihres Angebeteten zwischen die Hände. »Papa, was hast du getan?«

Sherman Mayor biss sich auf Lippe, konnte aber seine Souveränität schnell wiedergewinnen und begradigte seinen Rücken. »Der Schurke hatte schlechten Einfluss auf dich, mein Engel. Wolltest du auf dem Rücken seines Gauls in der Steppe verdursten?« Er ballte die Fäuste. Seine Tochter hatte viel unschicklichere Dinge mit dem Mistkerl getrieben, doch das wollte er nicht in der Öffentlichkeit breittreten.

»Wir lieben uns!«, schrie Emma Mayor verheult, verzweifelt, verbittert und spuckte dabei Porter Point unbeabsichtigt ins Gesicht. Der nahm es wie ein Kavalier und ließ den Mädchensabber unkommentiert an seiner schmutzigen Wange hinabtropfen.

Dave Star kam mit Claire Taylor aus ihrem Textilgeschäft angelaufen. Sie hatte ein kleines Täschchen dabei. Bei William Emerald hockte sie sich neben Emma Mayor und untersuchte den halbskalpierten Schädel des Opfers. Nach wenigen Handgriffen sah sie zum City Marshal Ed Five und zum Bürgermeister Sherman Mayor und schüttelte sachte mit dem Kopf, damit Emma Mayor neben ihr nicht unmittelbar Wind vom unabwendbaren Tod ihrer unerwünschten Liaison bekam.

Ed Five schnalzte mit der Zunge. Ein großer Schwall aufgeheizter, trockener, staubiger Luft wanderte in ihn. »Unsere Probleme wachsen. Der Frieden ist vorbei.«

»Bellen Sie keinen Knoten an!«, entgegnete Sherman Mayor. »Diese idiotischen White Horses werden doch nie bemerken, dass einer fehlt.«

Die Augen vom City Marshal und seinen beiden Deputys, die beim Sterbenden verweilten und die gleichen Gedanken wie ihr Vorgesetzter hegten, trafen sich unheilvoll. »Bei allem Respekt, Bürgermeister, Sie unterschätzen die White Horses.«

Sherman Mayor grunzte leger. »Bis auf diesen Schurken habe ich noch keinen Whiteman hier gesehen. Die halten sich von Paradise City fern, weil sie wissen, dass wir uns wehren und dass Strang oder Kittchen auf sie warten.«

Ed Five verneinte mimisch, was Sherman Mayor nicht registrierte. »Ich kann Ihnen nicht sagen, warum, aber die White Horses machten einen Bogen um uns, glücklicherweise. Sie hatten ja auch keinen Grund, uns heimzusuchen. Außer Dürre und Plörre gibt es hier nicht viel.«

Sherman Mayor schaute ihn herablassend an. »Meine Ranch. Aber das ist eine Festung. Und wenn die tausend Patronen meiner Leute verschossen sind, dann trampeln meine tausend Bisons diese mickrige Pferdegang nieder.«

»Das nützt der Stadt auch nichts«, sagte Ed Five. »Wir haben weder tausend Patronen noch tausend Bisons. Sie könnten uns ja etwas abgeben, wenn Sie uns schon das Wasser des Dead Creek vorenthalten.«

Sherman Mayor lachte mit geschlossenem Mund. »Meine Ranch ist sehr viel mehr wert als diese dreckige Stadt. Lieber würde ich dieses Drecksloch hier opfern als auch nur ein Gewehr von meinem Land abzuziehen. Und der Dead Creek ist Lebensgrundlage für meine Tiere. Gäbe es meine Bisons nicht, gäbe es Paradise City nicht. Die paar hundert Bürger können sich ihr Wasser aus dem Silo holen. Tausend Bisons, aber, brauchen Fläche und Fließendwasser, am Boden. Und Sie, Marshal, wollen bestimmt nicht flussabwärts nach meiner Herde aus dem Bach trinken, oder? Ohne das Fleisch für die Mäuler, das Fell für die Wärme, die Häute für das Leder, die Knochen für das Porzellan, den Kot für den Dünger und die Milch für die Kinder würde kein einziger Bürger auch nur einen weiteren Tag auf diesem gottverlassenen Stückchen Erde überleben.«

»Sie haben viel übrig für die Stadt, deren Vorsteher Sie sind, Herr Bürgermeister«, stichelte Ed Five angriffslustig.

Sherman Mayor wedelte abwertend mit der Hand. »Machen Sie kein Bison aus einer Mücke, Herr Halbsheriff. Denken Sie daran, dass ich und die Bürger, die für mich arbeiten und von meinem Geschäftssinn profitieren, den Marshal-Stern vergeben.«

»Glauben Sie, es gibt einen anderen Trottel, der das hier machen würde?«, provozierte Ed Five mit dem Fingerzeig zum 5-Zack-Stern auf seiner Brust halblaut, wurde aber von Emma Mayors herzzerreißendem Aufschrei überboten.

»Nicht!«, rief noch Claire Taylor, doch Emma Mayor sprang auf William Emeralds weißes Pferd, zerschnitt das Band zum schwarzen Hengst von John und ritt davon.

»Emma!«, zürnte Sherman Mayor, »Komm zurück!«

Aber seine Tochter donnerte durch die Stadt, um im Galopp aus dieser zu verschwinden.

Sherman Mayor biss die Zähne zusammen. »Jesses Crickets! John!«

John drehte seinen Kopf zum Bürgermeister.

»Bring mir meine Tochter wieder!«

»Nein«, versuchte Ed Five weiteres Unheil zu verhindern, »wir dürfen die Tore zur Hölle nicht noch weiter aufstoßen!«

Sherman Mayor tötete ihn mit Blicken. »Sie ist meine Tochter, verdammt! Halten Sie sich da raus!«

Er widmete sich John. »Ich verdoppele das Kopfgeld auf 200 Bucks. Lebend!«

John nickte und schloss den Lederschutz seines Revolvers, um die Funktionsfähigkeit, trotz der Strapazen aus Sand, Staub und Hitze, zu gewährleisten.

»Bring sie zurück«, flüsterte Sherman Mayor versöhnlicher, voller väterlicher Sorge.

Beim Rappen stellte sich Porter Point neben John, der gerade seine 1886er-Winchester im Sattel verstaute, einige Meter von Sherman Mayor und Ed Five entfernt, die sich gegenseitig mit bösen Augenpaaren löcherten.

»Wir wissen alle, wo Emma hinreitet«, sagte Porter Point skeptisch.

»Ja«, antwortete John, ohne ihn anzublicken.

»Das ist ein Hornissennest. Wenn sie dort ankommt, wird Paradise City unter den Hufen der White Horses zertrampelt.« Porter Point blickte über die Stadt, die schon jetzt dem prophezeiten Anblick glich. »Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie kommt nie dort an oder sie kommt nie wieder zurück.«

»200 Bucks«, raunte John unbeeindruckt.

»Wo willst du die 200 Bucks ausgeben, wenn nichts mehr von der Stadt übrig ist?«

John blickte auf, aber nicht zu Porter Point, sondern zum ersten Stock vom Saloon, wo schwarze Vorhänge die Fenster verdunkelten. Ein sehnsüchtiger Blick.

 

»Sprichst du jetzt für den Marshal?«

»Ich spreche für Paradise City, dessen Gesetze ich vertrete«, sagte Porter Point und zeigte auf den 5-Zack-Stern an seiner Brust.

»Bekomme ich vom Marshal oder von Paradise 200 Bucks, wenn Emma für immer verschwindet?«

Porter Points Augen huschten zu Claire Taylor, die nicht weit von ihm stand und das Gespräch mitbekam, dann zu Dave Star, dem die Situation egal schien, dann zu Sherman Mayor, der seiner einzigen Tochter nachtrauerte, dann zu Ed Five, der bereits im Kopf zu überschlagen schien, wie man die Stadt verbarrikadieren könnte. Er zögerte mit der Antwort.

John brummte abgeneigt und stieg auf.

Er musste sich beeilen, ehe Emma Mayor zu viel Vorsprung aufbaute, denn er und sein Hengst hatten heute schon eine enorme Strecke auf sich genommen, um William Emerald aufzuspüren, halb zu skalpieren, nach Paradise City zu chauffieren und ins Totenreich zu überführen. Noch so ein Ritt durch die Gluthitze würde Mensch und Tier selbst dem Schöpfer gegenüberstellen.

John wusste, wie auch Deputy Porter Point, dass Emma Mayor nur ein Ziel kannte, das sich auch noch mit dem des Pferdes deckte. Natürlich hätte sie auch zur Ranch ihres Vaters reiten können, nur 2 Meilen vor der Stadt, dem ausgetrockneten Dead Creek bis zum künstlichen Staudamm folgend, um dort im Hass ein paar seiner wertvollen Bisons abzuknallen, doch der Umgang mit dem Schießeisen dürfte dem fein erzogenen Mädchen schwerfallen. Sherman Mayor tat alles, damit seine Tochter Lesen, Schreiben und Klavierspielen lernte, enthielt ihr jedoch das wahre Leben vor, das auf Kämpfen, Schießen und Überleben basierte. Wenigstens Reiten konnte sie, wie jeder in den Staaten, außerhalb der Industrie- und Kolonialstädte an der Ostküste. Wer aus der Wiege fällt, landet im Sattel, heißt es im Grenzland.

Eine kleine Staubwolke wanderte einige Meilen vor John weg von der Stadt. Er folgte dem Schauspiel und den frischen Spuren, die das weiße Pferd der Gang in die Steppe stanzte, ausgedörrte Wüstensalbeisträucher zertrampelnd. Sein schwarzer Percheron – ein Nachfahre des europäischen Ritterpferdes, voller Anmut, Stärke und Wucht, mit annähernd sechseinhalb Fuß Stockmaß und über 20 Zentner - musste nicht groß geleitet werden. Das Tier witterte den Artgenossen. Die Nüstern waren lüstern gebläht.

Emma Mayor schien wild entschlossen. Sie legte keine Pause ein, selbst als es dämmerte, drosselte sie keineswegs das Tempo. Mit abnehmendem Licht und zunehmender Dunkelheit fiel es John immer schwerer, ihr optisch zu folgen. Er konnte bis auf wenige hundert Yards heranreiten, gab jedoch Acht, dass er seinen Hengst nicht bis ans Limit oder darüber hinaus trieb.

Nach mehreren Stunden Verfolgung verlor er schließlich Emma Mayors Spur. Er stoppte seinen keuchenden Percheron, schloss die Augen und versuchte, mit seinen Ohren die Geräusche aus allen Richtungen zu orten. Bis auf vereinzelte Kojotenrufe, rasselnde Schlangen und das Abtragen der Landschaftsoberfläche durch den stetigen Wind, der sich an den langen Bergketten der weiten Täler brach, konnte er nichts vernehmen. Den allnächtlichen Temperatursturz nahm er erst jetzt wahr. Kälte kroch unter seine Kleidung. Einzig die Wärme des bebenden Hengstes schützte ihn vor der unerbittlichen Kälte. Zu gefährlich wäre ein Weiterreiten gewesen. Sie hätten stürzen können, mit John, der unterm Percheron begraben würde oder seinem Tier den Gnadenschuss versetzen müsste, um ihm die Qual siechender Zersetzung nach Verletzung zu ersparen. Er hätte sich Hengsthappen herausschneiden, sie überm Feuer rösten und die Flüssigkeiten – Urin und Blut – sammeln müssen, um bis zur nächsten, etwa 2 Tagesmärsche entfernten Stadt wandern zu können, wo er sich ein anderes Pferd hätte ergaunern müssen. Und das alles für 200 Bucks, die er nicht bekäme, weil ihm Emma Mayor entwischte.

Er stieg ab, suchte an den schroffen Felsen eine windgeschützte Stelle, teilte sich mit seinem Tier den letzten Rest Adams Ale aus seiner Feldflasche, und wärmte sich an die Felswand gelehnt mit der Decke, die er stets im Sattel zusammengerollt mitführte.

»Du bist nicht William«, schallte eine kratzige Stimme durch die Nacht.

Der Hengst scheute kurz, beruhigte sich aber schnell, denn John machte keine Anstalten, überhastet aufzuspringen. Unter der Decke hielt er seinen Colt Thunderer schussbereit. Seine Augen suchten in der Dunkelheit nach Schemen.

»Wer bist du?«, fragte die Stimme.

John spannte den Hahn geräuschvoll, damit es der ungebetene Gast auch hörte. Der kürzere Abzugsweg würde den ersten Vorteil im Gefecht bringen.

»Denkst du, ich nähere mich dir, ohne Rückendeckung?«, lachte die Stimme. »Noch bist du für mich lebend wertvoller als tot. Also, wo ist William?«

»Von wem sprichst du?«, fragte John düster.

Die Stimme feixte dreckig. »Du weißt genau, von wem ich spreche. Wir befinden uns hier in meinem Territorium. Wenn hier jemand nach William fragt, pissen sich die Ängstlichen ein und die Mutigen ducken sich weg.«

Der Fremde trat an John heran und stellte sich vor ihn – die Arme in die Seite gestemmt. Ein Auge ruhte auf ihm; das andere versteckte sich hinter einer weißen Augenklappe, die sich von der Dunkelheit gespenstisch abhob.

»Sag nicht, du kennst mich nicht?«

John blieb sitzen. Die verborgene Mündung zielte auf den Fremden. »Gee?«

Der Fremde lachte, was sich an den trostlosen Steilhängen brach. »So ähnlich. Robert White.« Er wartete eine Reaktion ab, doch von John kam nichts. »Robert White«, wiederholte er eindringlicher.

»Nie von dem gehört«, bluffte John unbeeindruckt.

»Der Anführer der White Horses«, versuchte es Robert White noch einmal und war ein wenig geknickt von der tatsächlichen Reichweite seines Renommees. Er zog seinen Revolver, ließ ihn aber am Arm baumeln. »Steck deine Waffe weg. Du wirst mich in der Dunkelheit ohnehin nicht treffen.«

»Lassen wir es auf einen Versuch ankommen«, konterte John.

Robert White grinste diabolisch. »Du gefällst mir. Hast du Lust an meiner Seite zu reiten?«

»Und zu plündern und zu vergewaltigen und zu morden?«

»Du kennst mich also doch?«, zeigte sich Robert White zufrieden. »Schluss mit dem Poussieren!« Er spannte seinerseits den Hahn. Sein Ton wurde grantig: »Was hast du hier verloren, Gringo?«

»Ich raste.«

Robert White schaute sich um, auch der nachtschwarze Percheron bekam wohlwollende Blicke. »Ein schönes Ross. Für unsere Streifzüge müsstest du es aber gegen ein weißes eintauschen«, er lachte schief, »sonst wären wir ja nicht mehr die White Horses.«

Dann zielte er auf den Kopf des Percherons. »Liebst du dein Ross?«

Johns Augen zogen sich zusammen. Er erhob sich langsam, immer mit dem Rücken an der Felswand. Unter der herabfallenden Decke kam der Colt Thunderer zum Vorschein, auf den Fetten Käfer gerichtet.

»Endlich auf Augenhöhe«, kommentierte Robert White, der Käfer, genüsslich. »Runter vom Meer! Du bist kein Reisender, ohne Gepäck. Du bist kein Trapper, ohne Felle. Du bist kein Soldat, ohne Uniform. Du bist kein Marshal, ohne Stern. Du bist kein Bandit, denn sonst würde ich dich kennen. Wer bist du und was, beim Ingwer, machst du hier?«

»Freunde nennen mich John

»Sind wir Freunde, John

»Feinde sind wir noch nicht«, John nickte auf den Lauf, der auf den Kopf seines Percherons zielte.

»Ok, John, der keinen richtigen Namen hat«, senkte Robert White den Lauf, »erzähl mir von William.«

John zuckte mit den Schultern. Auch er senkte den Lauf. Er roch andere Männer, die ihn eingekreist hatten: Schweiß, Mundgeruch, altes Leder, Schinken, Pferdemist, Zündrauch, Eisen, Whiskey, Schweineblut.

»Dann will ich genauer werden, Gringo. Wieso reitet mir eine kleine Hure in die Arme, auf Williams Pferd, gefolgt von einem John, der weder Soldat noch Marshal ist, aber ein brandneues 1886er-Winchester bei sich führt?«, deutete Robert White neidisch auf den Pferdesattel, an dem das Gewehr verschnürt war und aus der Schutzhülle blitzte, um schneller darauf zugreifen zu können.

»Gutes Auge«, scherzte John.

Robert White setzte fort: »Mit einem Ross, so groß und muskulös und schwarz, wie ich es noch nie sah?« Er machte eine Geste mit dem Finger, wonach sich ein paar Männer zu beiden Seiten neben John postierten. Alle Männer trugen dunkle Halstücher vor Mund und Nase, und die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen, dass weder Mondschein noch Sternenlicht Glanz in den Pupillen erzeugen konnten.

»Gib mir Ross samt Gewehr und du kannst gehen«, offerierte Robert White. »Ich werde diese kleine Hure nicht fragen, warum sie auf Williams Pferd ritt. Ich werde sie töten und den Schweinen zum Fraß vorwerfen, William vergessen und auf dem schwarzen Ross die neugegründeten Black Hogs anführen. Du wärst ein freier Mann.«

»Wie frei kann ein Mann sein, ohne Pferd und Gewehr?«

Robert White lächelte dünn. »Dein Leben hat seinen Preis.«

Emma Mayor bäumte sich gegen Knebel und Fesseln auf, konnte aber nicht mehr als einen stummen, kindlich weiblichen Laut erzeugen. Einer der Whiteman hielt sie fest.

Robert White breitete die Arme aus. »Oder wir kommen auf mein erstes Angebot zurück und ich darf dich als neues Mitglied begrüßen.«

»Wieso bist du dir so sicher, dass ich dich nicht von hinten erschieße, wenn ich die Gelegenheit bekomme?«, brummte John.

Robert White warf den Kopf in den Nacken, mit dem Blick in den Nachthimmel, und prustete laut los – vor allem Emma Mayor zuckte zusammen. »Ein Schalk fehlt mir noch in meiner Truppe. Kannst du auch Tanzen oder Feuerspucken?«

»Ich kann das hier«, baute John Spannung auf.

Er schnalzte, als er seine Zunge am oberen, harten Gaumen abstieß. Wie vom Blitz getroffen, trat sein Percheron nach hinten aus und erwischte ein paar Banditen, dann donnerte er los, rannte Robert White um und ließ John aufspringen, der sich mit ein paar Kugeln den Weg freischoss. Die ersten Kontergeschosse folgten sogleich und trafen John im unteren, seitlichen Rücken. Er duckte sich auf seinen Percheron und gab ihm Sporen. Steinchen schleuderten hoch und wurden zu Hilfsgeschossen, die weiteres Gegenfeuer unterbanden.

Irgendwann verlor John das Bewusstsein. In letzter Geistesgegenwart hatte er sich fest am Sattel vertäut, um nicht herunterzufallen.

In den letzten Nachtstunden trabte sein schwarzer Percheron über die Gleise von Paradise City, bedacht darauf, dass die fragile Fracht nicht herunterplumpste. Das Tier hatte selbst kaum noch Kraft, steuerte aber zum Saloon Heaven Hell, in eine Nebengasse, wo es mit schier letzten Reserven wieherte und den Hufen scharrte. Nach mehrmaliger Wiederholung hörte man leise eine Kette über Holzboden schleifen und Kettenglieder aneinander klirren. Ein Fenster öffnete sich, im ersten Stock, wo schwarze Vorhänge den Tag aussperrten.

Mademoiselle Mallory schaute heraus. Sie war kein Bleichgesicht, keine Negerin, kein Schlitzauge, keine Bohnenfresserin. Sie trug Narben im Gesicht, auf der Stirn, unter den Augen, am Kinn und am Hals, gemusterten Schlangenkörpern ähnlich, die sich kreuzten. Kunstvoll gezeichnete Narben, die keinem Zufall entsprungen waren. Ihre schwarzen Haare weilten unter einem Kopftuch, das der Handkunst eines mystischen, nomadischen, naturnahen Volkes entsprang. Ihre dunklen Augen strahlten geheimnisvolle Schönheit aus, als würde sich das Feuer der Hölle mit den Wolken des Himmels in einer alles verschlingenden, dunklen Dachshöhle bekriegen. Sie erkannte umgehend, welches Pferd den sonst krähenden Hahn unterbot und welche Fracht auf dessen Rücken flach atmete.