James Bond für Besserwisser

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Das Motiv des vorgetäuschten oder angedeuteten Todes findet sich auch in „Diamantenfieber“ (1971). Hier ist nicht James Bond das Opfer, sondern Ernst Stavro Blofeld (Charles Gray59) bzw. dessen Doppelgänger, der echte Blofeld lebt noch. Bei der Vorgehensweise orientierte man sich am Vorgänger „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969), in dem Bonds Gesicht erst sehr spät gezeigt wurde.60

Da in „Casino Royale“ (2006) die eigentliche Pre-Title-Sequenz nicht vor dem Titelvorspann, sondern vor der Gun-Barrel-Sequenz abläuft, müsste man sie „Pre-Barrel-Sequenz“ nennen.

In den meisten 007-Filmen wird der jeweilige James-Bond-Darsteller in diesem kurzen Film vor dem Film eingeführt.

Viele deutsche und englische Filmtitel haben mit Tod, Leben und Sterben zu tun: „Man lebt nur zweimal“, „Leben und sterben lassen“, „In tödlicher Mission“, „Im Angesicht des Todes“, „Der Hauch des Todes“, „Lizenz zum Töten“, „Der Morgen stirbt nie“, „Stirb an einem anderen Tag“. Romane oder Kurzgeschichten tragen Titel wie „Leben und sterben lassen“, „Tod im Rückspiegel“, „Du lebst nur zweimal“, „Der Hauch des Todes“, „Niemand lebt für immer“, „Sieg oder stirb, Mr. Bond!“, „Lizenz zum Töten“, „Tödliche Antwort“, „Der Morgen stirbt nie“, „Tod auf Zypern“, „Stirb an einem anderen Tag“, „Stille Wasser sind tödlich“, „Zurück kommt nur der Tod“, „Reden ist Silber, Schweigen ist tödlich“, „Der Tod kennt kein Morgen“ und „Der Tod ist nur der Anfang“.

3) Die Einführung James Bonds

Meist führen die Gun-Barrel-Sequenzen 007 ein - was besonders beim Darstellerwechsel immer für Spekulationen sorgte.

Ausnahme bleibt Roger Moore. Er war im Pre-Title von „Leben und sterben lassen“ (1973) gar nicht zu sehen, im Folgefilm „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) ist er wenige Sekunden im Bild - als Wachsfigur.

In „Der Hauch des Todes“ (1987) erscheint zur Bondmelodie Timothy Daltons Gesicht in Großaufnahme. Der Darstellerwechsel von Moore zu Dalton war vergleichsweise unproblematisch und unkompliziert. Anders beim Wechsel von Sean Connery zu George Lazenby: Wie sollte man den unbekannten Dressman Lazenby beim Publikum einführen, nachdem Sean Connery in der Rolle des 007 weltberühmt geworden war?

Die Drehbuchautoren zeigten das Gesicht des neuen Darstellers erst recht spät; seine Gestik, das Fahren eines schnellen Autos, das Anzünden einer Zigarette und das Öffnen des Handschuhfachs bereiten auf den spannenden Moment der Gesichtsenthüllung vor. Darum rettet Bond - noch immer fast gesichtslos (in ganz kurzen Zwischenschnitten ist das Gesicht bereits zu sehen) - Tracy Di Vicenzo (Diana Rigg61), die sich ertränken will, aus dem Meer. Erst als er sich über sie beugt und sich mit dem lässigen „Mein Name ist Bond, James Bond“ vorstellt, schaut der Zuschauer George Lazenby in die Augen. Um dieser Lässigkeit und dem augenscheinlichen Darstellerwechsel noch eine Prise Humor zu verleihen, flüchtet das Mädchen kurz darauf mit Bonds Aston Martin DBS, was ihn zu der Aussage verleitet: „Das wäre dem anderen nie passiert.“ (im Original: „That never happened to the other fella.“) Connery sind die Frauen eben nicht einfach abgehauen. Das ist eine der wenigen Szenen, in denen sich der Filmagent direkt an das Publikum wendet. Ein weiteres Mal geschah dies nur im inoffiziellen Film „Sag niemals nie“ (1983). Von Domino (Kim Basinger62) gefragt, ob er nicht zum Geheimdienst zurückkehren wolle, sagt Bond (Sean Connery): „Nein, nie wieder“, und zwinkert dem Publikum zu.

Auch wenn „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) keine großartigen Kritiken bekam und sich erst im Laufe der Jahre zu einem James-Bond-Kultfilm entwickelte, so war der Darstellerwechsel mit einem Fünkchen Ironie am Ende der Pre-Title-Sequenz doch geglückt.

Zu einem zweiten Bond-Film mit George Lazenby in der Hauptrolle kam es nicht. Angeblich soll Lazenby wegen seiner Publikumsunwirksamkeit gefeuert worden sein, doch er selbst bat darum, aus den Verträgen entlassen zu werden und keinen zweiten Bondfilm zu drehen.

[no image in epub file]George Lazenby genießt die Royale Premiere von „Stirb an einem anderen Tag“ (2002)

Diese Entscheidung ist auch auf einen Berater zurückzuführen, der dem Darsteller einredete, ein gelackter Anzugträger wie Bond habe keine Zukunft und würde von Figuren in Filmen wie „Easy Rider“63 verdrängt werden.

So konnten Harry Saltzman und Albert R. Broccoli gerade wegen der Zuschauerresonanz problemlos zustimmen, als Lazenby als Bond ausstieg. Connery kam in „Diamantenfieber“ (1971) zu seinem ersten 007-Comeback. Im Nachhinein ärgerte sich George Lazenby über seine Entscheidung im Jahre 1970. In Interviews betonte er immer, er hätte zumindest noch einen zweiten Film machen sollen, um es allen zu zeigen.

Timothy Dalton, der Darsteller nach Roger Moore, machte nur zwei Filme, dann kam nach einer 6-jährigen Pause der Wechsel zu 007 Nr. 5: Pierce Brosnan.

Wegen seines aalglatten, geschniegelten Auftretens wurde Brosnan von den Kritikern als Kleiderständer bezeichnet. Regisseur Martin Campbell wagte eine Einführung des neuen 007, auf die sich die Kritiker voller Häme stürzten: James Bonds Gesicht ist in der Pre-Title-Sequenz von „GoldenEye“ (1995) erstmals zu sehen, als er kopfüber in einer Toilettenkabine hängt.64

„Der neue Bond, ein Griff ins Klo“, titelte eine Zeitung - Fehlanzeige, denn „GoldenEye“ wurde der bis dato erfolgreichste 007-Film. Ganz richtig ist die Einführung nicht beschrieben, denn Brosnans Augen sieht man schon ein paar Einstellungen früher. Die geheimnisvolle Enthüllung erinnert stark an George Lazenbys ersten Auftritt.

Brosnan blieb vier Filme lang der britische Geheimagent. Dann musste er seine Doppelnull an Daniel Craig abgeben. Auch dessen erster Film wurde wieder von Regisseur Martin Campbell inszeniert. Nachdem die Presse Craig schon vor Drehbeginn als Null abgestempelt hatte, war der Einstand mehr als schwierig. Die Einführung erfolgte filmisch als Rückblende und zeigt einen harten, rücksichtslosen Bond, der zwei Morde begeht, um seine Tötungslizenz, die Doppel-Null, zu bekommen. Dies war nicht nur der zweite Bond-Film, bei dem Martin Campbell Regie führte, sondern auch der zweite von ihm, in dem Bond wieder eine seiner ersten Szenen auf einer Toilette hat.

Aber wie erfolgreich, oder besser angreifbar, die Einführung eines neuen Darstellers der Rolle des 007 auch war: Am Anfang waren immer alle gegen ihn, da ist Daniel Craig keine Ausnahme.

Sogar Ian Fleming legte vor „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) sein Veto ein. Er fand, Connery passe gar nicht in die Rolle des englischen Gentleman. Er gleiche mehr einem Bauarbeiter als einem Agenten. Er sei zu hart und zu männlich. Außerdem hasste Fleming Connerys schottischen Akzent, so Drehbuchautor Tom Mankiewicz.

George Lazenbys Einstand war nach Connerys Durchbruch als 007 ebenso ungern gesehen. Fleming war zwar schon fünf Jahre tot, doch das Publikum war strikt gegen Lazenby und warf dem Australier vor, er habe keine Schauspielerfahrung. Die Presse machte sich über ihn lustig, weil er Werbung für Schuppenshampoo gemacht hatte. Warf man Connery zu starke Männlichkeit vor, so kritisierte man das Fehlen der Männlichkeit bei Lazenby.

Als schließlich Roger Moore65 auf der Bildfläche erschien, musste er sich ebenfalls mit Connery vergleichen lassen und wurde vor dem Filmstart schon als Weichei abgestempelt. Moore sei eine Witzfigur, hieß es. Er sei nicht erotisch genug.


Aber auch er machte erfolgreiche James-Bond-Filme. Als die Presse ihn aufgrund seines Alters 0070 nannte, wusste Moore, dass er als Bond aufhören musste. Schon bei den Dreharbeiten zu seinem vorletzten 007-Abenteuer „Octopussy“ (1983) sagte der damals 55-jährige bei Aufnahmen im Auktionshaus Sotheby's, er habe Angst, dass er inmitten der ganzen Antiquitäten versehentlich versteigert werde.

Timothy Dalton war ein erfahrener Bühnendarsteller und auch erfolgreich in Filmen aufgetreten. Da „Der Hauch des Todes“ (1987) einen harten 007 zeigen sollte - so viel wusste man im Vorfeld - konnte man Dalton kein Waschlappenimage aufdrücken. Schon Roger Moore war in seinen sieben James-Bond-Filmen immer selbstironischer und weicher geworden, das Publikum akzeptierte das. Also suchte man nach einem anderen schwachen Punkt. Der war zunächst Daltons Aussehen. Er käme, besonders bei den amerikanischen Frauen, kaum an. Diese Annahme bewahrheitete sich nicht.

Ironischerweise bediente sich die Presse beim zweiten Versuch, negative Schlagzeilen zu schreiben, der Grundidee von „Lizenz zum Töten“ (1989): In diesem Film dringt der Agent in die Organisation des Drogenbarons Franz Sanchez ein und weckt bei den Schurken untereinander ein solches Misstrauen, dass am Ende alle gegeneinander arbeiten und Sanchez' Imperium von innen zerstört wird. Die Presse also griff Insiderinformationen auf, Regisseur John Glen, das Filmteam und Timothy Dalton kämen nicht auf einen Nenner. Dalton wollte die Figur anders anlegen, und John Glen wollte seine Autorität als Regisseur nicht untergraben lassen.

Tatsächlich wollte Dalton sich mit seinem 007 den Fleming-Romanen annähern und den Realismus in die Serie zurückbringen. Er untersagte beispielsweise den Maskenbildnern am Set, ihn zu kämmen. Begründung: Wenn Bond einen Fallschirmsprung hinter sich hat, dann können seine Haare nicht wie frisch gekämmt liegen. Aber Glen war nicht immer seiner Meinung, und da Bond Fiktion ist, könne er mitunter auch nach halsbrecherischen Actionszenen wie aus dem Ei gepellt auftreten. Das, was man bei den Moore-Filmen immer wieder gefordert hatte, die Härte nämlich, wurde bei „Lizenz zum Töten“ (1989) von den Kritikern als fehl am Platze beschrieben. Sie nannten Daltons James Bond „Rambond“ - in Anlehnung an den gewalttätigen John Rambo aus der gleichnamigen Filmreihe.66

 

Auch wenn diese Dinge aufgebauscht wurden, trugen sie dazu bei, dass sich Dalton nach sechs Jahren Wartezeit auf seinen potenziellen dritten Bond-Film aus dem Agentengeschäft zurückzog. Er wurde nicht gefeuert, sondern bat um einen Aufhebungsvertrag. Am 12. April 1994 wurde dies der Öffentlichkeit mitgeteilt. Man mag es als Ironie des Schicksals ansehen, dass Pierce Brosnan am 1. Juni 1994 die Zusage für die Rolle des 007 in „GoldenEye“ (1995) erhielt.

Was bei Dalton angeblich gefehlt hatte, hatte Brosnan zu viel. Von einem Schönling, einem Schuljungen im Anzug war die Rede. Deshalb bat Martin Campbell67 Brosnan darum, sich einen Dreitagebart stehen zu lassen, um etwas rauer und männlicher zu wirken; nach dem Erfolg von „Der Morgen stirbt nie“ (1997) verzichtete man darauf.

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Hat James Bond in „Casino Royale“ (2006) wiederbelebt - Regisseur Martin Campbell

Mangelnde Härte, Feigheit, schlechtes Aussehen und Inkompetenz warf man Daniel Craig vor. Er wurde mit Schwimmweste an der Themse der Weltpresse vorgestellt („Beckenrandschwimmer“), konnte angeblich nicht Auto fahren, holte sich bei den Dreharbeiten auf den Bahamas einen Sonnenbrand und wäre der hässlichste 007, seit es die Filmfigur gibt.

Nachdem der Film „Casino Royale“ (2006) explosionsartig gestartet war, verstummten die Kritiker wieder. Dokumentationsmaterial, das erst nach dem Filmstart freigegeben wurde, zeigt Craig am Tag des Pressetermins, wie er verblüfft fragt, ob er wirklich diese lächerliche Schwimmweste tragen müsse. Ja, er müsse: „Versicherungstechnische Gründe“. Craig kann problemlos Auto fahren, brauchte lediglich eine kurze Einweisung für einen Bagger am Set.

Den Sonnenbrand holte sich Craig bei den Dreharbeiten im Wasser in der prallen Sonne und durch eine Reflexionspappe, die dem Darsteller die Sonne immer von derselben Seite an den Körper scheinen ließ.

Fazit: Jeder Darsteller hatte einen schlechten Start, wenn man der Presse glauben darf.

Connery war zu männlich und hart, Lazenby zu hässlich, Moore zu weich und glatt, Dalton zu hässlich, Brosnan zu schön und Craig wieder zu hässlich und unfähig. Dann wird James Bond Nr. 7, wer auch immer es sein mag, wohl wieder ein Schönling allererster Güte werden.

4) „Casino Royale“ (2006) - mehr Neubeginn als Rückblick

Der neue James-Bond-Film „Casino Royale“ (2006) geht zurück zu den Anfängen und zeigt den frühen 007, wie er einen Entwicklungsprozess durchmacht, der ihn zu dem werden lässt, den das Publikum aus 20 anderen Filmen kennt und den es so liebt? Falsch. „Casino Royale“ (2006) ist kein Einblick in die Anfänge der Entwicklung des James Bond68, sondern zeigt, wie Bond seine 00-Nummer durch zwei Auftragsmorde erhält. Das könnte bedeuten, dass dieser Film zeitlich vor „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) spielt, denn in diesem ersten offiziellen James-Bond-Film ist Bond bereits Nr. 007.

Folgende Dinge führen diese Theorie ad absurdum: James Bond besitzt in „Casino Royale“ (2006) schon seine Walther PPK - in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) bekommt er sie aber erst von seinem Chef „M“ ausgehändigt. „M“ ist im ersten James-Bond-Film ein Mann (Bernard Lee69, dann Robert Brown70), in „Casino Royale“ (2006) jedoch eine Frau (Judi Dench71), die seit „GoldenEye“ (1995) diesen Posten innehat („Ich habe gehört, der neue „M“ ist eine Lady“, so Valentin Zukovsky in „GoldenEye“(1995)).

Und: 007 erfindet seinen berühmten „Wodka-Martini“ und nennt ihn nach Vesper Lynd, doch hat er ihn schon jahrelang in allen Lebenslagen getrunken.

James Bond lernt Felix Leiter kennen - schon zum zweiten Mal, denn auch in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) begegneten sich die beiden Männer und kannten einander nicht!

James Bond bekommt den Aston Martin DB5 in „Goldfinger“ (1964) als Dienstwagen mit zahlreichen Extras und benutzt ihn ebenso in „Feuerball“ (1965). In „GoldenEye“ (1995), „Der Morgen stirbt nie“ (1997) und „Die Welt ist nicht genug“ (1999) fährt er das gleiche Modell als Privatwagen, und dann sehen wir plötzlich, wie Bond den Wagen in „Casino Royale“ (2006) beim Pokern von seinem Widersacher Dimitrios (Simon Abkarian72) gewinnt. Spätestens jetzt sollte das logisch denkende Gehirn eine Pause machen.73

[no image in epub file]Aston Martin DB5 - Der Bond-Wagen schlechthin.

„Casino Royale“ (2006) spielt weder vor „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) noch danach. Der Film ist eher ein Neubeginn. Und gerade diese verwirrende Tatsache löste bei den Kinogängern Diskussionen aus. Warum tut man so etwas? Warum zerstört man die lieb gewonnene Kontinuität der erfolgreichen Serie? Das Publikum wollte sich mit diesem Gedanken einfach nicht anfreunden, und noch heute ärgert es Bond-Freunde. Aber die Kontinuität der Filme wurde schon mehrfach unterbrochen, und kaum jemanden störte es, weil es nicht so offensichtlich war. Erst jetzt, da es etwas deutlicher wird, jammern Kritiker und Bond-Fans. Dass sie zu spät jammern, will ich hier kurz aufzeigen.

In „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) stellt sich bei einer Unterhaltung zwischen James Bond und Julius No (Joseph Wiseman74) heraus, dass er (zumindest in der deutschen Synchronversion) Präsident der Gofta ist. Gofta ist ein anderes Wort für die Geheimorganisation Phantom, die im Original Spectre heißt. Im zweiten Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) sitzt Ernst Stavro Blofeld (Anthony Dawson75) an der Spitze von Spectre und beklagt den Verlust des besten Mitarbeiters: Dr. No. Also entweder hat No Bond angelogen, oder man hat hier einen gewaltigen Fehler gemacht, als man No damit protzen ließ, die Spitze von Gofta/Spectre/Phantom zu sein.

Logische Fehler im Fortlauf der Serie bieten ebenso die Filme von 1967 und 1969. In „Man lebt nur zweimal“ (1967) kämpft James Bond gegen Blofeld. Beide stehen sich Auge in Auge gegenüber. Blofelds Gesicht ist durch eine längs über das rechte Auge verlaufende Narbe entstellt. Im Verlauf des Films explodiert Blofelds Unterschlupf, doch der Schurke kann entkommen. Die Jahre vergehen, und 007 verliert in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) den Auftrag, Blofeld zu Fall zu bringen und ermittelt zunächst privat gegen ihn weiter. Als es zu einer Begegnung kommt, hat Blofeld weder die Narbe im Gesicht noch erkennt er James Bond.

Auf diesen Patzer angesprochen, meinten die Produzenten Albert Romolo Broccoli und Harry Saltzman, Blofeld könne 007 gar nicht erkennen, da er ein neues Gesicht habe: War es im ersten Film noch Sean Connery, so verkörpere ihn nun George Lazenby. Eine wirklich lustige Erklärung. Ian Fleming schrieb „Im Dienst Ihrer Majestät“ (so einer der deutschen Romantitel von „On Her Majesty's Secret Service“) im Jahre 1963, „Du lebst nur zweimal“ wurde hingegen erst 1964 veröffentlicht. Die Produzenten haben sich bei der Verfilmung der Stoffe schlicht und einfach nicht an die Reihenfolge gehalten, und da sich Regisseur Peter Hunt beim Drehen von „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) fast hundertprozentig an die Romanvorlage hielt, führte dies zum Bruch der Kontinuität der Filme und stiftet bis heute einige Verwirrung.

Die Beispiele zeigen: „Casino Royale“ (2006) ist keine Besonderheit, auch wenn die Presse meinte, der Film würde als krasser Außenseiter dastehen, weil er James Bond so hart zeige. Diese Kritiker haben wohl „Lizenz zum Töten“ (1989) vergessen, in dem ein blutverschmierter James Bond durch den Wüstenstaub robbt und seine Gegner kaltblütig den Haien zum Fraß vorwirft.

Besonders Bonds Härte gegenüber Vesper Lynd, die sich in „Casino Royale“ (2006) als Doppelagentin entpuppt, wurde mehrfach zitiert und angeprangert. Man mokierte sich darüber, dass James Bond sie gegenüber „M“ als „Schlampe“ bezeichnete. Doch Ian Fleming schrieb 1953 in „Casino Royale“: „This is 007 speaking. This is an open line. It's an emergency. Can you hear me?... Pass this on at once: 303076 was a double, working for Redland.... Yes, dammit, I said „was“. The bitch is dead now.“

Mit diesem Telefonat endet der Roman und lässt einen verblüfften Leser zurück.77

Der deutsche Text lautet: „(...) 3030 war ein Doppel und arbeitete für Rotland. Jawohl - „war“, habe ich gesagt. Das Biest ist nämlich tot.“

Im Kinofilm von 2006 bezeichnet Bond Vesper, als „Schlampe“ und die Presse griff dieses Wort und die damit verbundene Härte gegenüber einer toten Frau, die 007 geliebt hatte, auf. 35 Jahre zu spät, denn in „Diamantenfieber“ (1971) nannte James Bond (Sean Connery) schon Tiffany Case (Jill St. John78) auf Blofelds Ölbohrinsel eine „Schlampe“. Selbst der Sprecher, der den Film auf der DVD mit Kommentaren ergänzt, redet von der „Schlampe Tiffany“.

In „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) nannte Jinx (Halle Berry79) Miranda Frost (Rosamund Pike80) ebenso „bitch“.

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Auch nach Bond vielbeschäftigt Rosamund Pike - Miranda Frost aus Stirb an einem anderen Tag (2002)

Abschließend kann man sagen, dass der Stoff des ersten Fleming-Romans zeitgemäß adaptiert wurde und „Fleming at his best“ zeigt, auch wenn die Chronologie und der Sinn der Serie damit durcheinander gewürfelt werden und der Inhalt etwas härter wirkt als noch in der Pierce-Brosnan-Ära.

Einige Filmkritiker sahen in James Bonds Passivität und Hilflosigkeit bei der Gegenüberstellung mit Le Chiffre ein klares Zeichen, dass dieser 007-Film sich von allen vorherigen unterscheidet. Immer hatte Bond seinen Gegner selbst umgebracht, nicht etwa tatenlos dabei zugesehen, wie sein Gegner umgebracht wird. Aber schon einmal tötete 007 seinen Gegner nicht, und nicht etwa, weil er nicht die Gelegenheit gehabt hatte, sondern weil er es nicht wollte. Im oft gelobten, weil sehr realistischen Agentenfilm „In tödlicher Mission“ (1981), versucht James Bond sogar zu verhindern, dass Melina Havelock (Carole Bouquet81) dem Schurken Aris Kristatos (Julian Glover82) (mit dem Bond nicht einmal gekämpft hat!) einen Pfeil in die Brust schießt.

Des Weiteren soll „Casino Royale“ (2006) der Film sein, der die entscheidenden Momente in der Entwicklung James Bonds vom Menschen mit Herz zum eiskalten Killer zeigt. Die Wandlung wird vollzogen, als Bond Vesper Lynd verliert. Die Zeitungen überschlugen sich mit Berichten darüber, wie Bond zu dem Bond wird, den wir kennen. Genau genommen war hier aber nichts Neues zu sehen. Schon in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) lässt 007 innerlich verhärten, dass seine Ehefrau Tracy di Vicenzo am Ende des Films erschossen wird. Die Szene war, obwohl sie auf Ian Flemings Romanvorlage basiert, nicht sehr erfolgreich beim Publikum. In „Casino Royale“ (2006), 37 Jahre nach „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969), wird Bond seine gefühlvolle Seite hoch angerechnet und die Entwicklung zu „Bond, James Bond“83 in dieser Form akzeptiert - nur: Neu war das nicht!

Kritiker bemängelten in Craigs Bond-Debüt das Fehlen von Stammcharakteren wie „Q“ und Moneypenny. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass „Q“ auch schon in „Leben und sterben lassen“ (1973) nicht dabei und Moneypenny in „Lizenz zum Töten“ (1989) kaum 30 Sekunden auf der Leinwand zu sehen war. Aber das Fehlen einer bestimmten Figur hat eine längere Präsenz eines anderen bekannten Charakters der Bondfamilie zur Folge. Das Fehlen „Qs“ im erstgenannten Film wird mit der Anwesenheit Moneypennys und „Ms“ in 007s privater Wohnung ausgeglichen, das kurze Erscheinen Moneypennys im Film von 1989 wird dadurch abgeschwächt, dass die Figur „Q“ seinen bis dato längsten Auftritt hatte und Bond sogar bei dessen Mission unterstützt.

In „Casino Royale“ (2006), wo dann beide Charaktere fehlen, werden Felix Leiter und James Bond zu Verbündeten und es wird ein neuer Charakter eingeführt: René Mathis. Er wird im folgenden Film ein fester Bestandteil sein und schließt die in der Bondfamilie entstandenen Lücken gemeinsam mit Leiter.

Der Erfolg gibt „Casino Royale“ (2006) Recht. Die Zeit war reif für diesen Neubeginn und mit „Ein Quantum Trost“ (2008) wird diese harte Linie - auch ohne „Q“ und Moneypenny - weitergefahren mit dem Unterschied, dass der 22. offizielle James-Bond-Film direkt an den 21. anschließt. Die Kontinuität ist also wieder gegeben. Der Film beginnt damit, dass Bond versucht, Mr. White zum Verhör zum MI6 zu bringen.

 

Das hervorstechende Merkmal an „Casino Royale“ ist, im Vergleich zu den anderen Bond-Filmen, seine Geschichte. James Bonds Leben findet in mehreren „Parallelwelten“ statt. So gibt es die Romane, die Comics, die Filme und die Romane basierend auf Filmen - „Casino Royale“ hat fast alles davon zu bieten. Die Problematik zum Verständnis des Phänomens „James Bond“ liegt darin, dass sich diese einzelnen „Parallelwelten“ teilweise überschneiden und damit auch beeinflussen.

1) Die Romanfigur: Ian Fleming schrieb 1953 den Roman „Casino Royale“. Das Buch erschien am 13. April 1953.

2) Die Comicfigur: In der Zeit vom 7. Juli 1958 bis zum 13. Dezember 1958 erschien der erste Comic-Strip von „Casino Royale“ im Daily Express. Der Text stammte von Anthony Hern (andere Quellen: Anthony Hearne), die Zeichnungen von John McLusky84. McLusky gab also 007 ein Gesicht, wenn auch nur ein gezeichnetes.

3) Die TV-Figur: Produzent und Regisseur Gregory Ratoff85 kaufte die Rechte an Ian Flemings Roman und bot sie dem TV-Sender CBS86 an. Der Fernsehfilm „Casino Royale“ (1954) entstand und wurde als dritte Folge der ersten Staffel der CBS-Fernsehshow Climax! am 21. Oktober 1954 ausgestrahlt. Man hatte Bond hierfür amerikanisiert und nannte ihn Jimmy Bond, obwohl der Name James Bond im Film einmal genannt wird und auch im Abspann steht.

4) Die inoffizielle Kino-Figur: 1966, als die ersten vier offiziellen James Bond-Filme mit gewaltigem Erfolg in den Kinos gelaufen waren, erschien ein weiterer Casino-Royale-Ableger. In der Produktion von Charles K. Feldman spielte David Niven Sir James Bond.

5) Die Theaterfigur: 1985 adaptierte Raymond Benson Ian Flemings Roman für ein Theaterstück, das allerdings niemals produziert wurde. Das Stück wurde einer britischen Theateragentin vorgelegt, die empfahl, es nicht zu produzieren. Benson äußerte dazu in einem Interview: „Sie war sehr ältlich, und nach meiner Ansicht hat sie es nicht verstanden (...). Nach weiteren Überlegungen schob Glidrose87 die Produktion auf, mit der abschließenden Entscheidung, dass ein James-Bond-Bühnenstück einfach nicht funktionieren würde. Ich war nicht dieser Meinung, aber es war ihr Eigentum.“

6) Die offizielle Kinofigur: Nachdem die Rechte am Stoff „Casino Royale“ wieder frei waren, griffen die Produzenten der offiziellen 007-Filme darauf zurück und schufen einen Blockbuster mit Daniel Craig in der Rolle des 007, der 2006 in die Kinos kam und die Serie wieder neu belebte.