Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book)

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Wie gesagt, der von Gomes beschriebene Fischreichtum der Gewässer um Cabo Verde besteht heute noch; viele Inseln zeigen Erosionsspuren und alte, jetzt ausgetrocknete Flussläufe sind zu erkennen. Bei den erwähnten Feigenbäumen könnte es sich um Ficus gnaphalocarpa gehandelt haben. Auch Gomes spricht in seinem Bericht von Bächen mit viel Wasser auf den Inseln. Heute kommt fliessendes Wasser auf den Kapverdischen Inseln in einer guten Regenzeit noch auf den gebirgigen Inseln Santiago und Santo Antão vor. Auf die klimatischen Veränderungen in den letzten Jahrhunderten auf dem Archipel soll später noch eingegangen werden.

Anmerkungen

1Ramos Rui, Vasconcelos e Sousa Bernardo, Monteiro Nuno Gonçalo: História de Portugal. Lissabon 2015, 148; Bernecker Walther R., Pietschmann Horst: Geschichte Portugals. München 2014, 20.

2Bernecker, op. cit. 2014, 21; Guillén Fabienne P., Trabelsi Salah: Les esclavages en Méditerranée. Espaces et dynamiques économiques. Madrid 2012, 201; Axelson Eric: Congo to Cape. Early Portuguese Explorers. London 1973, 21ff.

3https://historiasdeportugalemarrocos.com/2014/02/16/presenca-portuguesa-emmarrocos/#more-829; Frederico Mendes Paula, am 11.11.2019.

4Verlinden Charles: L’Esclavage dans l’Europe médiéval. Tome deux, Italie – Colonies italiennes du Levant – Levant latin – Empire byzantin. Gent 1977, 115.

5Azurara Gomes Eanes de: Crónica do Descobrimento e Conquista da Guiné. Mem Martins o. J., 56f.

6Wagner Bettina: Die «Epistolae presbiteri Johannis» lateinisch und deutsch. Überlieferung, Textgeschichte, Rezeption und Übertragungen im Mittelalter. Tübingen 2000, 24ff.; Trexler, Richard C.: The Journey of the Magi. Meanings in History of a Christian Story. Princeton 1997, 102f.

7Oliveira Marques A. H. de: Histoire du Portugal et de son empire colonial. Paris 1998, 119f.; Anquandar Kwesi J.: Castles & Forts of Ghana. Paris 1999; Buah F. K. A.: History of Ghana. London, Basingstoke 1995, 65ff.; Newitt Malyn: The Portuguese in West-Africa, 1415–1670, a Documentary History. New York 2010, 90ff. Der befestigte Handelsstützpunkt Arguim war gewissenermassen das Modell für die späteren portugiesischen Befestigungsanlagen und Stützpunkte entlang den afrikanischen Küsten, so in Gorée, der Ilha de Moçambique und Sansibar.

8Barcellos Christiano José de Senna: Subsídios para a História de Cabo Verde e Guiné I. Praia 2003, 21; Albuquerque Luís, Santos Maria Emília Madeira: História Geral de Cabo Verde, Vol. I. Lissabon, Praia 2001, 23.

9Cardoso, J. L., Monge Soares, A. M.: A estação arqueológica de Salamansa (Ilha de São Vicente, República de Cabo Verde). Rev. Port. Arqueol. 13, 2010, 167–214; Coquery Vidrovitch Catherine: Histoire des villes d’Afrique noire. Des origines à la colonisation. Paris 1993, 153. Coquery Vidrovitch schreibt, dass die Inseln bei ihrer Entdeckung dünn besiedelt gewesen waren. Soweit ich sehe, steht die Autorin mit dieser Feststellung allein da.

10Ramos Rui et al.: História de Portugal, Lissabon 2015, 25f.; Caddeo Rinaldo: Le navigazioni atlantiche di Alvise da Cà da Mosto, Antoniotto Usodimare e Niccoloso da Recco. Milano 1928, 91; Crone G. R. (Hrsg.): The Voyages of Cadamosto and Other Documents on Western Africa in the Second Half of the Fifteenth Century. London 1937, XXIII.

11Albuquerque, op. cit. 2001, 32; Peres Damião: Notas Históricas, in Viagens de Luís de Cadamosto e de Pedro de Sintra. Lissabon 1948, 185–196; Barros Victor: A escrita da história da «descoberta» de Cabo Verde, Fabulário cronográfico, história oficial ou fabricação do consentimento? Lissabon 2017, 75–113. Barros berichtet ausführlich zur Historiografie der Entdeckungsgeschichte und der politischen Hintergründe in der jeweiligen Darstellung; Carreira António: Formação e extinção de uma sociedade escravocrata (1460–1878). Praia 1983, 27ff.; Andrade Silva Elisa: As Ilhas de Cabo Verde da «Descoberta» à Independência Nacional (1460–1975). Paris 1996, 30.

12Ramos Rui et al.: História de Portugal. Lissabon 2015, 25f.; Caddeo Rinaldo: Le navigazioni atlantiche di Alvise da Cà da Mosto, Antoniotto Usodimare e Niccoloso da Recco. Milano 1928, 91; Crone G. R. (Hrsg.): The voyages of Cadamosto and other documents on Western Africa in the second half of the fifteenth century. London 1937, XXIII.

13Rossi Carlo: Navegações de Luís de Cadamosto. Lissabon 1944, 71–73; Meyn Matthias et al.: Die grossen Entdeckungen. München 1984, 66; Verrier Frédérique (Hrsg.): Voyages en Afrique Noir d’Alvise Cà da Mosto (1455 et 1456). Paris 2003, 96ff.

14Brulez W.: Cà da Mosto et le commerce guinéen au XVe siècle. Gent 1968, 312; Crone, op. cit. 1937, XX- XIII; Peres, op. cit. 1948, XIII.

15Peres, op. cit. 1948, XIII.

16Nash David J. et al.: African Hydroclimatic Variability During the Last 2000 Years. Quaternary Science Reviews 154, December 2016, 1–22.; Nicholson Sharon E.: Saharan Climates in Historic Times. In: Williams Martin M., Faure Hugue (Hrsg.): The Sahara and the Nile. Quaternary Environments and Prehistoric Occupation in Northern Africa. Rotterdam 1980, 173ff.

17Kämmer Franco: Beiträge zu einer kritischen Interpretation der rezenten und fossilen Gefässpflanzenflora und Wirbeltierfauna der Azoren, des Madeira-Archipels, der Ilhas Selvagens, der Kanarischen Inseln und der Kapverdischen Inseln, mit einem Ausblick auf die Probleme des Artenschwundes in Makaronesien. Freiburg im Breisgau 1982, 55.

18Albuquerque, op. cit. 2001, 33f.

19Zitiert nach Crone, op. cit. 1937, 101.

20Zu Valentim Fernandes vgl. auch: Hendrich Yvonne: Ein deutscher Buchdrucker in Portugal um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert und sein Umkreis. Frankfurt a.M., Bern 2007.

2.Die Entwicklung der Kapverdischen Inseln im «Goldenen Zeitalter» des Sklavenhandels (1460–1650)

2.1.Die Anfänge der portugiesischen Verwaltung

Nach der Entdeckung der Kapverdischen Inseln durch italienische und portugiesische Seefahrer ergriff das Königreich Portugal vom Archipel Besitz; offenbar erkannte man früh den Wert der Inselgruppe als Basis für den Ausbau des Handels mit Westafrika. Zur Bedeutung von Cabo Verde mögen auch die Meeresströmungen beigetragen haben: Die Fahrt von Portugal nach Süden wurde durch den Kanarenstrom und den Nordostpassat erleichtert, auf der Rückfahrt nach Portugal erleichterte der Golfstrom die Reise, was ein Ausholen nach Nordwesten notwendig machte.

Die Urkunde vom 3. Dezember 1460 des portugiesischen Königs Afonso V an seinen Bruder, den Infanten Fernando, übertrug diesem Machtbefugnisse als doação régia (wörtlich übersetzt eine königliche Schenkung, in der auch Abgaben an den König vorgesehen sind, also eigentlich ein Lehensvertrag) für die Inseln Madeira und Porto Santo, für die Inselgruppe der Azoren und für Cabo Verde für die Inseln Santiago (im Text der Urkunde als S. Jacobo nach dem Entdeckungstag benannt), São Filipe, Maio (Maias), Boa Vista (São Cristóvão) und Sal (Lhana).1 Die erst 1462 entdeckten Inseln Santo Antão, São Vicente und São Nicolau wurden in diesem Dokument nicht erwähnt. Die Übertragung des Lehens war verbunden mit dem Auftrag, das Gebiet zu verwalten, zu kolonisieren und die Ressourcen zu nutzen. In vielen Fällen wurde die doação erblich.

Dom Fernando trat damit das Erbe seines Onkels Dom Henrique o Navegador (Heinrich der Seefahrer) an, der am 13. November 1460 gestorben war.2 Mit der Schenkung übergab Dom Afonso V seinem Bruder die Rechte auf alle Flüsse, Ankerplätze, Wälder, Fischgründe, Korallen, Färberpflanzen, Mineralien und Muscheln der Gebiete. Ferner verfügte dieser damit über die Straf- und Zivilgerichtsbarkeit und zog die Abgaben der Bewohnerinnen und Bewohner des Archipels für den König ein. Dom Fernando besass also umfassende Wirtschafts-, Verwaltungs-, Gerichts- und Fiskalkompetenzen.3 Einzig die Todesstrafe blieb den königlichen Gerichten vorbehalten. Als Vorbild für diese Vorgehensweise dienten die Erfahrungen in der Besiedlung, Kolonisation und Administration der Azoren sowie von Madeira und Porto Santo.

Die Kapverdischen Inseln waren offensichtlich zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung unbewohnt. Zur ökonomischen Inwertsetzung des Archipels war deshalb ihre Besiedlung das vordringlichste Problem. Es war nun die Aufgabe Dom Fernandos, diesen Prozess zu finanzieren, das heisst Karavellen, Haustiere, Saatgut und Werkzeuge für den Hausbau und die Landwirtschaft zugunsten der Siedlerinnen und Siedler zu beschaffen.

Im Falle von Cabo Verde zeigten sich früh einige Schwierigkeiten der Kolonisation: Der Archipel lag geografisch wesentlich weiter weg von Portugal als Madeira oder die Azoren, das Klima unterschied sich vom Klima Portugals und der nördlicheren Inseln wesentlich, was die Kultivierung anderer landwirtschaftlicher Produkte erforderte.

Die königliche Urkunde vom 19. September 1462 bestätigte Dom Fernandos Privilegien von 1460 und teilte die Insel Santiago in zwei Kapitanate (capitanerias) auf.4 In dieser Urkunde wurden nun auch die Inseln São Nicolau, São Vicente und Santo Antão sowie Brava erwähnt.5 Für König Afonso V waren weniger die Inseln selbst von Bedeutung als vielmehr ihre geografische Position gegenüber der westafrikanischen Küste. Die Urkunde von 1462 ging jedoch sehr viel weiter als diejenige von 1460 und spiegelte die Schwierigkeiten der Portugiesen in der Besiedlung der Inseln wider. Dom Fernando erklärte denn auch im selben Jahr, dass er nicht fähig sei, die Inseln zu besiedeln.

 

König Afonso V stattete die Bewohnerinnen und Bewohner Cabo Verdes bereits 1466 mit neuen Privilegien aus, so mit einer Zehnten- und Zollbefreiung – eine wichtige Erleichterung. Der Archipel gewann dadurch an Attraktivität für die Siedlerinnen und Siedler.6 Die Urkunde von 1466 sicherte ihnen weiter den freien Handel mit der westafrikanischen Küste (ohne den portugiesischen Handelsstützpunkt Arguim an der mauretanischen Küste) sowie den Export nach Europa zu. Zu diesem Handel gehörte ausdrücklich auch der Sklavenhandel, für den die Verkürzung des Transportweges zur See – von der afrikanischen Küste nach Cabo Verde sind es rund 500 Kilometer, nach Portugal rund 3000 Kilometer – eine wesentliche Kosteneinsparung war. Die Privilegien für die Siedlerinnen und Siedler zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Besiedlung in den ersten Jahren nach der Entdeckung verbunden war. In der erwähnten Urkunde wird ausdrücklich erwähnt, dass die Gerichtsbarkeit für alle gelte, also für Mauren, Schwarze und Weisse. Folglich musste es bereits in den ersten Jahren der Besiedlung der Inseln afrikanische Sklaven und Sklavinnen gegeben haben.

Ein Viertel der Handelswaren ging an den König. 1472 erfolgte dann eine schwerwiegende Einschränkung: Das Handelsprivileg mit der afrikanischen Westküste galt nur noch für die Produkte aus Cabo Verde.7 Wie bereits erwähnt, wurde die Insel Santiago in zwei Kapitanate eingeteilt, eines davon im Süden mit der Hauptstadt Ribeira Grande (heute Ribeira Grande de Santiago, zur Unterscheidung von Ribeira Grande auf Santo Antão, in der älteren Literatur auch Cidade Velha genannt). Der Genuese Antonio da Noli, der den Anspruch erhob, zusammen mit Diogo Gomes die Inseln 1460 entdeckt zu haben, erhielt dieses Kapitanat, zusammen mit seinem Bruder Bartolomeus und seinem Neffen Rafael.8 Das Kapitanat von Alcatrazes im Norden lag in der heutigen Kirchgemeinde Maria da Luz, in der Gemeinde São Domingo im Zentrum der Insel. Es wurde Diogo Afonso zugesprochen, der zuvor die Steuern auf der Insel Madeira eingezogen hatte. Alcatrazes war durch die gotische Kirchenruine Nossa Senhora da Luz aus dem Jahre 1472 bekannt; erste Ausgrabungen fanden nach 2011 statt. Etwa 1000 Tote wurden in der Kirche beerdigt, sowohl Afrikaner wie auch Europäer. Die Grabbeigaben bestanden aus Perlen, Glasscherben, unglasierten Tonscherben und portugiesische Münzen aus den Jahren 1481 bis 1495. Pollenanalysen zeigten Spuren von Gras und Klee, aber nicht von Bäumen – entgegen den Entdeckungsberichten, die von Wäldern sprachen. Die Leute von Alcatrazes zogen um 1500 nach Praia.9

Die Verwaltung von Cabo Verde richtete sich an den Erfahrungen aus Madeira und den Azoren aus; die atlantischen Inseln wurden in mittelalterlicher Art und Weise vom König als Lehen an verdiente Adelige vergeben.10 Der capitão-donatário (der Empfänger eines Lehens) verfügte über das Mühlen- und Backofenrecht, das Salzmonopol, den Zehnten der landwirtschaftlichen Produktion, über Zuckermühlen, das Recht, zwei Bretter wöchentlich aus den Sägereien zu beziehen, und das Recht, Land zu verteilen.11

Unter König Manuel I (Regierungszeit 1495–1521) gingen die verschiedenen Inseln als Lehen an bestimmte Familien, so beispielsweise die Insel Santo Antão an João da Fonseca, Fogo an Fernão Gomes und Sal, Brava sowie die heute unbesiedelten Inseln Santa Luzia, Branco und Raso an Francisco da Fonseca und seine Nachfolger. Die Fonseca hatten sich in den Kriegen in Marokko und als Festungskommandanten in Diu (Indien) ausgezeichnet.12 An die Krone hatten sie den Zehnten des Ertrages der Ausfuhr von Ziegenhäuten, Seife und Fleisch abzugeben.

1550 ernannte König João III einen Kapitän für Santiago, der die administrativen Funktionen der bisherigen Lehens-Kapitäne übernahm. Unter König Philipp I. von Portugal (1580–1598; identisch mit König Philipp II. von Spanien) entstand auf Cabo Verde der Posten eines Generalkapitäns, der sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich über alle Inseln regierte. Er leitete auch die Justiz, selbst über die Lehensherren. 1600 wurde schliesslich der erste Generalgouverneur der Inseln ernannt. Es zeigt sich hier deutlich, wie sich der portugiesische Staat aus der mittelalterlichen Tradition zum Absolutismus und modernen Verwaltungsstaat entwickelt hat.

2.2.Das Herkommen der frühen Bevölkerung auf Cabo Verde

Mit den ersten Entdeckern kamen auch die ersten Siedlerinnen und Siedler auf die Inseln, so mit Antonio da Noli Genuesinnen und Genuesen, mit Diogo Gomes Leute aus Nordportugal und Kastilien. Den Leuten aus Kastilien war an sich der Zutritt zu den Inseln verboten, doch fragte angesichts der zögerlichen Besiedlung der Inseln kaum jemand nach der Herkunft.13 Es handelte sich dabei mehrheitlich um Männer, sowohl Fidalgos (Ritter, vor allem zweitgeborene ohne Erbansprüche in Portugal) wie auch kleine Händler, Handwerker, niedrige Beamte und Matrosen. Über die Herkunft des afrikanischen Bevölkerungsanteils der Sklavinnen und Sklaven im 15. Jahrhundert ist wenig bekannt. Die meisten dürften von der Guineaküste gestammt haben, die sich nach den damaligen geografischen Begriffen vom heutigen Senegal bis nach Sierra Leone erstreckte.

Gewisse Sklavinnen und Sklaven blieben nur für kurze Zeit auf der Insel und wurden dann weiter verschifft, vorerst nach Sevilla, später direkt in die Karibik. Andere blieben auf den Inseln. Die meisten dieser Sklavinnen und Sklaven waren in der Landwirtschaft tätig, aber man fand sie auch in anderen Sektoren der Wirtschaft, so im Handwerk und im Handel. Der Haussklave beziehungsweise die Haussklavin war in der Regel in einer besseren Position als der Landwirtschaftssklave. Es war möglich, dass ein Haussklave für seinen Herrn nach Guinea zum Einkauf von Sklaven und Sklavinnen ging, was er mittels seiner afrikanischen Sprache gut erledigen konnte, zumindest aber begleitete er seinen Herrn in diesem Geschäft. Schon vor 1500 bildeten die schwarzen Sklavinnen und Sklaven die Bevölkerungsmehrheit auf Cabo Verde.14

Zwischen den weissen Freien und den Sklavinnen und Sklaven gab es die Gruppe der Freigelassenen. Unter den Freigelassenen fanden sich wenige Schwarze und zahlreiche Mestizen und Mestizinnen, Kinder von weissen Vätern und schwarzen Müttern. Häufig wurden sie nach den Testamenten ihrer Väter freigelassen, ja legitimiert. Das betraf aber längst nicht alle Mestizinnen und Mestizen, viele blieben Sklavinnen und Sklaven.

Der Handel mit der Guineaküste lag in den Händen einer schmalen Oberschicht. Von den 70 Grosskaufleuten der Insel Santiago nach 1500 gehörten 22 dem hohen und niedrigen Adel an. Wie in anderen Monarchien war an sich auch dem portugiesischen Adel die Arbeit im Handel verboten, was aber nie durchgesetzt wurde. Für Fidalgos und Cavaleiros (Edelleute und Ritter) bestanden auf Cabo Verde in dieser Zeit durchaus Chancen, reich zu werden. Im Portugal des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit waren die Übergänge zwischen dem Dritten Stand (Bürgertum) und dem Zweiten Stand (Adel) fliessend. In der portugiesischen Ständevertretung, den Cortes, wurden die escudeiros (Knappen) zusammen mit den Kaufleuten zu einer Kategorie zusammengefasst.15

António Carreira unterscheidet drei Phasen der Bevölkerungsentwicklung auf Cabo Verde: In einer ersten Phase im 15. Jahrhundert wurden die Inseln Santiago und Fogo von einer geringen Zahl von Leuten aus Portugal, Spanien, Genua und anderen europäischen Ländern besiedelt, es gab kaum Mestizen und Mestizinnen.

In einer zweiten Phase im 16. Jahrhundert blieb es bei einer geringen Zahl von Europäerinnen und Europäern, wobei es sich sowohl um freie wie erzwungene Migration handelte. Dazu kam eine kleine Zahl von nicht identifizierten europäischen Einwanderinnen und Einwanderern. Nun gab es auch Weisse, die auf der Insel geboren worden waren, sowie Mestizen und Mestizinnen als Söhne und Töchter aus Beziehungen zwischen europäischen Männern und freien oder unfreien afrikanischen Frauen. Es kamen nur wenige weisse Frauen auf die Inseln. Die freien und unfreien Schwarzen und Mestizen waren bald zahlreicher als die Weissen. Die Zahl der auf Cabo Verde lebenden Adeligen nahm ab.

In einer dritten Phase im 17. und 18. Jahrhundert nahm die Zahl der freiwilligen weissen Einwanderinnen und Einwanderer weiter ab, während diejenige der deportierten Weissen, der auf der Insel geborenen Weissen, der Mestizen und der Schwarzen zunahm. Die freien Mulattinnen und Mulatten und die freien Schwarzen waren nun zahlreicher als die Sklavinnen und Sklaven. Im 18. und 19. Jahrhundert stieg die Zahl der Freien, der Freigelassenen und der Entflohenen immer stärker an, während diejenige der Sklaven und Sklavinnen weiter sank. Mit dem Verbot des Sklavenhandels nördlich des Äquators 1815 sank auch die Zahl der eingeführten Sklaven und Sklavinnen, obwohl der illegale Sklavenhandel noch einige Jahrzehnte weiterging.16

Iva Cabral unterscheidet in der Frühgeschichte von Cabo Verde zwei Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine erste Phase des prosperierenden Handels mit der Guineaküste zwischen 1473 und 1549 und eine zweite Phase der beginnenden Krise zwischen 1549 und 1599, bedingt durch die immer stärker werdende Konkurrenz von Frankreich, England und den Niederlanden sowie deren Korsaren. Die Autorin beschreibt detailliert die Zusammensetzung der Elite von Santiago im 15. und 16. Jahrhundert und stellt fest, dass sich die Adeligen allmählich aus dem Handel mit der Guineaküste zurückzogen und vermehrt in der intensiven Landwirtschaft aktiv wurden.17

Bereits im 16. Jahrhundert flohen viele Sklavinnen und Sklaven in die schwer zugänglichen Gebirgsregionen der Serra Malagueta auf der Insel Santiago oder in die höheren Regionen der Insel Fogo. Sie lebten am Rande der Gesellschaft, rechtlich gesehen waren sie nach wie vor versklavt, faktisch aber frei. Sie waren den anderen Klassen der Gesellschaft feindlich gesinnt und unternahmen immer wieder Überfälle auf die Höfe der Gutsherren. Das Refugium der Serra war für sie relativ sicher.18

Die Lançados waren meist ursprünglich Männer aus Portugal, die nach Cabo Verde verbannt wurden (sie wurden auch tangomaos genannt, weil sie sich afrikanische Tattoos anbringen liessen). Sie spielten in Guinea in der Vermittlung von Handelsbeziehungen zwischen Portugal und den Einheimischen eine wichtige Rolle, obwohl sie dazu keine königliche Erlaubnis besassen. Für die Zeitgenossen galten die Lançados als Abenteurer und Halbwilde, die unter den Afrikanerinnen und Afrikanern wohnten, sich mit afrikanischen Frauen verbanden und eigene Dörfer gründeten. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Santiago trieben ebenfalls Handel mit den Lançados. Die portugiesischen Könige versuchten, die Tätigkeiten dieser unkontrollierbaren Männer zu verhindern, da sie den königlichen Handel und den Handel der königlichen Vertragspartner (contratadores) in Guinea konkurrenzierten.19 Im 17. Jahrhundert wurden die Lançados immer stärker von der Geistlichkeit kritisiert: Sie würden Götzen anbeten und Fetische verehren, seien Mörder, Verräter, Leute ohne Recht mit Appetit auf die Hölle, so Padre Manuel Álvares von der Societas Jesu 1609.20

2.3.Soziale Klassen auf Santiago im 16. Jahrhundert

Das portugiesische Recht unterschied zwischen morador (Bewohner) und vizinho (Nachbar). Der Morador war ein Einwohner, der mindestens vier Jahre am selben Ort wohnte, der Vizinho war ein Morador, der ein Haus und ein Grundstück besass. In Ribeira Grande (Santiago), Alcatrazes und in São Filipe auf Fogo wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ersten Gemeinden (câmaras) mit den Institutionen eines Gemeinderates und einer Gemeindeversammlung gebildet – wobei sich diese Gremien nicht im Sinne einer Gewaltentrennung unterschieden. Der Morador hatte das Recht, an der Gemeindeversammlung teilzunehmen und sich an den Wahlen der lokalen Behörden zu beteiligen. Die vizinhos negros – freie Schwarze – erhielten diese politischen Rechte erst nach 1546.21 Die Munizipalisierung des politischen Raumes neben dem König und dem Adel war ein neues Element. Gleichzeitig fand in Portugal eine weitgehende Verschriftlichung der Verwaltung statt, unter anderem auch mit genauen Regelungen der Kompetenzen der Gemeinden.22

 

Vor allem reiche Vizinhos profitierten vom Handel mit Guinea, da sie die nötigen finanziellen Mittel für die Investitionen besassen. Die Gruppe der Schiffsreeder und Kaufleute (armadores-mercadores) beherrschte die Câmara (Verwaltung) von Ribeira Grande, leitete die sozial wichtigen religiösen Bruderschaften, bildete unter sich geschäftliche Partnerschaften (auch mit ausländischen Kaufleuten), baute mehrstöckige Häuser (sobrados) aus Stein und Kalk, unterhielt Obst- und Gemüsegärten. Sie verfügte über Tausende von Sklavinnen und Sklaven für die Arbeiten in der Landwirtschaft und der Viehzucht. Als Reeder und Grossgrundbesitzer bildeten sie die wirtschaftliche und politische Elite von Cabo Verde, die meisten gehörten dem niedrigen Adel (Fidalgos) an. Wer keine Schiffe hatte, wurde von den Ämtern ausgeschlossen. Zuweilen betrieb die Elite auch Piraterie und Schmuggel, beispielsweise der Reeder, Abenteurer und Ritter des Königshauses Fernão de Melo. Er machte weite Handelsfahrten bis zum Kongo und wurde später Kapitän der Insel São Tomé. Seine Frau Dona Brígida Gouveia führte unterdessen die Landwirtschaft in São Martinho (Santiago) weiter und betätigte sich ebenfalls als Reederin. In der Kirche von Santa Maria do Rósario in Ribeira Grande (Santiago) liegt der reich geschmückte Grabstein von Fernão de Melo.23

Die «filhos da terra»: Mestizen und Mestizinnen und Freigelassene

Die Mestizenkinder hatten einen unterschiedlichen Status: Wenn der weisse Vater das Kind der schwarzen Mutter anerkannte, wurde es frei gelassen, wenn nicht, blieb es Sklave oder Sklavin. Die Legitimierung der Kinder war eine der wenigen Chancen für den sozialen Aufstieg, um beispielsweise in Ämter oder in Klöster zu gelangen.24 Die Mehrzahl der illegitimen Kinder wurde indes nicht anerkannt und blieb folglich Sklave oder Sklavin. In den Quellen tauchen die freigelassenen Mestizen und Mestizinnen selten auf, da sie nicht im Verkehr mit der Verwaltung standen und deshalb in den Registern nicht genannt wurden. Sie zahlten keine Steuern und besassen kein ländliches Eigentum. Die Lage der Freigelassenen war oft schwierig, da es kaum freie Lohnarbeit gab.

Im Verkehr zwischen Cabo Verde und Guinea wurden die Freigelassenen als Matrosen und Übersetzer eingesetzt. Schwarze waren auch im Sklavenhandel tätig, sei es selbstständig oder im Auftrag eines Herrn. Nach 1546 konnten Schwarze und Mestizen in die Verwaltung eintreten. Da unter den Portugiesen eine Versetzung nach Cabo Verde nicht besonders beliebt war, erhielten Freigelassene mit der Zeit Aufstiegsmöglichkeiten in der Verwaltung.

In Ribeira Grande gab es auch eine Reihe von Ausländerinnen und Ausländern (forasteiros), die sich nur für eine bestimmte Zeit auf Cabo Verde aufhielten.

Über die Bewohnerinnen Ribeira Grandes ist wenig bekannt: In den Berichten der portugiesischen Verwalter wurden zwar die alleinstehenden Frauen erwähnt, nicht aber die Verheirateten und die Witwen. In den Akten erscheinen einzelne Frauen im Zusammenhang mit Straffällen und Beziehungsgeschichten.

Für die Sklavinnen und Sklaven war die Ankunft auf Cabo Verde traumatisch. Es lassen sich hierbei drei Gruppen unterscheiden:

•Die Mehrzahl wurde in den Häfen der Insel ausgeladen und wartete auf den Transport nach Amerika. In den Urkunden erschienen sie als peças (Stücke). Sie trugen keine Namen.

•Die zweite Gruppe bildeten diejenigen, die auf der Insel für landwirtschaftliche Arbeiten eingesetzt werden sollten. Auch sie trugen vorerst keine Namen.

•Die dritte Gruppe bildeten die Haussklavinnen und -sklaven sowie Spezialisten und Spezialistinnen des Handwerks. In den Urkunden trugen sie Namen, im Gegensatz zu den peças.25

Haussklavinnen und -sklaven hatten am ehesten Chancen, nach den Testamenten des Sklavenhalters freigelassen zu werden. Ihre Lage war aber prekär: Bei Ungehorsam konnten sie auf die Landgüter gebracht oder im Hafen verkauft werden.

Es war wohl eher selten, dass Sklaven als Handwerker in Ribeira Grande lebten. Die wenigen weissen Handwerker auf der Insel begannen, Sklaven in handwerklichen Berufen auszubilden; Sklaven mit handwerklichen Fähigkeiten erzielten auf dem Markt hohe Preise. Die wichtigsten Sklaven waren, wie bereits erwähnt, die Händler-Sklaven: Sie reisten selbstständig an die afrikanische Küste, kauften Sklavinnen und Sklaven ein und brachten sie nach Cabo Verde.26

Die Verbannten

Verschiedene Begnadigungsurkunden zeigen, dass die Kapverdischen Inseln offenbar schon ab 1472 als Verbannungsort benutzt wurden. Seit dem 17. Jahrhundert stieg die Zahl der Deportierten stark an, im 18. und 19. Jahrhundert noch in höherem Ausmasse. Auch Sinti und Roma sowie Menschen jüdischer Herkunft gehörten häufig zu den Verbannten. Diese Praxis der Verbannung war unter den Kolonialmächten Grossbritannien, Frankreich und Spanien allgemein üblich.

Zwischen 1802 und 1882 wurden 2433 Männer und 81 Frauen nach Cabo Verde verbannt, also durchschnittlich etwa 38 Personen pro Jahr. Die Gouverneure versuchten, die Verbannten auf alle Inseln zu verteilen, doch lebten viele auf Santiago. Da es sich bei den Verbannten vor allem um Männer handelte, stieg die Zahl der Mestizen und Mestizinnen an.27

2.4.Sklaven- und Warenhandel mit der Guineaküste

Der Grund für das Interesse von Portugal am Archipel von Cabo Verde beruhte im 15. und 16. Jahrhundert in erster Linie auf dessen geografischer Lage: Die Inseln bildeten eine günstige Ausgangsposition für den Handel mit der rund 500 Kilometer entfernten Guineaküste – eine sichere Distanz zu den afrikanischen Königreichen Wolof, Cayor, Baol, Sine, Saloum und weiteren.28 Nach 1500 wurde Cabo Verde zur Zwischenstation für den Indienhandel und für den europäischen Handel mit Südamerika.

Im 15. Jahrhundert waren die wichtigsten Handelsgüter im Export Gold, Sklavinnen und Sklaven, Elfenbein, Malagueta (eine rote Pfefferschote), Hirse und Reis (für die Ernährung der Sklavinnen und Sklaven) – also Handelswaren, die bereits früher für den portugiesischen Afrikahandel von Bedeutung gewesen waren. Nach Schätzungen gelangten jährlich etwa 1400 Sklavinnen und Sklaven von der westafrikanischen Küste nach Cabo Verde. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts stiegen ihre Preise stark an.29

1473 bewilligte König Afonso V in einer Urkunde ausdrücklich das Privileg, auf den Inseln Sklavinnen und Sklaven («escravos, escravas, machos e fêmeas») zu halten. Die Urkunde sicherte zudem die Rechte der Einwohnerinnen und Einwohner (moradores) zum Sklavinnen- und Sklavenhandel gegenüber den Lançados. Dieser Handel bildete die wichtigste Einnahmequelle der Bewohnerinnen und Bewohner von Cabo Verde. Für den König hatte der Handel mit dem afrikanischen Kontinent Priorität, nicht die Entwicklung der Landwirtschaft auf den Inseln.

Portugiesische Kaufleute besassen im Handel mit der Guineaküste dank Verträgen mit dem portugiesischen König eine zeitlich befristete Monopolstellung. Sie kamen in Konflikt mit Bewohnerinnen und Bewohnern von Cabo Verde, die ihren bisherigen Handelsverkehr fortsetzten.30

Um den Sklavenhandel zwischen Guinea, den Inseln von Cabo Verde und Portugal entwickelte sich nach 1512 ein weiterer Konflikt: Der König befahl, dass die Sklavinnen und Sklaven direkt von Guinea nach Lissabon gebracht würden, also kein Zwischenhalt auf den Inseln stattfinden sollte – zum Schaden der Siedler und Siedlerinnen auf Cabo Verde. Diese verdächtigten unter anderem die cristãos novos (neu zum Christentum konvertierte Juden und Jüdinnen), das Königshaus schlecht informiert zu haben. König Manuel I verfolgte die jüdische Gemeinschaft im gesamten portugiesischen Herrschaftsgebiet seit 1496, verbot aber die Diskriminierung der cristãos novos 1512. 1536 setzte mit der päpstlichen Bulle «Cum ad nihil magis» der Kampf der Inquisition gegen die Juden und Jüdinnen in Spanien und Portugal ein.31