Zukunftsflashs

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Geschichte mag Mumpitz sein – die Zukunft aber ist real

Es heißt, aus der Geschichte kann man lernen, was ja auch stimmt – in gewissem Maße. Aber vielleicht steckt in Henry Fords humorvoll gemeinter Behauptung, Geschichte sei Mumpitz, mehr Wahrheit als man denkt. Fakt ist, dass uns die lehrreichen Lektionen der Vergangenheit nicht unbedingt klüger und weiser gemacht haben. Wenn dem so wäre, würden wir nicht immer wieder dieselben Fehler machen.

Was wir aus der Geschichte hätten lernen können, macht uns eher wehleidiger als weiser: »Hätte ich doch nur Google-Aktien gekauft, als der Preis noch bei 100 Dollar lag. Hätten wir unser Haus nur verkauft, bevor die Immobilienpreise in den Keller rauschten. Hätte ich nur früher erkannt, dass unsere Ehe zerbricht. Ich hätte es wissen müssen …«

Die altbekannte Klage: Ich hätte wissen müssen, worauf es hinausläuft. Wer zurückblickt, sieht nie, was vor ihm liegt.

Warum wird uns immer erst im letzten Moment etwas klar, wenn es schon zu spät ist, um das Ruder noch herumzureißen? Die Antwort ist geradezu erschreckend einfach: Wir sehen nicht, was auf uns zukommt, weil wir nicht hinsehen.

Als sich bei GM 2008 der unausweichliche Bankrott abzeichnete, bedauerte Rick Wagoner zutiefst, nicht schon viel früher in die Entwicklung alternativer Antriebstechnicken investiert zu haben. Es tat ihm extrem leid, dem Prototypen des Elektroautos EV1 den Hahn abgedreht zu haben. Und er gab offen zu, nicht erkannt zu haben, inwiefern die wachsenden Märkte in Indien und China zu einer Stabilisierung des Ölpreises um die 100-Dollar-Marke beigetragen hätten.3

Nachträgliches Bedauern – wie immer.

Kurz vor der GM-Jahresversammlung im Juni 2008 erklärte Rick, die stetig steigenden Benzinpreise hätten den »Strukturwandel« hin zu kleineren, kraftstoffsparenden Fahrzeugen forciert. Angesichts der Benzinpreise veränderte sich das Verbraucherverhalten nach Einschätzung des Konzerns rapide, nachhaltig und dauerhaft und sei keine vorübergehende Tendenz.4 Anders ausgedrückt: Es ist kein zyklischer, sondern ein linearer Prozess und somit ein harter Trend. Darüber hatte ich mich mit Rick bereits vier Jahre vorher unterhalten.

Warum öffneten Rick erst die hohen Benzinpreise die Augen für einen Trend, der schon Jahre vorher eindeutig erkennbar und absehbar war? Das ist eine gute Frage, die sich jeder Unternehmensmanager stellen sollte, denn GM ist nur ein Blinder unter Tausenden. Die Topmanager der amerikanischen Automobilhersteller tragen dieselben Scheuklappen wie ihre Kollegen aus anderen Branchen – wie wir alle, ob Manager, Arbeiter oder Angestellter, ob in Amerika oder anderswo. Wohin man auch blickt, nimmt uns die Gegenwart mit all ihren großen und kleinen Problemen so in Beschlag, dass wir überhaupt nicht daran denken, einen Blick in die Zukunft zu werfen, und daher sehen wir nicht, welche Risiken und vor allem Chancen auf uns zukommen.

Der Blick in die sichtbare Zukunft ist jedoch kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um im Strudel stetiger Fortschritte und umwälzender Veränderungen bestehen zu können. Wer an den Mythos glaubt, dass es so etwas wie Sicherheit nie gab und nie geben wird, weil sich die Welt im 21. Jahrhundert schneller dreht als jemals zuvor, riskiert Kopf und Kragen.

Es stimmt zwar, dass sich unsere Welt immer schneller dreht und verändert, aber im großen Fluss des Wandels gibt es Strömungen, die Sicherheit bieten. Strömungen, die uns nicht nur exakte Zukunftsprognosen gestatten, sondern deren Verlauf wir aktiv gestalten und lenken können. Wir müssen nur wissen, wo wir diese Strömungen finden.

Da es von Tag zu Tag komplizierter wird, die Zukunft zu erkennen, sollten Sie jetzt damit beginnen. Schon in den vergangenen Jahren vollzogen sich Veränderungen in zunehmend rasantem Tempo, doch das war erst die Aufwärmphase. Uns stehen keine Fortschritte, sondern Quantensprünge bevor.

➨ Kapitel 1 – Aktionsschritte

Vergessen Sie einfach einmal alles, was Sie nicht wissen und nicht können. Gewöhnen Sie sich an, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die Sie wissen und tun können, und halten Sie sie schriftlich fest. Lassen Sie sich von Fragezeichen und Zweifeln nicht aus dem Konzept bringen. Wenn Sie auf etwas stoßen, das Ihnen unsicher erscheint, ignorieren Sie es. Halten Sie ausschließlich die Dinge fest, die Sie mit Sicherheit wissen.

➤ Erstellen Sie eine Liste aller zyklischen Prozesse, die sich auf Ihr Wohlbefinden, Ihr Privat- und Arbeitsleben auswirken.

➤ Erstellen Sie eine Liste aller linearen Prozesse, die für Sie relevant sind.

➤ Erstellen Sie eine Liste aller harten Trends in Ihrer Branche, damit Sie wissen, von welchen sicheren Fakten Sie ausgehen können. Wenn Sie nicht hundertprozentig wissen, um welche Art Trend es sich handelt, streichen Sie ihn.

➤ Erstellen Sie eine Liste aller weichen Trends in Ihrer Branche, damit Sie wissen, auf welche Entwicklungen Sie Einfluss nehmen können.

➤ Ignorieren Sie sämtliche Unsicherheitsfaktoren und fragen Sie sich: »Was weiß ich mit absoluter Gewissheit? Was wird zwangsläufig in den kommenden Wochen, Monaten oder Jahren geschehen? Was muss ich tun, um mich für die sichere Zukunft vorteilhaft zu positionieren?«

➤ Geschäftsstrategien auf der Basis sicherer Fakten bergen so gut wie keine Risiken. Steht Ihre Geschäftsstrategie auf sicherem Boden?

➤ Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter, Geschäftspartner und vielleicht auch Ihre Kunden in Ihre Überlegungen ein, und teilen Sie die Zukunft in mögliche und unausweichliche Ereignisse ein. Anhand der Ergebnisse haben Sie die Möglichkeit, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

➤ Stellen Sie Ihre Annahmen infrage. Vergewissern Sie sich, dass Sie weiche und harte Trends – die sichere und die mögliche Zukunft – korrekt voneinander unterschieden haben.

Kapitel 2
Antizipieren

Am Morgen des 26. Dezembers 2004 ereignete sich eines der gewaltigsten Erdbeben, die jemals aufgezeichnet wurden. Rund um den Erdball schlugen die Seismographen der Messstationen aus, und im Indischen Ozean verursachte das Beben eine Reihe katastrophaler Tsunamis, die die Küstenregionen von 15 Ländern verwüsteten und knapp einer Viertel Million Menschen das Leben kosteten. Seit Beginn der Geschichtsschreibung hat keine Naturkatastrophe so viele Opfer gefordert und niemand sah sie kommen.

Fast niemand.

Die Einwohner der indonesischen Insel Simeulue, die rund 150 Kilometer von der Westküste Sumatras entfernt liegt, konnten sich retten. Anders als Hunderttausende anderer Menschen, die den westlichsten Teil des Pazifischen Feuergürtels bevölkern, brachten sie sich in Sicherheit, bevor die tödlichen Fluten über die Insel hereinbrachen. Retten konnten sich auch ein schottischer Biologielehrer namens John Chroston, der mit seiner Familie auf der thailändischen Insel Phuket an der Bucht von Kamala Urlaub machte, und Tilly Smith, ein zehnjähriges Mädchen aus Großbritannien.

Chroston war an diesem Dezembermorgen zum Schwimmen im Meer. Dabei machte er eine Beobachtung, die ihn dazu veranlasste, schleunigst aus dem Wasser und zurück ins Hotel zu eilen, Frau und Tochter zu alarmieren und den Fahrer des Shuttle-Busses dazu zu bewegen, ihn und seine Familie mitsamt den anderen Touristen im Bus sofort ins Landesinnere Richtung Berge zu fahren. Unterwegs sammelten sie noch einige thailändische Frauen und Kinder ein. 25 Kilometer weiter nördlich machte Tilly Smith am Maikhao-Strand dieselbe Beobachtung wie Chroston. Sie berichtete ihren Eltern davon, die daraufhin Alarm schlugen. Dank Tillys Beobachtungsgabe war der Strand bereits vollständig evakuiert, als der Tsunami auf Land traf. Der Maikhao-Strand gilt als einer der wenigen Strände auf Phuket, an denen niemand getötet wurde.

Über 1000 Kilometer entfernt machten die Einwohner von Simeulue ebenfalls diese Beobachtung, die sie ins Landesinnere fliehen ließ. Von den 83 000 Inselbewohnern kamen sieben ums Leben.

Was fiel diesen Menschen im Gegensatz zu allen anderen auf? Ihnen fiel auf, dass das Wasser zurückwich.

Eines der sicheren Anzeichen für einen bevorstehenden Tsunami (das hatte Tilly erst einige Wochen zuvor im Erdkundeunterricht gelernt) ist das plötzliche Zurückweichen des Meeres. So wie wir vor einem Kraftakt tief Luft holen, ballt das Meer seine Wassermassen zu einer gewaltigen Kraft zusammen, bevor es sie in einer Welle der Zerstörung entfesselt. Das Zurückweichen des Meeres an sich war natürlich kaum zu übersehen, doch an vielen Stränden freuten sich die Kinder über die tolle Gelegenheit, den freigelegten Meeresgrund nach Muscheln abzusuchen. Tragischerweise gingen so viele Muschelsucher ahnungslos dem sicheren Tod entgegen.

Nordwestlich von Phuket, im Golf von Bengalen, liegt die Inselgruppe der Andamanen und Nicobaren. Auf diesen Inseln lebt eine Handvoll Ureinwohner, die sich in sechs Stämme untergliedern. Die Mehrheit überlebte die Katastrophe, doch auf den Nicobaren waren viele Opfer zu beklagen. Auf diesen Inseln lebt ein Stamm, dessen Mitglieder sich von der traditionellen Lebensweise als Sammler und Jäger losgesagt haben und ihre kulturellen und spirituellen Gebräuche zugunsten eines modernen Lebensstils aufgaben. Für die Mitglieder des Onge-Stamms dagegen ist das Wissen um den ewigen Kampf der Elemente um den Grenzverlauf zwischen Meer und Land Teil ihres kulturellen Erbes. Als sie die Anzeichen eines bevorstehenden Kampfes erkannten, war ihnen daher klar, dass es höchste Zeit war, ins Inland zu fliehen.

 

Mag sein, dass John Chroston, Tilly Smith, die Inselbewohner auf Simeulue und die Ureinwohner auf den Andamanen die Bezeichnung »harter Trend« noch nie gehört haben; wie er in diesem Fall aussieht und worauf er hinausläuft, wussten sie jedoch alle.

Im übertragenen Sinne steht auch uns eine gewaltige Flutwelle an Innovationen bevor, die mit großer Wucht über uns hereinbrechen und umwälzende Veränderungen in Gang setzen wird. Allerdings konnten die Menschen, die sich den entfesselten Urgewalten des Indischen Ozeans gegenübersahen, nichts tun, außer zu fliehen und zu hoffen, die Katastrophe zu überleben. Wir stehen der riesigen Welle technologischer Innovationen ganz und gar nicht hilflos gegenüber. Mithilfe der Zukunftsflash-Impulse eröffnen sich Perspektiven, die uns aufzeigen, wie wir uns nicht nur über Wasser halten, sondern uns auf dem Kamm der Welle in eine rosige, erfolgreiche Zukunft tragen lassen können.

In den kommenden Jahren wird es zunehmend darauf ankommen, die Zeichen der Zeit korrekt zu deuten. Diejenigen unter uns, die das Zurückweichen des Wassers richtig interpretieren, können sich darauf vorbereiten, auf der heranrollenden Welle zu reiten und sich zu ungeahnten neuen Möglichkeiten tragen zu lassen. Alle anderen werden von ihr überrollt, entwurzelt und in eine chaotische Zukunft mitgerissen.

Der Wandel von innen nach außen

Agilität ist ein beliebtes Schlagwort in Managementkreisen. »Die Bedürfnisse der Verbraucher ändern sich ständig«, heißt es. »Der Wettbewerb und der Markt, einfach alles entwickelt und verändert sich so rasant, dass sich nur die agilsten Spieler in der Arena behaupten können.«

Das war vielleicht vor 20 Jahren so. In den 1980er und 90er Jahren, meinetwegen auch noch um die Jahrtausendwende, konnte man von »rasanten« Veränderungen sprechen, die nach Agilität und Reaktionsfähigkeit verlangten. Das Tempo des Wandels heutzutage als »rasant« zu bezeichnen, ist die Untertreibung schlechthin. Der Wandel vollzieht sich inzwischen in einer Geschwindigkeit, der selbst mit der besten Reaktionsfähigkeit nicht beizukommen ist. Wenn man die Welle heranrollen sieht, ist es bereits zu spät. Agil und schnell zu sein, ist natürlich ein Vorteil, doch es war nicht Agilität, die es Menschen wie John Chroston, Tilly Smith und den Ureinwohnern der Andamanen ermöglichte, sich und anderen das Leben zu retten, sondern die Fähigkeit der Antizipation.

Ein weiteres beliebtes Schlagwort aus den 1990er Jahren ist proaktiv. Wer proaktiv handelt, ergreift die Initiative und nimmt sein Schicksal selbst in die Hand, anstatt sich äußeren Einflüssen und den Umständen auszuliefern. Proaktives Handeln ist an sich nicht schlecht und in jedem Fall besser als reaktives Handeln. Für das 21. Jahrhundert ist dieses Konzept dennoch nicht mehr zeitgemäß. Statt proaktiv müssen wir heute präaktiv handeln.

Wer »proaktiv« handelt, zeichnet sich üblicherweise durch Verantwortungsbereitschaft, Tatkraft, Elan, Mut und Dynamik aus. Eigenschaften also, die seit Jahrzehnten von starken Führungspersönlichkeiten erwartet werden. Wenn im Geschäftsalltag proaktives Handeln verlangt ist, lautet der Auftrag aber normalerweise so: »Los, unternehmen Sie irgendetwas, und zwar sofort!« Ja gut, aber was? Woher soll man denn wissen, dass man das Richtige tut und die geeigneten Maßnahmen umsetzt? Proaktives Handeln bezieht sich typischerweise auf die Eingrenzung und Lösung aktueller Probleme. Damit ist es heute nicht mehr getan. Wir müssen zukünftigen Problemen vorgreifen und sie lösen, bevor sie uns Probleme bereiten. Es reicht nicht mehr aus, einfach nur geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Wir müssen zukünftige Ereignisse antizipieren und ihnen mithilfe geeigneter Maßnahmen entgegensteuern. Das heißt, wir müssen präaktiv handeln.

Proaktives Handeln erfordert Agilität, präaktives Handeln erfordert Antizipation.

Der Übergang von proaktiver zu präaktiver Planung, von der Reaktion zur Antizipation, lässt uns Veränderungen aus einer neuen Perspektive betrachten. Oft werden Veränderungsprozesse als disruptiv empfunden, was im Allgemeinen aber nur zutrifft, wenn sie von außen auferlegt werden. Wenn beispielsweise ein neues Gesetz verabschiedet wird, müssen Unternehmen Veränderungen anstoßen, um die Einhaltung der neuen Regelungen sicherzustellen. Wenn ein neuer Billiganbieter auf der Bildfläche erscheint, sehen sich seine Mitbewerber zu Veränderungen gezwungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch innovative Produkte, die sich auf das Kaufverhalten der Verbraucher auswirken, strategische Kursänderungen, die von der Chefetage nach unten weitergegeben werden, oder die Entstehung konkurrierender Märkte im Ausland machen es zwingend erforderlich, sich den geänderten Bedingungen anzupassen.

Das Gleiche gilt auch für den privaten Bereich. Explodierende Benzinpreise zwingen uns dazu, unser Fahrverhalten zu ändern. In Zeiten der Rezession müssen wir den Gürtel enger schnallen, vielleicht sogar den Beruf und den Wohnort wechseln und unsere Lebensgewohnheiten ändern. Der Verlust des Arbeitsplatzes eines oder beider Ehepartner zwingt die gesamte Familie zu radikalen Veränderungen.

Bei meinen Vorträgen stelle ich immer wieder fest, dass von außen auferlegte Veränderungen den Berufsalltag meiner Zuhörer prägen. Ob in Amerika oder anderswo, ob Lehrer, Pflegepersonal, Führungskräfte oder Industriebosse, sie alle bestätigen mir, dass ihr Berufsalltag größtenteils aus Krisenmanagement besteht. Kommt der Wandel von außen, befindet man sich prinzipiell unter Zugzwang und ist vollauf damit beschäftigt, an allen Ecken und Enden die Feuer zu löschen, die der Wind des Wandels entfacht. Da er schon seit einiger Zeit immer stärker weht und immer mehr Feuer entfacht, sind agile, reaktionsschnelle Feuerwehrleute gefragt. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem auch der schnellste Brandbekämpfer erschöpft zusammenbricht, zumal sich der Wind allmählich in einen Sturm und die Feuer in einen Flächenbrand verwandeln.

Es gibt eine Alternative zum Dasein als Krisenmanager: Satteln Sie um, und werden Sie Chancenmanager.

Den Spruch »Jedes Problem birgt auch eine Chance in sich« kennt sicherlich jeder, nur leider trifft er nur sehr eingeschränkt zu. Macht sich ein Problem erst einmal als solches bemerkbar, ist es normalerweise schon zu spät, es als Chance zu nutzen. Die Welle der Probleme wird in Zukunft immer öfter über uns hereinbrechen. Sie kann nur als Chance genutzt werden, wenn man sie kommen sieht, bevor sie Probleme bereitet.

Präaktives Handeln bedeutet, sich Chancen zu schaffen, indem künftige Probleme antizipiert werden, damit sie erst gar nicht auftreten. Es bedeutet, den Wandel von innen nach außen aktiv zu gestalten, anstatt auf den von außen auferlegten Wandel zu reagieren.

Von externen Umständen forcierte betriebliche Veränderungen stören die Geschäftsabläufe üblicherweise empfindlich. Intern initiierte Veränderungen sind dagegen immer zielorientiert und konstruktiv. Durch den Wandel von innen nach außen, durch präaktiven Wandel im Sinne des Chancenmanagements, lässt sich das vorhandene persönliche und betriebliche Wachstumspotenzial voll ausschöpfen. Mit dieser Art des Wandels schreiben Sie das Drehbuch für Ihre Zukunft. Diese Art des Wandels gelingt jedoch nur durch Antizipation.

Ich wohne in der Nähe eines Bahnübergangs, an dem noch eines dieser altmodischen Holzschilder steht, auf denen geschrieben steht:

STOP

LOOK

LISTEN

Ein ausgezeichneter Rat: Anhalten, hinsehen und hinhören. Wenn sich um uns herum alles immer schneller verändert, geben wir auch lieber Gas, um nur ja nicht den Anschluss zu verpassen. Das ist zwar verständlich, aber trotzdem die falsche Strategie. Die richtige Strategie ist, auf die Bremse zu treten und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Anhalten: Halten Sie einen Moment an beziehungsweise inne, und vergessen Sie alles, was Ihnen momentan Sorgen bereitet. Treffen Sie bewusst die Entscheidung, sich ab jetzt regelmäßig etwas Zeit zu nehmen, um Ihre antizipatorischen Fähigkeiten zu entwickeln. Die Vorwegnahme künftiger Ereignisse kommt Ihnen sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Alltag zugute.

Sobald Sie ein paar Gänge heruntergeschaltet und die Notwendigkeit zu einer präaktiven, antizipatorischen Strategie erkannt haben, geht es weiter mit:

Hinsehen: Werfen Sie einen Blick in Ihre sichtbare Zukunft und fragen Sie sich: »Welche Schwierigkeiten und Probleme kommen auf mich zu?«

Lösen Sie sich einmal von Ihren gegenwärtigen Problemen, und machen Sie sich klar, mit welchen Schwierigkeiten Sie es in den nächsten drei bis sechs Monaten, in den nächsten drei bis sechs oder gar zehn Jahren zu tun bekommen. Das sind die Hürden, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Konzentrieren Sie sich nicht ausschließlich auf Ihre momentanen Herausforderungen. Einen echten Vorsprung verschaffen Sie sich nur, wenn Sie den Problemen von morgen schon heute entgegenwirken, um sie gar nicht erst entstehen zu lassen. In anderen Worten: Wenn Sie Probleme lösen, die Sie noch gar nicht haben, werden Sie sie auch nie bekommen.

Nachdem Sie einen scharfen Blick in die Zukunft geworfen haben, spitzen Sie die Ohren.

Hinhören: Hören Sie darauf, was Ihnen Ihre innere Stimme – Ihr Bauchgefühl – über künftige Schwierigkeiten und deren Lösungsmöglichkeiten zu sagen hat. Achten Sie auf Hinweise und Signale, die Sie auffangen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Je häufiger Sie den Blick in die Zukunft schweifen lassen und Ihre Antennen auf die Zukunftsflash-Impulse ausrichten, umso empfänglicher werden Sie für diese Signale, was mit der Zeit den angenehmen Effekt hat, dass sich Lösungsmöglichkeiten immer schneller von ganz allein offenbaren.

Wenn ich meinen Klienten empfehle, ihre antizipatorischen Fähigkeiten zu entwickeln, lautet die übliche Antwort: »Das klingt großartig, und es wäre wirklich toll, wenn wir Ihre Empfehlung umsetzen könnten. Das Problem ist nur, dass wir uns nicht gemütlich zusammensetzen können, um drei Jahre im Voraus zu planen. Wir haben mehr als genug damit zu tun, den ganz normalen täglichen Wahnsinn zu überstehen, für Zukunftsplanung bleibt da keine Zeit.«

Schon klar. Wer hat nicht Tag für Tag mehr als genug zu tun? In der Führungsetage von GM wurde in den letzten zehn Jahren sicherlich mit Hochdruck an Problemlösungen gearbeitet, wodurch sich der Bankrott jedoch auch nicht vermeiden ließ. Wie verrückt zu arbeiten, brachte weder den GM-Managern etwas, noch wird es Ihnen etwas bringen. Es ist vollkommen unrealistisch, die Zukunftsplanung auf ruhigere Zeiten zu verschieben, denn die wird es nie geben. Die Tatsache, dass wir alle permanent viel zu beschäftigt sind, ist der Grund dafür, weshalb die meisten Menschen mit Blindheit für die Zukunft geschlagen sind. Die Frage, die Sie sich beantworten müssen, lautet: »Bin ich bereit, auf die Bremse zu treten, bevor ich mit Vollgas voranpresche?«

Dies ist beispielsweise mit einer Methode möglich, die ich als Zukunftsbenchmarking oder auch vorgreifendes Benchmarking bezeichnen möchte.

Benchmarking ist eine strategische Managementtechnik, bei der innerhalb einer Branche zielgerichtete Vergleiche zwischen Produkten oder Verfahrensweisen angestellt werden, um die besten betrieblichen Praktiken als Branchenstandards zu identifizieren und zu implementieren. Das Problem ist jedoch, dass dabei nur die besten betrieblichen Praktiken der Gegenwart untersucht werden. Bis das Benchmarking erfolgt ist und die Praktiken implementiert werden, gelten schon wieder neue Maßstäbe. Der Wandel vollzieht sich in so rasender Geschwindigkeit, dass man schon heute kaum mit ihm Schritt halten kann, und das Tempo wird sich noch weiter erhöhen. Wer sich im 21. Jahrhundert noch auf Aufholjagden einlassen will, hat schon verloren.

Das Ziel besteht auch nicht darin, mit dem Wandel Schritt halten zu können, sondern darin, sich einen Vorsprung zu verschaffen. Der Trick ist, die heute geltenden besten Praktiken zu überspringen und sich anhand harter Trends und sicherer Entwicklungen zu überlegen, welche neuen Maßstäbe in absehbarer Zukunft gelten werden.

In der Autoindustrie gilt beispielsweise das berühmte Toyota-Produktionssystem als eines der besten der Branche. Nehmen wir an, Sie bauen Autos und wollen dieses System in Ihrem Betrieb einführen. Bis Sie es implementiert haben, vergehen vier bis fünf Jahre, und wenn Sie die Produktion endlich aufnehmen können, sind Sie den Entwicklungen Ihrer Branche um eben diese vier bis fünf Jahre – heutzutage eine Ewigkeit – hinterher. Das ist also keine gute Lösung.

 

Anstatt sich an dem gegenwärtigen Stand des Toyota-Modells zu orientieren, studieren Sie die harten Trends und erstellen eine Prognose, welche Neuerungen Toyota innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre einführt.

Auf diese Weise können Sie alle Ressourcen strategisch darauf ausrichten, schon heute mit der Implementierung der besten betrieblichen Praktiken von morgen zu beginnen. Mit diesem Vorsprung setzen Sie die neuen Maßstäbe für Ihre Branche, übernehmen die Führung und überlassen die Rolle des ewigen Nachzüglers einem anderen.

»Moment mal«, denken Sie sich jetzt vielleicht. »Woher soll ich denn bitteschön wissen können, was Toyota oder wer auch immer in fünf Jahren eingeführt haben wird?«

Nun, machen Sie Ihre Hausaufgaben, und üben Sie, harte Trends richtig zu deuten. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Tilly Smith. Sie konnte nur deshalb vorhersehen, dass ein Tsunami bevorstand, weil sie seine Vorzeichen im Unterricht gelernt hatte. Sie wusste, worauf sie achten musste, und was ein kleines Mädchen lernen kann, sollte Ihnen wohl auch gelingen.