Deadman's Hostel

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Z serii: Deadman's Hostel #1
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Sein Blick tastete sie ab. Von ihren schmalen Schultern, über die Rundungen ihrer spät wachsenden Brust und hin zu ihren werdenden Hüften. Sie hörte, wie sein Atem sich veränderte. Tiefer, wie von einem im Dickicht lauernden Raubtier, das sich zum Sprung bereitmachte. Sogar sein Herz konnte sie dumpf lauter schlagen hören.

Den Bourbon aus der Flasche trinkend, beobachtete er, wie sie an ihm vorbeizog.

Das flaue Gefühl in ihr ließ sie etwas taumeln.

Als Sheryl sich gesetzt hatte, stand er vom Stuhl auf, und sie vernahm betäubt seinen nächsten Befehl: „Beug dich nach hinten und mach die Beine aus’nander.“

Wie selbstverständlich hielt sie ihm die Hand fordernd hin.

Er gab ihr die Flasche und, auch wenn sie den Whiskey hasste, sie trank ihn in großen Schlucken. Die Hoffnung bestand darin, durch einen Rausch diese Szene erträglicher zu machen.

Der Mann schaute jetzt überraschend ernst drein und trat näher.

Wie verlangt, beugte sie sich zurück und ließ es zu, dass er zwischen ihre Schenkel sehen konnte. Ihr war mehr als elend zumute. Erneut liefen ihr Tränen über das Gesicht und sie schloss die Augen.

Das Mädchen zuckte zusammen, als seine Hand plötzlich in ihren Schoß griff. Ihr Körper zitterte gegen ihren Willen immer stärker, weil er ihr Geschlecht berührte und es stetig reizte. Sie wollte die Beine schließen, doch das ließ er nicht zu.

„Was stellste dich so an? Haste’s echt noch nie gemacht?“

Er öffnete ihre Schenkel weiter und drückte einen Finger in sie hinein. Sie hörte ein feuchtes, ekelerregendes Glitschen. Sein Handeln fühlte sich falsch, dreckig, rau und fremd an, und doch löste er durch seine forschenden Bewegungen eine merkwürdige Hitze in ihr aus, welche Sheryl allerdings zuwider war.

„Vertrau mir, so ist’s besser“, hörte sie ihn flüstern.

Ein wehmütiges Seufzen kam unfreiwillig von ihren Lippen, als er seine Hand von ihr nahm. Unter schweren Lidern schaute sie zu ihm hinauf.

„Gut, bist etwas eng“, seufzte der Mann und klang irgendwie enttäuscht. „Aber geil wirste schon, also kann’s nicht so wild sein … Und? Willste mehr, Schätzchen?“ Er griff nach seiner Gürtelschnalle. „Ja?“

Sie konnte nicht antworten. Es verschlug ihr sowieso alle Sprache, als er die Hose öffnete und selbstgefällig grinsend ihr dieses … Ding präsentierte. Noch nie hatte Sheryl jemanden derart nackt gesehen. In ihrem Herzen regte sich abermals die Angst. Sie wollte es nicht in sich haben. Sie wollte nicht!

Er drückte ihr die Beine noch breiter auseinander und brachte sich in Position. Das gespannte Fleisch streifte kurz ihr Becken, brachte sie zum Zucken, zum Stöhnen. Ihr Körper war bereit, ihn zu spüren. Er kribbelte in Erwartung dessen, was der Kerl zu bieten hatte. Ihr Kopf jedoch schrie aus blanker Verzweiflung.

„Willst ihn, ja? Kannste haben. Aber denk nicht, dass du ihn heute schon genießen wirst. Mein Schwanz ist eher was für Erwachsene“, keuchte er fiebrig und beugte sich über sie. Seine Hände packten fest die Tischkanten.

Dann fühlte sie sein Gewicht.

Er drang ein. Seine Hüfte drückte gegen die ihre. Kurz zog er sich zurück, um gleich darauf tiefer zu stoßen. Tiefer. Noch tiefer. Seine Impulse – zuerst langsam – wurden heftig, der ganze Tisch und der Tresen wackelten, und Sheryl biss die Zähne zusammen.

Es tat weh. In ihrem Bauch drückte es, als würden ihre Eingeweide komplett verschoben werden, um ihm und seinem verfluchten Ding Platz zu geben. Sheryl konnte absolut nicht verstehen, warum die Erwachsenen es gern taten. Sie machten es alle und immer wieder! Aber sie …

Ich hasse es! Ich will, dass er aufhört!

Mit ganzer Kraft versuchte sie ihn wegzudrücken, aber ihre schweißnassen Finger glitten von seiner bemalten Haut ab. Er war außerdem zu stark.

Ein mächtiger Stoß ließ ihn kommen.

Der Mann knurrte auf wie ein zorniger Wolf, an seinem Leib spannte sich jeder Muskel.

Zusammensackend pumpte er noch schwach und ließ dann von ihr ab.

Als sein Glied ihre Mitte verließ, fühlte sie eine grässliche Leere in ihrem Fleisch. Und dennoch hatte er etwas darin zurückgelassen. Sie spürte es in ihrem Innern heiß und glibbrig Wurzeln schlagen. Er hatte sie besudelt, seinen Samen in ihr gepflanzt.

Oh mein Gott …

Sie hörte, wie er in den Stuhl fiel und ein Feuerzeug klickte.

Bitte nicht …

Sheryl schluchzte.

Es schmerzte.

Alles.

Ihre Organe.

Ihre Seele.

Ihr Selbstwertgefühl.

Au …

Sie sah auf zur grauen Zimmerdecke. Um sie herum drehte sich der Raum.

Aus weiter Ferne sagte der Mann etwas.

Sie verstand seine Worte nicht.

Ihr war schwindlig.

Und sie war müde.

Sehr müde …

Schlapp schaffte er es, sich eine Zigarette anzuzünden. Tief zog Ace das Nikotin in seine schwarze Lunge, behielt den Rauch ein paar Sekunden lang in sich und atmete dann aus. Ihm zitterten noch etwas die Finger von seinem Orgasmus.

Normalerweise hielt er nichts von Sex am Arbeitsplatz. Auf Zuschauer konnte er verzichten, ganz zu schweigen von irgendwelchen dämlichen Kommentaren hinsichtlich der lieben, doch sehr überschätzten Ethik. Aber heute lief ja komplett alles aus dem Ruder.

Er fuhr sich durch das verschwitzte Haar und schaute auf das Mädchen, das ebenfalls völlig erledigt auf seinem Schreibtisch lag und weinte. Zwischen ihren zarten Schenkeln schimmerte ihm eine rosafarbene Knospe entgegen, die er mit Gewalt geöffnet hatte. Ein dünner roter Fluss zeugte davon.

Erfolgreich entjungfert, bravo …, dachte er matt und schlug sich gegen die Stirn. Bei den heutigen frühreifen Kids wunderte ihn das tatsächlich sehr. Gerade in ihrer ausweglosen Position hätte er erwartet, dass sie schon des Öfteren mit ihrem Körper bezahlt hatte. Sie sollte froh sein, bisher einen guten Schutzengel gehabt zu haben.

Bis er kam und den bescheuerten Vogel abknallte.

Lässig zuckte er die Schultern.

Na ja, jetzt hat sie es hinter sich. Und das sogar mit Stil. Jedenfalls mehr, als wie sie auf der Straße gekriegt hätte. Cool, und ich kann endlich die Jungfrau von meiner Liste streichen …

Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht.

Erneut sah er zu ihr hin. Die Kleine rührte sich nicht.

„Alles klar?“, fragte er sie knapp.

Keine Antwort.

„Hey!“, rief Ace lauter.

Nichts.

Ist sie bewusstlos?

Oder nur sauer?

Er nahm einen zweiten tiefen Zug, dass die Glut hell aufleuchtete.

„Scheiße!“, stieß er den Qualm mit einem Fluch aus.

Alter, du bist so was von erledigt.

2

Gerädert erwachte Sheryl aus einem traumlosen Schlaf. Ihr Verstand war wie umnebelt.

Für einen kurzen, irrationalen Moment dachte sie, sie wäre wieder zu Hause, in ihrem eigenen Bett und ihre Mutter käme bald zur Tür herein, um sie an die Schule zu erinnern, während ihr Vater in der Küche das Frühstück vorbereiten könnte.

Doch das war eine Illusion.

Dieses Bett hier war fremd. Ebenso das gelbe Sonnenlicht, welches durch die halb geöffnete blaue Jalousie vor dem Fenster zu ihr in den Raum fiel. Es beleuchtete ein Ort, der ihr unbekannt war und von dem sie nicht wusste, wie sie ihn erreicht hatte.

Das Laken unter ihr war weiß und frisch. Auch das mintgrüne Kopfkissen und die Zudecke machten einen guten Eindruck. Sie roch noch den blumigen Weichspüler.

Behutsam setzte sie sich auf. Und ihr Körper meldete sich protestierend zu Wort. Ihr Rücken schmerzte, ihre Beine, ihr Kopf – doch am meisten ihr Bauch. Ihr ganzer Beckenbereich.

Wieso?

Was ist passiert?

Was -

Plötzlich dämmerte es ihr.

Die Wüste. Das Hostel. Und dieser … dieser … Mistkerl!

Zornig sprang sie aus dem Bett, aber ihre Beine wollten Sheryl noch nicht halten und so fiel sie lang auf die kobaltblaue Auslegeware. Jetzt taten ihr auch Knie und Ellenbogen weh. Klasse …

Die schlechten Neuigkeiten rissen nicht ab. Beschämt wurde das Mädchen sich ihrer Nacktheit bewusst. Wo war ihr Rucksack? Wo ihre Klamotten? Ihre Schuhe? Obwohl sie allein war, sehnte sie sich nach dem Schutz der Kleidung.

Suchend betrachtete sie das Zimmer genauer.

Rechts von ihr befand sich eine kleine Küchenzeile mit angrenzendem Waschraum. Ein Esstisch für zwei Personen stand in der freien Ecke und ein Sessel plus Beistelltischchen stilisierte mit einem Schrank links den Wohnbereich abseits vom Bett. Dort entdeckte Sheryl zum Glück einen weißen Bademantel. Wankend stand sie vom Boden auf und griff nach dem weichen Stoff, der auf dem Polster lag. Wie das Bett roch das Frottee sehr sauber und hastig warf sie es sich über. Als sie den Gürtel zusammenziehen wollte, stutzte sie. Wie erstarrt blickten ihre Augen an sich hinunter.

An ihren Schenkelinnenseiten … klebte getrocknetes Blut. Ängstlich legte das Mädchen ihre Finger darauf und die empfindliche Haut sendete sofort einen entsprechenden Reiz. Erinnerungsfetzen blitzten in Sheryls Kopf auf. Ein erstickendes Keuchen entfuhr ihrer Kehle und abermals gaben ihr die Beine nach.

Es war kein Albtraum gewesen.

Sie konnte es fühlen.

Wie er sie …

Tränen kullerten über ihr Gesicht und tropften auf den Teppich.

Oh Gott. Oh großer Gott! Bin ich etwa von ihm schwanger?, dachte sie fassungslos und das Herz in ihrer Brust hörte auf zu schlagen.

 

Sheryl erinnerte sich, wie sie bei ihrer Freundin Conny einmal übernachtet hatte. Die beiden Teenager waren lange bis in die Nacht aufgeblieben und hatten sich Late-Night-Talkshows reingezogen. Über die jungen Frauen, die sich von irgendeinem Mann hatten schwängern lassen, der sie dann mit dem Balg zurückließ, um seine Gene noch anderswo zu verteilen, konnten sie nur den Kopf schütteln.

„Gott, sind die blöd!“, hatte Conny gelacht. „Haben die noch nie was von Verhütung gehört? Die müssen echt verzweifelt gewesen sein! Ohne Gummi würde ich keinen Typen an mich ranlassen! Ich bin zu jung für ein Kind!“

Um ein Schluchzen zu verhindern, hielt sich Sheryl den Mund zu.

Nun saß sie hier, möglicherweise mit der Brut dieses … Bastards im Bauch.

Und was jetzt?

Sie wischte sich die Tränen fort.

Der Zorn stieg wieder in ihr auf.

„Du Arschloch!“, brüllte sie ihn durch die Wände an.

Entschlossen, ihn für ihre Schmerzen und die Belastung bezahlen zu lassen, stand sie auf, zog den Mantel zu und verließ das Zimmer barfuß durch die Tür nach draußen.

Sheryl betrat einen langen Korridor mit hellgrauen Wänden, an denen keine bunten Bilder hingen und nirgends eine Zimmerpflanze ihr Dasein fristete. Der Boden war mit dem gleichen blauen Teppich ausgelegt, wie das Innere des Raumes hinter ihr. Zu beiden Seiten gingen weitere, mit weißen Ziffern nummerierte Holztüren ab, die wohl in andere Gästezimmer führten, doch kein Besucher ließ sich blicken. Oder gar hören. Alles blieb ruhig.

Nervös ging sie erst ein paar Schritte nach links, besann sich dann aber und lief nach rechts. Auf einem letzten Durchgang stand die Aufschrift Stairway. Hastig drückte sie die abgewetzte Messingklinke und kam in ein noch schlichteres Treppenhaus mit Metallgeländer und betonierten Stufen. Der an der Wand stehenden 2 entnahm sie, dass sie sich im zweiten Stock befinden musste und so gut sie konnte, rannte sie nach unten. Fast wäre sie so manches Mal gestolpert. Weil die 1 noch nicht ebenerdig verlief, stieg sie weiter hinab. Im „Erdgeschoss“ angekommen, ließ Sheryl sich beinahe durch die Außentür fallen.

Heiße Luft blies ihr entgegen.

Ein klarer Morgen, die Sonne stand noch nicht hoch. Im Nord-Westen sah sie noch Ausläufer der schwindenden Nacht.

Der quadratische Innenhof des Hostels, die weite Wüste, der endlose Highway – alles zeigte sich ihr still und ausgestorben. Kein Mensch, kein Tier, kein Wagen, der einen Laut von sich gab. Gerade mal glaubte sie, von irgendwoher einen Adler oder Falken rufen zu hören. Sand knirschte unter ihren Zehen.

Kurz atmete das Mädchen durch.

Dann lief sie zur Rezeption.

An der eingefassten Scheibe hing eine feste Notiz mit geregelten Öffnungszeiten, die sie kurz überflog.

MO 10 am - 8 pm

TU - closed -

WE 10 am - 8 pm

TH 10 am - 8 pm

FR 10 am - 6 pm

SA 10 am - 10 pm

SU 12 am - 6 pm

Darunter befand sich ein zweites Schild aus Pappe. Es war von der Innenseite her grob mit Klebeband angebracht und zeigte die handschriftliche Forderung:

Fresse halten! Ihr könnt warten! Ich muss schlafen!

Was für ein freundlicher Kerl …

Sie zögerte, ehe sie nach der Tür fasste. Vielleicht war abgeschlossen, oder der Typ war gar nicht hier zu finden, oder ein Alarm schrillte plötzlich los, der die Polizei benachrichtigte.

Ach, ich komme nicht weiter, wenn ich hier nur rumstehe!, schüttelte Sheryl den Zweifel ab und drehte den silbernen Knauf. Die Pforte sprang mit einem Knarzen der Scharniere auf. Der Raum dahinter wirkte staubig und verlassen. Zumindest die Aktenschränke und Schlüsselbretter waren verschlossen, wenn der Herr Vermieter es schon mit der Haustür nicht so genau nahm. An der Decke über den Eingang sammelte sich eine Kolonie von dünnen Spinnen an, die gut von Motten und Mücken lebte.

Der vermisste Rucksack lag geöffnet auf dem Sofa. Vom restlichen Besitz, den sie von zu Hause mitgenommen hatte, fehlte jedoch jede Spur. Was hat dieser schmierige Penner damit gemacht? Gut, es waren bloß Wechselsachen und ein paar Waschutensilien, aber dennoch ihres!

Langsam ging das Mädchen um die Theke herum und warf einen verstohlenen Blick auf den Schreibtisch. Dort hatte sie gelegen und dieser … dieses ekelhafte Schwein! Er hatte sie wie eine billige Hure benutzt! Angewidert schüttelte sie die Erinnerung ab und atmete tief durch. Leider wurde ihr davon nur noch übler. Die muffige Luft in diesem heruntergekommenen Kabuff schmeckte nach kaltem Rauch und roch wie etwas, das sie nicht identifizieren wollte.

Rechts vom Tresen befand sich eine unscheinbare Holztür. Privat verkündete sie und würde ganz sicher in den Wohnraum des Verwalters führen.

Diesmal zögerte Sheryl nicht und klinkte gleich.

Der Zigarettengestank wurde unerträglich und vermischte sich mit dem abscheulichen Dunst der Verwesung. Hustend trat sie in einen wahren Saustall. Im Groben und Ganzen war das Zimmer dem ihren nicht unähnlich. Eine Küche, Zugang zum Badezimmer, eine Essecke für zwei. Nur eine graue Falttür schien die Grenze zum Schlafzimmer zu markieren. Doch im Gegensatz zu ihren sauberen Wänden, herrschte der Mann über ein Chaos.

Überall standen leere Glasflaschen – ehemals Whiskey – herum. Der Inhalt von Aschenbechern stapelte sich in die Höhe und im Abwasch sammelte sich schmutziges Geschirr. Fliegen summten über einer stehen gelassenen Mahlzeit, die irgendwann mal Ravioli gewesen sein musste, und deren Jungen genossen das Angebot an Abfällen. Krümel, Staub, Spinnweben … und eine Kakerlake huschte davon.

Schnurstracks lief Sheryl zum Fenster über dem vermoderten Spülbecken und öffnete es. Sauerstoff füllte ihre Lunge und die Insekten schwärmten, zu einer schwarzen Wolke geformt, nach draußen. Den Teller und die Asche warf sie ihnen gleich hinterher.

Angeekelt von der Unordnung, schüttelte sich das Mädchen und wandte sich dann dem Schlafzimmer zu. Irgendwie wollte sie gar nicht wissen, welche hygienischen Abgründe hinter der Schiebetür auf sie lauerten – doch es musste sein.

Der abgestandene Gestank erregte auch hier drinnen Brechreiz. Tabak und Alkohol zählten bei dem Mann scheinbar zur Grundnahrung. Dazu lagen zig Kleidungsstücke kreuz und quer, sauber und dreckig über den ganzen Raum verteilt. Hier ein ausgelatschter Schuh, da eine muffige Socke, ein fleckiges Unterhemd und genug Dinge, über die sie sich sicher nicht den Kopf zerbrechen wollte. An der Längswand standen auf einem schwarzen, sehr staubigen Sideboard ein dunkler Flachbildfernseher und eine silberne Musikanlage. Mehrere CDs stapelten sich neben dem Gerät, das sogar für altmodische Kassetten ausgelegt war. Und – was sie wirklich sehr überraschte – es gab Bücher.

Unter all dem Schmutz und Schund befanden sich zig Bücher. Romane. Nie hätte Sheryl den Kerl für eine Leseratte gehalten. Sie hob eine Taschenbuchausgabe an, die mit durchgebogenem Rücken auf der Kommode lag und las ein paar Zeilen. Der Text war auf Deutsch verfasst und es dauerte etwas, eh sie den Inhalt halbwegs übersetzen konnte.

Es war ein Kinderbuch über märchenhafte Gestalten und fantastische Abenteuer. So etwas Feinfühliges – ja, nahezu Unschuldiges – hatte sie wirklich nicht von jemandem erwartet, der dermaßen abgebrüht und steinern war wie er.

Und wenn schon, er hat mir Schreckliches angetan, reagierte sie grimmig und legte das Buch grob beiseite.

Sheryl trat an das Doppelbett heran, welches den verkommenen Raum dominierte. In den zerwühlten Laken eingewickelt schlief dort der Mann, seitlich auf den Bauch gedreht und leise schnarchend. Neben ihm auf der Matratze lag eine leere Flasche Bourbon. Von der Anwesenheit des Mädchens hatte er gar nichts mitbekommen. Der Rausch musste ihn fest im Griff haben.

Wenn es mal nur der Alkohol ist. Wer weiß, was der Typ sich sonst noch spritzt!, dachte sie abfällig, dann schloss Sheryl auch hier das Fenster auf, um klare Luft hereinzulassen. Sonnenlicht flutete die verhangene Räucherhöhle und schien dem Mann direkt auf den bunt tätowierten Rumpf. Hauptsächlich bestand das Motiv aus aufgemalten Knochen. Vom Hals abwärts war das Rückgrat nachgebildet, wobei die einzelnen Wirbel fast an kleine Schädel erinnerten. Schulterblätter, Rippen … statt von Muskeln oder Adern waren sie von Flammen überzogen. Im Schatten des Lendenbereichs wanden sich zwischen verrotteten Organen Würmer, Maden und Aaskäfer.

Sheryls Unterfangen beeindruckte den Schläfer wenig. Er schnarchte weiter und schmatzte kurz im Schlaf.

Wie der so die Ruhe weghaben konnte, war ihr schleierhaft. Während ihr diverse Sorgen und Schmerzen durch Geist und Körper fuhren, war für den alles in bester Ordnung.

Neidisch auf seinen gesunden Schlaf, stieg sie wütend auf die Matratze und warf ihn kurzerhand – nicht ohne Anstrengung – von dieser runter. Polternd landete er mit einem gequälten Stöhnen am Boden, was ihr nur recht war. Er konnte auch mal ein bisschen leiden, er hatte es mehr als verdient! Am besten, man sperrte ihn gleich weg!

Benommen zog sich der Mann mühsam etwas wieder an der Bettkante hoch. „Scheiße!“, fluchte er mit kratziger Stimme und kniff wegen der ungewohnten Helligkeit die Augen zusammen.

„Du perverser Mistkerl!“, kreischte Sheryl ihn von oben herab an.

Knurrend hielt er sich den Kopf und murmelte bloß: „Brüll nicht so, verdammt …“

„Du Drecksack!“

„So weit warste schon …“

„Was hast du mir angetan?!“

„Eh?“, verstand er offenbar nicht, was sie von ihm wollte. Seine Stirn legte sich in Falten.

„Du hast mich vergewaltigt, du Arschloch!“

Scheiße.

In der Regel sollte Ace derjenige mit dem Filmriss sein. Der kleinen Ratte hatte er dem Anschein nach das Hirn rausgevögelt! Und wenn die nicht bald mit dem verfluchten Geplärre aufhörte und weiter die Luft an diesem frühen Morgen mit idiotischen Moralpredigten belastete, würde er ihr den dürren Hals umdrehen! Die Schuld konnte sie jemand anderem in die Schuhe schieben, aber doch nicht ihm! Wer wollte denn unbedingt bleiben?! Sie war ja nicht gefangen, oder so …

„Halt dein dummes Maul!“, wurde er jetzt mal richtig laut, dass sein Gebrüll von den Wänden hallte und wahrscheinlich noch meilenweit in die Wüste hinaus zu hören war.

Das hatte gesessen.

Mit großen Augen wurde sie stumm.

Endlich Ruhe. Verdammter Mist.

Schon sackte die Göre kraftlos auf seinem Bett zusammen und fing an zu heulen.

Genervt von ihrer Gefühlskrise, setzte er sich auf den Boden hin und kratzte durch sein Haar.

„Schalt mal deine Birne ein, Schätzchen!“, fuhr er sie rau an. „Haste sie noch alle?

Wir haben ’nen Deal, klar? Und du warst einverstanden! Haben’s mit Handschlag besiegelt, also komm mir jetzt nicht mit blöden Vorwürfen! Ficken ist dein Teil der Abmachung! Kapiert?“

„Ich war verzweifelt!“, jammerte sie und tropfte sein Laken mit Rotz und Wasser voll.

„Klar, was sonst?!“, verstand er nicht, was sie damit sagen wollte.

„Ich war nicht zurechnungsfähig!“

„Erzähl kein’ Mist, hast sehr wohl verstanden, worum’s geht! Mach jetzt kein’ beschissenen Rückzieher, bloß, weil du Panik bekomm’ hast! Ich hab geliefert und du bezahlst, also hör auf zu flenn’!“

Das Gegenteil war der Fall.

Weinend fiel sie zur Seite und rollte sich wie ein Kätzchen zusammen, um gehörig zu verzweifeln.

Ich hasse Teenager, dachte Ace gereizt.

Unsicher kam er auf die nackten Füße und suchte im Zimmer nach einer vollen Schachtel Zigaretten. Beim Fernseher lagen welche, inklusive Feuerzeug. Rauchend wartete er einige Lungenzüge ab und warf dabei einen kurzen Blick in die Küche.

Er hatte mal wieder das Abschließen vergessen. Und das blöde Weib riss gleich alle Bretter auf, als hätte sie hier was zu sagen! Wenn er etwas nicht mochte, dann naseweise Bälger, die sich in seinem Domizil breitmachten und glaubten, alles umändern zu können. Schnaufend gab Ace einen wüsten Fluch von sich und kehrte sich wieder dem Bett zu.

Die heult ja immer noch …

„Scheiße, jetzt tu nicht so, als wärste das Opfer!“, schimpfte er. „Hast doch was gekriegt dafür, oder? Und wenn du echt nicht gewollt hättest, hätte ich auch die Bullen rufen könn’, wie auch immer …“

 

Sie schluchzte.

„Verdammt!“, stöhnte er auf und warf wütend die Kippe in einen eh vollen Aschenbecher. „Kurze, von der Heulerei wird’s nicht besser! Komm gefälligst klar!“

Doch die Kleine kugelte sich nur noch mehr ein.

Angefressen und mit einer neuen Fluppe im Mund setzte Ace sich zu ihr auf den unteren Bettrand und zog das rechte Bein an, um sich darauf abzustützen. Wortlos betrachtete er ihren vor Kummer zitternden Leib.

Na, da hab ich mir ja was angelacht …

Wirklich ein zartbesaitetes, zerbrechliches, junges Ding. Im Vergleich zu ihm fast winzig und sehr schwach. Flachsblondes, langes Haar, das ihr über die schmalen Schultern fiel. Von der Wüste verbrannte Haut. Ihre schlanken Beine hatte sie bis an die wenig üppige, doch mit Sommersprossen befleckte Brust gedrückt und ließ ihn unweigerlich auf ihre Spalte starren. Er erinnerte sich, wie weich und eng sie war. Auch wenn sie noch nicht die vollen Vorzüge einer erwachsenen Frau besaß, reizte ihr Geschlecht ihn durchaus. Sein Schwanz zuckte leicht bei der kleinsten Witterung ihres Duftes …

Aber jetzt war für seine Libido ein schlechter Zeitpunkt.

Zeig mal, dass du erwachsen bist, Alter.

„Gefällt dir das Zimmer?“, fragte er und versuchte, möglichst beiläufig zu klingen.

Sehr langsam hob sie den hochroten Kopf und fragte kratzig: „Was?“

Er nahm einen Zug und wiederholte: „Ob dir das Zimmer gefällt …

Ich weiß, ist kein Luxustempel, aber sauber. Bett, Küche, Bad, Internet und verhungern tuste auch nicht. Vielleicht weit ab vom Schuss, aber aushaltbar. Ist das okay?“

Sie wischte sich die verweinten Augen trocken und gab leise zu: „Äh … ja. Ist okay … viel besser … als das ‘Paradise’. Ähm … d-danke …“

Ace grinste unverschämt, kratzte sich den Bart am Kinn und spottete nebenbei: „Oh ja, das ‘Paradise’. Was für ’n Drecknest. Da holt man sich echt die Krätze über Nacht. Aber die Chefin kann gut blasen.“

Diese Aussage schien sie doch sehr zu schockieren. Mit angeekeltem Blick setzte sich das Mädchen etwas auf. Zu ihm hielt sie einen furchtsamen Sicherheitsabstand und versuchte, ihm so wenig wie notwendig in die dunklen Augen zu sehen. Seinen direkten Blick hatten die Menschen noch nie lange ertragen können …

„Wie heißte eigentlich, Kleine?“, übte er sich, weiter verständnisvoll zu reagieren.

Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und antwortete: „Sheryl. Sheryl McColgan.“

„Ace.“

„Ace?“

„Wie ace of spades“, sagte er und wies auf das schwarz gestochene Pik auf seiner Brust, das von blutigen Noten und Schwalben umspielt wurde. Allerdings bezweifelte er, dass die Göre den Sinn dahinter verstand. Muss sie ja auch nicht, oder?

„Also, Sheryl“, probierte er es zwangsläufig mit Diplomatie, auch wenn sein mehr und mehr auf dem Trockenen sitzender Zustand das nicht sehr begünstigte, „was den Deal betrifft, biste mit dein’ Forderung’ zufrieden. Doch scheinste mit mir ’n Problem zu haben. Gut, kann mir denken, dass ’n Typ wie ich nicht der Traum deiner feuchten Highschool-Nächte ist … Trotzdem hätteste’s schlimmer erwischen könn’.

Mag dir komisch vorkomm’, aber die Ladys über einundzwanzig stehen auf mein’ Stil. Ich seh fast schon verboten gut aus, bin nicht komplett bescheuert und meine Qualitäten im Bett sind eins a. Wüsste auf Anhieb gleich fünf Weiber, die gestern Abend gern mit dir getauscht hätten.

Jetzt denk mal nach. Würdeste lieber von hier weggehen, allein oder durch die Bullen, um irgendwo am Rand der Welt zu verrecken, als nur ein weiteres Mal von mir angefasst zu werden?“

Schniefend rieb sie sich die Nase, blickte starr auf das zerknitterte Laken und wisperte: „Ich weiß nicht … ich denke … das wäre ziemlich dumm, oder?“

„Schon“, schnalzte er lässig mit der gepiercten Zunge.

„Du … bist allerdings sehr … dreckig“, stammelte sie.

„Hey, hab gestern viel gearbeitet! Da wär keiner mehr taufrisch!“

Das Mädchen zog betroffen den Kopf ein und traute sich wohl nicht, weiterzusprechen. Seufzend wollte er daher selbst von ihr wissen: „Hat’s sich echt so scheiße mit mir angefühlt? Kratz hier nicht an mei’m Ego, Schätzchen. Hatte eigentlich den Eindruck, dass du auch wolltest …“

„Ich … ich bin noch so … verwirrt“, gab Sheryl zu und rieb sich den linken Arm. „Und es hat wehgetan. Ziemlich sogar.“

„Ja, okay, sorry“, winkte er gleichmütig ab. „Für ’ne halbe Portion wie dich ist mein Schwanz fürs erste Mal etwas zu groß geraten. Das legt sich aber nach ’n paar Runden Sex.“

„Und … du bist irgendwie … unheimlich.“

Ace stutzte.

„Wieso?“

Eine sinnlose Frage. Er wusste genau, was ihr Angst machte.

„Du hast so schwere Augen.“

Ist klar.

Er wirkte … ja, bedrückt. Sicher war sie nicht die erste Person, die ihm deswegen misstraute. Die dunklen Schatten unter seinen Lidern gaben ihm aber auch ein finsteres Wesen. Neben den vielen gruseligen Tattoos.

Scheu besah sich Sheryl die verschiedenen Farben. Die rostig-schäbigen Schwalben auf seinen Brustmuskeln, der braun-grünliche, von Maden und Kakerlaken zerfressene Joker, die schwarz-roten Feuermuster an seinen Rumpfseiten. Auch seine langen Beine waren komplett bebildert. Illustrationen in Grautönen mit bunten Akzenten von verschiedenen fiktiven Figuren und/oder Schauspielern, die ihr jedoch wenig sagten. Von seinen Fußrücken liefen sie mit passenden, ineinander übergehenden Hintergründen aufwärts, bis hoch zum Gesäß …

Errötet blickte sie von ihm ab. Bisher hatte sie irgendwie völlig ignoriert, dass er nackt neben ihr saß.

„Dir scheint trotzdem zu gefallen, was du siehst.“

Ihre Neugier war ihm nicht entgangen.

„I-ich hab nur … deine Tattoos angesehen.“

„Freu dich, dass du ’nen Prachtkerl wie mich nackt betrachten darfst“, scherzte er überheblich und wechselte die Kippe. Mit der freien Hand wies er auf seinen Unterbauch, wo ein zweites, aus Feuer entstandenes, umgekehrtes Pik wie ein Pfeil auf sein Glied hinwies. Dazu erklärte Ace: „Ihn hier wirste auch öfters zu sehen kriegen, also gewöhn dich dran.“

Ihr rauschte das Blut im Kopf vor Scham.

„G-gestern Abend“, versuchte sie, nicht allzu aufgewühlt zu klingen, doch er unterbrach sie rasch mit einem rücksichtslosen Kommentar, das sie so nicht hören wollte.

„Ich fand’s ganz geil“, zuckte er locker die Schultern und seine Finger begannen aufs Neue unruhig zu trommeln. „War nur leider zu schnell fertig. Normalerweise bin ich leistungsfähiger. Drei- oder viermal sollt drin’ sein …“

Ihr wurde wieder schlecht. Länger hätte sie ihn nicht ausgehalten können.

Den Kloß in ihrem Hals schluckte Sheryl hinunter und fragte ihn direkt: „Bin ich jetzt schwanger?“

Für einen kurzen Moment blickte er ins Leere. Ace hing mit steinerner Miene einem dunklen Gedanken nach, ehe er brummend antwortete: „Würd mich wundern.“

„A-aber wir haben nicht v-verhütet und -“

„Ist mit mir auch nicht nötig“, sprach er grimmig dazwischen, „weder hab ich Aids noch kann ich dich oder ’ne andre Frau schwängern. Hab zwar ’n Stehvermögen wie ’n verdammter junger Gott, aber meine Jungs taugen zu nichts. Da entstehen keine Bälger. Keine Panik.“

Sheryl war mehr als erleichtert, das zu hören, und sie atmete hörbar durch. In ihr wuchs also nichts heran. Weil er es nicht konnte.

„Tut mir leid“, sagte sie ehrlich mitfühlend und sah auf die Zigarette in seinen Fingern. Bei seinem Konsum an Drogen war es auch kein Wunder, dass er zeugungsunfähig war.

„Tja“, feixte Ace schief und hielt den Glimmstängel hoch, „kann man nicht ändern. Doch entgegen der landläufigen Meinung ist das Teil hier nicht schuld dran.“

„Was dann?“

„Hab als Knirps die falsche Impfung bekomm’.“

„Oh.“

Als Kind schon.

Das Mädchen versuchte sich vorzustellen, wie er als kleiner Junge ausgesehen haben mochte. Kinder sahen im Allgemeinen sehr süß aus. Kaum zu glauben, dass aus einem niedlichen, braven Bengel mal so ein grobklotziger Typ wurde. Seine Mutter wäre entweder fassungslos oder ähnlich drauf. In ihrem Kopf entstand prompt ein schemenhaftes Bild von einer drallen Frau in Kittelschürze und mit Lockenwicklern im Haar, irgendwo in einer ranzigen Wohnwagensiedlung.

„Übrigens, Sheryl-Schätzchen …“

„J-ja?“

Mit einem kurzen Sprung setzte er sich ganz auf die Matratze und schnippte die Fluppe treffsicher in einen Blecheimer voller Asche und Filterresten fort. Bei seinem frechen Grinsen stieg der Rauch durch die gelben Zähne auf.