Vergangenheitskampf

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Und auch Max schien sich nicht gegen diesen Vorschlag zu wehren. Er saß nur da, sah ihn an und zuckte mit den Achseln, was so viel bedeutete wie »da müssen wir jetzt eben durch«.

»Super. Dann brauchen wir nur noch eine Zeit und einen Ort für das Foto.« Emma griff nach einem Stift der auf dem Tisch lag, und zog ein Notizbuch aus der Tasche. »Gibt es in der nächsten Zeit irgendwelche freien Termine die wir nutzen könnten?«

»Wie wäre es, wenn wir es gleich direkt im Stadion machen?« schlug Max vor. »Ihr kommt einfach zu unserem nächsten Heimspiel?« Dabei sah er Emma mit einem verschmitzten Blick an. »Ich verspreche auch, dass ich dich dieses Mal nicht versetzen werde.«

Eigentlich hatte Emma-Sophie nicht vorgehabt so schnell noch einmal einen Schritt in dieses Stadion zu machen. Abgesehen von den höllischen Kopfschmerzen die sie von jenem Abend davongetragen hatte, befand sie sich gerade in einem Stadium irgendwo zwischen dem Gefühl so weit weg von Max wie möglich aber gleichzeitig auch so nah wie möglich sein zu wollen. Und das verwirrte sie. Er war lustig, charmant und sexy. Noch dazu half er ihr uneigennützig mit dem Kinderheim, was ihn noch unwiderstehlicher machte. Aber gerade weil das so war und er seine ohnehin kaum vorhandene Freizeit für sie opferte ergab sie sich dem Unvermeidlichen. »In Ordnung.«

»Gut. Ich lasse Euch die Karten zukommen.« Max stand auf. »Hast du noch eine Minute?« Damit sah er Emma eindringlich an. Diese hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Sie wollte nicht mit Max allein sein, denn sie wusste was dann passierte.

Ihr ganzer Körper begann zu kribbeln und auch wenn das durchaus ein angenehmes Gefühl war, passte es gerade einfach nicht in ihren Plan. Nur leider stand auch das nicht zur Debatte. Ein »Nein« würde er sicher ohnehin nicht akzeptieren. »Sicher,« sagte sie daher betont gleichgültig.

Er nahm ihre Hand und zog sie Richtung Ausgang, nachdem er einen 10,00 EUR-Schein auf den Tisch gelegt hatte. An Jonas gewandt fügte er hinzu:« Wir sehen uns draußen.« Wobei sein Blick eindeutig darauf hinwies, dass er sich damit definitiv noch Zeit lassen sollte.

»Geht klar.« Mit einem kurzen Augenzwinkern sah seinem Freund hinterher. Doch kaum war Max verschwunden, bemerkte er sein Dilemma. Nun war er mit Bea allein. Es wäre also klug, wenn er langsam wieder einen klaren Kopf bekam.

»Arbeiten Sie schon lange in diesem Kinderheim?« wollte er daher wissen, da ihm eine normale Konversation am ungefährlichsten erschien.

»Ein paar Jahre.«

»Wie kommt man dazu Erzieherin werden zu wollen?« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schlug lässig die Beine übereinander.

»Vermutlich aus dem gleichen Grund warum sie Eishockeyspieler geworden sind.« antwortete sie.

Er zog die Augenbrauen nach oben und sah sie amüsiert an. »Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass sie auf rohe Gewalt stehen. Muss ich mir um die Kinder Sorgen machen?«

Sie warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ich denke Sie wissen was ich damit sagen wollte.«

Wahrscheinlich. Dennoch machte es Spaß sie zu ärgern. »Müssen Sie so schwierig sein?«

Bea runzelte die Stirn. Normalerweise verhielt sie sich nicht so kratzbürstig. Aber aus irgendeinem Grund nervte er sie. »Es hat sie keiner gebeten zu bleiben.«

Er lächelte. Was sie aus nicht erklärbaren Umständen nur noch wütender machte. »Aber auch nicht zu gehen.« meinte er dann nur.

»Da haben Sie recht. Würden Sie also die Güte haben und mich alleine lassen?« fragte sie zuckersüß.

»Eigentlich sitze ich gerade ganz bequem.«

»Toll. Wir sind ja hier ohnehin fertig. Genießen Sie ihre Cola.« Bea warf die Stifte und die herumliegenden Blätter in ihre Tasche und stand auf. »Schönen Tag noch.«

»Warten Sie.« Hastig griff Jonas nach Beas Arm. »Bleiben Sie sitzen. Bitte.« fügte er noch eilig hinzu, als sie ihm erneut einen vernichtenden Blick zuwarf. »Es tut mir leid. Ich wollte sie nur etwas aufziehen.«

»Warum?« Tja, das war eine berechtigte Frage. »Ich weiß nicht. Ich schätze, weil sie mich interessieren.« erwiderte er wahrheitsgemäß und sah ihr dabei direkt in die Augen.

»Verärgern sie alle Frauen für die Sie sich interessieren?«

Er verzog den Mund zu einem vielversprechenden Lächeln. »Das hoffe ich doch nicht. Kommen Sie, ich lade sie noch auf einen Kaffee ein.« Bea zögerte. Dann ließ sie sich zurück auf den Stuhl sinken.

»Latte Macchiato. Mit Extrasahne.«

»Was immer Sie glücklich macht.«

Der Verkehr war die Hölle, also zog Max Emma ein Stück entfernt von dem Cafe auf eine alte Holzbank. Ihr Gesicht war blasser als sonst und irgendwie wirkte sie anders. Trauriger. Er wusste nicht wieso ihn das störte, nur dass es das tat. Emma-Sophie war eine Ablenkung, also genau das, was er gerade am allerwenigstens gebrauchen konnte. Leider schien es ihm jedoch unmöglich zu sein, ihr aus dem Weg zu gehen. Und wenn er ganz ehrlich war, wusste er auch gar nicht warum er das tun sollte. Er mochte sie. Sie war süß und sexy und brachte eine Leidenschaft an den Tag, die er bewunderte.

Er nahm sie bei den Schultern und drehte sie zu sich um. »Was ist los?«

»Nichts.«

»Nichts ist die Mutter von Alles.«

Emma zog ihre Jacke etwas fester zu als ein Windstoß sie erreichte. »Was?«

Er nahm ihre Hände in seine. Zum einen weil sie zitterte, zum anderen weil er sie spüren wollte. »Ich kenne dieses Nichts. Mehr als du ahnst. Vielleicht willst du nicht darüber reden, aber glaube mir, es hilft.« Lügen und Verdrängen waren bei ihm schließlich in seiner Kindheit an der Tagesordnung gestanden. Seine Schwester hatte versucht ihn zu beschützen, genauso wie seine Eltern es getan hatten, aber das war falsch gewesen. Die Wahrheit war so viel mehr als manchmal nur ein bitterer Nachgeschmack. Sie half einem auch mit Dingen umzugehen. Sie machte einen stärker, auch wenn man es im ersten Moment nicht glauben würde.

»Da gibt es nicht viel zu reden.« Emma-Sophie zuckte mit den Achseln und lies sich langsam auf die Bank sinken. Max setzte sich neben sie und wartete. Wenn er es darauf anlegte, konnte er sehr geduldig sein. Und in diesem Fall, so schätzte er, würde er das auch sein müssen. Irgendetwas bedrückte Emma, gleichzeitig spürte er aber auch, dass sie noch nicht wirklich bereit zu sein schien, darüber zu sprechen.

Er sah zu, wie sie den Kopf leicht in den Nacken legte und Richtung Himmel blickte. Während sie die Augen schloss atmete sie gleichzeitig scharf ein und wieder aus.

Was wäre schon dabei wenn sie es ihm erklärte? Wahrscheinlich suchte er dann sowieso schnellstmöglich das Weite. Da sie ohnehin nicht vorhatte das Ganze zu intensivieren wirkte das sogar ziemlich verlockend. Nur war er es das irgendwie nicht. Denn so sehr sie sich auch dagegen sträubte mehr für Max zu empfinden, wünschte sie sich gleichzeitig doch genau das. Sie wollte das was alle wollten. Liebe, Leidenschaft und eine eigene Familie. Eine Familie, die sie im Augenblick nicht haben konnte.

» Es gibt da zwei Kinder. Maja und Joshua. Sie sind Zwillinge und ihre Eltern bei einem Autounfall gestorben, seitdem sind sie bei uns im Heim. Gestern war eine Pärchen bei uns und hat sich um ihre Adoption beworben.«

Max wusste nicht viel über Kinderheime aber er ging doch schwer davon aus, dass Adoptionen eigentlich etwas positives waren. »Okay. Und das ist nicht gut?« fragte er daher vorsichtig.

»Nein. Doch.« Emma schüttelte den Kopf. »Natürlich ist das gut. Ich wünsche mir eine Familie für die beiden. Es ist nur so, dass ich insgeheim gehofft habe, ich könnte diese Familie sein.«

»Und das kannst du nicht?« fragte er sanft.

Wieder schüttelte Emma den Kopf. »Die Regeln für eine Adoption sind sehr streng. Ein alleinerziehendes Elternteil wird von Haus aus fast immer abgelehnt, es sei denn sie besitzt ein stabiles und profitables Umfeld, was so viel bedeutet wie...«

»Geld und Status.« beendete Max den Satz.

»Ja.« Emma-Sophie seufzte. »Ich habe weder einen gut bezahlten Job, noch eine große Wohnung, geschweige den irgendein nennenswertes Vermögen auf der Bank.«

»Aber du liebst du beiden.« stellte er fest.

»Von ganzem Herzen.«

Was mehr als genügen sollte, es aber eben nicht tat. Weil bei manchen Situationen Geld nun einmal mehr wert war als Liebe. Nur sollte es definitiv nicht so sein, dachte Max bitter. Er ignorierte den Drang zur Flucht der ihn überkam. Emma-Sophie war nicht nur eine starke Persönlichkeit, die ihn mehr als nur ein wenig in Versuchung führte. Sie wollte auch noch Kinder adoptieren. In seinem Lebensplan kamen - zum jetzigen Zeitpunkt zumindest - weder eine Frau, und schon gar keine Kinder vor. Er sollte schleunigst das Weite suchen, solange er noch die Chance dazu hatte. Zu dumm nur, dass ihm das einfach nicht gelang. Er wollte ihr helfen. Was dumm war. Nur schien er irgendwie sowieso keine Wahl zu haben. »Dann wirst du sie auch bekommen.«

Emma-Sophie lächelte ihn dankbar an. »Ich weiß, dass das wohl eher nicht passieren wird, aber es ist trotzdem nett dass du das gesagt hast.«

Er legte eine Hand an ihre Wange und sah ihr tief in die Augen. »Gib nicht auf.«

Ihre Haupt prickelte vor Erregung als er sie berührte. »Okay.« brachte sie mühsam hervor. Himmel, dieser Mann brachte sie echt um den Verstand. Er war ihr so nahe, dass sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt war. Wie es sich wohl anfühlen würde seine Lippen auf ihren zu spüren? Es war so lange her, seit sie sich auf einen Mann eingelassen hatte. Seit Brian hatte es niemanden mehr gegeben und das war jetzt auch schon mehr als drei Jahre her. Er beugte sich noch ein Stück weiter zu ihr, zumindest glaubte sie das. Vielleicht war es aber auch nur reines Wunschdenken. Ihr Herz begann wie wild zu pochen und sie schluckte heftig um die aufkommende Panik zu ignorieren. Sollte sie ihm entgegenkommen oder warten? Himmel, warum war das nur so kompliziert? Jetzt könnte sie ein klein wenig mehr Mut gebrauchen. Nur ein klitzekleines bisschen. Bea hätte vermutlich nicht lange gefackelt. Tja dumm nur, dass sie eben nicht Bea war. Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, was sie jetzt tat, gab es einen lauten Knall und ein Kleintransporter krachte in einen Laternenpfosten direkt neben ihnen. Die Lampe geriet stark ins Wackeln, dann löste sie sich von der Verankerung und steuerte Richtung Boden. »Vorsicht!« schrie Max und riss Emma mit sich seitlich zu Boden. Keinen halben Meter daneben schlug die Metallbüchse der Laterne auf das Betonpflaster.

 

»Bist du verletzt?« Max rappelte sich als erster auf und beugte sich über die immer noch völlig schockiert wirkende Emma. Diese hob langsam ihren Kopf und bewegte Arme und Beine. »Ich schätze nicht.«

Während Max Emma wieder auf die Beine half rückte auch schon die Polizei und ein Krankenwagen an und einige schaulustige Passanten drängten sich um sie und die Unfallstelle.

Von dem Cafe aus kamen Jonas und Bea angelaufen. »Oh Gott, ist Euch was passiert?« Bea stürmte auf ihre Freundin zu und umarmte sie fest. »Geht es dir gut?«

Diese nickte. »Ich stehe nur etwas unter Schock.« gab sie zu.

»Das war ganz schön knapp.« meinte Jonas zu Max und zeigte auf den Metallkasten.

»Was du nicht sagst.«

»Ein ziemlich ereignisreiches Ende für ein Date.«

Max funkelte seinen Freund wütend an. »Ich kann dich ernsthaft verletzen.«

Jonas grinste nur. »Du könntest es versuchen.« Dann wurde er wieder ernst. »Ist mit ihr alles in Ordnung?« Er sah zu Emma, die noch immer am ganzen Körper zitterte. Ihre Haut war blass und ihre Augen geweitet. »Ich denke schon.«

»Entschuldigung.« Jonas und Max drehten sich gleichzeitig um. Ein Polizist trat auf sie zu. »Ich brauche ihre Aussage. Augenzeugen zufolge sind sie und die junge Frau beinahe in diesen Unfall verwickelt worden.«

Max nickte. »Das stimmt. Wir konnten uns gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.« Der uniformierte Mann notierte etwas auf seinem Notizblock. »Haben Sie etwas von dem Unfall mitbekommen?« fragte er dann.

Verdammt nein. Er hatte gerade Emma küssen wollen. Seine Aufmerksamkeit war also definitiv woanders gewesen. Er schüttelte den Kopf. » Wir haben nur den Aufprall gehört.«

»In Ordnung. Wenn Ihnen noch etwas einfällt rufen Sie mich an.« Er reichte Max seine Karte. »Jetzt benötigen wir nur noch ihre Personalien.«

»Selbstverständlich.« Max zog sein Portemonnaie aus der Jackentasche und zog seinen Ausweis heraus. Er gab ihm den Polizisten und wartete, bis auch Emma dies getan hatte.

Das Leben besaß schon manchmal einen eigenen Sinn von Humor, dachte er, und beobachtete, wie der Streifenwagen davonfuhr und die Sanitäter den Fahrer des Kleintransporters auf einer Trage in den Krankenwagen schoben. Auf der anderen Straßenseite sah er einen Mann stehen der sie beobachtete. Er trug eine dunkle Mütze und lehnte an einem Gartenzaun. Die Arme verschränkt stand er einfach nur still da. Vielleicht war es nichts, aber irgendetwas an der Art wie er zu ihnen herüberschaute, machte ihn wütend.

Entschlossen stapfte er los und überquerte die Straße. Der Mann rührte sich nicht sondern starrte weiter geradeaus. Max verfolgte seinen Blick und landete direkt bei Emma, die wieder neben Bea stand und offenbar tief in ein Gespräch mit ihr verwickelt war. Er trat noch einen weiteren Schritt auf den Kerl zu. »Was ist Ihr Problem?« Möglicherweise würde ihm eine kleinere Schlägerei gut tun. Auf dem Eis jedenfalls beflügelte ihn ein ordentlich durchgeführter Bodycheck meistens. Warum also nicht auch außerhalb? Außerdem wäre es sicher eine hilfreiche Methode seinen Frust abzubauen.

Er wollte Emma-Sophie. Sein Körper wusste das. Sein Verstand noch nicht. Oder besser gesagt, wehrte er sich noch dagegen.

Der Mann hob den Kopf und seine Augen richteten sich auf Max. »Die Frage kann ich nur zurückgeben.«

»Das ist kein beschissenes Spiel.« zischte Max. »Also, warum stehen Sie hier?«

»Komisch und ich dachte immer, wir leben in einem freien Land.«

Die Wut wandelte sich in Zorn und er ballte seine Hände zu Fäusten. Er würde diesem Idioten jetzt sowas von die Fresse polieren. Gerade als er ausholen wollte hörte er Schritte hinter sich.

»Nick?« Emma lief neben ihm vorbei. Gefolgt von Bea. Jonas blieb wohlweislich neben ihm stehen.

»Hallo Mädels.« Der Kerl erdreistete sich doch tatsächlich zu lächeln.

»Ihr kennt den?« fragte Max irritiert und wappnete sich innerlich für die Antwort.

Emma wandte sich zu ihm. »Ja. Er ist unser Kollege.« Na, prima. Soviel also zu seiner kleinen Schlägerei.

Jonas klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »In nicht einmal ganz einer Stunde ist Trainingsbeginn, Kumpel.«

Ja, nur hob das im Augenblick seine Stimmung nicht im Geringsten. Genauswenig wie die Tatsache, dass sie morgen wieder gegen Iserlohn auf dem Eis standen. Er sollte an das bevorstehende Spiel denken. Sich mental und körperlich darauf vorbereiten, in weniger als 48 Stunden gegen einige der besten Stürmer der Liga anzutreten. Stattdessen befand er sich hier. Mit einer Frau die seine Hormone verrückt spielen lies und einem Kerl, der ihm tierisch auf die Nerven ging.

»Was tust du denn hier?« hörte er Emma-Sophie fragen. Gut. Das würde er nämlich auch gerne wissen.

Der Mann, Nick, stieß sich von dem Zaun ab und ging einen Schritt auf Emma zu. Max merkte wie er sich verspannte. »Ich war zufällig in der Gegend.« antwortete dieser Nick. »Dann habe ich gesehen, wie der Transporter von der Fahrbahn abkam und gegen die Laterne fuhr. Ich hatte echt Angst um dich.« Max registrierte wie dieser Idiot einen Arm auf Emmas Schulter legte. Okay, genug war genug. Gerade als er wutentbrannt losstürmen wollte hielt eine Hand ihn zurück. Jonas zog fragend die Augenbrauen nach oben. »Echt jetzt, Mann?«

Max atmete scharf aus. Er musste sich beruhigen. Das war lächerlich. Er kannte Emma-Sophie kaum und er hatte erst Recht keine Ansprüche auf sie. Normalerweise gehörte er auch überhaupt nicht zu der eifersüchtigen Sorte. Im Gegenteil. Meistens war er froh darüber, in Ruhe gelassen zu werden. Er wollte keine Beziehung. »Wir sollten gehen.« erwiderte er daher gepresst. »Sonst brummt uns der Coach noch ein Extratraining auf.«

»Ich fürchte, dass könntest du gerade sogar gebrauchen.« murmelte Jonas.

6. Kapitel

Bislang war er noch nicht so weit gekommen, wie er gehofft hatte. Langsam war es wohl an der Zeit, etwas intensiver vorzugehen. Hierüber sollte er dringend mit seinem Informanten reden.

Frische Luft streifte sein Gesicht als er auf den Balkon seines Anwesens in einem abgelegenen Teil in den Kärntner Alpen trat. Der herrlichen Duft der Freiheit kitzelte seine Nase und er spürte einen gewissen Hauch von Melancholie.

So viele Jahre hatte es gedauert bis er endlich wieder ein freier Mann war. So viel Zeit war verstrichen. Aber jetzt würde er zurückschlagen. Würde sich das holen was ihm gehörte.

Und wenn der Moment gekommen war, gäbe es, wenn alles so lief wie geplant, das große Finale in dem er endlich Don Jefferson Barlock gegenüberstand. Um nichts in der Welt würde er sich das nehmen lassen.

Der ehemalige Polizeipräsident zog eine Zigarre aus seinem Etui und zündete sie an. Von seinem Standpunkt aus konnte er beinahe das komplette Anwesen mit dem weitläufigen Gelände überblicken. Er hatte sich das Grundstück kurz vor seiner Festnahme vor über 17 Jahren gekauft. Niemand wusste davon. Die Geschäfte waren gut versteckt gelaufen. Damals hatte man alle seine Konten und sein Vermögen kontrolliert und teilweise eingefroren. Aber dieses Stück Land gehörte nach wie vor ihm. Natürlich nicht auf seinem offiziellen Namen, doch das war in Ordnung. Er wusste wie man Sachen vertuschte und Dinge regeln konnte. Wenn man jahrelang mit Verbrechern arbeitete, lernte man eben das ein oder andere. Er hatte diese Chance genutzt und seinen Vorteil daraus gezogen.

Während er an seiner Zigarre zog lehnte er sich gegen das marmorierte Balkongeländer und nahm sein Handy aus der Jackentasche. Er wählte eine Nummer und hob es sich dann an sein linkes Ohr. Es war an der Zeit das Ganze endlich ins Rollen zu bringen.

Jonas stand vor der Eisfläche und lächelte in die Kamera, die Bea auf ihn richtete, während er insgeheim am liebsten auf irgendetwas oder irgendjemanden eingeschlagen hätte. Max stand neben ihm und tat dasselbe. Obwohl er vermutlich ebenso wenig in der Stimmung dafür war wie er. Nur dass bei ihm, Jonas, schmerzlich hinzukam, dass er neben dem hundsmiserablen Spiel, dass sie abgeliefert hatten und der bitteren 2:4 Niederlage, gerade noch mit ansehen musste, wie ein nicht gerade unattraktiver Mann, den Bea ihm als Dr. Sowieso vorgestellt hatte, hinter ihr stand um offenbar Emma-Sophies Platz einzunehmen, die sich nach Beas Aussage wohl krank zu Hause befand.

Wer zur Hölle war dieser Kerl und warum begleitete er Bea?

»Wieso hast du ihr zwei Karten gegeben?« fragte er Max gereizt.

»Damit sie Emma-Sophie die andere gibt, dass weißt du ganz genau.« kam die ebenso giftige Antwort zurück.

»Emma-Sophie ist aber nicht da.« stellte er unnötigerweise fest. »Oder siehst du sie vielleicht irgendwo?«

»Willst du etwa behaupten, dass es meine Schuld ist, dass statt Emma dieser Arzt hier ist?«

»Ich will damit sagen, dass ich diesen Idioten hier nicht haben will.«

Max rückte seinen Lendenschutz zurecht und wackelte kurz an seinem Helm. »Mir wäre Emma definitiv auch lieber gewesen.«

»Jungs, könntet ihr euch vielleicht kurz konzentrieren?« rief Bea ihnen zu. Dann drehte sie sich zu diesem Proll um und sah ihn lächelnd an. » Leo, kannst du mir mal bitte die andere Linse geben?«

»Natürlich, Schatz.«

Schatz. Jonas fluchte innerlich. Das machte sie doch mit Absicht. Er merkte wie sich seine Hände zu Fäusten ballten und versuchte sich wieder zu entspannen. Er kannte diese Frau nicht. Dennoch machte es ihn offenbar vollkommen verrückt sie jetzt hier mit einem anderen Kerl zu sehen. Noch dazu einem Arzt! Wer bitte schön ging freiwillig mit einem Mediziner aus? Da war die Langeweile ja schon vorprogrammiert und diesem Lackaffen stand sie definitiv ganz groß auf die Stirn geschrieben. Er beobachtete, wie sie an der Kamera herumhantierte und sich kurz darauf wieder ihnen zuwandte. »Alles klar, kann weitergehen.«

Gekonnt drehte er sich neben Max in seine Position und schenkte ihr sein strahlenstes Lächeln. Er konnte sich irren, aber er würde darauf wetten, dass in dem Cafe vor ein paar Tagen die Chemie zwischen ihnen mehr als nur ein bisschen gestimmt hatte. Um genau zu sein, waren die Funken vermutlich die Vorboten einer drohenden Explosion gewesen.

Bea knipste noch ein paarmal in seine Richtung, dann senkte sie die Kamera. »Ich schätze das reicht. Danke dass ihr euch die Zeit genommen habt.«

Max zog sich den Helm herunter und schüttelte sich die Haare aus dem Gesicht. »Prima. Ich gehe dann mal duschen.« Jonas ließ seinen Freund ziehen, blieb aber selber noch wo er war. Als ob er jetzt verschwinden würde um die beiden alleinzulassen. Die Tatsache, dass sie das in kurzer Zeit vermutlich sowieso waren, verdrängte er.

Stattdessen sah er zu, wie der Typ zu Bea trat und ihr den Arm auf die Schulter legte. Okay, was zu viel war, war zu viel. Entschlossen marschierte er auf sie zu. »Hey.« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blieb vor ihr stehen. 1,92 m große, 90 kg schwere Muskelmasse in kompletter Eishockeymontur.

Unbeeindruckt sah sie zu ihm hoch. »Ja?«

Da er sich gerade wie ein noch größerer Vollidiot vorkam wie dieser Dr. Irgendwas neben ihr suchte er nach einem unverfänglichen Thema. »Wie geht es Emma?«

»Besser. Sie erholt sich gerade von einer starken Erkältung.«

Er kniff die Augen zusammen und beugte sich zu ihr herunter. Ihr verführerischer Duft stieg ihm in die Nase und er musste sich sehr zurückhalten um sie nicht sofort an sich zu ziehen. Was um alles in der Welt war nur mit ihm los? »Stattdessen bist du mit ihm hier?« flüsterte er ihr ins Ohr.

»Irgendwelche Probleme damit?« fragte sie spitz.

 

Natürlich hatte er Probleme damit. Sogar ziemlich große. »Er ist nicht der Richtige.« meinte er dann nur.

»Für was?« Sie zog fragend die Augenbrauen nach oben.

»Für alles.« Er setzte sein sonst so unwiderstehliches Grinsen auf. »Eine Beziehung, Spaß, Sex,…such es dir aus.«

»Und du bist es oder was?«

Er zuckte mit den Achseln. »Das käme auf einen Versuch an.«

Sie schob sich an ihm vorbei. »Danke. Ich verzichte. Und nur fürs Protokoll….« Sie drehte sich nochmal zu ihm um und hob ihre Hand an den Mund um ihre Worte abzuschirmen während sie sagte: » Leo ist ein echter Hengst im Bett.«

Okay, sie wollte ihn auf jeden Fall provozieren. Aber verdammt, sie hatte es auch geschafft. Ohne noch groß über mögliche Konsequenzen nachzudenken oder auf den Mann im Hintergrund zu achten, packte er sie am Arm und riss sie etwas unsanft zu sich heran. Sie schnappte überrascht nach Luft, wehrte sich aber auch nicht. »Zum Teufel damit,« presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, bevor er ihre Lippen mit seinen verschloss.

Was aus Wut und Frustration begonnen hatte, entwickelte sich ziemlich schnell in Leidenschaft und Lust. Irgendwie gelang es ihm trotz voller Ausrüstung Bea noch näher an sich zu ziehen und seine Hände über ihren Rücken gleiten zu lassen. Sie stöhnte kurz auf, dann spürte er, wie sie ihre Abwehrhaltung aufgab und sich ebenfalls an ihn schmiegte. Ihre Hände konnte er zwar nicht fühlen, aber sie öffnete ihren Mund und ließ seine Zunge auf Entdeckungsreise gehen.

Sie schmeckte nach Vanille und Pfefferminz, eine sehr seltsame, aber süße Kombination.

Er wollte mehr. Viel mehr.

Im Hinterkopf immer noch ihre Worte über die Bettleistung ihres Begleiters im Kopf drängte er sie Richtung Bande. Von wegen Hengst im Bett. Er würde ihr schon noch zeigen, was so eine Aussage bedeutete.

Während seine Fantasien weiter mit ihm Karussell fuhren hörte er aus der Ferne ein leicht pikiertes »Entschuldigung.« Er ignorierte es. Leider konnte Bea das offenbar nicht. Sie löste sich von ihm und starrte ihn dann mit großen Augen an. Machte dann einen Schritt zurück, blinzelte ein paar Mal, vermutlich um die Fassung wieder zu erlangen und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

Vermutlich besserte das die Situation nicht im Geringsten, aber er konnte nicht aufhören wie ein Volltrottel zu grinsen. Was ihm einen weiteren giftigen Blick einfing. Wenn sie versuchte wütend zu sein, war sie allerdings nur noch süßer. »Du bist so ein Idiot.« zischte sie, stolzierte mit erhobenem Kopf an ihm vorbei und hob ihr Kameraequipment vom Boden auf. Zu ihrem Begleiter sagte sie nur ein knappes »Lass uns gehen,« und schon waren sie verschwunden.

Das Gleiche sollte er auch tun. Immerhin hatte er ein beinahe dreistündiges Spiel hinter sich.

Fröhlich vor sich hin pfeifend begab er sich daher in Richtung Umkleidekabine. So schlecht der Tag bislang auch gelaufen war, soeben hatte er sich um 180 Grad gewendet.

Mit etwas zu viel Kraft öffnete er die Tür und trat ein.

Der Raum roch nach Adrenalin und Schweiß gepaart mit Duschgel und Aftershave. Die meisten waren mittlerweile schon gegangen, nur Max stand frisch geduscht und lediglich in Boxershorts bekleidet in der Mitte der Kabine und zog sich gerade ein T-Shirt über. Als er ihn hörte drehte er sich um und sah ihn nur mit diesem wissenden Blick an. »Das musste jetzt sein oder?«

Jonas setzte sich schwungvoll auf die Bank neben Max und streckte seine Füße aus. »Jep.«

»Seit wann lässt du dich außerhalb des Spielfeldes denn so provozieren?«

Er zuckte die Achseln und beugte sich dann vor um die Schnürsenkel der Schlittschuhe zu öffnen. »Was hättest du getan, wenn Emma-Sophie mit einem anderen Mann aufgetaucht wäre?«

Vermutlich dasselbe, dachte Max. »Ist sie aber nicht.«

»Stimmt. Stattdessen war sie gar nicht da.« Was im Nachhinein für ihn besser gar nicht hätte sein können. Schließlich wäre dann dieser Idiot von Arzt nicht mitgekommen und es hätte keinen Grund für ihn gegeben sich an Bea heranzumachen.

»Was hast du jetzt vor?« fragte Max, warf sich seine Sporttasche über die Schulter und lehnte sich dann zu ihm gewandt an die Sitzbankhalterung.

»Ein Gentleman genießt und schweigt.«

»Ein Gentleman vielleicht,« konterte Max. »Nur weiß ich leider verdammt genau, dass du sicherlich viel bist, aber definitiv kein Gentleman.«

Das brachte Jonas zum Lachen. »Auch wieder war.« Vollständig ausgezogen machte er sich auf den Weg zu den Duschen. »Ich schätze mal wir haben jetzt beide ein Problem das wir lösen müssen.«

»Und das wäre?«

»Eine Frau.«

Manchmal war es idiotisch zu glauben, man wäre unverwüstlich.

Emma-Sophie verbrachte nun schon den dritten Tag zu Hause auf ihrem Sofa. Am ersten Morgen hatte sie noch geglaubt, sich in die Arbeit schleppen zu können, doch dort angekommen wurde sie allerdings ziemlich schnell vom Gegenteil überzeugt. Der grippale Infekt schien nämlich doch stärker als vermutet und zwang sie umgehend wieder zurück ins Bett.

Mittlerweile befand sie sich allerdings endlich auf dem Weg der Besserung. Das Fieber war zurückgegangen und was blieb waren lediglich noch ein paar Nachwirkungen der Erklärung. Da heute Freitag war, konnte sie zudem das Wochenende noch dazu nutzen, sich vollständig auszukurieren, denn wie es der Zufall so wollte, hatte sie dieses Mal seit langem einmal frei.

Das Treffen mit Max und Jonas gestern, musste sie jedoch ausfallen lassen. Noch immer schwankte sie zwischen dem Gefühl der Erleichterung hierüber und dem Ärger über die verpasste Chance ihn wieder zu sehen.

Mit dem restlichen bisschen Elan den sie aufbringen konnte stand sie auf und schleppte sich ins Bad. Sie bräuchte jetzt dringend eine heiße Dusche. Danach würde sie sich sicher wieder einigermaßen wie ein richtiger Mensch fühlen.

Sie schloss die Tür hinter sich und drehte den Duschkopf auf. Dann schaltete sie das im Raum befindliche Radio an und schlüpfte aus ihrem Pyjama.

Während das Wasser auf ihre nackte Haut prasselte und Samu Haber über einen Lebensretter sang, den sie manchmal selbst gut gebrauchen könnte, bemerkte sie nicht, dass sich irgendjemand an ihrem Türschloss zu schaffen machte. Das Kratzen und Reiben verschwamm mit den Klängen der Musik von Sunrise Avenue.

Auch als sie kurze Zeit später mit lediglich einer Jogginghose und einem Sweater bekleidet barfuß zurück in ihr Wohnzimmer lief, fiel ihr noch nichts Ungewöhnliches auf.

Erst als sie ein merkwürdiges Knarzen wahrnahm, wurde sie hellhörig. Sie blieb stehen und lauschte. Doch es war alles ruhig. Verdammt, nicht schon wieder, dachte sie und fuhr sich durch das noch feuchte Haar. Sie wollte nicht mehr ständig das Gefühl haben verfolgt zu werden. Das war lächerlich. Sie befand sich hier in ihrer Wohnung. Es gab niemanden der auch nur ansatzweise einen Grund hätte, ihr nachzustellen.

Gerade als sie in die Küche laufen wollte um sich einen Kaffee zu holen und vielleicht ein wenig Suppe aufzuwärmen trat eine ganz in schwarz gekleidete und mit einer ebenso dunklen Skimütze über dem Kopf bedeckte Gestalt durch den Türbogen und blieb vor ihr stehen.

Emma-Sophie erschrak so stark, dass sie einen Satz zurückmachte und gegen die Schrankkante stieß. Gleichzeitig ließ sie die in ihrer Hand befindliche Tasse fallen die mit einem lauten Krach am Boden zerschellte.

»Was wollen Sie?« Blöde Frage. Was wollte ein Einbrecher schon. »Ich habe kein Geld und auch sonst nichts Wertvolles hier.« Himmel, im Moment besaß sie nicht einmal 20,00 EUR im Geldbeutel.

Die Person, aufgrund der Größe und des Körperbaus ging sie davon aus, dass es sich dabei um einen Mann handeln musste, stieß einen verächtlichen Ton aus. Dann machte er zwei große Schritte auf sie zu und packte sie am Arm. »Ich schätze wir haben eine andere Vorstellung von wertvollen Dingen.« Das tiefe Timbre seiner Stimme bestätigte ihre Vermutung. Aber was um alles in der Welt wollte er ihr damit sagen?

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