Endlich richtig angekommen

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„Ja klar!“, stimme ich begeistert zu. Ich will sowieso Kurse besuchen, um schon vor der Geburt auch Anschluss zu finden an andere Mamas.

„Prima! Ich melde dich an und lass dir alle weiteren Infos per Mail zukommen.“

Die anderen meiner direkten Kollegen freuen sich ebenso wie Micha mit uns über die Schwangerschaft. Bei Henry ist es auch sehr gut gelaufen, wie er mich kurz per WhatsApp wissen lässt. Ich bin sehr erleichtert, dass die Geheimniskrämerei jetzt nicht mehr sein muss. Das ist auf Dauer ganz schön nervig.

Keine Stunde nach dem Gespräch mit Micha habe ich schon die Anmeldung für den Yoga-Kurs per Mail vorliegen. Start ist bereits morgen, hier im örtlichen Yoga-Studio.

Habe ich überhaupt was Passendes zum Anziehen? Ein leichter Anflug von Panik überkommt mich. Ich bin nämlich eigentlich kein besonders sportlicher Mensch. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe. Mein Kleiderschrank beheimatet keine supercoolen Sport-Outfits. Aber ich werde schon was finden. Geht schon!

Am Abend sitze ich zwischen sehr vielen Klamotten. Sie liegen teils auf unserem Bett, teils daneben. Ich sitze zwischendrin und merke, dass ich die Zuversicht von heute Vormittag jetzt gar nicht mehr verstehen kann. Es ist allerdings schon nach Ladenschluss. Daher bleibt mir nur etwas aus meinem Bestand zu nehmen.

Ich entscheide mich für eine lilafarbene, enge Leggins, und obenrum für mein einziges Sport-Shirt. Froschgrün. Aufschrift: Bock auf Sport!

Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich bin entsetzt über mich selbst. Soviel Geschmacklosigkeit hab ich mir gar nicht zugetraut. Jetzt heißt es morgen Abend in diesen Klamotten überstehen.

Kapitel 8

Ich bin überpünktlich im Yoga-Studio. Ich bin die erste, weshalb mir Zeit bleibt mich in Ruhe umzusehen. Das Studio besteht aus einem großen, hellen Raum mit Holzboden. Ringsum sind Spiegel an den Wänden angebracht. In jeder Ecke sitzt ein großer goldener, grinsender Buddha. Reihum sind Yoga-Matten ausgelegt. 6 Stück wie ich schnell zähle, plus eine vorne. Sicher für die Yoga-Lehrerin.

Ich nehme mir die Matte, die am nächsten zu ihrer liegt. Schließlich bin ich kein sportliches Naturtalent. Yoga habe ich auch noch nie gemacht und so bekomme ich hoffentlich alles mit.

Als ich es mir grade gemütlich gemacht habe, trudeln die anderen Teilnehmerinnen ein.

Manche mit einer kleinen Babykugel wie bei mir, andere schon mit deutlich größeren Bäuchen.

Als sich alle gesetzt haben, kommt die Yoga-Lehrerin in den Raum. Sie hat das Licht gedimmt. Auf den ersten Blick kann ich auf jeden Fall erkennen, dass sie blond ist und eine wirklich gute Figur hat. Auf den zweiten Blick, als sie sich in meine Richtung dreht, muss ich einen Aufschrei unterdrücken!

Es ist Nea! Mist, Mist, Mist….Warum hab ich nicht vorher nachgefragt wer diesen Kurs leitet?

Darauf habe ich nämlich überhaupt keine Lust! Es reicht, dass wir sie nächste Woche zum Abendessen sehen müssen.

Sie grüßt mich mit einem schwer zu deutendem Lächeln. Ihr Blick bleibt ungläubig an meinem grünen T-Shirt hängen.

Sie hat sich allerdings schnell wieder im Griff und beginnt sich vorzustellen.

„Hi Leute“, grüßt sie lässig in die Runde. Sie trägt schwarze, hautenge Yogaleggins (ich muss nicht extra erwähnen, dass ihre langen Beine und ihr knackiger Po darin perfekt zur Geltung kommen), ein Tank-Top in lässigem Pink mit passendem Sport- BH. Die Haare sind zu einem sogenannten „Messy - Bun“ gebunden. Früher hätte man das wahrscheinlich einfach als schlampigen Dutt bezeichnet. So ändern sich die Zeiten, gell.

„Ich bin Nea, für alle die mich noch nicht kennen und ich leite diesen Schwangerschafts-Yoga Kurs.

Josi - sie deutet auf mich-, schreibt einen Bericht darüber, für die Lifestyle Ausgabe ihrer Zeitung, sie ist Redakteurin.“

Aha, Micha hat seine Hausaufgabe gemacht und mich entsprechend angekündigt.

„Ich komme ursprünglich aus Kerningen“, spricht Nea weiter. „Irgendwann hat es mich dann in die große weite Welt verschlagen. Ich habe einige Zeit in Afrika gelebt und bin von dort weiter nach Indien. Dort habe ich meine Liebe zum Yoga entdeckt. In Goa habe ich dann in einem international renommierten Retreat meine Ausbildung zur Yoga - Lehrerin gemacht und mittlerweile die Auszeichnung als Yoga- Meisterin erhalten.Ich habe meine eigene Yoga Schule in Norddeutschland. Dort lebe ich mittlerweile. Momentan bin ich hier, um meine Freunde und Familie zu treffen und da ich Yoga liebe, bietet es sich an auch hier so lange zu unterrichten.“

Die Mädels hängen an Neas Lippen. Ich muss gezwungenermaßen aufrichtig zuhören, zwecks Berichterstattung.

„Im Yoga geht es darum „sich zu verbinden“. Es geht um die vollständige Vereinigung von Geist, Körper und Seele. Und darum seinen inneren Frieden zu finden.

Wer hat schon Yoga-Kurse besucht?“ Interessiert schaut sich Nea um.

5 Hände gehen in die Höhe. Ok, war ja klar. Ich hab als einzige noch nie Yoga gemacht. Aber das kann ja nicht so schwer sein, das machen ja mittlerweile alle.

„Gut, dann starten wir mit unserer ersten Yoga-Figur zum Aufwärmen. Die Bank! Wir kommen in den Vierfüßler Stand, die Knie und Handgelenke sind senkrecht unter unserem Körper aufgestützt. Die Ellenbeugen leicht beugen. Den Blick richtet ihr zum Boden. Der Hals, die Wirbelsäule und der Rücken sind in einer Linie und ganz gerade. Und immer entspannt ein - und ausatmen“, erklärt Nea mit ruhiger, sanfter Stimme.

Ähh, bitte was? Blick zum Boden geht ja grade noch. Aber wie um alles in der Welt soll ich das Bein dahin bekommen? Bei Nea und den anderen sieht das sehr entspannt aus. Ich schnaufe und pruste jetzt schon wie ein lungenkranker Otter. Der Schweiß läuft mir am Rücken runter. Jetzt erinnere ich mich wieder warum Sport so gar nicht mein Ding ist.

„Josi, hast du Schwierigkeiten?“ Kommt es fragend von Nea.

„Äh nein, eigentlich nicht“, gebe ich so lässig wie möglich zurück, während mein Bein in einem ungesunden Winkel in die Luft steht, und meine Arme anfangen von der ungewohnten Belastung zu zittern.

„Du darfst dich auf keinen Fall überanstrengen. Es muss fluffig und leicht sein. Sonst findest du deinen inneren Frieden nicht und das ist schließlich ein zentrales Thema. Hast du ein bisschen Probleme mit Wassereinlagerungen?“ fragt sie mit Blick auf die Dellen an meinem Hintern, die dank der Hose super zur Geltung kommen.

Dieses Miststück! Ich bin innerlich schon so wütend, dass ich ihr am liebsten ins Gesicht sagen möchte, was ich von ihr halte. Aus Vernunftgründen versuche ich mich jedoch zu beherrschen.

„Ja, Wasser, bestimmt“ schnaufe ich in ihre Richtung. Muss ich ihr ja nicht auf die Nase binden, dass es sich realistisch betrachtet, eher um Cellulite handelt. Mit sowas kennt sich Mrs. Perfect sicher nicht aus.

Sie lächelt mich mitfühlend an und erlöst uns von dieser Figur.

Wenn ich dachte, jetzt würde es einfacher hab ich mich entsprechend getäuscht. Der „nach unten schauende Hund“ (ja, genau so ist es wie es klingt), "der Schustersitz“ (aua, meine Knie) und etliche andere Positionen, Atemübungen und Meditationsübungen später bin ich fix und fertig. Meine Haare kleben nass am Kopf, mein Gesicht ist puterrot. Und bildet somit einen schönen Kontrast zum froschgrünen T-Shirt.

Vorsichtig wage ich einen Blick zu Nea. Ja, es ist wie befürchtet. Sie hat allenfalls ein bisschen geschwitzt. Grade so viel, dass man sieht sie hat Sport gemacht. Aber nicht zu viel, so dass es immer noch gut aussieht. Ihre Wangen sind leicht gerötet.

„So, ihr Lieben, die erste Stunde haben wir geschafft. Ihr habt das alle toll gemacht. Ah, und Josefine, bei dir klappt es beim nächsten Mal sicher auch besser.“

Sie lächelt mich etwas abschätzig an.

Dieses Biest! Sie macht es schon wieder. Mich so darstellen, als ob ich es nicht auf die Reihe kriege.

Der werde ich es zeigen. Ab jetzt mach ich jeden Abend Yoga! Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekommen würde.

Kapitel 9

Einige Tage später, Henry und ich stehen vor dem Lieblingsrestaurant seiner Eltern, muss ich gestehen, dass der Plan vom abendlichen Yoga nicht ganz funktioniert hat. Einen Abend hat Nic angerufen und wir haben länger gebabbelt. Hochzeitsvorbereitungen, Babyvorbereitungen und Schwangerschaft sind aber auch fast unerschöpfliche Themen!

An einigen Abenden war ich so müde, dass ich sehr schnell auf der Couch eingeschlafen bin. Die Schwangerschaft geht nicht spurlos an mir vorüber. Wieder einmal streiche ich über meine immer größer werdende Babykugel in ungläubigem Staunen und unendlicher Vorfreude.

Der Abend direkt nach dem Yogakurs, da muss ich nicht groß erklären, dass ich nichts machen konnte. Mir tat alles weh. Jede Faser. An „kuscheln“ mit Henry war auch nicht zu denken. Er wollte gerne, aber ich bin in der jetzigen Phase der Schwangerschaft so mit den Gedanken bei den ganzen Vorbereitungen, dass ich nicht so richtig viel Lust habe.

Als wir ins Restaurant gehen, ist es schon gut besucht. Es ist ein indisches Restaurant. Überall hängen goldene Spiegel und Bilder von Buddhas. Üppig verzierte Teppiche in Rot, Gold und Grün schmücken die Wände. Typisch indische Musik erklingt leise im Hintergrund.

Seine Eltern sind schon da. Wir haben einen Tisch mit gutem Blick zum Raum.

„Hallo meine Lieben“ begrüßt uns seine Mutter mit Küsschen rechts und links.

Ich bin positiv überrascht. Heute wirkt sie nicht so hibbelig wie sonst. Und auch ihr Outfit ist nicht ganz so wild wie gewöhnlich. Lila und dunkelrot, mit goldenen Ornamenten. Der Sari fügt sich gut in das Gesamtbild des Restaurants ein.

 

Sein Papa ist wie gewohnt lässig gekleidet mit Jeans und T-Shirt.

Ich habe mich heute so gut in Szene gesetzt, wie ich nur kann. Schließlich will ich neben

„Mrs. Ich kann Yoga und hab eine tolle Figur- Nea“ ja nicht völlig untergehen.

Daher habe ich mich für ein rotes Umstandswickelkleid entschieden das knapp über den Knien endet. Dazu schwarze Pumps, natürlich nicht zu hoch, und einen schwarzen Mantel.

Der Vorteil an Wickelkleidern ist, dass man schwanger oder nicht, immer eine gute Figur darin hat. Das Dekolleté kommt schön zur Geltung, die Hüfte wird kaschiert.

Als wir es uns grade gemütlich gemacht haben, tauchen Nea und ihre Mutter Heike auf. Beide sehen zugegebenermaßen gut aus. Dezentes Make-Up, die Haare leicht gelockt, enge schwarze Hosen und Bluse. Fast wie Zwillinge.

Sie begrüßen zuerst meine Schwiegereltern überschwänglich, dann Henry ausgiebig und überschwänglich und widmen sich dann, wie mir scheint nicht mehr ganz so herzlich, mir zu.

Während des Essens, frage ich mal so beiläufig, wie lange sie denn in Süddeutschland gedenken zu bleiben.

„Ja weißt du, wir wollen eigentlich schon noch ein paar Monate bleiben. Ich möchte vor allem den Kontakt zu meinen alten Freunden vertiefen“ erzählt Nea im Plauderton. Irgendwie schafft sie es währenddessen in meine Richtung zu schauen, gleichzeitig Henry tief in die Augen zu schauen und ihm über den Tisch kurz über die Hand zu streichen. Sie lässt es wie eine zufällige Berührung wirken aber ich weiß, dass alles was sie tut System hat.Ich kann nicht anders als nachzufragen „wer kümmert sich denn derweil um eure Wohnungen oder euer Haus? Um die Post und Pflanzen?“

„Wir leben in einer Art Kommune. Nea und ich, plus 3 weitere Mitbewohner. Ich habe vor Jahren ein altes Bauerngehöft gekauft und renoviert“ erklärt mir Heike.

„Nach und nach haben wir dann Zuwachs bekommen. Wir haben uns in unserer Yoga-Schule kennengelernt. Die anderen sind spirituell mit uns auf einer Ebene. Unsere Chakren harmonieren und unsere Spiritualität verbindet uns auf einer höheren Ebene“. Mit verklärtem Blick beschreibt Heike mir das Leben auf ihrer „Yoga-Ranch“.

Zusammengefasst klingt es für mich als bestünde der Alltag aus Yoga, Meditation und irgendwelchen Sitzungen mit spirituellem Hintergrund die dazu dienen irgendeine andere Bewusstseinsebene zu erreichen. Ich merke wie meine Gedanken abschweifen zu unserem Böhnchen. Mit dieser ganzen Bewusstseinssache kann ich leider nicht so viel anfangen. Henry allerdings scheint auf einmal ziemlich interessiert zu sein. Er fragt ganz genau nach, wie der Hof aussieht, was renoviert wurde, wie diese Sitzungen ablaufen.

Das handwerkliche Interesse kann ich ja noch nachvollziehen. Aber seit wann interessiert sich mein Technikaffiner Mann für spirituelles Bewusstsein? Meine Alarmglocken schrillen! Ich bin mir sicher, dass er Nea nach wie vor interessant findet. Und mittlerweile bin ich mir sehr sicher, dass sie ihn nicht nur interessant findet, sondern anbaggert. Sie ist ihm auffällig zugewandt im Gespräch, streicht sich die Haare aus dem Gesicht, fummelt an ihrem Oberteil rum.

Und sie erzählt ihm in vertraulichem Plauderton, dass er auf jeden Fall auf mich aufpassen soll, da ich bereits jetzt schon Wasser eingelagert hätte und das dann mit fortgeschrittener Schwangerschaft in jedem Fall mehr wird, bis die Schuhe nicht mehr passen und die Finger anschwellen wie dicke satte Maden. Hat sie das grade wirklich gesagt?

Ich murmle eine Entschuldigung und verschwinde rasch zur Toilette. Im Spiegel sehe ich mein mittlerweile blasses Gesicht. Mir ist übel. Nea versucht vor meinen Augen mir meinen Mann abspenstig zu machen. Ich kann es nicht fassen, dass sie ihm erzählt, ich würde Wasser einlagern. Da ist es ja kein Wunder, wenn er mich irgendwann total unattraktiv findet. Der dicke Bauch mag ja die eine Sache sein. Aber dicke geschwollene Zehen und Finger findet sicher niemand super.

Ich klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht und fühle mich etwas besser. In mir weckt sich mein Kampfgeist.

Ich werde Henry schon zeigen welches falsche Spiel sie da treibt.

Hoch erhobenen Hauptes marschiere ich zielstrebig und entschlossen Mrs.Perfect jetzt einen Tritt in den Allerwertesten zu geben, natürlich nur sinnbildlich gesprochen, zum Tisch zurück.

Als ich näher komme dreht sich Henry lächelnd zu mir. Die anderen allerdings stutzen kurz und sehen mich erstaunt an.

„Schatz, du äh, bist ein bisschen nass vorne“, flüstert mir Henry diskret ins Ohr. Ich sehe unauffällig an mir runter und japp, was soll ich sagen! Mein gesamter Unterbauchbereich ist nass. Sieht aus, als hätte ich in die Hosen, oder in meinem Fall, ins Kleid gepieselt. „Ein Rolle gemacht“ wie man im schwäbischen so gerne verniedlichend sagt. Ich schwöre es ist Wasser. Ich habe mich übers Waschbecken gebeugt und da muss es nass gewesen sein. Schnell lege ich meine Serviette drüber und lächle strahlend in die Runde.

Irgendwann ist selbst der schlimmste Abend vorüber. Ich habe Trost im Essen gesucht (Butterhühnchen mit Naan Brot).

Zur Verabschiedung hat mir Nea noch fröhlich ein „bis nächste Woche im Yoga“ hinterhergerufen.

Als wir im Auto sitzen fragt Henry mich vorsichtig, ob alles ok ist. Langsam scheint es ihm zu dämmern, dass ich nicht einfach so sehr ruhig war den Abend über. Das ist eigentlich nicht meine Art.

„Um ehrlich zu sein, ist nichts ok“, gebe ich gepresst von mir. „Dieses Biest versucht dich anzubaggern!“

Ich klinge leicht aggressiv. Ich sollte in Ruhe mit ihm sprechen, ich weiß es. Leider kann ich es aktuell nicht umsetzen.

„Josi, ich weiß, du bist momentan in einer besonderen Situation“ kommt es mit ruhiger Stimme vom Fahrersitz zurück. „Nea hatte mich schon vorgewarnt, dass Schwangere Frauen mitunter sehr empfindsam sind“.

„Ach und was befähigt Mrs. Yoga - Perfect zu einer Einschätzung des Gefühllebens schwangerer Frauen“? zische ich giftig zurück.

„Sie versucht nur zu helfen. Sie hat eben viel Kontakt zu Schwangeren, durch ihre Kurse. Und da hat sie mir eben den Tipp gegeben, dass manches gesagte vielleicht gar nicht so gemeint ist“ erwidert Henry mit einem kurzen Seitenblick zu mir.

Als wir in den Hof zuhause fahren, springe ich aus dem Auto und flüchte ins Haus. Ich kann es nicht glauben! Er denkt ich übertreibe und merkt nicht, dass er es ist, der das Problem nicht erkennt.

„Josi warte“ Henry stürmt mir nach Richtung Schlafzimmer.

„Es ist nicht gut für unser Baby, wenn du dich so aufregst. Es gibt wirklich keinen Grund!“ Er greift meine Hände und schaut mir fest in die Augen. „Ich liebe dich und unser Böhnchen über alles. Ihr seid mein Leben! Da kommt niemand dazwischen. Du musst mir glauben!“

Ich sehe in Henrys liebes Gesicht und merke, wie ich mich langsam entspanne und atme tief ein und aus.

Henry zieht mich an sich. Ich seufze. Das hier ist alles was zählt. Ich kann Henry vertrauen. Er hat mir noch nie Grund gegeben, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Soll Nea doch erzählen was sie will. Er wird ihr hoffentlich nicht glauben.

Kapitel 10

Ich sitze über meiner Baby-Liste und versuche irgendeine Form von Vollständigkeit zu erreichen. Immer wenn ich denke, jetzt habe ich alles fällt mir wieder etwas ein. Henry ist heute mit Kumpels unterwegs. Ich habe es mir mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht.

Auf einmal klingelt es.

Vor der Tür steht völlig außer Atem Susi. Ihre Augen sind verheult und sie ringt um Fassung.

Ich ziehe sie schnell ins Haus und schließe die Tür.

„Ich, ich.“ Schluchzt sie.

„Ganz ruhig, Susi, ganz ruhig.“ Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken und halte sie fest. „Komm, wir setzen uns. Was ist denn passiert?“ Besorgt warte ich auf ihre Antwort.

Als sie sich etwas beruhigt hat, erzählt sie mir die Geschichte.

Sie hatte eine Affäre. Ausgerechnet mit unserem Ressortleiter Micha. Der ist leider verheiratet.

„Ich dachte, das wäre etwas Besonderes zwischen uns“ schluchzt Susi. Er hat mir immer gesagt, dass er sich von seiner Frau trennen will, dass er schon lange unglücklich ist in dieser Ehe. Sonst hätte ich mich doch nie, nie auf einen verheirateten Mann eingelassen Josi!“

Ich bin baff. Susi und ich arbeiten eng zusammen und ich habe wirklich nichts geahnt. Im Gegenteil. Ich dachte sie hat genug von Männern.

„Susi, ich habe nichts geahnt. Ich dachte wirklich du wartest, bis du irgendwann deinen Traumprinzen triffst. Warum hast du mir denn nichts erzählt?“

„Ich bin, es ist kompliziert. Das war alles nicht geplant. Micha und ich wir haben uns ja immer gut verstanden. Und eines Abends, wir waren beide noch länger im Büro, da hat es sich so ergeben.“

Mein Kopfkino springt augenblicklich an. Vor meinem inneren Auge drängt sich mein Schreibtisch ins Bild. Nein, Schluss damit!

Susi erzählt weiter, dass sie schnell gemerkt hat, dass sie echte, tiefe Gefühle für Micha hat. Ihm schien es ebenso zu gehen, wenn man seinen Beteuerungen Glauben schenken will. „Ich hab ihn zu nichts gedrängt. Aber gestern, habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht.“

Überrascht schau ich zu ihr.

„Positiv“ seufzt Susi und schaut mit gesenktem Kopf auf ihre Hände. „Ich hab es Micha heute Morgen erzählt, wir waren zum Frühstück verabredet. Seine Frau ist übers Wochenende mit ihren Freundinnen weggefahren. Was soll ich sagen, seine Reaktion war nicht wie erhofft.“ Schluchzend schlägt sich Susi die Hände vors Gesicht.

„Was hat er gesagt, Susi“ dränge ich sie weiterzusprechen.

„Er sagte, dass er seine Frau nicht verlassen kann. Sie ist schwanger in der 10. Woche. Was soll ich denn jetzt tun? Ich fühle mich so beschmutzt. Wenn ich das geahnt hätte. Und er hat mich glauben lassen, dass es nicht gut um ihre Ehe steht und sie eigentlich sowieso schon fast getrennt wären. Jetzt soll alles ganz anders sein. Er liebt sie, er freut sich auf ihr gemeinsames Baby. Und was ist mit mir? Ich werde einfach abgelegt wie ein alter, getragener Handschuh.“

Mitgefühl flammt in mir hoch. Arme Susi! So etwas hat sie nicht verdient. Dieser Dreckskerl hat sie unter falschen Voraussetzungen in eine Affäre gedrängt.

„Micha hat gesagt, seine Frau dürfe auf keinen Fall irgendetwas von uns erfahren oder von meinem Baby. Es sei am besten, wenn ich die Sache diskret angehe. Josi, verstehst du was das bedeutet?“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaut mich Susi an, als erhoffe sie sich, dass ich ihren Schmerz lindern kann.

„Er will, dass wir tun als wäre nie etwas zwischen uns passiert. Als hätte es nie ein =uns= gegeben. Dafür will er einen auf glückliche Familie mit seiner Frau machen.

„Ich bin für dich da Susi. Versuch an dein Baby zu denken. Du bist stark, du brauchst ihn nicht. Du hast etwas Besseres verdient als Micha.“

Es dauert bis in den späten Abend, bis Susi so weit gefasst wirkt. Ich bleibe nachdenklich zurück, als sie nach Hause geht. So schnell kann es passieren, dass eine scheinbar perfekte Beziehung in einer Katastrophe endet. Vor allem wenn Kinder involviert sind.

Ich bin so froh, dass ich jemanden wie Henry gefunden habe. Er ist sicher nicht perfekt, wer ist das schon. Aber er liebt mich von Herzen und was fast genauso wichtig ist, er erträgt meine Launen. Ich gähne und beschließe, dass es für Böhnchen und mich Zeit wird ins Bett zu gehen. Ich habe grade meinen super-flauschigen Luxus-Schlafanzug (den habe ich mir gegönnt, guter Schlaf ist in der Schwangerschaft extrem wichtig), als Henry nach Hause kommt.

Er ist offensichtlich ziemlich betrunken. Er taumelt mehr rein, als das er läuft.

„Hi Baby“ nuschelt er in meine Richtung und unternimmt einen holprigen Versuch mich zu umarmen. Seine Fahne nimmt mir für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen.

„Hattest du einen lustigen Abend? Offensichtlich hast du ein bisschen zu viel getrunken. Komm am besten gleich ins Bett.“

„Jaa, ja, ich komm schon“ Zack, lässt er sich in voller Montur aufs Bett fallen. Die dreckigen Schuhe machen es sich auf der schönen Satinbettwäsche bequem.“…schöne Grüße von ...a….“ geht der Rest des Satzes im Genuschel unter und Henry fängt übergangslos an zu schnarchen.

Da bin ich ja mal auf den morgigen Bericht zu diesem Abend gespannt, schmunzle ich in mich rein.

 

„DU HAST WAS?“ Ich schreie fast. Es ist Sonntag morgens und das ist nicht gut. Kein guter Start! So sollte das nicht sein! Es sollte ruhig, gemütlich und nett sein. Ist es aber nicht. Alles nicht.

Henry hat mir eben vom vorigen Abend erzählt. Kneipentour mit seinen Jungs. In einer Bar mit Livemusik sind sie dann zufällig!!!! auf „ich-spann-dir-den-Mann-aus“-Nea getroffen.

Und weil er schon gut was getrunken hatte, haben er und die Jungs eben mit Nea und ihren Mädels getanzt und noch ein bisschen weiter getrunken.

Mich überkommt das große Verlangen Henry den frisch gepressten Orangensaft ins Gesicht zu kippen. Macht man aber nicht. Ich wollte solche Situationen doch ruhiger angehen und sachlich klären. Aber innerlich überkommt mich das starke Gefühl, dass sie mir den Mann ausspannen will.

„Es war einfach nur ein Party-Abend, völlig ohne Bedeutung, Schatz“, versucht Henry es nochmal.

„Das ist mir sowas von egal, sie hat Hintergedanken! Sie hat euch mit Sicherheit absichtlich getroffen. Das kann kein Zufall sein.“ Ui ui, meine Stimme klingt ziemlich schrill. Mir egal! Ich bin sauer und das kann er merken.

„Weißt du was, ich kann es nicht mehr hören! Nea hier, Nea da, Nea hat, Nea macht…bla, bla, bla. Du vertraust mir nicht. Das ist das eigentliche Problem. Ich habe kein Interesse an Nea! Aber deine ständigen Unterstellungen nerven. Ich gehe arbeiten“, mault Henry und verschwindet im Arbeitszimmer.

Prima! Geh du nur, denke ich mir. Dann kann ich wenigstens in Ruhe vor mich hin überlegen, wie ich Nea in der nächsten Yoga-Stunde ein deutliches Statement hinterlassen kann: Finger weg von meinem Mann!

Die neue Arbeitswoche startet turbulent und so habe ich erstmal keine Zeit mir Gedanken um den Vorfall zu machen. Susi ist zwar im Büro, aber sie sieht gar nicht gut aus. Dunkle Augenringe, vom Weinen verquollene Augen, fleckige Haut und strähnige Haare. Micha sieht bei genauerem Hinsehen nicht besser aus, gibt sich im Gegensatz zu Susi aber betont fröhlich und verteilt eifrig Aufgaben. Ich versuche ihn so gut es geht mit Missachtung zu strafen. Arme Susi!

In der Mittagspause frage ich vorsichtig nach, was Micha eigentlich zur Schwangerschaft gesagt hat.

„Ich hab es ihm nicht erzählt und er soll es auch nicht erfahren“, bittet sie mich um Stillschweigen.

„Wie soll das gehen Susi? Dein Bauch wächst und du musst ja wohl irgendwann auch in Mutterschutz gehen, da erfährt es Micha ja zwangsläufig“, versuche ich die Fakten aufzurollen.

„Ja, das mag sein. Aber er wird nicht erfahren, dass er der Vater ist! Ich möchte nicht, dass mein Kind mit dem Wissen leben muss, dass sein Erzeuger kein Interesse hat und sich nicht kümmert“, gibt sie trotzig zurück.

Ich kenne Susi lange genug und weiß, wann eine Diskussion keinen Sinn mehr hat. Also erzähle ich ihr zur Ablenkung von meiner Mission, Nea in ihre Schranken zu weisen. Offensichtlich funktioniert es ganz gut, denn sie kriegt sich vor lauter Lachen überhaupt nicht mehr ein und verschluckt sich am Kantinenhühnchen.

„Du bist verrückt!“, japst sie, während sie hustend versucht das Hühnerteil aus ihrer Lunge zu befördern. „Ehrlich, du bist meine Freundin und ich liebe dich, aber das wird nicht funktionieren“, warnt sie mich. „Du bringst dich in Teufels Küche“, fügt sie sicherheitshalber dazu.

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