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Kapitel 5

Am nächsten Morgen bei der Arbeit, unterbreche ich meinen Bericht über ein Oldtimer Treffen in Stuttgart, als meine Kollegin Susi etwas verspätet ins Büro kommt. Sie schält sich aus ihrem dicken schwarzen Wintermantel. Der Februar hat Vollgas gegeben und es ist wirklich eisig draußen. Susi reibt sich die kalten Hände und kommt an meinen Schreibtisch.

„Hast du Lust heute mit Jette und mir einen trinken zu gehen? Wir wollten mal wieder Mädelsabend mit Cocktails machen.“

Susi ist seit zwei Jahren Single und hat genug von Männern. Sie genießt lieber das Leben. Ich überlege schnell was ich als Ausrede bringen könnte, ohne das es auffällt.

Da habe ich allerdings die Rechnung ohne Susi gemacht. Sie schnappt mich am Arm, zieht mich in unsere Teeküche und schließt die Tür.

„Josi, willst du es mir nicht endlich sagen? Dass du ein Baby bekommst. Stimmt doch, oder?“ Sie mustert mich.

„Äh ja, aber wie kommst du denn darauf?“, gebe ich zurück.

„Naja, du strahlst seit einigen Wochen so von innen heraus, außerdem bist du oft in Gedanken und um ehrlich zu sein, sieht man schon ein ganz winziges bisschen Babybauch“, antwortet sie lächelnd.

Unwillkürlich streiche ich mit der Hand über meinen Bauch. Und tatsächlich eine kleine Wölbung kann ich fühlen.

„Also, wenn du es eh schon weißt, dann muss ich ja nichts mehr groß sagen. Ich wollte eigentlich noch zwei Wochen warten, weißt du, dann ist die kritische Phase sicher um. Aber du behältst es noch für dich, gell?“.

„Ja sicher, ich freu mich für euch.“ Susi umarmt mich und seufzt. „Ich wünsche mir auch so sehr so einen tollen Partner, wie du ihn hast. Einfach meinen sicheren Hafen mit dem ich eine Familie gründen kann. Aber irgendwie sind nur Idioten auf dem Markt“, beklagt sich Susi.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass irgendwo auch dein Traumprinz auf dich wartet, Susi. Du bist so ein toller Mensch, da kommt ganz sicher bald der richtige.“

„Lieb von dir Josi. Lass dich nochmal drücken, du hast dieses Glück wirklich verdient.“

Am Abend sitzen Henry und ich nach dem Abendessen – Gelberüben (schwäbisch für Karotten)-Steckrübeneintopf)- bei einer Tasse Schwangerschaftstee im Wohnzimmer. Henry trinkt den Tee der Einfachheit halber mit, da ich immer eine ganze Kanne aufsetze. Und außerdem sagt man ja „wir“ sind schwanger. Was sich ein bisschen an seinem Bäuchlein widerspiegelt. Offensichtlich ist da also was Wahres dran. Mich stört es aber gar nicht.

„Du Henry, es ist jetzt ganz dolle wichtig, dass du eine frühe Bindung zum Baby aufnimmst. Am besten gelingt das laut Experten, wenn du deine Hand auf meinen Bauch legst und unserem Böhnchen etwas erzählst, oder eine Geschichte vorliest.“

„Das war ein netter Versuch Josi, haha, ja wirklich lustig“! Henry prustet los und kriegt sich fast nicht mehr ein.

Ich merke, wie ich innerlich anfange wütend zu werden. Oh man, meine Emotionen habe ich seit der Schwangerschaft echt nicht mehr gut im Griff.

„Warum lachst du denn so blöd?“, ereifere ich mich, „das ist mein voller Ernst!“. Beleidigt wende ich mich ab.

„Unser Böhnchen hört mich doch auch wenn wir uns unterhalten“, kommt es in versöhnlichem Ton von Henry zurück. „Du bist zurzeit wirklich sehr empfindlich Josi. Man kann es dir nicht recht machen“.

ICH HASSE DIESEN SATZ! Natürlich könnte man - oder in diesem Fall Mann - es mir recht machen, wenn man es richtig machen würde und die Sache ernst nehmen würde.

Ich probiere es nochmal und versuche nicht allzu sauer zu klingen, sonst kommt man bei Henry nicht weiter.

„Schau, es ist doch so, wenn wir uns unterhalten, ist deine Aufmerksamkeit ja nicht bei Böhnchen. Wenn du aber direkt mit ihr sprichst und den Bauch streichelst, dann fühlt sie das. Biiiitttttteeeee!“ Ich schaue in mit großen Augen an.

„Gut, gut, von mir aus. Aber ich komme mir irgendwie blöd dabei vor.“ Er legt seine Hand auf meinen Bauch und schaut ihn unsicher an.

„Hallo! Ich bin`s. Ich hoffe du kannst mich hören. Wie geht`s denn so?“ Henry begleitet die Worte mit hektischen Reibebewegungen der Bauchdecke.

Alles gut, Böhnchen, spreche ich ihr in Gedanken Mut zu. Das ist dein Papa, das werden wir nochmal üben in der nächsten Zeit.

Seufzend schiebe ich seine Hand weg und ziehe meinen Pulli wieder runter.

„Komm, lass uns lieber an der - Baby-Was wird alles benötigt Liste - weiterarbeiten“, sage ich grinsend zu Henry. Erwartungsgemäß schaut er mich so gottergeben an, dass ich lachend die Liste wieder weglege.

Wir haben dann wider Erwarten noch einen ganz kuscheligen Abend….

Kapitel 6

Als ich einige Tage später mit Nic bei einem Gläschen Wein - für ihn, für mich Schwangerschaftstee- zusammensitze, krame ich wieder meine Liste vor. Henry ist wieder bei seinem Kumpel Steffen. Er hat sich nach der Trennung noch nicht wieder gefangen.

„So, dann lass uns mal mit der Planung anfangen, Josi!“ Glücklich grinsend zieht Nic aus einer mitgebrachten Tasche diverse Hochglanzprospekte für Baby-Ausstattung. Meine Augen fangen unwillkürlich an zu glitzern. Wir blättern in den Seiten und werfen immer mal wieder ein verzücktes „Ooh“ und „Ahh“ und „Guck mal“ ein. Das macht richtig Spaß mit Nic. Mit meiner Freundin Susi wollte ich das grade nicht unbedingt machen, weil sie sich ja insgeheim auch ein Baby wünscht, aber ohne Partner ist das momentan schwierig.

Bei dieser Gelegenheit frage ich Nic schonmal, ob er sich vorstellen kann, das Amt des Paten für unser Böhnchen zu übernehmen. Das habe ich natürlich im Vorfeld mit Henry besprochen.

„Wow! Ja!!!! Sowas von Jaaaaaaa!!!!!!Das ist eine Riesenehre für mich Josi, ehrlich. Du weißt ja, dass ich Kinder liebe und damit macht ihr mich sehr glücklich. Danke!“ Er umarmt mich stürmisch.

Nach einer Weile ist unsere Baby-Liste schon deutlich angewachsen. Neuzugänge sind unter anderem:

 Federwiege (elektrisch betrieben, DAS non-plus-Ultra für Babys Tagschläfchen)

 Baby-Hängematte (unbedingt notwendig, wenn man ein entspanntes Baby möchte. Ähhh, ist das eine rethorische Aussage? Wer will das bitte nicht?)

 Baby-Badewanne mit Ablaufschlauch und Gestell (sonst kriegt man´s ins „Kreuz“ (= schwäbisch für Rücken)

 Babymatratze (nicht irgendeine, sondern eine super duper, extra ergonomisch geformte Matratze, mit gewölbter Form, in der das Baby eine (ich zitiere) „semi-fötale“ Haltung einnimmt und somit an den Mutterleib erinnert wird)

 2 verschiedene Tragetücher (eins zum selbstbinden, ein fertiges, wenn’s pressiert (=schwäbisch für es eilt)

 Mitwachsender Holzhochstuhl mit Einsatz für Neugeborene

 Baby-Wippe (superpraktisch um das Baby von Raum zu Raum zu transportieren, beim Putzen oder so)

 Windelkomplettpaket (genähte Windeln aus Stoff mit Einlagen, ich will ja das richtige tun für Baby und Umwelt!)

Das sind jetzt mal nur die größeren Dinge, Kinderwagen, Babybett usw stand schon drauf.

Um die kleineren Dinge wie Kleidung, kümmere ich mich auf einer Extra-Shopping Tour mit Nic und einer Oma-Einkaufstour mit meiner Mum! Ein Hoch auf die Baby-Vorbereitungen.

„Wow, Josi, schau dir das mal an. Das müssen wir für dich unbedingt auch machen“ unterbricht mich Nic euphorisch, als ich eifrig auf meiner Liste weiterschreibe. Er hält mir begeistert den nächsten Prospekt unter die Nase. Ein Lifestyle-Magazin für werdende Mamas. Der Artikel zeigt einen superschönen Wohnraum voller Ballons in rosa, auf dem Bild daneben ist das gleiche Arrangement in hellblau zu sehen. Mit rosa Federn die in großen Vasen stecken, rosa eingedeckter Esstisch, einer riesengroßen Girlande mit der Aufschrift = Baby-Shower = und einem Tisch voller Geschenke in rosa Papier.

Der Artikel zeigt einen Trend aus den USA, der auch bei uns immer beliebter wird. Vor der Geburt wird eine Babyparty ausgerichtet mit den Freundinnen. Es werden Baby-Breie durchprobiert und man muss die Sorte erraten. Eine Puppe wird angekleidet inkl. Windel, der schnellere gewinnt.

Das klingt nach viel Spaß!!!

„Das will ich unbedingt Nic, das ist ja super! Würdest du das denn organisieren wollen?“

„Ja klar, gerne. Gib mir einfach eine Liste mit den Kontaktdaten der Mädels, die du gerne dabeihaben möchtest. Den Rest erledige ich für dich.“

Ich finde dieses ganze Baby-Thema schon jetzt sowas von Spitze!

Henry findet die Liste mit den Anschaffungen die ja zweifelsohne unbedingt!! Notwendig sind, um unser Böhnchen auch nur annähernd artgerecht großzuziehen, gar nicht so spitze.

Es ist sonntags, wir frühstücken wie immer wenn es die Zeit zulässt ganz gemütlich.

Er hat die Liste in den Händen und sieht zu mir hoch.

„Was sind das da alles für Dinge, das braucht doch niemand. Ernsthaft Josi! Ergonomische Matratze mit vorgeformter Wölbung? Kann Böhnchen nicht auf einer normalen Matratze liegen wie alle anderen auch?"

"Nein“, erwidere ich trotzig. Oh, man diese Hormone. So sieht sicher keine zielführende Gesprächsstrategie aus.

„Wir brauchen diese Matratze! Ich will sie unbedingt. Das ist das non-plus Ultra.“

„Non-plus-Ultra, verstehe. Schatz, wie wäre es, wenn wir uns einfach mal in Ruhe im Fachgeschäft dazu beraten lassen und dann entscheiden? Vielleicht magst du einfach einen Beratungstermin ausmachen und wir fahren mal samstags zusammen hin?“

„Ja gut, du wirst sehen, dass sie das auch ganz bestimmt empfehlen“, gebe ich jetzt etwas versöhnlicher zurück.

 

Als wir grade fertig mit frühstücken sind und uns aufs Sofa kuscheln wollen, klingelt es. Wir sind eigentlich sonntags ganz gerne zuhause und entspannen.

Und wir haben eigentlich für heute keine Verabredung.

Ich öffne und vor der Haustüre steht meine Mum mit den Händen voller Einkaufstaschen. Sie strahlt mich an.

„Hallo Josi-Kind, darf ich reinkommen?“

„Ähh, ja klar, Mum komm rein. Was hast du denn da alles dabei, soll ich dir was abnehmen?“

Aber meine Mum hat sich schon alle Tüten unter den Arm geklemmt, bevor ich ihr etwas abnehmen kann und läuft schnaufend voraus ins Wohnzimmer.

Sie nimmt sich kaum Zeit Henry zu begrüßen, der auf dem Sessel liegt, mit seinem Handy in der Hand. Ich hoffe, dass er Recherchen zum Thema Baby-Ausstattung betreibt.

Voller Begeisterung fängt meine Mutter an die ersten Einkaufstaschen auszuräumen.

„Schau mal, ist DAS nicht zuckersüß!“, quietscht sie und hält einen klitzekleinen, zugegeben sehr goldigen Strampler, in die Höhe. Er ist in zartem gelb, total flauschig. Vorne drauf prangt ein Teddy-Kopf, einer großen deutschen bekannten Marke. Qualität aus Deutschland ohne Frage.

Dem kleinen Strampler folgen noch klitzekleine Jeanshosen, zwei Jäckchen in mint mit kleinen weißen Sternen aufgedruckt, sowie eine wundervolle Babydecke in zartem pastelligem Grün.

Ich fahre mir durch die ungekämmten Haare und linse zu Henry. Er guckt einigermaßen unbegeistert hinter seinem Handy vor, offensichtlich nicht bereit, die Begeisterung meiner Mutter zu teilen, geschweige denn, sich ihr gegenüber ähnlich begeistert zu geben.

„Mum, wo kommt das denn alles her? Wir wollten doch zusammen in Ruhe nach Stuttgart zum Shoppen?“, grätsche ich schnell dazwischen, bevor Henry was falsches sagt.

„Ja, ja unbedingt gehen wir zwei Mädels noch für mein erstes Enkele shoppen, Josi, das darfst du mir glauben. Aber ich war in diesem goldigen kleinen Lädle für Babyausstattung. Und die Verkäuferin war so nett und kannte sich so toll aus, da konnte ich nicht widerstehen. Und ich sag mal so, alles was ihr nicht kaufen müsst, ist doch eine Erleichterung, gell?“ Sie dreht sich zu uns um und wartet mit zufriedener Miene auf Bestätigung.

„Babys brauchen fast nix Paula“, grummelt Henry hinter seinem Handy vor. „Ein Bettchen, eine Babyschale und ein paar Windeln, das sollte im Großen und Ganzen fast genügen.“

Meine Mum schaut Henry mit großen Augen fassungslos an.

„Ist das dein Ernst? Kleidung braucht man eine ganze Menge Henry. Glaube mir. Wir haben schon ein Kind großgezogen. Und ich bin der Meinung man kann nicht früh genug damit anfangen alles zusammen zu tragen. Dann hat man nachher nicht so viel Stress.“

Und schon beugt sich meine Mutter über die nächste Tasche. Offensichtlich will sie sich die Freude nicht durch Henrys pragmatische Art nehmen lassen.

Triumphierend hält sie einen, gefühlt riesengroßen Activity – Würfel, aus Bioholz in Naturfarben, in die Luft.

„Das, also das, ist das allerbeste für Babys!“, stellt sie uns das Ungetüm vor. „Damit trainieren sie die Motorik, die Koordination und das Sortieren.“

„Wozu muss das Baby sortieren können?“, kommt es genervt von Henry aus dem Sessel.

„Henry“, meine Mum spricht jetzt mit ihm wie mit einem kleinen, trotzigen Kind, „natürlich kann das Baby am Anfang noch nichts sortieren. Aber ruckzuck hat es das Alter erreicht, in dem es das kann. Und dann müsst ihr nicht erst los und etwas passendes kaufen, weil Oma schon alles besorgt hat.“

Und damit wendet sie sich der nächsten Tasche zu.

Nach gefühlten zwei Stunden macht sich meine Mum auf den Heimweg und Henry und ich schleppen alles was sie mitgebracht hat, ins zukünftige Kinderzimmer. Hier steht noch nichts drin, daher hat der ganze Kram ausreichend Platz.

„Sag mal, Josi, warum hast du deiner Mutter nicht gesagt, dass wir nicht so viel Zeug wollen? Ich denke wir haben uns darauf geeinigt nur das nötigste zu kaufen?“

„Du hast das gesagt!“, gehe ich sofort in die Offensive. Ich meine es ist nicht so, dass Henry unrecht hat. Ein Baby braucht nicht viel außer Liebe, Zuneigung und ja gut ok, Milch natürlich auch. Aber, jetzt da ich gesehen habe, was für tolle Sachen meine Mum geholt hat, will ich die nicht wieder hergeben. Und ich will ja auch noch ein paar Dinge besorgen.

„Schatz“ ändere ich die Taktik, „wir brauchen doch eh ein paar Dinge. Und wenn meine Mum jetzt halt schon Sachen besorgt hat, die wir nicht brauchen können, wir sie ja immer noch weiterverkaufen.“

Der Schwabe in Henry ist besänftigt.

Kapitel 7

„Hi, meine Hübsche! Schön, dass du mich begleitest.“ Nic stürmt voller Vorfreude auf mich zu.

Ich erwidere seine Umarmung lachend, „ich lass dich doch nicht alleine, deinen Hochzeitsanzug aussuchen. Eine schöne Trauzeugin wäre ich da.“

Wir schlendern durch Stuttgart. Es ist ein schöner sonniger Märztag und die Stadt erwacht. Überall sitzen die Menschen in den Cafés und genießen ihr Getränk oder ein Eis. An den Bäumen sind schon die ersten grünen Blätter zu sehen, es ist einfach herrlich. Wir schlendern über den Schlossplatz, als auf einmal eine bekannte Stimme meinen Namen ruft. Ich schau mich um und tatsächlich, meine Schwiegermutter winkt von einem Tisch im Schloss Café` zu uns rüber.

Neben ihr sitzt eine jüngere Frau, die ich auf den ersten Blick nicht kenne. Als wir in Richtung ihres Tisches gehen, erkenne ich sie. Nea! Die eingebildete, immer von sich überzeugte Nea.

Ich seufze innerlich auf und sage mir im selben Moment, dass ich sie so lange nicht gesehen habe und sie sich ja komplett geändert haben könnte. Ich sollte wohl erstmal vom Besten ausgehen.

„Hi Josi“, begrüßt mich meine Schwiegermutter mit einer Umarmung. Sie ist wieder in ein Sari-ähnliches Gewand gehüllt in grellem pink mit rosa und roten Punkten. Und Goldverzierungen. Die Haare sind mittlerweile auch pink.

Mein Blick wandert zu Nea. Sie bleibt sitzen, mustert mich während der Begrüßung von oben bis unten und grinst mich an. Ein ziemlich arrogantes Grinsen würde ich mal sagen. Also sie hätte sich echt ändern können, wollte sie offensichtlich aber nicht.

Ich stelle den beiden meine Begleitung Nic vor. Und es ist wie immer. Der Sunnyboy lächelt und die Damenwelt schmilzt dahin.

Nea erhebt sich sogar von ihrem Stuhl, fährt sich wie beiläufig mit der Hand durch ihr blondes Haar, schlendert zu Nic rüber und begrüßt ihn mit einem nonchalanten Lächeln und murmelt ein „Hey“. Küsschen rechts und links runden das Prozedere ab.

Zum Kotzen! Nea muss sich offenbar an alles ranmachen das jung, charmant und männlich ist.

Ich kann nicht anders als zu sagen: „Nic und ich sind grade unterwegs, um seinen Hochzeitsanzug auszusuchen. Er heiratet bald seinen Jan!“, und strahle in die Runde.

Nea glotzt blöde. Lief nicht gut für sie. Erstens er wird heiraten, zweitens er interessiert sich nicht für Frauen. Und speziell nicht für sie. Das wird sie eine Weile beschäftigen.

Ich amüsiere mich innerlich über ihre doofe Miene.

„Ja, also nett euch getroffen zu haben, aber wir müssen jetzt weiter, gell“, sage ich über die Schulter und ziehe Nic mit mir weg vom Tisch.

„Das war also die hinterlistige Nea, jetzt habe ich sie mal live und in Farbe gesehen“, flüstert mir Nic zu. „Also, sie sieht ja ganz gut aus, aber sie ist schon sehr von sich eingenommen“, bemerkt er stirnrunzelnd. „Du bist viel schöner Josi und du hast eine schöne Seele“.

Hach, das tut gut zu hören!!!

Trotz dieser Begegnung haben Nic und ich einen fantastischen Nachmittag. Wir lassen uns beim Herrenausstatter ausführlich beraten. Nic probiert verschiedene Anzüge an und Smokings. Am Ende entscheidet er sich für ein Ensemble in Nachtblau, mit silbergrauen Ornamenten und passend dazu tolle italienische Schuhe.

Anschließend lassen wir den Tag beim Italiener ausklingen bei einer fantastischen Pizza.

„Guten Morgen mein Liebling“ werde ich sanft von einem verstrubbelten Henry geweckt.

„Mhhhhh…guten Morgen Schatz“, murmele ich völlig schlaftrunken ins Kissen. Ich bin in der Nacht wohl zu Henry gerutscht und stecke jetzt quasi im „Gräbele“ - schwäbisch für die Mitte, der Graben zwischen den Matratzen - fest.

Ich rolle vollends zu Henry und kuschle mich an ihn.

„Heute sehen wir unser Böhnchen wieder. Bist du aufgeregt?“

„Ja, schon. Vor allem, dass wir dann den Kollegen, Freunden und allen erzählen können, dass du schwanger bist.“ Zärtlich schaut Henry mich an. Beiläufig erzählt er mir, dass seine Mum für nächste Woche in ihrem Lieblingsrestaurant einen Tisch reserviert hat für sich, uns und Nea plus Mutter.

Na prima! Der Tag hat so schön begonnen. Wir wollten gemütlich frühstücken, dann zum Frauenarzt und anschließend zusammen einige Dinge fürs Baby besorgen. Henry hat sich extra auch den ganzen Tag freigenommen. Und jetzt muss er ausgerechnet diese Frau erwähnen! Ich nehme mir vor erstmal nichts dazu zu sagen, um die Stimmung nicht zu drücken, obwohl es Innerlich schon leicht brodelt.

Dieser gute Vorsatz hält exakt so lange bis wir am Frühstück sitzen. Hatte mich schon gewundert, dass ich den Mund so lange halten kann. Das ist normal nicht meine Stärke.

„Josi warum bist du denn so ruhig auf einmal?“

„Ich frage mich nur grade, ob wir wirklich zu diesem Abendessen mitmüssen, Henry?“

„Warum willst du nicht hingehen? Das wird bestimmt ein netter, lustiger Abend. Wir haben Nea so lange nicht gesehen und haben uns sicher sehr viel zu erzählen.“

„Du meinst wohl SIE hat DIR so viel zu erzählen?“, maule ich Henry an. Eigentlich könnte er jetzt langsam wissen, dass die Situation demnächst unschön wird. Dafür kennt er mich lange genug.

Aber anstatt das Thema jetzt zu beenden, fängt er an zu argumentieren.

„Fängst du wieder damit an. Natürlich hat sie auch mir viel zu erzählen. Schließlich ist sie eine alte Sandkastenfreundin. Wenn ihr euch besser kennen lernen würdet, wärt ihr bestimmt gute Freundinnen. Sie ist ein ganz liebenswerter Mensch. Gib ihr doch eine Chance Josi!“, bittet Henry mich und nimmt meine Hand.

„Will ich nicht!“ Mürrisch schaue ich ihn an. „Sie hat versucht dich anzubaggern. Ich möchte sie nicht sehen und du solltest es auch nicht.“

„Josi! Du hast das damals völlig falsch verstanden. Sie wollte mich nicht anbaggern. Wir haben uns nur gut verstanden das war alles.“

Ist es zu fassen, dass mein Henry, jawohl! MEINER! So klug und intelligent er ist, das nicht bemerkt hat. Ich merke, dass ich so leider absolut nicht zu ihm durchdringen kann. Ich muss mir einen Plan überlegen bis nächste Woche. Stichwort: Nea loswerden!

Eine Stunde später starren wir völlig fasziniert auf den Bildschirm bei Dr. Strick. Unser Böhnchen bewegt sich munter im Ultraschall. Jetzt hebt es die Hand und winkt. Sentimental wische ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

Dr. Strick erklärt gerade was im Bild zu sehen ist. Oh, die Hand ist gar nicht die Hand, sondern das Bein. Naja egal, Hauptsache alles dran an unserem Böhnchen!

„Es schaut alles bestens aus. Ihr Baby ist aktiv und entwickelt sich gut. Die kritischen 12 Wochen sind auch vorbei“, fasst der Arzt seine Erkenntnisse zusammen.

Erleichtert lächeln Henry und ich uns zu. Beim nächsten Termin kann man vielleicht schon das Geschlecht erkennen.

Als wir kurz darauf das Babyfachgeschäft betreten, bin ich völlig fasziniert. Ich weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll. Es sieht alles so toll aus! Der Laden ist riesengroß und eine absolute Institution in unserer Region. Seit fast 70 Jahren ein familiengeführtes Unternehmen. Es gibt verschiedene Bereiche, alle liebevoll dekoriert. Teddybären, aus einer weltberühmten Manufaktur, strahlen mich aus einem wunderschönen weißen Vintage - Regal an. Ich bin schon auf dem Weg mir die Bären mal genauer anzusehen, als Henry mich ausbremst.

„Mooooment mal Josi, wohin gehst du denn? Auf meiner Liste steht als erstes das Babybett. Lass uns da mal jemanden suchen für eine Beratung“.

Grrrmppfff… darf man nicht mal ein bisschen durchstöbern. Hätte ich mir denken können, dass Henry da wenig Verständnis aufbringen kann.

Die nette Verkäuferin die Henry anspricht, zeigt uns ganze tolle Babybettmodelle. Theoretisch gäbe es ein Beistellbettchen für den Anfang mit einer Seite offen. Das kann ganz an das Elternbett gestellt werden.

 

„Da könnte man doch aber auch gleich ein normales Bett nehmen und sich das Sparen?“ erkundigt sich Henry.

„Sicher, das wäre möglich“, räumt die Verkäuferin mit einem professionellen Lächeln ein. „Jedoch ist diese Variante für die ersten Monate doch komfortabler.“

„Wissen Sie, wir wollen nicht so viele Dinge horten. Ein Baby braucht letztlich nicht viel“, versucht Henry der Dame zu erklären.

Ihr Lächeln wird etwas schmallippiger. Es scheint ihr langsam zu dämmern, dass Henry wohl nicht der typische Erstlingspapa ist, der bereitwillig alle Ratschläge annimmt. Ich weiß genau, wie sie sich grade fühlt, die Ärmste. Mir ist das Ganze auch peinlich, offen gestanden. Ich würde mir etwas mehr Euphorie von Henry wünschen.

Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, einigen wir uns auf ein Beistellbett und verschieben die Anschaffung des Babybetts dafür auf einen späteren Zeitpunkt. Ich bin bereits jetzt fix und alle. So habe ich mir das Babyshopping eigentlich nicht vorgestellt. Henry geht das ganze irgendwie zu technisch an. Zahlen- Daten-Fakten. Einkaufsliste abarbeiten.

Ich hätte mich gerne eher treiben lassen und Böhnchen entscheiden lassen was es braucht. Ja, da haben Sie richtig gelesen. Ich bin überzeugt, dass unser Böhnchen indirekt klar machen kann welches Bett, Kinderwagen, Kleidung es möchte.

Das zeigt sich einige Minuten später in der Kinderwagenabteilung.

Henry fragt nach einem Wagen, der zweifelsohne superpraktisch wäre. Große Reifen, Farbe: Schwarz („da sieht man den Dreck net so“), stabil.

Genau NICHT meine Traumvorstellung!!!!!!

Die Verkäuferin zeigt uns ein entsprechendes Modell.

„Das ist jetzt das Modell “Über Stock und Stein“. Große Bereifung mit Profil, schwarzer robuster Stoff, Federung für bequeme Waldspaziergänge auf unebenem Boden…“

Sie spricht noch eine Weile weiter und zeigt Henry diverse Funktionen. Ich habe leider schon abgeschalten, denn Böhnchen hat mir signalisiert, dass dieses Modell nicht das richtige für uns ist.

Uns zieht es zu einem wunderschönen Retro-Wagen in Mintgrün. Große Reifen mit nostalgischen Stahlfelgen, eine wunderschöne Form mit Stoffüberhang, gegen die Sonne. Lederner Griff. Ich sehe mich schon mit Böhnchen in diesem Modell über die Felder fahren.

„Schatz“, Henry kommt freudestrahlend auf mich zu. Er nimmt meine Hand und sagt „wir haben das perfekte Modell! Komm guck es dir mal an. Ich würde sagen den nehmen wir. Vernünftiger Preis und superpraktisch.“ Das ist das erste Mal heute, dass er so bei der Sache ist.

„Schau dir erst mal diesen hier an“, erwidere ich schnell und zeige ihm das Retro-Modell.

„Oh ein toller Wagen!“, bemüht sich die Verkäuferin direkt zu sagen. „Dieser Wagen nennt sich „i går“. Er wird in Schweden produziert in einer kleinen Manufaktur. Fast alles Handarbeit.“

Liebevoll streicht Sie über den Griff.

Ich will diesen Wagen!!!!Schweden, kleine Manufaktur und dieses Design! Böhnchen ist auch begeistert.

„Henry, lass uns dieses Modell nehmen. Es ist perfekt!“ Atemlos schau ich ihn an.

Er ist derweil näher an den Wagen getreten und hat das Preisschild im Visier. Oh, oh…Darauf hab ich ehrlich gesagt nicht geachtet.

Er schaut drauf, schluckt und meint dann „auf keinen Fall! Das ist ja Wucher! Der Wagen kostet schlappe 1800.- Euro. Dafür bekommen wir die komplette Ausstattung fürs Baby. Auf keinen Fall!“

„Aber Böhnchen will den Wagen auch unbedingt haben“, beharre ich trotzig. Ok, ich weiß wie blöd sich das anhören muss für Außenstehende. Aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich schon mit unserem Baby kommuniziere. Und es mir Signale aussendet. Und es möchte diesen Wagen.

Henry sieht mich nach diesem Erklärungsversuch an als sei ich nicht ganz richtig im Kopf.

„Böhnchen kommuniziert also mit dir, ja? Und sagt, dass wir den teureren Wagen brauchen, der dir besser gefällt, anstatt den superpraktischen viel günstigeren?“ Lauernd wartet er auf meine Antwort.

„Ja, so in etwa“, gebe ich zurück. Henrys Mundwinkel zucken spöttisch.

„Ach Schatz, sag doch einfach, dass du den Wagen willst. Diese Ausrede mit Böhnchen ist echt kindisch. Aber du weißt so gut wie ich, dass das einfach viel zu teuer ist, für etwas das man auch für viel weniger bekommen kann.“

Ich weiß, wann ich bei Henry nicht mehr weiterkomme, und so beschließen wir die Entscheidung zu verschieben.

Himmel, ich dachte nicht, dass Baby-Shopping so stressig ist. Vermutlich liegt das an Henrys Art alles zu hinterfragen damit wir nur nicht zu viel anhäufen.

Und weiter geht´s mit der netten Verkäuferin in Richtung Babybadewanne. Zu meiner Überraschung stimmt Henry recht schnell meinem Wunschmodell mit Gestell und Ablaufschlauch zu.

Bei den Tragetüchern zeigt mir die Trageberaterin (ja, sie haben hier extra eine spezielle Beratung für die Tragetücher, mega Service), ein klassisches Tragetuch. Eine Babypuppe ist mein Sparringspartner. Sie zeigt mir einmal an sich selbst wie das Tuch gewickelt werden muss. Als ich das gefühlt 8 Meter lange Ungetüm um mich und die Puppe wickle, stöhnend diesen Teil hierhin, einen anderen gekreuzt dorthin, läuft mir der Schweiß bereits am Rücken runter. Ich fühle mich wie eine Raupe im Kokon. Stelle ich mir jedenfalls so vor. Oder eine Mumie im Alten Ägypten. Es ist so viel Stoff um mich gewickelt. Ich fühle mich leider gar nicht wohl und „Eins mit dem Baby“, wie der Werbeslogan verspricht.

„Schnell, helft mir raus, mir wird ganz schwindelig“, bitte ich Henry und die Beraterin. Sie wickeln mich aus und ich falle mit hochrotem, erhitzen Kopf in einen Stillsessel. Oh, der ist mega bequem. Das habe ich auf meiner Liste glatt vergessen. Da muss ich mich bei Gelegenheit drum kümmern.

Ich erkundige mich bei der Trageberaterin ob es auch eine einfache Tragetuchvariante gibt ohne, dass man vorher ein Knoten-Seefahrerdiplom ablegen muss. Zu meiner Beruhigung bringt sie mir etwas, das quasi idiotensicher ist. Es kann nicht falsch angelegt werden.

Hurra, Böhnchen schickt mir auch ganz erfreute Signale. Dann nehmen wir diese Trage!

Nach dieser weitreichenden Entscheidung einigen Henry und ich uns das restliche Shopping zu vertagen. Wir sind beide fix und alle und sehnen uns nur noch nach einem Kaffee und einem leckeren Kuchen. Leider darf ich momentan die gute Schwarzwälder Torte nicht essen (Schnaps drin). Aber ich bin auch ein großer Fan von Apfelkuchen mit Streuseln. Den weltbesten gibt es in unserem Lieblingscafé „Kaffee und Kucha“.

„Das war so anstrengend, muss ich denn wirklich mit für die restlichen Besorgungen? Oder wollen wir einfach online bestellen?“

„Oh nee. Ich weiß ja bei vielem auch noch nicht was es genau gibt, da würde ich es schon gerne vor Ort sehen. Aber wenn du nicht magst, kann ich ja meine Mum oder Nic mitnehmen. Aber dann darfst du auch nicht meckern, wenn ich kaufe was ich für richtig halte, gell.“

Grinsend schaut mich Henry über seine Cappuccino-Tasse an und meint, wenn das der Preis sei, dass er nicht mehr mit muss, dann kann er gut damit leben.

Am nächsten Morgen bin ich furchtbar aufgeregt. Heute ist der große Tag gekommen! Wir verkünden Kollegen und den restlichen Freunden die frohe Botschaft „unserer“ Schwangerschaft.

Als ich meinem Ressortleiter Micha gegenübersitze, kann ich vor lauter Nervosität gar nicht mehr stillsitzen.

„Josi, worüber wolltest du denn mit mir reden?“, ermuntert mich Micha.

„Naja, es ist so, also, ähm, nun, ich bin schwanger!“

„Ja Menschenskind, Josi, super! Das freut mich echt für euch! Aber gell, glaub bloß net, dass du nach deiner Elternzeit verschwinden kannst. Wir wollen dich wieder zurück. Wir sind doch eine Familie.“ Strahlend kommt er um seinen Schreibtisch rum und nimmt mich in den Arm.

Ich bin echt erleichtert. Und freue mich, dass ich meine alte Stelle dann wiederhaben kann.

„Du, da hätte ich doch glatt eine Frage, das passt jetzt wie die berühmte Faust aufs Auge“, lacht Micha. „Ich habe letztens über eine Schwangerschafts-Yoga Gruppe gelesen. Das ist ganz neu hier bei uns im Umkreis. Nach der Geburt kann man dann dort auch Baby-Yoga machen. Da habe ich schon überlegt, wer den Artikel für unsere Lifestyle-Seite schreiben könnte. Sag bitte ja! Wir zahlen dir auch die Kursgebühr. Das geht glaube ich 5x je eine Stunde. Am Abend.“