Game - Stephanie und Chase

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Z serii: Gentry Boys #3
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Kapitel 5

Stephanie

Mist.

Ich konnte nicht aufhören, daran zu denken. Nachdem ich eine Stunde die Spielanalysen im Fernsehen angeschaut hatte, und daran dachte, wie ich Chase rausgeworfen hatte, bedauerte ich mein Verhalten. Damit hatte ich ihn total verstört und er sah mich an, als gehörte ich in einen Käfig in den Zoo. Vielleicht stimmte das auch.

Ich stöhnte und zog mir die Decke über den Kopf. Ich hatte mir wieder die Shorts übergezogen, spürte aber immer noch das verbliebene Gefühl von dem, was Chase mit mir gemacht hatte. Wenn ich daran dachte, wie intensiv er mich angesehen hatte, während er sich in mir bewegte, reagierte mein Körper sofort. Fast unbewusst glitt meine Hand zwischen meine Beine und drückte auf die erwachenden Muskeln, die nach mehr schrien. Vielleicht hätte ich mit ihm gehen sollen, auch wenn er mich wie eine Trophäe herumgetragen hätte, oder wie ein Hundebaby.

Ich seufzte angewidert und warf die Decke zurück.

Was zur Hölle hatte ich nur getan?

Ich hatte mich mit einem der schlimmsten und vulgärsten Kerle eingelassen, den ich kannte. Wahrscheinlich war die Anzahl der Frauen, mit denen Chase Gentry geschlafen hatte, größer als sämtliche einarmigen Banditen in Las Vegas. Und ich konnte nicht einmal ihm die Schuld in die Schuhe schieben. Sobald er mich berührt hatte, war ich ihm willig und ekelhaft begierig in die Arme gesunken. Er hatte dies seit Monaten vorgehabt und nun hatte er gewonnen. Er hat verdammt noch mal gewonnen!

Dennoch … ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Atmung beschleunigte, wenn ich mich daran erinnerte, wie es sich angefühlt hatte. Ich war einundzwanzig Jahre alt und hatte Sex erst mit zwei Männern. Sie hatten mir so wenig bedeutet wie ich ihnen, und der letzte war über ein Jahr her. Keinen von beiden hatte ich je vermisst. Und nie hatte ich auch nur annähernd die wilde Ekstase gefühlt, die Chase in mir ausgelöst hatte. Vielleicht hatte ich ihn deswegen so brutal rausgeworfen. Wenn ich es ihm erzählt hätte, hätte er über mich gelacht. Wahrscheinlich tat er das sowieso bereits.

Ich war nicht müde, musste jedoch früh fertig sein, um den Flug zu erwischen, also ging ich ins Bad, duschte und putzte mir die Zähne. Eigentlich hasste ich frühes Aufstehen, aber jetzt war ich froh, den Flug umgebucht zu haben. Die Vorstellung, im Flugzeug zu sitzen und zu hören, wie Chase ordinär lachte und erzählte, wie er die Eisprinzessin genagelt hatte, erweckte Mordgelüste in mir. Lieber wäre ich nach Phoenix gelaufen.

Ich wollte nicht mehr daran denken. Chase würde sich einfach der Nächsten zuwenden. Er würde mich vergessen. Vielleicht hatte er das schon.

Ich spuckte die Zahnpasta aus und erinnerte mich an seine scharfe Intelligenz in den Augen, als er auf dem Bett saß, zuhörte und seinen nächsten Schritt plante. Nein. Er würde mich nicht vergessen. Chase war kein Mann, der so schnell vergaß.

Ich spülte das Waschbecken sauber und schaltete dann das Licht im Bad aus. Bevor ich ins Bett zurückging, blieb ich an der Tür stehen. Wo wäre ich wohl jetzt, wenn ich Chases Angebot angenommen hätte, Vegas im Sturm zu erobern?

„Alles, was du willst, Baby.“

Da lag das Problem. Ich wollte gar keine wilde Zeit unter den grellen Lichtern der Stadt. Ich wollte mehr von dem, was wir zusammen getan hatten. Ich wollte es so oft, wie er es durchhalten könnte, und auf mehr Arten, die ich mir je vorgestellt hatte. Und wenn er mich hinterher in seinen starken Armen hätte halten wollen, hätte ich mich nicht geweigert. Kein bisschen.

Ich drehte die Klimaanlage noch etwas kälter, warf mich aufs Bett und deckte mich bis zum Kinn zu. Ich wollte nicht mehr über Chase nachdenken oder über Sex oder Orgasmen oder die Beherrschung zu verlieren. Um diese Gedanken zu verbannen, dachte ich an meinen ehemaligen Boss Xavier. An die Dinge, die er zu mir gesagt hatte, die Dinge, zu denen er mich gezwungen hatte, während die anderen Kerle im Raum schmutzige Sachen riefen. Xavier war grausam und gerissen. Er wusste, dass er keine Hand an mich legen musste, um mich total fertig zu machen.

Und es ist nicht vorbei. Keineswegs.

In den Tagen danach geriet ich total ins Trudeln. Noch nie war ich so durcheinander gewesen, nicht einmal in dem schrecklichen Jahr, als die schlimmste Kette der Ereignisse geschah, die man sich vorstellen konnte. Der Tod meiner Mutter, Robbies Mord, mein Vater im Gefängnis und Michaels Vernachlässigung.

Nach all dem hätte ich in der Lage sein sollen, das ganze abzuschütteln. Andere Frauen machten viel mehr durch und hielten den Kopf oben. Sie litten nicht unter paranoidem Terror, durch den sie kaum mehr funktionieren konnten. Wäre Truly nicht gewesen, hätte ich nicht gewusst, wie ich da wieder rauskommen sollte. Truly war eine Freundin in der Not, doch selbst sie kannte nicht die ganze Geschichte.

„Du wirst uns allen was zum Anschauen bieten, bis wir genug haben. Und tu ja so, als ob es dir Spaß macht, Mädchen.“

Halt. Stopp. Stopp!

All die wunderschönen Dinge, die ich bei Chase gefühlt hatte, waren verschwunden und durch schreckliche Panik ersetzt worden, als ich an die Sachen dachte, an die ich mich nicht erinnern wollte. Es war das eisigste Gefühl der Welt gewesen. Dort allein zu stehen, entblößt, gezwungen, eine Show abzuziehen für einen Raum voller Wichser, die sich an meiner Demütigung erfreuten.

Ich hielt mir die Ohren zu. Eine kindische Geste und völlig unnötig. Ich war allein. Ich war in Sicherheit. Niemand konnte mir etwas tun, wenn ich es nicht erlaubte. Und auch wenn irgendwo da draußen der Beweis war, wovor ich mich am meisten fürchtete, war es noch nicht wieder aufgetaucht. Manchmal gestattete ich mir die Hoffnung, dass es nie geschehen würde.

Ich drehte das Gesicht dem Kissen zu und spürte, wie mir eine Träne aus dem Augenwinkel lief. Ärgerlich wischte ich sie fort. Schluss damit. Was half es, in Selbstmitleid zu versinken? Was auch immer auf mich zukommen würde, musste einfach überstanden werden. Ich konnte es schaffen. Wenn es sein musste, konnte ich wie Stein sein. Oder sogar wie Stahl.

Doch ich konnte meine Gedanken nicht komplett unter Kontrolle halten. Kurz bevor ich in unglückliche Träume glitt, dachte ich an die kurzen Momente in Chases Armen. Auch wenn ich mir lieber Zähne ziehen würde, als es zuzugeben, hatte ich dort bleiben wollen. Doch sobald es vorbei war, erinnerte ich mich daran, wer Chase Gentry war. Chase wollte sich nur amüsieren und es war nicht mehr als ein Spiel für ihn.

Blödsinn, Steph. Du hast es genauso gewollt wie er.

Das stimmte. Ich hatte daran gedacht und auch wenn ich so tat, als sei es das Letzte, was ich wollte, hatte sich Chase nicht täuschen lassen.

Ich schlief unruhig und als ich erwachte, war ich noch schlechter gelaunt. Ich checkte das Handy und erwartete Nachrichten von Truly. Sicherlich hatte sie bereits erfahren, was gestern geschehen war. Chase war schließlich ein Angeber.

Ich hatte weniger als eine halbe Stunde übrig, um den Flug zu erwischen. Ich zog mich um und sammelte meine Sachen ein, versuchte, an nichts zu denken, was jedoch gründlich misslang.

Vielleicht hätte ich von vornherein ehrlich zu Chase sein sollen. Ich hatte ihn oft genug mit seinen Brüdern gesehen, um zu wissen, dass er nicht nur schlecht war. Die drei hatten eine liebevolle, echte und ehrliche Beziehung. Wenn ich ihn darum gebeten hätte, unsere Vegas-Sache für sich zu behalten, hätte er es vielleicht getan. Jetzt war es zu spät. Sicher hatte er es bereits jedem erzählt. Ich musste ertragen, ihn ständig auf dem Campus zu sehen, wissend grinsend und in seinem Triumph badend. Noch schlimmer war, ihm zusehen zu müssen, wie er die anderen Mädels anflirtete und sich die nächste Eroberung suchte. Ich war erstaunt und gleichzeitig schämte ich mich dafür, wie sehr dieser Gedanke schmerzte.

So früh war das Hotel relativ still. Während ich durch den langen Korridor ging, fragte ich mich, was wohl hinter all den verschlossenen Türen geschah. Irgendwo dahinter befand sich zumindest ein aufgeregtes, frisch verheiratetes Pärchen, eine Menge Liebende, und wahrscheinlich viele einsame Seelen, die hofften, der nächste Tag würde ein besserer werden.

Eilig checkte ich aus und stieg in den Shuttle-Bus zum Flughafen, in dem ein verschlafen wirkendes älteres Paar saß, das mir erzählte, dass sie auf dem Weg nach Fresno waren. Ich lächelte höflich, hatte jedoch nichts zu Fresno beizutragen. Schweigend sah ich aus dem Fenster, als der bunte Las Vegas Strip an mir vorbeizog. Eigentlich hätte ich es bereuen sollen, hergekommen zu sein, doch momentan fühlte ich nicht so. Die Zeit mit Chase war seit Langem eine, in der ich mich normal gefühlt hatte, als wäre ich ein Teil dieser Welt. Es war kein schlechtes Gefühl.

Glücklicherweise konnte ich im Flugzeug einen Fensterplatz ergattern. Der Flug war kurz und auch wenn meine Laune besser geworden war, hatte ich keine Lust auf Smalltalk, besonders nicht mit Fremden. Die Frau neben mir trug Kleider, die ihr vielleicht vor ein paar Jahrzehnten gestanden hatten. Ein paar Minuten versuchte sie, mich für ihre schlimme Scheidung zu interessieren, doch gab schnell auf und ließ mich in Ruhe. Ich konnte das einfach nicht und wollte kein Interesse vortäuschen, indem ich aufgesetzt lächelte. Nie würde ich diese Frau wiedererkennen und mich in einer Stunde nicht mehr an sie erinnern. Ich verstand nicht, was die Leute davon hatten, ihre Lebensgeschichte einfach so auf Fremde loszulassen. Da waren Dinge dabei, die ich niemals laut aussprechen würde.

Als das Flugzeug abhob, schloss ich die Augen und öffnete sie erst bei der Landung wieder. Die Gegend um Phoenix sah kaum anders aus als die um Las Vegas. Beide Städte waren aus der Wüste gewachsen, außer dass Phoenix ausgedehnter und beschaulicher war.

 

„Es war schön, mit Ihnen zu plaudern“, sagte sie Frau neben mir, als wir aus dem Flugzeug gestiegen waren.

Ich blinzelte und überlegte, ob das eine sarkastische Bemerkung war. Ihr nicht zu antworten war furchtbar unhöflich, doch ich war plötzlich todmüde. Mit ihren ordinären Strähnchen in den Haaren verschwand sie zwischen den Menschen im Flughafen und einen Moment später wurde ich selbst von der Menge verschluckt.

Vor dem Flughafengebäude wartete ich auf ein Taxi. Ein Typ in einem T-Shirt mit der Abkürzung der Arizona State University ASU fragte mich, ob ich mir mit ihm ein Taxi teilen würde. Ich schüttelte den Kopf und presste den Rucksack enger an mich. Er runzelte die Stirn und zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich wollte er nur Geld sparen und hatte nichts Böses im Sinn, doch ich wollte nichts mit Menschen zu tun haben. Ich benahm mich wie eine blöde Zicke, das war mir klar.

Zumindest der Taxifahrer fuhr mich gern an mein Ziel, ohne Monologe von mir zu erwarten. Ich lehnte mich auf dem Sitz zurück und betrachtete die braunen Bergspitzen im Papago Park, während wir uns der Uni näherten. Im Taxi roch es wie in einer Männerumkleidekabine.

Das Apartment, das ich mir mit Truly teilte, lag nur ein paar Blocks vom Campus entfernt. Die Arizona State University war eine der größten des Landes und von Apartmenthäusern umgeben. Dort zu leben war manchmal wie ein Paralleluniversum, in dem niemand älter wurde als fünfundzwanzig.

Seufzend öffnete ich die Haustür und stellte den Rucksack ab. Dolly, Trulys Katze, stand mitten im Wohnzimmer, bewegte den Schwanz hin und her und sah zu, wie ich mich auf die Couch fallen ließ.

„Sorry“, sagte ich zu ihr. „Die nächsten paar Stunden musst du dich mit mir zufriedengeben.“ Truly nahm einen Mittagsflug zusammen mit Chase und Creed. Nur die drei kamen zurück, denn das Hochzeitspaar wollte kurze Flitterwochen in Vegas verbringen.

Ich dachte an Saylor und Cord und fragte mich, wie es wohl war, sich einer anderen Person hinzugeben und ein Gelübde auszusprechen, das einen aneinander band. Ich war noch nie verliebt gewesen. Nicht einmal annähernd. Am nahesten war ich dran, als ich an der Highschool drei Monate mit dem angesagtesten Typen Derek Goldman zusammen war. Während dieser Schwärmerei verlor ich fast meine Jungfräulichkeit und auf jeden Fall meine vertrauensvolle Natur, als er mich für eine in den Wind schoss, die leichter zu haben war. Das war allerdings okay. Das Erlebnis machte mich stärker, was ich dringend brauchte, als ich später die Hölle durchmachen musste.

Die ersten siebzehn Jahre meines Lebens waren recht idyllisch. Ich war die einzige Tochter und wuchs in einer privilegierten Umgebung auf, in einer ruhigen, teuren Wohngegend, nur eine kurze Zugfahrt von Manhattan entfernt. Ich wusste, dass mein Vater nicht jeden Morgen mit Anzug und Krawatte in die Stadt fuhr, wie andere Männer, und dass ich nicht über das Wettbüro reden durfte, denn so war es einfach immer gewesen. Von meinen beiden Brüdern stand ich nur dem Ältesten nah. Robert. Michael war immer irgendwie ein düsteres Rätsel gewesen. Heute noch.

Doch dann wurde meine Mutter, eine rüstige, gesunde Frau im mittleren Alter, bettlägerig und starb sozusagen über Nacht. Es schien, dass der Nachmittag, an dem ich nach Hause kam und meine Eltern weinend auf der Couch sitzen sah, ein Vorbote von dem war, was danach kam. Es war der erste Dominostein, der umkippte, die erste fallende Karte, die das ganze Haus zum Einsturz brachte. Doch das war nicht wirklich so. Denn mein Vater wäre auf jeden Fall ins Gefängnis gekommen, und mein Bruder Robbie wäre auf jeden Fall vor einer Bar in Queens erschossen worden. Und ich wäre auf jeden Fall auf die andere Seite des Landes geflohen, um dem Skandal und den Erinnerungen zu entkommen. Die einzig wertvollen Dinge, die ich mitnehmen konnte, waren die goldene Halskette meiner Mutter mit dem Davidstern, ihr weinroter Buick, der immer noch nach Polsterspray roch, und ein hässlicher Couchtisch, der sich seit den Zwanzigerjahren in ihrem Familienbesitz befand.

Es schien ein bisschen ironisch, dass ich mich als erstes dem Geschäft zuwandte, das für meinen Vater und meinen Bruder so schlecht ausgegangen war. Doch als ich in Arizona ankam, gab es für mich kaum Alternativen, als das zu tun, wovon ich etwas verstand. Ich fing klein an und nutzte ein paar Familienkontakte. Alonzo, ein Freund von Robbie, stellte mir Xavier Monroe vor. Der Mord an Robbie hatte Alonzo so einen Schrecken eingejagt, dass er wohl dachte, Phoenix sei ein guter Ort, um anonym zu bleiben. Gern half er der Schwester seines toten Freundes, auch wenn er mich warnte, mich mit Xavier einzulassen.

„Du bist keine Collegestudentin mehr, der das Taschengeld ausgegangen ist, Steph. Ein falscher Schritt könnte böse ausgehen.“

Ich tat es trotzdem und achtete nicht auf die Konsequenzen. Das Mädchen, das ich einmal war, die ins Klassenkomitee gewählt worden war, hätte sich nicht wiedererkannt. Vorbei waren alle hohen Ansprüche und manchmal vermisste ich sie. Manchmal fehlte mir, über das passende Outfit nachzudenken und von den Möglichkeiten des Tages zu träumen. Das alles schien so lange her zu sein. Ich war zu hart im Nehmen geworden, um mich um solche Befindlichkeiten zu scheren. Nach all den schweren Jahren dachte ich, mir diesen Luxus wieder erlauben zu können. Ich versuchte einfach, allein zurechtzukommen. Und es funktionierte. Die Leute kannten mich und auch wenn sie mich nicht mochten, respektierten sie mich. Und während alle um mich herum unter der Last der Studiengebühren stöhnten, konnte ich locker jedes Semester einen Scheck ausstellen.

Das war noch ein Problem. Ich war ein bisschen durchgedreht nach Xaviers Strafe, und musste mich erst wieder sammeln. Bis zum Ende des Jahres würde mein Geld reichen, aber dann hatte ich noch drei Semester vor mir, bevor ich den Abschluss machen konnte. Ich hatte mich um einen Studentenkredit bemüht, jedoch noch keine Antwort erhalten. Und was die anderen Ausgaben anging, hatte ich auch wenn ich sparsam war und mir das Apartment mit jemandem teilte, noch Kosten für die Miete und mein Essen. Truly konnte mir auch nicht helfen mit ihrem mickrigen Kellnerinneneinkommen, außerdem würde ich sie nie darum bitten.

Irgendwie musste ich das auf die Reihe kriegen. Bisher hatte ich es allein weit gebracht und mich in einer Männerwelt behauptet. Ich musste mich aus dem Zustand herausholen, mitten am Tag schlecht gelaunt auf der Couch zu hocken und über die Vergangenheit nachzudenken.

„Scheiß drauf“, sagte ich laut, weil ich mich dann besser fühlte und ein bisschen stärker.

Dolly starrte mich aus ein paar Metern Entfernung an. Sie kam näher und stieß meine Hand an. Ich kraulte sie hinter den Ohren und nahm sie auf den Schoß. Normalerweise ließ sie sich nur von Truly hochnehmen, doch diese Katze schien eine besondere Wahrnehmung zu haben, denn immer, wenn ich mich schlecht fühlte, wurde sie zutraulich.

Ich konnte es schaffen. Ich konnte alles ausblenden und mich weigern, etwas zu fühlen. Die Tür zu allen Ablenkungen schließen.

Dennoch …

Immer wenn ich es versuchte, unterbrachen mich die Gedanken an Chase Gentry.

Kapitel 6

Chase

Wenn ein Süchtiger mit der Gewohnheit aufhört, ist es normal, davon zu träumen, dem Drang wieder zu erliegen, erneut in die Krallen der Dämonen zu geraten, von denen er sich so mühsam befreit hat. Daher wunderte es mich nie, wenn ich mit dem Glauben aufwachte, wieder am Anfang zu stehen. Wenn ich die Augen öffnete und den kalten Schweiß auf der Haut fühlte, dachte ich stets kurz, dass jeder schwer erkämpfte Tag des letzten Monats umsonst war.

Diesmal träumte ich von einem Geheimvorrat an Vicodin, den Cord übersehen hatte, als er letzten Monat mein Zimmer durchsuchte. Schnell hatte ich alle geschluckt und mir eingeredet, dass es nur wegen der Schmerzen war, die ich noch nach der Operation hatte. Sogar mein Unterbewusstsein sagte nicht die Wahrheit. Der einzige wahre Schmerz befand sich in meinem Kopf.

Nachdem mein Traum-Ich die Pillen geschluckt hatte, sah es sich nach etwas anderem um. Ich spürte das angenehme Gefühl der Betäubung und fühlte auch, wie die Belastung nachließ. Ich wollte mich einfach nur gut fühlen. Hektisch schaute ich unter der Matratze nach und durchwühlte die Schubladen der Kommode. Mein Herz raste und ich verzweifelte langsam. Ich musste aus dem Zimmer, aus dem Haus und aus dem Staat, ehe ich besinnungslos wurde. Das plötzliche Auftauchen eines schwer verkratzten Glastisches erstaunte mich nicht. Schließlich kannte ich ihn, hatte er doch in der Ecke des kleinen Wohnzimmers in meiner Kindheit gestanden. Ein Haufen bunter Pillen lag darauf. Ich hatte keine Ahnung, was es war, wusste nur, dass ich sie nehmen musste, um mich besser zu fühlen. Ich schnappte mir eine Handvoll und wollte sie schlucken und auf die Konsequenzen scheißen. Doch ich hatte zufällig einen Teil der Glasfläche freigeschoben und blickte durch die Scheibe. Etwas lag darunter.

Ich wollte nicht sehen, was es war, hatte aber keine Wahl. Plötzlich befand ich mich wieder in Emblem, von wo ich fort wollte, aber irgendwie nicht konnte. Sonnenlicht drang durch das schmutzige Fenster und machte sichtbar, was unter dem Tisch lag. Ein Körper. Ich sah in die toten offenen Augen meiner Mutter und alles wurde schwarz.

Als ich die Augen öffnete, wusste ich sofort, dass es nur ein Albtraum war. Ich war nicht in Emblem. Und auch nicht in dem Apartment, das ich mir mit meinen Brüdern und Saylor teilte. Ich war allein in einem Hotelzimmer in Las Vegas.

Die schweren Vorhänge waren noch geschlossen und obwohl es laut der Uhr auf dem Nachttisch bereits nach acht Uhr morgens war, war es stockdunkel im Zimmer. Ich lag nackt und verschwitzt auf den Laken, doch diesmal nicht aus einem angenehmen Grund. Ich rieb mir die Bilder des Traums aus den Augen, aber das bedrückende Gefühl war schwerer loszuwerden. Cord hatte seit der Kindheit unter schlimmen Albträumen gelitten. Erst seit er mit Saylor zusammen war, waren seine Schreie im Schlaf nicht mehr zu hören. Doch meine Albträume waren etwas Neues.

Nachdem die direkte Wirkung des Traums vergangen war, blieb das erdrückende Gefühl von Schuld. Doch es war nicht real. Es rührte von dem Bedauern, gefallen zu sein, zu den Pillen zurückgekehrt zu sein, obwohl das gar nicht wirklich passiert war. Die Erinnerung an meine tote Mutter ließ mich zusammenzucken und ich schloss erneut die Augen. Sie war gar nicht tot, zumindest noch nicht, obwohl sie nur noch ein animierter Zombie war, als ich sie das letzte Mal sah. Und ich hatte sie dort gelassen. Hatte sie bei ihm gelassen. Die Jungs versicherten mir immer, dass man nichts mehr für sie tun konnte. Da waren sie sich fast vollkommen sicher.

Ich atmete tief durch und lenkte meine Gedanken überall hin, nur nicht nach Emblem. Als Erstes fiel mir Stephanie ein und sofort hatte ich einen Ständer. Denn das war kein Traum gewesen, diese abgedrehte Vereinigung in ihrem Hotelzimmer. Steph war ganz anders, als ich gedacht hatte. Ich hatte sie für eine Wilde im Bett gehalten, die ihre ganze frustrierte Ruppigkeit in raue Leidenschaft umsetzte, und ich hatte es nicht erwarten können, sie mir zu unterwerfen. Doch dann stellte ich fest, dass sie viel zögerlicher war, viel weniger erfahren als ich gedacht hatte. Trotz ihrer rauen Schale war sie eigentlich ziemlich schüchtern. Seltsamerweise machte mich das noch mehr an und ich wollte sie mehr und mehr verderben. Stephanie war eine schöne Frau, die vermied, schön zu wirken. Ich fragte mich, ob ich es versaut hatte, indem ich sie so rücksichtslos genommen hatte. Ich wollte sie wiedersehen. Nicht nur, weil sie mich hart wie Stahl machte, sondern weil mir unser Abschied gestern nicht gefallen hatte.

Ich legte eine Hand um meinen Schwanz und rieb ihn schnell, während ich daran dachte, wie ich in sie eingedrungen war. Sie war so irreal. Wie eine unschuldige Verführerin direkt einem Gemälde aus dem Neunzehnten Jahrhundert entsprungen. Sie entsprach meinen Fantasien, was ich schon so lange suchte, seit ich wusste, was man mit einer Frau alles anstellen kann. Und fuck, sie war so nass und so bereit gewesen.

Ich kniete mich aufs Bett und pumpte schneller, dachte daran, wie Stephanie das eine Wort gestöhnt hatte, das ich hören wollte.

 

„Bitte.“

„Ja, genau so“, knurrte ich ins einsame Zimmer, und in Gedanken zog ich ihr das verdammte T-Shirt aus, stieß in sie und sie bettelte nach mehr. „Du wolltest es unbedingt, hast daran gedacht. Süße, du hast ja keine Ahnung, wie gut es mir gefallen hat, dich zum Kommen zu bringen.“ Ich rief ihren Namen, als ich heftig, schnell und nach Luft schnappend in meine Hand kam. Oh ja, ich musste sie noch einmal haben.

Mit meinem Samen überall auf mir ging ich unter die Dusche. Ich drehte das Wasser so heiß es ging und stand lange darunter. Als ich fertig war, beschloss ich, an ihre Tür zu klopfen. Vielleicht könnten wir gemeinsam frühstücken und zusammen im Flugzeug sitzen. Ich wollte ihr zeigen, dass ich sie nicht nur ficken wollte, auch wenn ich genau das auf dem Plan stehen hatte. Grinsend zog ich mich an.

Zwei Minuten später klopfte ich an ihre Tür. Ich blickte in den Türspion und suchte nach ihrem Schatten dahinter. Sollte sie mich wieder ignorieren, würde ich einfach durch die Tür mit ihr reden. So oder so, auf jeden Fall würde sie diesmal die verdammte Tür öffnen.

Ich klopfte erneut und wartete. Sie kam nicht an die Tür und es war kein Geräusch zu hören. Leider hatte ich ihre Handynummer nicht.

Nach ungefähr fünf Minuten kam ich mir wie ein Idiot vor, eine geschlossene Tür anzustarren. Mein Handy brummte in meiner Tasche. Ich verdrehte die Augen, als ich sah, dass es Creed war. Der Mann hielt nichts vom Textnachrichten schreiben.

„Was hab ich jetzt wieder verbrochen?“, fragte ich, dafür gewappnet, für irgendetwas angebrüllt zu werden.

„Truly hat gesagt, ich soll dich zum Frühstück einladen.“

„Das ist aber lieb von ihr.“

Mein Bruder schnaubte. „Ich hatte zwar schon fast dreiundzwanzig Jahre Frühstück mit dir, aber ich hab nichts dagegen, wenn du mitkommst. Wir sind schon unten am Buffet.“

„Deine Großzügigkeit erstaunt mich immer wieder.“

Creed war bereits von der Unterhaltung gelangweilt. „Kommst du jetzt oder nicht?“

„Klar.“ Ich sah mich um. „Weißt du, ob Truly Stephanie auch eingeladen hat?“

„Keine Ahnung.“

Manchmal hätte ich das Biest gern ein bisschen gewürgt. „Kannst du sie vielleicht kurz fragen, du Arsch?“

Er grunzte genervt, doch ich hörte, wie er Truly fragte. „Sie ist schon weg“, sagte er dann. „Hat einen früheren Flug genommen.“

Das überraschte mich. „Was? Warum denn?“

„Woher soll ich das wissen, Junior Vielleicht findet in Phoenix ein Wettbewerb für launische Weiber statt.“

„Oh.“ Ich war enttäuscht. Dann kam ich mir wie ein Idiot vor, weil ich enttäuscht war.

Creed seufzte. „Komm schon runter. Ich darf mich nicht hinsetzen, ehe du da bist, sagt Truly, und ich werde stinksauer, wenn es keine Würstchen mehr gibt, bis du deinen Hintern hergeschleift hast.“

Ich grinste. „Du stopfst dir Würstchen in die Fresse? Das klingt irgendwie phallisch.“

„Was redest du da für einen Scheiß?“

„Ach, nichts. Ich bin in neunzig Sekunden da. Stopp die Zeit.“

Truly Lee sah wie immer erfrischt und schön aus, stand neben meinem Bruder und wartete auf mich. Mir entging nicht, wie sie ihn bewundernd ansah, und auch nicht, wie er ihren Blick erwiderte.

„Du hast auf jeden Fall den Jackpot gewonnen, Bro“, sagte ich und legte einen Arm um seine Freundin.

„Ich weiß.“ Er runzelte die Stirn und zog sie fest an seine Seite zurück.

Das Frühstück verlief recht schön. Peinlich achtete ich darauf, Stephanie nicht zu erwähnen, denn Creedence würde nur meckern. Oder was noch schlimmer wäre, dass er mich durchschauen würde und sich zusammenreimen, was ich getan hatte, als ich von der Hochzeit verschwunden war.

Nach dem Frühstück gab es nichts weiter zu tun, als auszuchecken und zum Flughafen zu fahren. Ich wünschte, ich wäre selbst hergefahren, wie eigentlich geplant, denn ich hasste es, in einer Blechröhre gefangen durch den Himmel zu jagen. Außerdem fühlte ich mich neben Truly und Creed wie ein einsames Anhängsel. Ich war nicht begeistert, im Flugzeug neben ihnen zu sitzen und miterleben zu müssen, wie Creed versuchte, sich einen Handjob zu ergattern. Manchmal war er schlimmer als ich, aber Truly hatte sich noch nie beschwert.

Sogar am Flughafen hatten einarmige Banditen gestanden. Ich hatte die Kasinos gemieden, auch weil ich meine Ruhelosigkeit kannte. Ruckzuck hätte ich das bisschen Geld, das ich besaß, verpulvert. Doch jetzt, wo wir gleich abreisten, dachte ich mir, es könnte nicht schaden, ein paar Münzen einzuwerfen. Ich erschrak fast zu Tode, als plötzlich sämtliche Lichter blinkten und Münzen aus der Maschine ratterten. Die Leute starrten mich an, während ich anfing, den Berg an Münzen in Plastikbecher zu füllen. Ich ging zum Schalter damit und tauschte sie in 486 Dollar in Scheinen um. Bevor ich zum Gate ging, wo sich Creed und Truly eifrig abknutschten, ging ich in den Geschenkeladen und kaufte mir ein Buch, das mir ins Auge gefallen war.

Ich traf Truly und Cord dann in der Warteschlange beim Boarding. Ich schob das Taschenbuch, das von der Kunst des Sportwettens handelte, in meine hintere Hosentasche, und zeigte meinem Bruder das gewonnene Geld.

„Abendessen geht heute auf mich.“

Er starrte mich an. „Woher hast du das?“

„Aus einer Slotmaschine. Wollt ihr Pizza?“

Creed verdrehte die Augen. „Wieso gehst du nicht zur Abwechslung mal einkaufen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Sollte ich wohl besser. Wir haben keine Marshmallow-Cerealien mehr. Trotzdem gibt’s heute Pizza.“

„Okay. Dann eben Pizza.“ Creed hatte nach vorn gesehen und drehte sich plötzlich wieder zu mir um. Er legte seine riesige Hand auf meine Schulter. „Alles okay mit dir, Chasyn?“

Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Alles gut, Bro.“ Zwar war ich ein bisschen niedergeschlagen, dass ich die Sache mit Stephanie nicht bereinigen konnte ehe wir abreisten, aber dafür würde es andere Gelegenheiten geben. Wir waren immer noch in denselben Psychologievorlesungen zweimal die Woche, und sie wohnte mit Truly zusammen. Sie konnte mir gar nicht aus dem Weg gehen, selbst wenn sie es versuchen würde.

Creed schien mit meiner Antwort nicht zufrieden zu sein, doch er ließ das Thema für den Moment fallen.

Fünf Minuten nach dem Start schlief Creed ein und Truly lehnte sich an seine Schulter. Ich nahm das Taschenbuch zur Hand und las interessiert über die fünfundvierzig Minuten, die das Flugzeug von Vegas nach Phoenix brauchte. Es führte meine Gedanken in Richtungen, an die ich noch nie gedacht hatte.

Als ich zur Haustür reinkam, war ich im ersten Moment erstaunt, wie anders es hier aussah. Zwar bestand das Apartment noch aus denselben nicht zusammenpassenden Sperrmüll-Möbeln, aber Saylor hatte versucht, hier und da etwas aufzuhübschen. Doch es betraf mehr das nicht materielle Empfinden. Wir drei waren vor anderthalb Jahren eingezogen, stolz wie Könige. Es war die schönste Wohnung, die wir je hatten. Und in drei Tagen würden Saylor und Cordero als verheiratetes Paar zurückkehren und auf die Geburt ihrer Zwillinge hinfiebern.

„Hat Cord mit dir über seine Pläne gesprochen, ein Haus zu mieten?“, fragte ich Creed, als er seine Tasche in sein Schlafzimmer brachte. Er humpelte immer noch leicht wegen der Knieverletzung vom letzten Kampf. Truly war direkt in die Küche gegangen, um uns ein paar Käsetoasts zu machen.

„Nur kurz.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das ist verständlich, da seine Frau bald einen Wurf Babys haben wird.“

Ich freute mich total für Cordero. Wirklich. Ich hatte ihm gesagt, dass er nichts Besseres hätte tun können, als Saylor zu heiraten. Dennoch war ich auch ein bisschen melancholisch. Es war das Ende einer Ära. Wir drei hatten so lange als eine Einheit gelebt. Ich konnte mir nicht vorstellen, meine Brüder nicht täglich zu sehen.

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