Drehschluss

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»Es freut mich, dass dir das Carpaccio vom Wagyu-Rind gemundet hat«, fügte er hinzu.

»Das sieht ja auch alles wieder sehr lecker aus«, lobte Jackie die kleinen, duftenden Portionen, die darauf warteten, ihre verwöhnten Gaumen zu erfreuen und die hungrigen Mägen zu füllen. »Ich danke dir vielmals, mein Lieber.« Mit einem »Gracias y adios« entließ sie die Männer aus ihrer Pflicht.

»Schräger Vogel«, murmelte Clara.

»Darius?« Jackie pflückte mit ihrer Gabel eine Scheibe Serranoschinken vom Teller.

Clara nickte. »Findest du nicht?«

»Er ist außergewöhnlich, ja. Mit durchschnittlich kommst du heutzutage auch nicht sehr weit«, meinte Jackie.

Damit hatte sie nicht unrecht, überlegte Clara und lud sich frittierte Sardinen auf ihren Teller.

»Du weißt doch, dass alle erfolgreichen Menschen mehr oder weniger durchgeknallt sind. Du kennst sie doch am besten, die ganze prominente Mischpoche.«

Und das aus dem Mund der erfolgsverwöhnten Diva. Clara hielt Jackies prüfendem Blick stand. Ihre blauen Augen erinnerten sie nicht nur auf der Leinwand und auf dem Fernsehschirm an Veilchen. Ob sie farbige Linsen trug? »Nun ja, ich kenne die Masken, die ihr so in der Öffentlichkeit aufsetzt, die Rollen, die ihr spielt.« Clara schob sich eine Sardine in den Mund.

Jackie nickte. »Du kennst die, die wir vorgeben zu sein.«

»Oder die, die ihr gerne wärt.« Clara war nun doch ein wenig überrascht über dieses Gespräch. Jackie gab sich kein bisschen abgehoben.

»Und dir macht es Spaß, uns zu entlarven, nicht wahr?«

»Das gehört zu meinem Job«, meinte Clara.

»Ach, komm schon, Clara! Es ist doch mehr als das. Sonst wärst du nicht so gut, in dem, was du tust«, unterstellte ihr Jackie grinsend.

Wer führte dieses Interview eigentlich? Irritiert griff Clara zur Wasserkaraffe. Warum sollte sie nicht zugeben, dass sie diesen Moment am meisten liebte? Diesen Moment, in dem die prominente Maske fiel. Wenn sie sich Jackie jetzt offenbarte, würde sie vielleicht rascher Vertrauen zu ihr fassen. Für ihr gemeinsames Projekt konnte das nur von Vorteil sein. »Du hast recht, Jackie«, sagte sie. »Es ist ein geiles Gefühl, wenn so ein Star aus seiner einstudierten Rolle fällt. Wenn plötzlich das wahre Gesicht hervorblitzt. Das hinter der perfekt geschminkten Maske. Und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Das hat was. Ja, das hat fast etwas Heiliges.«

»Wunderbar, meine Liebe! Dann wirst du dich in den nächsten Wochen wie im Himmel bei mir fühlen«, versprach Jackie und schenkte Clara ihr berühmtes kehliges Lachen.

***

Deine Augen, sie funkeln wie Sterne.

Zwei strahlende Sterne in finsterer Nacht,

die mir leuchten den Weg.

Den Weg zu dir, den ich gehen muss.

Deine Musik begleitet mich,

dein Lachen, die zauberhafteste Melodie.

***

6

»Dieses Drecksbuch bringt mich in Teufels Küche!«, fluchte das männliche Ex-Model, das mittlerweile als Hauptdarsteller in einer der quotenstärksten Daily Soaps im Fernsehen glänzte. Zur großen Freude seiner weiblichen Fans. Es gab kaum eine Frau in Deutschland, die Steffen Wolke nicht toll fand. Entweder war er ihr Traummann oder aber der perfekte Schwiegersohn. Doch jetzt stand dem Sunnyboy der Nation der Angstschweiß auf der faltenfreien Stirn.

»Du bist beileibe nicht der Einzige, dem Jackies Biografie einen erheblichen Imageschaden bescheren dürfte. Du befindest dich in prominenter Gesellschaft.« Mark Konrad saß Steffen gegenüber an einem der hinteren Tische im Darius.

»Aber mich machen sie alle. Wenn die rausbekommen, dass ich sie damals verpfiffen hab, bin ich dran. Die finden mich, ganz egal, wo ich mich verstecke. Du musst dieses Buch unbedingt verhindern, Mark«, flehte Steffen seinen Agenten an.

»Entschuldigung, kann ich ein Autogramm haben?«, fragte die Blondine am Nebentisch und reichte einen Zettel herüber. Steffen hätte die grell geschminkte, mittelalterliche Frau am liebsten sonst wohin gejagt, doch das hätte so gar nicht zu seinem Image gepasst. Stattdessen rang er sich ein professionelles Lächeln ab, zeigte seine perfekt aneinander gereihten, frisch gebleichten Zähne und unterschrieb das Papier.

»Vielen Dank, Steffen. Ich bin Ihr größter Fan, müssen Sie wissen«, gurrte die Alte, nahm das Autogramm und steckte ihm gleichzeitig mit der anderen Hand ihre Visitenkarte zu. »Falls Sie mal Lust haben«, fuhr sie fort und unterstrich ihr eindeutig zweideutiges Angebot mit einem Augenzwinkern. Als hätte das Objekt ihrer Begierde sie nicht auch so schon verstanden.

Steffen wandte sich voller Unbehagen ab, sah Hilfe suchend zu Mark.

»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen. Aber wir haben eine geschäftliche Besprechung«, ging Mark dazwischen. Es war einfach unmöglich, sich mit Steffen in der Öffentlichkeit zu treffen, ohne dass eine dieser notgeilen Tussen oder eine Horde kreischender Teenies hinter dem Jungen her waren. Nicht einmal im letzten Winkel eines überteuerten Promilokals war man vor Steffens Fans sicher. Das nächste Mal würden sie sich wieder in der Agentur treffen, beschloss Mark, der für sein Einschreiten einen giftigen Blick vom Nebentisch kassierte.

»Ich kann es mir nicht leisten, dass Jackie auspackt«, fuhr Steffen leiser fort. »Verdammt, Mark. Wir reden hier von der Mafia. Die Typen sind richtig gefährlich. Enzo hetzt mir seine Killer an den Hals«, flüsterte er in Panik und zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an.

Mark fragte sich einmal mehr, wann Verstöße gegen das Rauchverbot in Berliner Lokalen endlich geahndet werden würden. Da waren die Italiener doch um einiges voraus. Mafia hin oder her. »Enzo? Ist das der Dealer, der dich in Mailand mit Koks versorgt hat?«, fragte er.

Steffen nickte und blies den Rauch aus seinen Lungen. »Wenn Jackie in ihrem Buch erwähnt, dass ich ein Junkie war, der selber mit dem Zeug gedealt hat, wäre das schon schlimm. Aber wenn sie schreibt, dass ich nur davongekommen bin, weil ich meine Hintermänner verraten habe, bin ich geliefert. Enzo hat mir damals geschworen, dass er meine hübsche Visage aufschlitzen lässt, sollte er jemals herausfinden, dass ich es war, der gesungen hat.«

»Jetzt beruhige dich.«

»Beruhigen? Ich werde nie wieder vor einer Kamera stehen können. Und das ist noch das Mindeste, was mir blüht«, meinte Steffen verzweifelt.

»Nicht so laut«, warnte Mark, sich umblickend. »Ich fürchte, ich kann das Buch nicht verhindern. Ich habe schon alles versucht, was in meiner Macht steht. Du kennst doch Jackie. Sie hat sich diese Biografie nun mal in ihren sturen Kopf gesetzt.«

»Tja. Das war’s dann wohl mit dem erotischsten Mann des Jahres«, spielte er auf das letzte Wahlergebnis der UP-Leserinnen an. »Die Weiber werden sich nach ’nem neuen Lustobjekt umschauen müssen. Und du dich nach ’nem neuen Klienten. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Mark.« Mit bitterer Miene hob Steffen sein Bierglas.

»Moment mal, Steffen. Warum glaubst du eigentlich, dass Jackie ausgerechnet dich fertigmachen will? Immerhin hat sie dich doch mal abgöttisch geliebt. Das hat sie zumindest behauptet.«

Steffen lachte gekünstelt auf. »Jackie liebt doch niemanden außer sich selbst.«

»Auch wieder wahr.«

»Ich war bloß ihr junger Lover, der es ihr anständig besorgt hat. Dafür hat sie mir ein paar Türen geöffnet. Mehr war’s doch nicht«, meinte Steffen weinerlich und nahm erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarette.

Mark sah schweigend in die blauen Augen seines verzweifelten Gegenübers. In diesem Gemütszustand strahlten sie noch heller als sonst, fiel ihm auf.

»Bitte, Mark. Du musst Jackie verbieten, diese alte Geschichte aufzuwärmen. Du bist doch ihr Agent. Auf dich hört sie doch«, nahm Steffen einen letzten Anlauf.

Alberner Junge! Als ob sich Jackie von irgendjemandem etwas verbieten lassen würde. »In diesem Fall hört sie eben nicht auf mich. Rede doch selbst mal mit ihr. Setz deinen unwiderstehlichen Charme ein. Der zieht doch bei den Frauen, vielleicht auch bei Jackie«, schlug Mark vor.

»Früher mal, ja. Jetzt spricht sie kein Wort mehr mit mir«, gestand Steffen kleinlaut.

»Hat das einen Grund?«

Steffen nickte schuldbewusst, starrte in sein Bierglas. »Sie hat mich mit Eve beim Vögeln erwischt.«

Mark schluckte und sah Steffen mit ernster Miene an. »Mit Eve de Angeli?«, hakte er nach. »Du hast Jackie ausgerechnet mit Eve betrogen? Du Vollidiot! Das verzeiht sie dir nie und nimmer.« Mark nahm einen Schluck von seinem Bier.

»Deshalb musst du ja mit ihr reden. Ich flehe dich an.«

»Na schön«, seufzte Mark. »Ich rede mit ihr. Aber erwarte dir nicht allzu viel davon. Immerhin stecken sie und Clara Bodenstein bereits mittendrin in der Arbeit.«

»Sie werden mich fertigmachen.«

Mark zuckte mit den Achseln. »Nicht, wenn ich es verhindern kann.« Er würde es nicht zulassen, dass dieses selbstgefällige Miststück seine Klienten skrupellos zu Fall brachte. Es ging ja nicht nur um Steffen Wolke. Mark war sich sicher, dass Jackie auch Ben Schlesinger nicht verschonen würde. Sie hatte schon anklingen lassen, dass sie Bens homophobe Neigung thematisieren würde. Und wer wusste schon, wen sie sonst noch alles der Öffentlichkeit zum Fraß vorwerfen wollte? Womöglich würde Mark ebenfalls sein Fett abbekommen. Eine Leiche hatte er schließlich auch im Keller, von der Jackie wusste. Das Finanzamt würde seine helle Freude an ihrer Aussage haben. Nein, dieses unselige Werk durfte niemals erscheinen. Warum hatte er es Jackie bloß nicht ausgeredet, sondern auch noch seine Kontakte für sie spielen lassen, ärgerte er sich über die eigene Schwäche. Ja, er hatte der Benz seinen Durchbruch als Staragent zu verdanken. Aber schließlich auch teuer dafür bezahlt, damit ihr Glanz weitere Stars anlockte. Mark musste sich mit fünf Prozent von Jackies Gagen begnügen, anstatt mit den üblichen zehn Prozent, was einen stattlichen Verdienstentgang für ihn bedeutete. Aber jetzt reichte es ihm. Er hatte endgültig die Schnauze voll von ihr.

 

»Trinkst du auch noch ein Bier?« Steffen drückte seine Kippe aus, um gleich nach der nächsten zu greifen. Mark warf ihm einen weiteren besorgten Blick zu.

»Du möchtest wohl unbedingt in der Klatschpresse lesen, dass du nicht nur ein Nikotin-, sondern auch ein Alkoholproblem hast.«

»Ist doch völlig schnurz, ob sie mich morgen oder erst in einigen Monaten fertigmachen.« Steffen winkte den Kellner herbei.

»Okay. Eines trinken wir noch. Aber dann lass uns von hier verschwinden. Ich kann diesen Promischuppen nicht leiden.«

»Mich werden sie hier künftig eh nicht mehr reinlassen. Mit einer Fresse, die von der Mafia poliert wurde«, meinte Steffen mit säuerlichem Grinsen.

»Dir passiert schon nichts.« Mark lächelte zuversichtlich. Wäre doch zu schade um den talentierten Jungen gewesen.

7

Donnerstag, 28. Juni 2007

Clara nippte an dem ausgezeichneten Rioja, den sie zum abendlichen Interview tranken. Im Laufe der letzten Wochen hatten die Gespräche mit Jackie beinahe freundschaftlichen Charakter angenommen. Clara hatte eine humorvolle, sensible und verletzliche Frau hinter der glamourösen, oftmals kapriziösen Fassade kennengelernt. Die Rolle der zickigen Primadonna mimte die begnadete Schauspielerin nur dann, wenn sie sich Aufmerksamkeit und Respekt verschaffen wollte. Clara glaubte verstanden zu haben, wie Jackie tickte. Sie hatte ihre Ausdrucksweise drauf und dazu reichlich Stoff für einen Beststeller, der gehörig Staub aufwirbeln würde. Manche von Jackies Erinnerungen waren sehr intim.

So hatte sie ihr etwa gestanden, als Schauspielschülerin von ihrem damaligen Freund geschwängert worden zu sein. Kaum hatte der Jungschauspieler vom unerwünschten Nachwuchs erfahren, hatte er das Weite gesucht. Vor Arschlöchern war auch ein Superstar nicht gefeit, wenngleich Jackie damals noch völlig unbekannt gewesen war. Aus Angst, ihre Tochter nicht ernähren zu können, hatte sie diese schweren Herzens nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Eine Entscheidung, die täglich von vielen verzweifelten Frauen getroffen wurde. Die Tatsache, dass sich auch eine Jackie Benz einmal in einer solchen Lage befunden hatte, würde anderen vielleicht Mut machen, glaubte sie. Wie es aussah, würde ihre Geschichte sogar ein glückliches Ende nehmen. Unmittelbar vor Jackies Abreise nach Mallorca war ihre nunmehr erwachsene Tochter überraschend bei ihr aufgetaucht, um sie kennenzulernen. Jenny hatte nicht nur das gute Aussehen ihrer Mutter geerbt, sondern anscheinend auch ihr Talent. Erst kürzlich hatte sie ihre Schauspielausbildung abgeschlossen. Dabei hatte sie all die Jahre nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass sie die Tochter der berühmten Benz war.

Jackie war überglücklich, ihre hübsche, talentierte Tochter wiedergefunden zu haben, und versprach ihr, sie künftig bei ihrer Schauspielkarriere tatkräftig zu unterstützen. In ihrer Biografie wollte sie Jenny der Welt präsentieren. Aus der ambitionierten, aber unbekannten Nachwuchsschauspielerin Jenny Luftig würde Jenny Benz werden, die fortan an der Seite ihrer bekannten Mutter Filme drehte. So weit der Plan.

Doch nicht alle dunklen Geheimnisse versprachen den Beteiligten ein Happy End. Einige Prominente würden der Biografie wohl zum Opfer fallen. Wie Jackie es versprochen und Clara es sich erhofft hatte. Steffen Wolkes Kokainsucht war allerdings ein alter Hut, dachte sie, als sie Jackies Erzählungen lauschte. »Das ist doch Schnee von gestern. Im wahrsten Sinn des Wortes«, wandte Clara ein.

»Schnee von gestern gefällt mir.« Jackie lachte.

»Es ist nun wirklich nicht neu, dass Steffen Wolke während seiner Modelzeit gekokst hat. Na und? Es gibt viele, die das tun. Models, Schauspieler, Manager … Das lockt doch niemanden hinterm Ofen hervor.« Clara warf einen prüfenden Blick auf ihr Diktiergerät, das schon etliche brisante Interviews aufgezeichnet hatte. Alles okay, das rote Lämpchen leuchtete.

»Und wie war das mit Kate Moss? Die hätten die Medien doch um ein Haar fertiggemacht wegen ihrer Kokserei.« Jackie zündete sich genüsslich die vierte ihrer täglich fünf Zigaretten an.

Clara wusste längst, dass sich die Schauspielerin diese Beschränkung aus Eitelkeit auferlegt hatte. Einerseits alterte die Haut schneller, wenn man zu viel qualmte. Andererseits beschleunigten ein paar Zigaretten den Stoffwechsel, war Jackie überzeugt, wodurch sie ihr Gewicht leichter halten konnte. »Das ist doch ewig her«, erwiderte sie. »Und Kate Moss wurde damals beim Koksen fotografiert. Ohne diese Fotos wäre die Story niemals erschienen, wage ich zu behaupten. Außerdem sind wir nicht in England, Jackie. Die Yellow Press ist um einiges skrupelloser als der Boulevard hierzulande. Sei froh, dass du in Deutschland ein Star bist und nicht auf der Insel.«

»Oh, ja. Die deutsche Journaille ist ja so was von rücksichtsvoll und ehrenhaft«, ätzte Jackie. »Hand aufs Herz, Clara. Wenn ich dir ein Foto gäbe, auf dem sich Steffen Wolke eine Straße reinzieht, würdest du es nicht auch abdrucken?« Jackie blies den Zigarettenrauch stoßweise aus ihrer Lunge und sah den hellblauen Kringeln über ihren Köpfen nach.

»Das kommt darauf an.« Auch Claras Blick folgte den kleinen Rauchgebilden. »Besitzt du denn ein solches Foto?«

Jackie lachte auf. »Nein, leider nicht. Ich muss dich enttäuschen. Aber ich weiß, dass er das Zeug nicht nur selbst konsumiert hat. Damals in Mailand hat er den Stoff auch verkauft. Das meiste an andere blutjunge Models.«

»Im Ernst?«

»Ja. Aber das interessiert doch niemanden, hast du gesagt.«

»Wenn Steffen Wolke tatsächlich gedealt hat, dann ist das etwas anderes«, sagte Clara.

»Ach ja?«

»Schon gut, Jackie. Jetzt erzähl schon. Steffen Wolke war ein Koks-Dealer?«

»Nicht nur das. Er hatte auch Ecstasy und alle möglichen Aufputschpillen im Angebot.«

»Und woher weißt du das so genau?«

»Von Steffen selbst, meine Liebe. Was dachtest du denn? Ich hab ihn doch direkt nach seiner Drogentherapie kennengelernt. Sexy Junge. Sehr talentiert. Auch als Schauspieler.« Jackie grinste. »Mark hat ihn auf meinen ausdrücklichen Wunsch unter seine Fittiche genommen und siehe da: Steffen hat auf Anhieb die Soap-Rolle bekommen. Nicht gerade höchstes schauspielerisches Niveau, aber für einen blutigen Anfänger ein ganz guter Einstieg.«

»Ihr beide wart ein Paar?«

»Ja. Allerdings nicht sehr lange«, gestand Jackie. »Der undankbare Junkie hat mich beschissen. Wer zuletzt lacht …« Jackie drückte ihre Zigarette aus.

»Erzähl mir mehr von Mailand.«

»Seine Dealerei flog irgendwann auf. Steffen musste singen, um seinen Knackarsch vor dem Knast zu retten. Dabei hatte er riesiges Glück, dass die Mafia nicht dahinterkam, dass er derjenige war, der geplaudert hat.«

»Sagtest du Mafia?«

»So läuft das nun mal in Bella Italia. Was dachtest du denn, wer dort unten über die Drogengeschäfte wacht? Wäre Steffen aufgeflogen, hätte er die Geschichte wohl nicht unbeschadet überlebt. Wenn überhaupt.«

Clara war zwar nicht zimperlich, aber sie hatte nicht vorgehabt, mit Jackies Biografie die Mafia auf den Plan zu rufen. »Dir ist aber schon klar, dass diese Story nicht nur heiß, sondern brandgefährlich ist?«, warf sie besorgt ein.

»Nicht für uns.«

»Aber für Steffen Wolke. Wenn wir das bringen, riskieren wir sein Leben.«

Jackie zuckte mit den Schultern, während sie das Rotweinglas langsam zwischen ihren Fingern drehte. »Rache ist Blutwurst.«

Mit so viel Kaltschnäuzigkeit hatte Clara nicht gerechnet. Das ging selbst der abgebrühten Journalistin zu weit. »Du würdest dem Jungen die Mafia an den Hals hetzen? Nein, Jackie, ohne mich.«

»Tut er dir etwa leid, der Kleine? Nur weil er eine süße Fresse und einen geilen Body hat? Glaube mir, er ist wie alle Männer. Und er hat sich das alles selbst eingebrockt«, sagte Jackie knochentrocken.

Es war offensichtlich, dass Steffen Wolke sie zutiefst verletzt hatte. Nur weil er sie betrogen hatte? Das kam doch in den besten Familien vor. Musste sie ihn deshalb gleich eiskalt ans Messer liefern? Clara hatte für diesen Abend genug gehört. »Lass uns morgen weitermachen, Jackie. Ich …«

Die SMS-Töne aus Jackies Handy schnitten ihr das Wort ab.

»… bin todmüde«, vollendete sie den Satz und streckte ihren Rücken durch, um die verspannte Muskulatur zu lockern.

»Moment noch!« Jackie hielt ihr das Mobiltelefon unter die Nase. »Sieh dir das mal an.«

»Wer nicht schweigen kann, muss sterben.

Deine Frist läuft.«

»Was soll das heißen? Welche Frist? Wer schreibt dir so was?«, fragte Clara.

»Diese Drohungen kommen von einem Wertkartenhandy. Deutsche Nummer. Wer dahintersteckt, wissen wir nicht. Mark hat schon versucht, den Besitzer ausfindig zu machen. Bislang vergeblich.«

»Du bekommst schon länger solche Drohungen?«

»Seitdem bekannt ist, dass ich meine Biografie schreibe.«

»Wir schreiben deine Biografie«, korrigierte Clara sie.

»Schon gut. Wir schreiben sie. Aber ich bin diejenige, die bedroht wird.«

»Vielleicht komm ich ja auch noch zum Handkuss. Immerhin weiß ich inzwischen genug, um einige Leben ruinieren zu können.« Clara spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. »Wieso hast du mir bis jetzt nichts von diesen Drohungen erzählt?«

»Warum sollte ich dich unnötig nervös machen?«

»Unnötig? Ich halte es für angebracht, die Polizei einzuschalten.«

»Quatsch. Das ist doch nur ein Spinner. Der tut mir schon nichts.«

»Weshalb bist du dir da so sicher?«

»Du siehst doch, dass ich noch immer wohlauf bin.«

»Und wie lange noch? Deine Nerven möchte ich haben.«

»Hast du aber leider nicht. Ich hätte dir die Nachricht gar nicht zeigen sollen.«

»Aber Jackie«, protestierte Clara. »Was ist, wenn er das ernst meint? Da stand doch was von einer Frist? Welche Frist?«

»Sie läuft bis zum Drehschluss. Bis dahin erwartet er eine SMS von mir, die ihm bestätigt, dass die Biografie nicht erscheinen wird.«

Clara sah Jackie besorgt an. »Woher weiß der denn, wann Drehschluss ist? Das kann doch nur ein Insider wissen.«

»Vielleicht ist er hier und beobachtet uns.«

»Wie beruhigend … Sag mal, hast du keine Angst?«

»Soll ich mich etwa von ein paar idiotischen SMS einschüchtern lassen?«

»Das heißt, du ignorierst diese Drohungen und machst einfach weiter, als wäre nichts geschehen?«

»Wir machen weiter, Clara, als wäre nichts geschehen«, wiederholte Jackie mit süffisantem Grinsen. »Vergiss nicht, dass wir einen Vertrag haben.«

»Der mir aber nicht verbietet, jetzt ins Bett zu gehen.« Clara schaltete ihr Diktiergerät ab.

»Geh ruhig. Aber die SMS-Geschichte bleibt unter uns, hörst du?«

»Wenn du darauf bestehst.«

»Ja, darauf bestehe ich.«

»In Ordnung.« Clara gähnte.

»Schlaf gut.«

Als ob jetzt noch an Schlafen zu denken wäre, dachte Clara und verschwand in ihr Zimmer, das direkt neben Jackies lag.

Von der schwarz gekleideten Gestalt, die wenige Minuten später auf Jackies Terrasse auftauchte und sich an ihrer gekippten Glastür zu schaffen machte, bekam Clara nichts mit. Wenngleich sie sich noch immer schlaflos in ihrem Bett wälzte. Wer steckte bloß hinter diesen Drohungen? Wer wollte Jackies Biografie unbedingt verhindern? Wenig überraschend, kamen ihr mehrere Personen in den Sinn. Womöglich war es ein Fehler gewesen, diesen Auftrag anzunehmen. Oder hatte Jackie recht damit, diese Drohungen einfach zu ignorieren? Ja, wahrscheinlich hatte sie recht. Man konnte sich doch nicht so einfach ins Bockshorn jagen lassen und beim erstbesten Widerstand aufgeben.

***

Schlaf gut, du Wunderschöne!

Im Traum bin ich dir ganz nah.

So nah, dass ich dich berühren kann,

dich endlich verführen kann.

Heute Nacht wirst du mein

für immer und ewig.

***