Examens-Repetitorium Familienrecht

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Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Eheschließung

§ 4 Aufhebung der Ehe

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung

§ 3 Eheschließung

Inhaltsverzeichnis

I. Grundlagen des bürgerlichen Eherechts

II. Verlöbnis

III. Eheschließungsrecht

IV. Fehlerquellen im Einzelnen

V. Internationales Privatrecht

VI. Eheschließungsrecht – Rechtsverstöße und Rechtsfolgen (Übersicht)

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › I. Grundlagen des bürgerlichen Eherechts

I. Grundlagen des bürgerlichen Eherechts

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Im geltenden Eherecht gibt es gewisse Grundstrukturen, die der Gesetzgeber im materiellen Recht niedergelegt hat: Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen (§ 1353 Abs. 1 S. 1). Daraus ergeben sich gleich drei Grundsätze, nämlich die Monogamie (vgl. § 1306), die Unerheblichkeit der Geschlechterverbindung[1] und das Lebenszeitprinzip. Aus letzterem ergibt sich, dass die Ehe weder auf Zeit noch auf Probe eingegangen werden kann. Es gibt keine rechtlich besonders ausgestaltete Paarbeziehung unterhalb der Ehe.[2] Die Ehe kommt nur durch die beiderseitige (nicht etwa drittseitige) Erklärung des Ehewillens zustande (vgl. § 1310 Abs. 1; Konsensprinzip), und die Eheschließung muss in Deutschland in bestimmter Form (vor dem Standesbeamten) vorgenommen werden (vgl. Art. 13 Abs. 4 EGBGB; zum Internationalen Privatrecht noch Rn. 110 ff.).

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Im deutschen Eheschließungsrecht gilt der Grundsatz der obligatorischen Zivilehe[3] (Gegensatz: fakultative Zivilehe). Damit die rechtlichen Wirkungen einer Ehe eintreten, muss eine „bürgerliche Ehe“ (vgl. Überschrift des Ersten Abschnitts vor § 1297) geschlossen sein. Eine kirchliche Trauung löst diese Rechtsfolgen nicht aus (§ 1310 Abs. 1 S. 1, § 1588).[4] Die Vornahme einer kirchlichen Trauung oder anderer religiöser Eheschließungsfeierlichkeiten vor Eingehung der staatlichen Zivilehe war nach früherem Recht eine, wenn auch sanktionslose Ordnungswidrigkeit (§ 67 PStG a.F.). Nach geltendem Recht[5] entfällt diese Einschränkung. Die kirchliche Trauung kann deshalb nunmehr unabhängig von (d.h. auch vor) der standesamtlichen Trauung erfolgen. Allerdings wird dadurch keine Ehe im Rechtssinne begründet; die Partner leben dann (rechtlich) in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

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Geregelt war das Eheschließungsrecht zunächst im BGB. Im Jahre 1938 wurde es aus dem Gesetz genommen und in einem eigenen Ehegesetz[6] neu geregelt. Dieses Ehegesetz – als Kontrollratsgesetz Nr. 16 neu verkündet[7] – galt bis 30.6.1998.[8] Seit dieser Zeit findet sich das Eheschließungsrecht wieder im BGB (§§ 1303 ff.). Weitere Rechtsgrundlagen des Eheschließungsrechts sind das Personenstandsgesetz (PStG) und die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV).

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis

II. Verlöbnis

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Fall 3:

Die 17-jährige F zieht zu ihrem 19-jährigen Freund M, nachdem sie sich verlobt haben. Da F hierdurch einen längeren Weg zur Schule hat, kauft sie sich einen E-Roller von ihrem Taschengeld. M steuert 500 € zum Kaufpreis bei. Nach wenigen Wochen entsteht die erste Krise, in deren Rahmen F dem M gesteht, sie habe sich in den X verliebt und werde M doch nicht heiraten. M will deshalb seine 500 € zurück. Zu Recht?

Fall 4:

A verlobt sich mit B, der noch mit Z verheiratet ist, aber bereits Scheidungsantrag gestellt hat. Ist das Verlöbnis wirksam?

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 1. Überblick

1. Überblick

64

Unter dem Begriff „Verlöbnis“ versteht man zum einen den (Begründungs-)Akt des „sich Verlobens“, also die Verlobung. Zum anderen versteht man unter Verlöbnis das durch die Verlobung entstandene Rechtsverhältnis. Das Verlöbnis ist keine Vorbedingung für eine Heirat. Heutzutage findet vor einer Eheschließung aber immer eine Verlobung statt, sei es bewusst oder unbewusst, also auch, wenn sich die Partner darüber nicht im Klaren sein mögen (sobald ein Partner den anderen „um dessen Hand bittet“ und dieser zusagt). Eine besondere Form oder Zeremonie (Zeugen etc.) ist nicht erforderlich. Spätestens, wenn sich zwei Heiratswillige gemeinsam zur Eheschließung anmelden (dazu Rn. 82), sind sie miteinander verlobt.

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Das Verlöbnis als ein gegenseitiges Eheversprechen war historisch gesehen ein Vertrag. Allerdings kann aus einem Verlöbnis kein (verfahrensrechtlicher) Antrag auf Eingehung der Ehe gestellt werden (§ 1297 Abs. 1). Trotz dieser Formulierung wird jedoch nicht schon die Zulässigkeit eines solchen Antrags ausgeschlossen, sondern „nur“ ein Erfüllungsanspruch („Trauzwang“), sodass ein etwaiger verfahrensrechtlicher Antrag als unbegründet abzuweisen ist. Deshalb handelt es sich bei der Regelung in § 120 Abs. 3 FamFG, die erst eine Vollstreckung verwehrt, letztlich um eine Redundanz.

66

Die Regelung des § 1297 Abs. 1 soll auch nicht dadurch umgangen werden können, dass man sich für den Fall der Nichtheirat eine Entschädigung versprechen lässt. Deshalb bestimmt § 1297 Abs. 2, dass das Versprechen einer Konventionalstrafe (i.S.v. § 339) für den Fall, dass die versprochene Eheschließung unterbleibt, nichtig ist.

67

Trotzdem legt der Gesetzgeber dem „Eheversprechen“ rechtliche Relevanz bei, wenn auch nicht in Form einer echten Rechtspflicht, aber doch im Sinne eines Vertrauenstatbestands (str.).[9] Das Verlöbnis ist nach geltendem Recht eben nicht nur als gesellschaftliches, sondern als rechtliches Verhältnis ausgestaltet. Die Rechtswirkungen des Verlöbnisses realisieren sich im Schutz desjenigen, der auf das Verlöbnis vertraut und Dispositionen getroffen hat, dann aber mit einem Rücktritt des anderen Teils konfrontiert wird. § 1298 sieht für diesen Fall unter gewissen Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch vor und § 1301 einen Bereicherungsanspruch. Im Übrigen ist das durch die Verlobung begründete Rechtsverhältnis ein ganz normales (kraft Gesetzes entstehendes) Schuldverhältnis, aus dem zwar keine Primärleistungspflichten i.S.v. § 241 Abs. 1 folgen (vgl. § 1297 Abs. 1), aber doch Rücksichtnahmepflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 (vgl. dazu noch Rn. 141 ff.). Die Rechtsnatur des Verlöbnisses ist jedoch seit jeher sehr umstritten.

 

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 2. Rechtsnatur

2. Rechtsnatur

68

Relevant wird der Streit vor allem bei einem Verlöbnis eines Minderjährigen, der dieses ohne Einwilligung der Eltern eingegangen ist. Wer das Verlöbnis mit der h.M.[10] als Vertrag deutet und die §§ 106 ff. anwendet, kommt in Fall 3 weder zu einer Haftung des Minderjährigen nach § 1301 noch zu Ansprüchen aus § 1298. Gegen die Einordnung als Vertrag und eine vertragliche Bindung spricht, dass ein jederzeitiger Rücktritt vom Verlöbnis schon wegen der Eheschließungsfreiheit möglich sein muss und möglich ist (vgl. § 1298). Die Annahme, dass dem Eheversprechen normale Willenserklärungen zugrunde liegen, würde außerdem voraussetzen, dass die Verlobten bereits durch das Eheversprechen Rechtsfolgen herbeiführen wollen, was regelmäßig aber erst durch die Eheschließung bewirkt werden soll. Außerdem sieht § 1298 eine Ersatzberechtigung auch für die Eltern des verlassenen Verlobten vor – dies ist mit einem Vertrag als relativem Schuldverhältnis nicht vereinbar; dass das Verlöbnis (auch) ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter sei, wird – soweit ersichtlich – von niemandem behauptet.

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Teilweise wird das Verlöbnis als familienrechtlicher Vertrag sui generis betrachtet. Zu einem wirksamen Abschluss dieses Vertrages komme es nicht auf die §§ 106 ff. an, sondern auf eine besondere „Verlöbnisfähigkeit“, für die teils auf individuelle geistige Reife, teils auf die Ehemündigkeitsvorschrift (§ 1303 analog) abgestellt wird; in letzterem Fall scheidet ein Verlöbnis eines Minderjährigen nunmehr aus, weil die Ehe nur noch durch Volljährige geschlossen werden kann (dazu Rn. 91 f.). Wieder andere gehen von geschäftsähnlichen Handlungen aus, auf die die Normen über Willenserklärungen nur soweit passend entsprechend heranzuziehen seien.[11] Dass mit dieser Ansicht erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht, liegt auf der Hand.

70

Überzeugend ist die Ansicht, die im Verlöbnis ein cic-ähnliches Vertrauensverhältnis sieht.[12] Für einen solchen Vertrauenstatbestand bedarf es keiner Willenserklärungen, vielmehr ist nur erforderlich, dass jeder Verlobte durch sein Verhalten in zurechenbarer Weise die Grundlage für ein berechtigtes Vertrauen des anderen auf das künftige Zustandekommen der Ehe setzt. Mit dieser Auffassung lässt sich gut erklären, warum und dass es keine (einklagbaren) Primärleistungspflichten gibt, wohl aber sekundäre Ansprüche wegen enttäuschten Vertrauens. Schwierigkeiten ergeben sich aber daraus, dass man den genauen Zeitpunkt des Verlöbnisses nicht immer sicher bestimmen kann. Beim Verlöbnis eines Minderjährigen – wie in Fall 3 – wird zu dessen Schutz ein dem Minderjährigen zurechenbarer Vertrauenstatbestand in der Regel erst dann anzunehmen sein, wenn die Eltern zugestimmt haben; vorher darf der andere Verlobte nicht auf das Versprechen des Minderjährigen vertrauen.[13] Angesichts dieser Einschränkung der Vertrauenshaftung bei Minderjährigen ist der Unterschied zur Vertragstheorie freilich nicht mehr groß.

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In Fall 3 kann M seine Zuzahlung in Höhe von 500 € daher nicht nach § 1301 zurückverlangen: Die Vertragstheorie begründet dies damit, dass ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter nach §§ 106 ff. kein wirksames Verlöbnis zustande kam, und nach der Vertrauenshaftungslehre fehlt ein haftungsbegründender Vertrauenstatbestand, weil M auf das bloße Versprechen der F nicht vertrauen darf, wenn deren Eltern davon nichts wissen; das bloße Zusammenziehen (das bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung mit Einwilligung der Eltern der F geschah) stellt ebenfalls keine ausreichende Vertrauensbasis dar.

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In Fall 4 wäre das Verlöbnis zwischen A und dem noch verheirateten B nach der Vertragstheorie wohl wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 nichtig.[14] Die Vertrauenshaftungstheorie würde § 138 dagegen nicht anwenden, weil die Verlobung keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat. Erforderlich ist danach nur ein ernsthaftes Eheversprechen, das hier deshalb zweifelhaft ist, weil B noch verheiratet ist. Angesichts des bereits gestellten Scheidungsantrags darf A das Eheversprechen des B jedoch als ernsthaft werten. In einem solchen Fall lässt sich mithin ein hinreichender Vertrauenstatbestand – aus objektiver Sicht der A – bejahen. Die beiden Ansichten kommen also zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 1298 bei unbegründetem Rücktritt

3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 1298 bei unbegründetem Rücktritt

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Fall 5:

A und B sind seit kurzem glücklich verlobt. Das Schicksal spielt den beiden indes übel mit. A wird bei einem Unfall, den der Dritte D allein verschuldet hat, schwerstverletzt und pflegebedürftig. B sieht sich mit der Pflege der A überfordert und tritt deshalb vom Verlöbnis zurück. Sind die von A getätigten Aufwendungen für die Hochzeit von B zu erstatten? Abwandlung: Ändert sich etwas, wenn A den Unfall selbst verschuldet hat?

Fall 6:

A und B sind seit kurzem verlobt. A versteht sich indes mit den Schwiegereltern nicht besonders gut. Und auch im Übrigen bereut sie bereits, dass sie sich mit B verlobt hat. A provoziert daher die Schwiegereltern so lange, bis es zu einem endgültigen Zerwürfnis mit diesen kommt. Noch bevor ihr B die Verlobung „aufkündigen“ kann, lässt sie ihn wissen, dass sie „Abstand von der Eheschließung“ nimmt. Sind die von B getätigten Aufwendungen für die Hochzeit von A zu erstatten?

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Relevanz hat der Theorienstreit (Rn. 68 ff.) in erster Linie für die Anwendbarkeit der Ansprüche aus §§ 1298, 1299 und § 1301. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 1298 ist nämlich ein wirksames Verlöbnis. Darüber hinaus setzt § 1298 dessen Auflösung durch Rücktritt des Anspruchsgegners ohne wichtigen Grund (§ 1298 Abs. 3) oder durch schuldhafte Veranlassung des Rücktritts des Anspruchstellers (§ 1299) voraus. Anspruchsberechtigt sind: der betroffene Ehegatte, dessen Eltern und dritte Personen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben. Ersatzfähig sind Schäden in Form von Aufwendungen und eingegangenen Verbindlichkeiten oder Nachteile, die ein Verlobter dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung berührende Maßnahmen getroffen hat, soweit sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen (§ 1298 Abs. 2).[15]

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Schwierigkeiten bereitet die Frage, welche Umstände einen wichtigen Grund i.S.v. § 1298 Abs. 3 bilden und wie sich dieser Grund zum Verschuldenserfordernis in § 1299 verhält. Ändert ein Verlobter seine Meinung dahingehend, dass er die Ehe doch nicht schließen will, stellt ein solcher Gesinnungswandel selbstverständlich einen triftigen Grund für einen Rücktritt dar, aber es ist kein „wichtiger Grund“ i.S.v. § 1298 Abs. 3. Ein rechtlich folgenloser Rücktritt ist nur gerechtfertigt, wenn die Beweggründe auf Ursachen zurückzuführen sind, die nach der Verlobung eingetreten oder bekannt geworden sind. Der andere Verlobte darf auf das Eheversprechen nur insoweit vertrauen (und wird dementsprechend durch die Ersatzpflicht geschützt), als sich die Umstände seit dem Eheversprechen nicht (aus subjektiver Sicht[16]) wesentlich verändert haben. Man kann auch danach fragen, in wessen Risikobereich der Rücktrittsgrund fällt: Ein Wechsel der eigenen Gefühlslage ist dem Lebensrisiko des Zurücktretenden zuzurechnen und stellt deshalb keinen wichtigen Grund dar. Wird hingegen der Verlobte – wie etwa in Fall 5 – bei einem Unfall schwer verletzt und tritt der andere (deshalb) vom Verlöbnis zurück, wird man einen „wichtigen Grund“ annehmen müssen, weil eine Haftung nur eingreift, wenn der Zurücktretende das schutzwürdige Vertrauen des anderen auf das Zustandekommen der Ehe enttäuscht (eine Enttäuschung über den Charakter des anderen, der den Verunfallten mit seinem Schicksal alleine lässt, reicht nicht);[17] kein Verlobter darf indes darauf vertrauen, dass der andere auch bei geänderten Umständen an seinem Eheversprechen festhält (eine solche Bindung wird erst durch die Eheschließung erreicht). Eine moralische Bewertung der Motivation zum Rücktritt muss gleichermaßen unterbleiben wie eine Bewertung der Motivation zur Eheschließung (z.B. aufgrund der guten finanziellen Verhältnisse oder des äußeren Erscheinungsbilds des anderen Verlobten).

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Kann sich der Zurücktretende aber auch dann auf einen „wichtigen Grund“ berufen (mit der Folge, dass seine Ersatzpflicht entfällt), wenn er den zum Rücktritt motivierenden Grund selbst schuldhaft herbeigeführt hat? In Fall 6 wird man das ernsthafte Zerwürfnis mit den Schwiegereltern jedenfalls als wichtigen Grund ansehen können, fraglich ist nur, ob A diesen Grund „schuldhaft“ herbeigeführt hat und wie sich das auf ihre Haftung nach § 1298 auswirkt. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass der Rücktritt als solcher weder rechts- noch pflichtwidrig ist, denn die Eheschließungsfreiheit gebietet ein freies Entscheidungsrecht bis zur Trauung, und damit auch das Recht zur Umentscheidung. Deshalb kann einem Zurücktretenden allein deshalb kein Verschulden im Rechtssinne vorgeworfen werden, weil ein Verschulden ein pflichtwidriges Verhalten erfordert. Als relevante Pflicht, die schuldhaft verletzt werden kann, kommt primär die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 in Betracht (vgl. Rn. 67). Bei einer vorsätzlichen Provokation der Schwiegereltern, die zu einem endgültigen Zerwürfnis führt (Fall 6), liegt eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Verlobten vor. Da ein Verlobter, der den wichtigen Grund schuldhaft herbeiführt und dadurch den anderen zum Rücktritt veranlasst, diesem nach § 1299 ersatzpflichtig ist,[18] ergibt ein Rückschluss aus § 1299, dass er sich dementsprechend nicht selbst auf den Haftungsausschluss in § 1298 Abs. 3 berufen kann, wenn er selbst einem Rücktritt des anderen zuvorkommt (teleologische Reduktion von § 1298 Abs. 3). In Fall 6 ist A daher nach § 1298 schadensersatzpflichtig, ohne sich auf § 1298 Abs. 3 berufen zu können.

 

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Auch in der Abwandlung von Fall 5 hat A den „wichtigen Grund“, der B zum Rücktritt veranlasst, (also den Unfall) zwar an sich schuldhaft herbeigeführt, dennoch scheidet eine Haftung der A gegenüber B nach § 1299 aus, denn das Verschulden der A bildet in diesem Fall keinen „wichtigen Grund“, weil A keine Pflicht aus dem Schuldverhältnis (also aus dem Verlöbnis) gegenüber B verletzt hat.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › II. Verlöbnis › 4. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken nach § 1301

4. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken nach § 1301

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Unterbleibt die Eheschließung, so kann jeder Verlobte verschuldensunabhängig von dem anderen die Gegenstände, die er ihm geschenkt oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben hat, nach Maßgabe der §§ 818 ff. herausverlangen, § 1301. Es handelt sich um einen Sonderfall der conditio ob rem (Zweckverfehlungskondiktion). Nicht zurückverlangt werden können indes Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke oder sonstige Zuwendungen i.R.d. nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wenn und weil diese nicht „zum Zeichen des Verlöbnisses“ gemacht werden. Eine Rückforderung ist im Zweifel ausgeschlossen, wenn das Verlöbnis durch den Tod eines Verlobten aufgelöst wurde, § 1301 S. 2.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › III. Eheschließungsrecht

III. Eheschließungsrecht

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Die Ehe kommt durch einen personenrechtlichen Vertrag zwischen den Brautleuten zustande, dessen Abschluss das Gesetz an bestimmte Voraussetzungen bindet. Die näheren (rechtsgeschäftlichen) Bestimmungen (§§ 1303 ff.) und die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen diese Anforderungen (§§ 1313 ff.) sind durch das Eheschließungsrecht abschließend (leges speciales) geregelt. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre scheidet aus. Dementsprechend hat sich im Eheschließungsrecht eine Terminologie entwickelt, die zum Teil nicht unerheblich vom allgemeinen rechtsgeschäftlichen Sprachgebrauch abweicht.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › III. Eheschließungsrecht › 1. Standesamtliche Trauung

1. Standesamtliche Trauung

80

Fall 7:

M und F wollen heiraten, aber nicht an ihrem Wohnort in Regensburg, sondern aufgrund der traumhaften Kulisse auf der Fraueninsel im Chiemsee. Da ihr gemeinsamer Freund S Standesbeamter ist, erklärt er sich bereit, die Trauung vor Ort unter freiem Himmel durchzuführen, obwohl er weiß, dass er für diesen Bezirk nicht zuständig ist; nach der Trauung trägt er die vollzogene Ehe im Eheregister von Regensburg ein.

81

Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung vor dem Standesbeamten erfolgt, § 1310 Abs. 1 S. 1. Geschieht dies nicht, so liegt eine Nichtehe vor; die Beteiligten sind dann nicht miteinander verheiratet; die „Trauung“ löst (anders als bei der durch Aufhebung oder Scheidung aufgelösten Ehe, §§ 1318, 1569 ff.) keine Rechtsfolgen aus; Kinder aus der Verbindung sind nichteheliche Kinder.[19] Ob ein „Standesbeamter“ und ob der „zuständige“ Standesbeamte gehandelt hat, richtet sich nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes. Ein Standesbeamter (§ 2 Abs. 1 S. 1 PStG) ist eine für ein bestimmtes Standesamt bestellte Urkundsperson. Das Personenstandsgesetz hat sich textlich vom „Standesbeamten“ als dem Adressaten seiner Regelungen gelöst und richtet diese an das „Standesamt“ (vgl. z.B. §§ 12, 13 PStG; entsprechende Anpassungen auch im BGB, z.B. § 1309 Abs. 2 S. 1). Außerhalb des Standesamtsbezirks ist die dafür bestellte Urkundsperson kein „Standesbeamter“ und nicht nur ein „unzuständiger“ Standesbeamter. Die Eheschließung erfolgte deshalb in Fall 7 nicht vor einem Standesbeamten, so dass grundsätzlich eine Nichtehe vorliegt. Allerdings fingiert § 1310 Abs. 2 die Eigenschaft des Standesbeamten für eine Person, die dieses Amt öffentlich ausübt und die Ehe in das Eheregister eingetragen hat; M und F haben deshalb in Fall 7 vor einem „fingierten“ Standesbeamten die Ehe geschlossen.

82

Ein für die Eheschließung „unzuständiges“ Standesamt im früheren Sinne (§ 6 Abs. 2 PStG a.F.: Standesamt, in dessen Bezirk keiner der Verlobten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat) gibt es nach neuem Recht nicht mehr. Zuständig für die Eheschließung ist nunmehr jedes deutsche Standesamt (§ 11 PStG). Allerdings gibt es ein „zuständiges“ Standesamt für die Anmeldung der Eheschließung. Die Heiratswilligen müssen ihre beabsichtigte Eheschließung bei dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich einer von ihnen seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, anmelden (§ 12 Abs. 1 PStG). Dort werden mögliche Ehehindernisse geprüft (§ 13 Abs. 1 PStG, § 1310 Abs. 1 S. 2). Soweit solche nicht bestehen, erteilt dieses Standesamt den Eheschließenden hierüber eine Bescheinigung, die dann für jedes deutsche Standesamt, bei dem die Eheschließung erfolgen soll, verbindlich ist (§ 13 Abs. 4 S. 1 PStG). Die Gültigkeitsdauer dieser Bescheinigung beträgt sechs Monate (§ 13 Abs. 4 S. 3 PStG).

83

Wird die Ehe weder nach § 1310 Abs. 1 noch nach § 1310 Abs. 2 vor einem „Standesbeamten“ geschlossen, sodass grundsätzlich eine Nichtehe vorliegt, wird die Ehe gleichwohl als wirksam anerkannt, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen des § 1310 Abs. 3 vorliegen. Ein Beispiel dafür ist etwa eine lediglich kirchliche Trauung, in deren Anschluss eine Eintragung ins Eheregister nach § 1310 Abs. 3 Nr. 1 erfolgt ist und eine Ehedauer von zehn, mindestens jedoch von fünf Jahren (im Todesfall) erreicht worden ist (vgl. Abs. 3 a.E.).

84

Der Abschluss des Ehekonsenses[20] unterliegt als personenrechtlicher Vertrag verschiedenen Anforderungen. Er muss nicht nur vor einem mitwirkungsbereiten Standesbeamten erfolgen (§ 1310 Abs. 1 S. 1), sondern die Erklärungen müssen auch höchstpersönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheschließenden abgegeben werden (§ 1311 S. 1). Die Eheschließung ist bedingungs- und befristungsfeindlich (§ 1311 S. 2), d.h. der Standesbeamte wird die Eheschließung verweigern, wenn die Ehegatten ihre Erklärungen (ausdrücklich) unter einer Bedingung oder Befristung abgeben. Außerdem „soll“ der Standesbeamte bei der Eheschließung die Eheschließenden einzeln befragen, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen, und, nachdem die Eheschließenden diese Frage bejaht haben, aussprechen, dass sie nunmehr kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute sind, § 1312. Ausländer müssen ein Ehefähigkeitszeugnis gemäß § 1309 beibringen, damit sichergestellt werden kann, dass der Eheschließung nach deren Heimatrecht kein Hindernis entgegensteht (vgl. Art. 13 Abs. 1 EGBGB). Diesen Anforderungen misst das Gesetz unterschiedliche Bedeutung und damit unterschiedliche Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung bei.

Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › III. Eheschließungsrecht › 2. Folgen fehlerhafter Eheschließung