Baurecht Baden-Württemberg

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

b) Organkompetenz, § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 GemO

115

Im Rahmen der Organkompetenz ist zu prüfen, welches Organ innerhalb der Gemeinde für die Aufstellung eines Bebauungsplanes zuständig ist. § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB legt bundesrechtlich nicht fest, welches Gemeindeorgan tätig werden muss. Die innergemeindliche Kompetenzverteilung richtet sich daher nach dem Kommunalrecht.[3]

Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 GemO ist der Gemeinderat das Hauptorgan der Gemeinde. Er hat daher alle wesentlichen Gemeindeangelegenheiten zu beschließen.[4] Der Gemeinderat kann grundsätzlich Aufgaben auf beschließende Ausschüsse i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 1 GemO oder auf den Bürgermeister, vgl. § 44 Abs. 2 S. 1 GemO, übertragen. Dies gilt jedoch nicht für den in § 39 Abs. 2 GemO festgelegten Aufgabenkatalog,[5] da der Gesetzgeber durch diese Regelung zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich dabei um wesentliche vom Gemeinderat zu regelnde Angelegenheiten handelt. Eine Übertragung auf einen beschließenden Ausschuss ist für die Beschlussfassung über den Erlass von Satzungen gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 3 GemO und damit auch für den gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossenen Bebauungsplan ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist auch eine Übertragung auf den Bürgermeister unzulässig.[6]

Aus § 39 Abs. 2 Nr. 3 GemO kann ferner geschlossen, dass es sich um eine vom Gemeinderat zu treffende Grundsatzentscheidung und damit nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt für das der Bürgermeister gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 GemO zuständig wäre.

JURIQ-Klausurtipp

Die Auflistung in § 39 Abs. 1 GemO kann nicht nur im Baurecht als Auslegungshilfe zur Beurteilung der Frage, ob es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung i.S.d. § 44 Abs. 2 S. 1 GemO handelt herangezogen werden.[7] Ist eine Auflistung der Angelegenheit gegeben, so handelt es sich um eine gemeindliche Grundsatzentscheidung für die der Gemeinderat gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 GemO zuständig ist.

Somit handelt es sich der Aufstellung eines Bebauungsplans weder um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, noch ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes dem Bürgermeister durch den Gemeinderat übertragbar, so dass dieser nicht gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 GemO zuständig ist. Es bleibt also gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 GemO bei der Grundsatzzuständigkeit des Gemeinderats (Organkompetenz).[8]

Wird der Bebauungsplan durch einen unzuständigen Verwaltungsträger erlassen, so ist dieser nichtig. Heilungsvorschriften sind nicht einschlägig: Eine Heilung nach §§ 214, 215 BauGB kommt nicht in Betracht, da es sich zum einen um eine Zuständigkeits- und nicht um eine Verfahrens- oder Formregelung und zum zweiten nicht um eine Vorschrift nach dem BauGB (vgl. den Wortlaut des § 214 Abs. 1 BauGB: „nach diesem Gesetzbuch“) handelt. Auch eine Heilung nach § 4 Abs. 4 S. 1 GemO scheidet aus, da es sich wiederum nicht um eine Verfahrens- oder Formschrift handelt. Fehlerfolgen:[9] Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften führt daher zur Nichtigkeit des Plans.

2. Verfahren

Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes läuft wie folgt ab:

a) Planaufstellungsbeschluss

116

Lesen Sie § 1 DVOGemO, der die Formen der öffentlichen Bekanntmachung regelt.

Das Verfahren beginnt mit dem Beschluss des Gemeinderates einen Bebauungsplan aufzustellen (Planaufstellungsbeschluss). Aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit ist der Planbereich zu benennen.[10] Da der Inhalt des Bebauungsplanes erst nach Durchführung des dem Planaufstellungsbeschluss nachfolgenden Planungsverfahrens festgelegt ist, muss der Planaufstellungsbeschluss keine Aussagen über den zukünftigen Inhalt enthalten.[11] Dieser Beschluss ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB ortsüblich bekannt zu machen.

117


Fehlerfolgen: Das BauGB beschränkt sich darauf, den Planaufstellungsbeschluss nur zu erwähnen (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB) oder Folgemaßnahmen von ihm abhängig zu machen. Derartige Folgemaßnahmen sind z.B. die Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB oder eine Zurückstellung von Baugesuchen gemäß § 15 BauGB (s.u. Rn. 241 ff.). Ein Beschluss vor der Auslegung nach § 3 BauGB wird vom BauGB nicht gefordert. Das Fehlen eines Planaufstellungsbeschlusses stellt daher keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar.[12] Im Übrigen ist ein Verfahrensverstoß unbeachtlich, da in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB der Planaufstellungsbeschluss nicht genannt ist.

Hinweis

Für den Bürger löst der Planaufstellungsbeschluss keine Wirkungen aus. An ihn können die o.g. Folgemaßnahmen geknüpft werden.

Beachten Sie, dass im Rahmen der Prüfung dieser Folgemaßnahmen – im Gegensatz zur obigen Darstellung – ein rechtmäßiger Planaufstellungsbeschluss erforderlich ist.

b) Umweltprüfung und Umweltbericht

118

Sofern die Gemeinde den Bebauungsplan im regulären Verfahren nach §§ 2 ff. BauGB aufstellt, muss sie gemäß § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung[13] durchführen. § 2 Abs. 4 BauGB konkretisiert die Belange der Verfahrensgrundnorm (§ 2 Abs. 3 BauGB).[14] Es sollen die gemäß §§ 1 Abs. 6 Nr. 7, 1a BauGB voraussichtlich erheblich Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden, § 2 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 BauGB. In die Planung ist einzustellen, was nach Lage der Dinge bedeutsam ist.[15] Was einzustellen ist, liegt im Ermessen der Gemeinde, denn gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 BauGB legt die Gemeinde für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung für eine ordnungsgemäße Abwägung erforderlich ist (Scoping). § 2 Abs. 4 S. 3 BauGB legt hierfür den Maßstab fest. Die Umweltprüfung bezieht sich hiernach auf das, was nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft und anhand anerkannter Prüfungsmethoden angemessener Weise verlangt werden kann.

119

Gemäß §§ 2 Abs. 4 S. 1 BauGB sind die Ergebnisse der Umweltprüfung in einem Umweltbericht zu dokumentieren. Bei diesem Umweltbericht handelt es sich gemäß § 2a S. 3 BauGB um einen gesonderten Teil der Begründung des Bauleitplans.

Hinweis

Erlässt die Gemeinde den Bebauungsplan im vereinfachten oder im beschleunigten Verfahren entfällt die Umweltprüfung (§ 13 Abs. 3 BauGB bzw. § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB).

§ 2 Abs. 4 S. 4 BauGB stellt klar, dass das Ergebnis der Umweltprüfung in der nachfolgenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Dies folgt bereits aus dem Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB sowie aus der Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB.[16] Verstößt die Gemeinde gegen § 2 Abs. 4 BauGB, ist dies zugleich ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB (s. Übungsfall 1).

 

Beispiel

Beim Scoping verkennt die Gemeinde A, dass für die beabsichtigte Planung eine umfangreiche Ermittlung der umweltbezogenen Auswirkungen auf Mensch und seine Gesundheit sowie auf die Bevölkerung insgesamt notwendig ist (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. c BauGB).

Die Gemeine A hat die Erforderlichkeit, in welchem Umfang und Detailierungsgrad dieser Belang des Umweltschutzes zu ermitteln ist, nicht zutreffend festgelegt. Sie verstößt daher sowohl gegen § 2 Abs. 4 S. 2 wie auch gegen § 2 Abs. 3 BauGB.

Fehlerfolgen: Da die Gemeinde im Falle eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 4 BauGB auch § 2 Abs. 3 BauGB verletzt, besteht die Rechtsfolge eines Verstoßes in der Beachtlichkeit gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Es kann jedoch eine Heilung nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 und § 214 Abs. 4 BauGB erfolgen.

Fehlt die Umweltprüfung oder der Umweltbericht ganz, so liegt ein nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 und Nr. 3 Hs. 3 BauGB beachtlicher Verstoß vor.[17] Verletzt werden sowohl die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB als auch diejenigen über die Begründung der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Abs. 2 und 9 Abs. 8 BauGB.[18] Unbeachtlich ist gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 letzter HS BauGB eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht, wenn die Begründung nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist.

c) Öffentlichkeits-/Behördenbeteiligung, §§ 3, 4 BauGB

120

Das Verfahren der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ist zweistufig ausgestaltet. Auf der ersten Stufe steht die frühzeitige, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BauGB, und auf der zweiten Stufe die formelle Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB.

aa) Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB

121

Die Öffentlichkeit ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB grundsätzlich[19] möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung und deren voraussichtliche Auswirkungen öffentlich zu unterrichten. Die allgemeinen Ziele und Zwecke müssen bereits so weit entwickelt sein, dass sie einen gewissen Reifegrad besitzen (Vorstellungsreife).[20]

122

Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung verfolgt mehrere Zwecke:[21] Primär dient sie, vgl. § 4a Abs. 1 BauGB, der vollständigen Ermittlung und der zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange. Die Gemeinde beschafft und vervollständigt das notwendige Abwägungsmaterial.[22] Sie erhält Kenntnis von den Wünschen und Befürchtungen der betroffenen Bürger. Weiterhin werden die Bürger aktiv in den Prozess der Vorbereitung politischer (Planungs-)Entscheidungen einbezogen, so dass die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung auch einen demokratischen Zweck verfolgt. Da die Gemeinde als Satzungsgeber auch grundrechtlichen Schutzpflichten unterliegt, erfüllt die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung auch eine Rechtsschutzfunktion.


Zur Öffentlichkeit zählt jedermann, der ein Interesse an der Bauleitplanung hat.

Frühzeitig ist die Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die Planinhalte noch nicht verfestigt sind.

123

Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung hat öffentlich zu erfolgen. Die Gemeinde kann nach eigener Entscheidung die Planung z.B. in öffentlichen Veranstaltungen oder Ausstellungen vorstellen. Das Kriterium „öffentlich“ ist jedoch verletzt, wenn die Gemeinde nur die planbetroffenen Bürger unterrichtet. Im Hinblick auf die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BauGB hat der Bürger keinen Rechtsanspruch dahingehend, dass dies in Form einer öffentlichen Versammlung erfolgt. Es besteht lediglich ein Anspruch auf eine persönliche Anhörung.

124

Gegenstand der Unterrichtung und Anhörung können Informationen vor allem aus der ersten Fassung der Begründung des Planaufstellungsbeschlusses gemäß § 2a BauGB sein, sofern die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Planaufstellungsbeschluss stattfindet.

Nicht erforderlich ist eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung in den Fällen des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr 1 und Nr. 2 BauGB: Eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung kann unterbleiben, wenn nach § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BauGB ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies nicht oder nur unerheblich auf das Plangebiet und seine Nachbargebiete auswirkt. Eine Entbehrlichkeit ist ferner gegeben, wenn die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf einer anderen Grundlage erfolgt ist, vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB.

Sollte die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu einer wesentlichen Änderung des Planentwurfs führen, so muss sie nicht erneut durchgeführt werden. Dann muss eine öffentliche Auslegung i.S.d. § 3 Abs. 2 BauGB wegen § 3 Abs. 1 S. 3 BauGB erfolgen.

125

Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB ist gegeben, wenn die Gemeinde bestimmte Planungsalternativen verwirft, bevor die Öffentlichkeit Gelegenheit hatte sich zu äußern.[23]

Unterstreichen Sie sich in Ihrem Gesetzestext bei § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB nach der Nennung des „§ 3 BauGB“ den „Abs. 2“.

Fehlerfolgen: Die Rechtsfolge eines Verstoßes besteht in der Unbeachtlichkeit, da in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB zwar § 3 BauGB, jedoch nur Abs. 2 und nicht Abs. 1 genannt ist.

bb) Frühzeitige Behördenbeteiligung, § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB

126

Die frühzeitige Behördenbeteiligung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB setzt voraus, dass diejenigen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange entsprechend § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BauGB, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden, am Verfahren der Bauleitplanung beteiligt werden. Auch die frühzeitige Behördenbeteiligung verfolgt einen doppelten Zweck:[24] Zum einen dient sie der Vervollständigung des Planmaterials, so dass gemäß § 1 Abs. 7 BauGB alle von der Bauleitplanung berührten Belange erfasst und bewertet werden können, zum anderen haben die Behörden der Gemeinde, falls sie über Informationen verfügen, die für die Beibringung oder Vervollständigung des Umweltberichts gemäß § 2 Abs. 4 BauGB nützlich sind, diese zur Verfügung zu stellen (vgl. § 4 Abs. 3 BauGB). Die Behörden sind jedoch nur dann am Verfahren zu beteiligen, wenn ihr Aufgabenbereich von der Planung berührt ist. Hierfür genügt es nicht, dass die Behörde nur abstrakt betroffen ist. Sie muss vielmehr konkret betroffen sein.

Beispiele


Denkmalamt
Umweltamt

127

Schwieriger ist zu bestimmen, wer ein sonstiger Träger öffentlicher Belange i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB ist. Da § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB die sonstigen Träger öffentlicher Belange neben den Behörden eigenständig nennt, kann daraus gefolgert werden, dass es sich nicht um hoheitlich handelnde Behörden im organisatorischen Sinn handeln muss, denn ansonsten ergäbe die Nennung der sonstigen Träger öffentlicher Belange keinen Sinn.[25] Zu den Trägern öffentlicher Belange zählen daher Stellen, die den gesetzlichen Auftrag haben, öffentliche Belange zu verfolgen (sog. funktionaler Behördenbegriff). Dies sind vor allem die Träger funktionaler Selbstverwaltung, wie z.B. Industrie- und Handelskammer. Handwerkskammer oder Ärztekammer, und Energieversorgungsunternehmen, wie z.B. eine Stadtwerke GmbH.[26]

Hinweis

Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob es sich im Einzelfall um einen sonstigen Träger öffentlicher Belange handelt, ist also ob ein gesetzlicher Auftrag zur Verfolgung öffentlicher Interessen gegeben ist.

Auch Nachbargemeinden (s. hierzu Rn. 192 ff.), die von der Planungsabsicht betroffen sind, können ungeachtet, ob sie unmittelbar an das Gebiet der planenden Gemeinde angrenzen oder nicht, ein sonstiger Träger öffentlicher Belange sein, denn ansonsten bestünde keine Anpassungspflicht einer Nachbargemeinde gemäß § 7 BauGB.[27]

Nicht erfasst sind hingegen private Interessenvertretungen, die sich mit öffentlichen Aufgaben beschäftigen, wie z.B. Naturschutzverbände[28] oder Sportverbände, da sie keinen gesetzlichen Auftrag haben öffentliche Interessen zu verfolgen. Sie sind jedoch über § 3 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BauGB zu beteiligen.[29]

Hinweis

Gemäß § 4a Abs. 2 BauGB können die frühzeitige Öffentlichkeits- (§ 3 Abs. 1 BauGB) und die frühzeitige Behördenbeteiligung (§ 4 Abs. 1 BauGB) gleichzeitig erfolgen.

128

Unterstreichen Sie sich in Ihrem Gesetzestext bei § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB nach der Nennung des „§ 4“ den „Abs. 2“.

 

Fehlerfolgen: Die Rechtsfolge eines Verstoßes besteht in der Unbeachtlichkeit. In § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB ist zwar § 4 BauGB, jedoch nur Abs. 2 und nicht Abs. 1 genannt.

cc) Formelle Öffentlichkeitsbeteiligung, § 3 Abs. 2 BauGB

129

Die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung (auch Auslegungsverfahren genannt) gliedert sich zeitlich in drei Phasen:

Die erste Phase ist die Phase der Bekanntmachung der Auslegung, § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB. Es hat eine Woche vor der Auslegung eine ortsübliche Bekanntmachung mit dem Hinweis, dass Anregungen während der Auslegungsfrist eingebracht werden können, zu erfolgen. In dieser Bekanntmachung müssen enthalten sein:


Ort und Dauer der Auslegung
Angaben dazu, welche umweltbezogenen Informationen verfügbar sind
ein Hinweis auf die Präklusion gemäß § 47 Abs. 2a VwGO

Fristberechnungen müssen Sie (nicht nur im Baurecht) unbedingt beherrschen, da diese nicht zuletzt auch wegen deren Bedeutung für die Rechtspraxis häufig geprüft wird.

JURIQ-Klausurtipp

Hinsichtlich der Fristberechnung gemäß § 31 LVwVfG i.V.m. § 187 ff. BGB analog ist zu beachten, dass es sich nach h.M. bei der Wochenfrist nach § 3 Abs. Abs. 2 S. 2 BauGB um eine Ereignisfrist handelt. Dies bedeutet, dass der Fristbeginn gemäß § 31 LVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog berechnet wird, d.h. der Tag an dem mit der Bekanntmachung begonnen wird, zählt nicht mit.[30] Für das Fristende sind §§ 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB, 193 BGB analog einschlägig.

Beispiel

Ist die Bekanntmachung z.B. an einem Montag erfolgt, endet die Wochenfrist daher am folgenden Montag um 24.00 Uhr, sofern es sich dabei nicht um einen Feiertag handelt. In diesem Fall läuft die Frist erst an dem folgenden Werktag ab.

130

Sollte die öffentliche Bekanntmachung für einen zu kurzen Zeitraum erfolgt sein, so kann dies durch eine entsprechend längere tatsächliche Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB geheilt werden.[31]

Der Zweck der Bekanntmachung der Auslegung besteht darin, dass die Öffentlichkeit aufgefordert werden soll, zur Planung beizutragen. Gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 BauGB sollen auch die Behörden und die Träger sonstiger öffentlicher Belange von der Auslegung benachrichtigt werden.

131

Die zweite Phase ist die Phase der öffentlichen Auslegung, § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB. Diese stellt den wichtigsten Teil der Beteiligung der Öffentlichkeit dar.[32] Gegenstand der Auslegung ist der von der Gemeinde beschlossene Entwurf des Bebauungsplanes mit dessen Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen. Alternativentwürfe, Vorentwürfe und sonstiges Planungsmaterial müssen nicht ausgelegt werden.[33] Die Dauer der Auslegung beträgt einen Monat. Diese Frist darf zwar über-, jedoch nicht unterschritten werden.

JURIQ-Klausurtipp

Im Gegensatz zur Ereignisfrist des § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB handelt es sich bei der Monatsfrist des § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB[34] um eine Ablauffrist, die über § 31 LVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 2 BGB analog berechnet wird, d.h. der erste Tag der Auslegung zählt mit.[35] Beachten Sie, dass die Frist einen Monat und nicht vier Wochen beträgt.

Der Zweck der Auslegung besteht darin, dass die Bürger und Behörden über die im Planentwurf konkretisierten Planungsabsichten der Gemeinde Kenntnis erlangen und dadurch in die Lage versetzt werden Anregungen vorzubringen. Es besteht also eine Anstoßfunktion.[36] Gemäß § 3 Abs. 2 BauGB kann sich in der Phase der Auslegung jedermann, ungeachtet, ob er planungsbetroffen oder aus sonstigen Gründen interessiert ist, schriftlich, mündlich oder zur Niederschrift äußern. Ein Recht vor dem Gemeinderat vorzutragen besteht nicht.

132

Eine archivmäßige Verwahrung des Bebauungsplans, d.h. wenn dieser in einem Regal oder Aktenschrank verwahrt und nur auf Anfrage herausgegeben wird, ist unzulässig.[37] Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BauGB erfordert eine Auslegung und nicht nur ein Bereithalten. Dies entspricht auch dem Sinn der Vorschrift. Jeder Interessierte muss, ohne noch Fragen und Bitten stellen zu müssen, in die Unterlagen Einblick nehmen können. Die Berechnung des Endes der Auslegungsfrist darf dem Bürger überlassen werden.[38] Die Möglichkeit der Einsicht während der Verkehrszeiten, d.h. während der für den Publikumsverkehr vorgesehenen Öffnungszeiten, genügt.[39]


Ob der Ort der Auslegung exakt, d.h. mit Raum der Auslegung, angegeben werden muss oder ob die Angabe des Amtes mit Anschrift und Stockwerk genügt, ist umstritten. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verlangt eine exakte Angabe des Auslegungsorts.[40] Das Bundesverwaltungsgericht hingegen lässt es genügen, dass die Angabe des Amtes mit Anschrift, Stockwerk und einer Telefonnummer erfolgt, da es, wie auch bei sonstigen Behördengängen zumutbar sei, dass sich der Bürger zuvor telefonisch oder aber vor Ort näher erkundigt.[41]

In der dritten Phase ist die Gemeinde gemäß § 3 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 BauGB verpflichtet die fristgemäß vorgebrachten Anregungen zu prüfen. Obgleich hierzu kein Verfahren verpflichtend vorgeschrieben ist, entscheidet die Gemeinde regelmäßig durch einen gesonderten Beschluss, ob und in welcher Weise die eingebrachten Einwendungen berücksichtigt werden. Das Ergebnis der gemeindlichen Prüfung hat die Gemeinde den Bürgern, die fristgemäß Einwendungen vorgebracht haben, mitzuteilen, § 3 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 BauGB. Nicht berücksichtigte Einwendungen sind der Genehmigungsbehörde mit einer Stellungnahme zum Grund der Nichtberücksichtigung vorzulegen, § 3 Abs. 2 S. 6 BauGB. Sollte der Planentwurf des Bebauungsplanes aufgrund von Einwendungen oder aus sonstigen Gründen geändert oder ergänzt werden, so ist er erneut für die Dauer eines Monats auszulegen und die notwendigen Stellungnahmen sind erneut einzuholen, § 4a Abs. 3 S. 1 BauGB. In Bezug auf den Umweltbericht i.S.d. § 2a BauGB gilt das Gleiche.

Hinweis

Im Falle der Nichtberücksichtigung seiner Anregungen hat der Bürger keinen Rechtsbehelf gegen diese. Er muss vielmehr den Abschluss des Planaufstellungsverfahrens abwarten und kann dann im Wege einer prinzipalen Normenkontrolle (s.u. Rn. 571) gegen den Bebauungsplan vorgehen.

133

Fehlerfolgen: Die Rechtsfolge eines Verstoßes besteht in der Beachtlichkeit, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Es kann jedoch eine Heilung nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 und § 214 Abs. 4 BauGB erfolgen.