Baurecht Baden-Württemberg

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3. Teil Kommunale Bauleitplanung › D. Die Folgen von Verletzungen des BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen

D. Die Folgen von Verletzungen des BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen

210

Der Bebauungsplan wird gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen. Ein Verstoß gegen die formellen Vorschriften, die das Aufstellungsverfahren regeln, oder gegen die materiellen Normen hat grundsätzlich die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes zur Folge.

Der Gesetzgeber hatte die Intention, Bebauungspläne juristisch „am Leben“ zu erhalten, auch wenn sie an Fehlern leiden.[1] Es gilt der Grundsatz der Planerhaltung.[2] Dieser stellt eine Durchbrechung des Nichtigkeitsdogmas dar, wonach eine rechtswidrige Norm – und somit auch eine Satzung – stets unwirksam ist. Unter den Begriff der Planerhaltung fällt alles, was der Aufhebung bzw. der Unwirksamerklärung der Pläne entgegenwirkt, also die Fehlerfolgen begrenzt.

211

Der Grundsatz der Planerhaltung erfährt in den §§ 214 f. BauGB eine differenzierte Ausgestaltung in einem vierstufigen System:[3]


1. generell unbeachtliche Fehler (1. Stufe)

Nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs 2, Nr. 2 Hs 2 und Nr. 3 Hs. 2, 3 BauGB sind bestimmte Fehler letztlich irrelevant. Unbeachtlich sind auch Verletzungen im Hinblick auf das Verhältnis des Bebauungs- zum Flächennutzungsplan, die in § 214 Abs. 2 BauGB aufgezählt sind, sowie die in § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB. In § 214 Abs. 2a BauGB werden für die im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB erlassenen Bebauungspläne der Innenentwicklung weitere mögliche Fehler für unbeachtlich erklärt.


2. zeitlich befristet beachtliche Fehler (2. Stufe)

Gemäß § 215 Abs. 1 BauGB werden grundsätzlich beachtliche Fehler aufgrund Zeitablaufs letztlich unbeachtlich; diese Fehler sind nur im Falle einer fristgerechten Rüge beachtlich.


3. absolut beachtliche Fehler (3. Stufe)

Die in § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB genannten Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften sowie die von §§ 214, 215 BauGB nicht erfassten materiellen Rechtsverstöße sind stets beachtlich.


4. Fehler, die in einem planergänzenden Verfahren behoben werden können (4. Stufe)

Auf der letzten Stufe sieht das BauGB für Rechtsverletzungen, die die gemäß §§ 214 Abs. 1 bis 3, 215 BauGB beachtlich und nicht irrelevant sind, die Möglichkeit der Behebung der Mängel in einem planergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB vor.

JURIQ-Klausurtipp

In der Fallbearbeitung bieten sich zwei Aufbaumöglichkeiten:


1. Sie prüfen die Verletzungsfolgen unmittelbar nach der Feststellung einer Rechtsverletzung oder
2. Sie prüfen diese im Anschluss an die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans.

Die erstgenannte Möglichkeit hat den Vorteil, dass Ihnen die Rechtsverletzung sofort präsent ist und Sie so nicht, wie nach der zweiten Aufbaualternative erforderlich, diese in Ihrer Gliederung oder gar in Ihrem Gutachten „nachschlagen“ müssen. Ein derartiger Aufbau ist auch für Ihren Korrektor einfacher, da auch er nicht nachschlagen oder die festgestellten Fehler in seinen Notizen festhalten muss.

Die Folgen von Verletzungen des BauGB bei der Aufstellung eines Bebauungsplans

I.Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 214, 215 BauGB: Der Bebauungsplan muss in Kraft getreten sein.

II.Bei Vorliegen einer Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften des BauGB

1.Unbeachtliche Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften gem. § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB

2.wenn 1. (-): evtl. beachtliche Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften

a)Beachtliche Verletzung von § 2 Abs. 3 BauGB gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

b)Beachtliche Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 BauGB

c)Beachtliche Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Hs. 1 BauGB

d)Beachtliche Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB

3.wenn 2. (+): Unbeachtlichkeit der an sich beachtlichen Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschrift gem. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 oder Nr. 3 Hs. 2 bzw. Hs. 3 BauGB

4.wenn 3. (-): Behebung durch ein planergänzendes Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB

5.wenn 4. (-): Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf gem. § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

III.Bei Vorliegen einer Verletzung des Entwicklungsgebots gem. § 8 Abs. 2 BauGB

1.Unbeachtliche Verletzung gem. § 214 Abs. 2 BauGB

2.wenn 1. (-): Behebung durch ein planergänzendes Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB

3.wenn 2. (-): Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf gem. § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB

IV.Bei Vorliegen einer Verletzung des Abwägungsgebotes gem. § 1 Abs. 7 BauGB

1.Erhebliche Verletzung gem. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB

2.wenn 1. (-): Behebung durch ein planergänzendes Verfahren gem. § 214 Abs. 4 BauGB

3.Unbeachtlichkeit durch Zeitablauf gem. § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

3. Teil Kommunale Bauleitplanung › D. Die Folgen von Verletzungen des BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen › I. Anwendungsbereich

I. Anwendungsbereich

212

Gem. § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB gelten die §§ 214–216 BauGB für Flächennutzungspläne und für „Satzungen nach diesem Gesetzbuch“, also insbesondere für Bebauungspläne (§ 10 BauGB). Die §§ 214, 215 BauGB können jedoch nur Anwendung finden, wenn die Satzung (oder der Plan) bereits in Kraft getreten ist.

 

3. Teil Kommunale Bauleitplanung › D. Die Folgen von Verletzungen des BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen › II. Bei einer Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des BauGB

II. Bei einer Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des BauGB

1. Systematik des § 214 Abs. 1 BauGB

213

In § 214 Abs. 1 BauGB sind die Verfahrens- und Formvorschriften genannt, deren Verletzung zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes führt. Diese Aufzählung ist, wie aus dem Wortlaut folgt, abschließend („nur“).[4] Dies bedeutet, dass Verstöße gegen andere, nicht genannte Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich sind. In diesem Fall spricht man von externer Unbeachtlichkeit.[5] Verstöße gegen die grundsätzlich beachtlichen Fehler in § 214 Abs. 1 Nr. 1–3 BauGB werden jedoch unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Hs. 2 der jeweiligen Ziffer des § 214 Abs. 1 BauGB gegeben sind (interne Unbeachtlichkeit). In § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB sind so gravierende Fehler genannt, dass diese immer beachtlich sind und somit zur Unwirksamkeit des Bebauungsplanes führen (absolute Beachtlichkeit).

Unterstreichen Sie in § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 „Nr. 1–3“ BauGB. So vermeiden Sie, dass Sie im Eifer des Gefechts § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB auf § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB anwenden.

Hinweis

§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB ist nicht in § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB genannt. Dort sind nur § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 genannt. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB unterliegt also nicht der Rügefrist des § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB.

2. Beachtliche Verletzungen nach § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB

214

Unter den Begriff der „Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuches“ i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB fallen alle Vorschriften des BauGB, die sich auf den äußeren Ablauf des Planungs- und Satzungsverfahrens beziehen.[6]

Unterstreichen Sie bei § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB die Wörter „dieses Gesetzbuches“.

Hinweis

Auch hier gilt, wie oben (s.o. Rn. 156) dargestellt:


1. Landesrechtliche Vorschriften fallen gerade nicht in den Anwendungsbereich der §§ 214 f. Daher richtet sich die Unbeachtlichkeit und die (sonstige) Heilbarkeit alleine nach Landesrecht. In Bezug auf einen Verstoß z.B. gegen kommunalrechtliche Regelungen, z.B. § 18 GemO, finden die §§ 214 f. BauGB daher keine Anwendung.
2. Die Heilungsvorschrift des § 214 Abs. 4 BauGB (planergänzendes Verfahren) gilt jedoch auch für landesrechtliche Regelungen.

Zunächst ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen eine in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB genannte Verfahrens- oder Formvorschrift gegeben ist.

Hinweis

Gelangen Sie in Ihrer Fallbearbeitung zu dem Ergebnis, dass eine Verfahrens- oder Formvorschrift verletzt worden ist, die nicht in § 214 Abs. 1 S. 1 BauGB genannt ist, z.B. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 oder § 4 Abs. 1 BauGB, so ist Ihre Prüfung an dieser Stelle beendet. Der Fehler ist extern unbeachtlich. Andernfalls setzen Sie Ihre Prüfung fort.

3. Beachtliche Verletzung einer Form- oder Verfahrensvorschrift nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 Hs. 1, Nr. 3 Hs. 1 oder Nr. 4 BauGB

a) Beachtliche Verletzung des § 2 Abs. 3 BauGB nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

215

Nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB liegt ein grundsätzlich beachtlicher Fehler vor, wenn


entgegen § 2 Abs. 3 BauGB von der Planung berührte Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind,
die betreffenden Belange der Gemeinde bekannt waren oder bekannt sein mussten,
der Mangel offensichtlich ist und
sich der Fehler im Ergebnis ausgewirkt hat.

Hinweis

Erfasst sind also nach der vorliegend Auffassung (s. Rn. 221, 154) Fehler im Abwägungsvorgang. Fehler im Abwägungsergebnis sind stets beachtlich.

Wegen der besonderen Bedeutung des § 2 Abs. 3 BauGB hat § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB besondere Klausurrelevanz.

Die Prüfung erfolgt anhand dieses Schemas

Prüfung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB

I.Ermittlung des Kenntnisstandes der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung

II.Fehler entgegen § 2 Abs. 3 BauGB in wesentlichen Punkten

III.Offensichtlichkeit des Fehlers

IV.Kausalität des Fehlers für das Ergebnis des Verfahrens

aa) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis

216

Zunächst muss die Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Kenntnis (vgl. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB: „bekannt waren“) oder fahrlässige Unkenntnis („hätten bekannt sein müssen“) von Belangen gehabt haben, die von der Planung berührt sind.


Belange hätten der Gemeinde bekannt sein müssen, wenn sich diese Umstände aufdrängen mussten.[7]

bb) in wesentlichen Punkten unzutreffende Ermittlung oder Bewertung

217

Die von der Planung berührten Belange müssen in wesentlichen Punkten unzutreffend ermittelt oder bewertet worden sein, obwohl sie nach Lage der Dinge hätten ermittelt oder bewertet werden müssen.[8] Über den Wortlaut („nicht zutreffend“) hinaus sind nicht nur die Fälle der unzutreffenden Ermittlung oder Bewertung, sondern auch die Fälle der gänzlich unterbliebenen Ermittlung oder Bewertung der betroffenen Belange.[9]


Wesentlich i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind alle Belange, die zum notwendigen Abwägungsmaterial gehören.[10]

Durch die Bezugnahme auf wesentliche Punkte werden die Planerhaltungsvorschriften mit den Grundsätzen der Abwägungsbeachtlichkeit in § 1 Abs. 7 BauGB verknüpft: Punkte, die in der konkreten Abwägungssituation abwägungsbeachtlich waren, sind auch „wesentlich“.[11]

cc) Offensichtlichkeit

218

Das Bundesverwaltungsgericht[12] hält eine einschränkende Auslegung des Merkmals der Offensichtlichkeit für geboten. Dies folgt daraus, dass das Abwägungsgebot in Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist und das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auch in Bezug auf Bebauungspläne gilt.[13] Daher existiert folgende einschränkende Definition:


Offensichtlich ist ein Mangel, wenn er leicht erkennbar ist oder weil er sich aus Akten, Protokollen und der Entwurfs- oder Planbegründung ergibt.[14]

Nicht offensichtlich ist ein Mangel, wenn er nicht positiv feststellbar ist, sondern sich nur aus dem Fehlen entsprechender Erwägungen im Gemeinderatsprotkoll ergeben könnte.[15]

219

Erforderlich ist ein Mangel auf der äußeren Seite der Abwägung. Der Mangel muss auf objektiv erfassbaren konkreten Sachumständen beruhen, die positiv und klar auf einen Mangel hindeuten. Ein Mangel auf der inneren Seite der Abwägung hingegen genügt nicht. Mit dem Merkmal der Offensichtlichkeit soll vermieden werden, dass Beweis über die subjektiven Vorstellungen des Gemeinderats oder seiner Mitglieder erhoben wird.[16] Ein derartiger Mangel ist gegeben, wenn er in den Planungsmotiven oder Planungsvorstellungen der einzelnen Gemeinderatsmitglieder begründet ist. Dies ist z.B. bei fehlenden oder irrigen Vorstellungen über die Planung der Fall.

dd) Kausalität

220


Von Einfluss ist ein offensichtlicher Mangel im Verfahren auf das Abwägungsergebnis, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre.

Eine positive Feststellung der Kausalität ist also nicht erforderlich, jedoch genügt die rein abstrakte Möglichkeit eines Einflusses nicht aus.

 

Ein Mangel ist nicht von Einfluss, wenn die Gemeinde auch bei Kenntnis des Fehlers im Abwägungsvorgang nicht anders geplant hätte.

Beispiel

Für die Anlage eines Windparks verkennt der Gemeinderat, dass eine Umweltprüfung erforderlich ist.[17]

ee) Paradigmenwechsel durch die Einführung des § 2 Abs. 3 BauGB

221

Die Frage, ob es durch die Einführung des § 2 Abs. 3 BauGB zu einem Paradigmenwechsel gekommen ist, wird auch gerne in mündlichen Prüfungen geprüft.


In § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB genannt. Der Gesetzgeber verfolgte (s.o. Rn. 140) das Ziel, die Ermittlung und die Bewertung planungsrelevanter Belange nicht mehr als materiell-rechtliche, sondern als verfahrensbezogene Pflichten auszugestalten.[18] Ob es durch die Einführung dieser Verfahrensgrundnorm zu einem Paradigmenwechsel[19] kommen sollte ist umstritten.

(1) Bejahende Auffassung

222

Herrschend wird davon ausgegangen, dass es durch die Einführung dieser Verfahrensgrundnorm zu einem Paradigmenwechsel kommen sollte.

(a) Fehler, die nach der alten Rechtslage einen Verstoß gegen die materiell-rechtliche Pflicht zur Ermittlung und Bewertung der abwägungserheblichen Belange galten, gelten nun als Verstoß gegen verfahrensrechtliche Pflichten. Sie stellen damit Verfahrensfehler und somit einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB dar. Deren Beachtlichkeit richtet sich daher § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB.[20]

(b) Hierfür kann § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB angeführt werden, der unter dem Aspekt der „Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuches“ § 2 Abs. 3 BauGB erfasst.

(c) Als Konsequenz hiervon normiert § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB, dass Mängel, die Gegenstand der Regelung des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB sind, nicht als Mängel der eigentlichen Abwägung geltend gemacht werden können.

Daher (s.o. Rn. 149 ff.) stellen der Abwägungsausfall, das Abwägungsdefizit und die Abwägungsfehleinschätzung formelle Fehler dar. Lediglich im Falle der Abwägungsdisproportionalität ist ein Verstoß gegen die materiell-rechtliche Regelung des § 1 Abs. 7 BauGB gegeben.

(2) Verneinende Auffassung

223

Teilweise wird jedoch von einer engen Auslegung[21] der Begriffe „Ermittlung und Bewertung“ ausgegangen.

(a) Bei der in § 2 Abs. 3 BauGB geregelten Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials als verfahrensrechtliche Pflicht handle es sich lediglich um Vor-Ermittlungen und Vor-Bewertungen.[22] Die eigentliche Abwägung sei daher weiterhin eine materiell-rechtliche Pflicht.[23]

(b) Die Vertreter dieser Auffassung stellen hierfür insbesondere auf § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB ab. Aus den Formulierungen „im Übrigen“ und „im Abwägungsvorgang“ folge, dass es über die in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB geregelten Verletzungen des § 2 Abs. 3 BauGB hinaus auch weiterhin Verletzungen im Abwägungsvorgang gäbe, die gemäß § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB beachtlich seien.

(c) Als Konsequenz hiervon gelten als Verfahrensfehler im Rahmen der Vor-Ermittlung und Vor-Bewertung der Ermittlungsausfall, das Ermittlungs- und Bewertungsdefizit sowie die Fehlbewertung.[24]

Bei der Abwägung, die ausschließlich materiell-rechtlich orientiert ist, bleibt es nach dieser Auffassung bei der früheren Beurteilung.[25] § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB findet vollumfänglich Anwendung auf Fehler im Abwägungsvorgang, d.h. auf den Abwägungsausfall, das Abwägungsdefizit und die Abwägungsfehleinschätzung. § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB wird demnach wohl[26] nur auf Verfahrensfehler bei der Vor-Ermittlung und Vor-Bewertung Anwendung finden.

(3) Argumente für die Stellungnahme

224

Im Rahmen der Stellungnahme können Sie zu Gunsten der h.M. wie folgt argumentieren:

(a) Der Gesetzgeber verfolgte, wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt, den von der h.M. dargestellten eindeutigen Zweck. Gegen die t.v.A. kann angeführt werden, dass § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erst nachträglich auf eine Initiative des Bundesrates hin eingeführt worden ist. Die Einführung dieser „Angstklausel“ hatte zum Zweck, dass alle theoretisch denkbaren Verletzungen von materiell-rechtlichen Pflichten im Abwägungsvorgang durch § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB erfasst sind.[27]

(b) Eine Aufspaltung des Abwägungsvorganges, wie von der t.v.A. vorgenommen, führt zu zahlreichen Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich des Inhalts der Verfahrens- und Abwägungsgebote einerseits und der entsprechenden Verfahrensfehler bzw. Mängel im Abwägungsvorgang andererseits. Dies wird insbesondere für die Unterscheidung zwischen Ermittlungs- und Abwägungsdefizit und die zwischen Fehlbewertung und Abwägungsfehleinschätzung deutlich, denn in beiden Fällen liegen identische Fehler vor.

(c) Der Gesetzgeber hat für die Verfahrensschritte der Ermittlung und Bewertung zahlreiche neue Vorschriften erlassen (§§ 2 Abs. 3, Abs. 4 S. 1, 4a Abs. 1 BauGB) und zudem für entsprechende Verfahrensfehler in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB eine eigene Planerhaltungsvorschrift eingeführt. Hieraus wird die Bedeutung der Ermittlung und Bewertung erkennbar, so dass es sich nicht um bloße Vor-Ermittlungen und Vor-Bewertungen handeln kann.

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