Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

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III. Schuldverhältnisse

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Für die rechtsgeschäftliche Begründung und Gestaltung von Schuldverhältnissen verlangt das BGB einen Vertrag „zwischen den Beteiligten“ (§ 311 Abs. 1). Ausnahmen hierzu bestehen nur, „soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt“. Das BGB will im Regelfall also keine Verpflichtungserklärung ohne Mitwirkung des Vertragspartners anerkennen. Dieses Vertragsprinzip ist bei gegenseitigen Verträgen wie dem Kaufvertrag einleuchtend. Es gilt jedoch auch für einseitig verpflichtende Verträge wie den Erlass (§ 397) oder die Bürgschaftserklärung (§ 765), welche ebenfalls einer Annahme des Vertragspartners bedürfen (sie kommen zustande durch Erlassvertrag, Bürgschaftsvertrag, Schenkungsvertrag).

Soweit der Vertrag („sich vertragen“) damit die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten betrifft, bedarf es für deren Feststellung jedoch objektiver, äußerer Tatbestände i.S. eines Vertrauensprinzips (Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont).

Besonders ersichtlich wird das bei den wenigen einseitigen Rechtsgeschäften, welche durch strenge Form verkörpert sein müssen: das Stiftungsgeschäft (§ 81), das Inhaberpapier (§ 794), die Auslobung (§ 657) und die letztwillige Verfügung (Testament, §§ 2229 ff.).

Verträge, als deren Beispiel hier der Kaufvertrag steht, und alle anderen mehrseitigen Rechtsgeschäfte können zumeist auf bestimmte Formen der verpflichtenden Erklärung verzichten. Die Äußerung des Geschäftswillens ist für den Inhalt des Vertrags maßgeblich.[37] Ausnahmen bestehen für einige besondere Geschäftsvorfälle, z.B. bei Grundstücken, §§ 311b, 128, und die Bürgschaftserklärung, § 766 (mit Rückausnahme als Handelsgeschäft, § 350 HGB).

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Die Vertragsordnung drückt sich in Schuldgeschäften aus, also in Verpflichtungsgeschäften, welche gegenseitige Verpflichtungen i.S.v. §§ 320 ff. schaffen (Forderungen), aber selbst noch keine Veränderung der Herrschaftslage etwa zu Besitzrechten, Eigentumsrechten, Forderungsinhaberschaft etc. bewirken. Die Verträge schaffen eine Ordnung „nur“ von freiwillig übernommenen Pflichten, welche final auf die Erfüllung und Befriedigung bestimmter Bedürfnisse der Beteiligten gerichtet sind. Ihr Zweck wird erst mit der nachfolgenden vertragsgemäßen Erfüllung (vgl. §§ 362 ff.) erreicht (durch Verfügungsgeschäfte). Das kann im sachenrechtlichen Übereignungsakt (z.B. § 929; bei Rechten im Übertragungsakt, z.B. Abtretung, § 398) sein, je nach Pflichtinhalt auch schlicht im geschuldeten Verhalten (einem Tun oder Unterlassen) einerseits, und der Erbringung der versprochenen Gegenleistung andererseits. Die „Vertragsordnung“ gliedert sich sodann nach dem Schuldinhalt, also danach, was und wie zu erfüllen ist (Kauf als Austauschschuldverhältnis; Miete als Überlassungsschuldverhältnis etc.). Zustande kommen diese vertraglichen Schuldverhältnisse dabei immer durch Vertragsschluss.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › A. Grundsätze › IV. Prüfungsschema zu Ansprüchen aus vertraglichen Schuldverhältnissen

IV. Prüfungsschema zu Ansprüchen aus vertraglichen Schuldverhältnissen

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I. Feststellung des Schuldverhältnisses 1. Wirksames Zustandekommen durch Vertragsschluss (z.B. Kauf) 2. Keine rechtshindernden Einwendungen 3. Beispiele: – Formnichtigkeit, § 125 – Gesetzesverstoß, Sittenwidrigkeit, §§ 134, 138 – § 306 Abs. 1 (AGB-Inhaltskontrolle, §§ 307–309)
II. Forderungsrecht kraft des Schuldverhältnisses im Sinne einer Klagebefugnis (den Anspruch tragende Form) 1. Erfüllungsklage (z.B. § 433 Abs. 1 auf Übergabe und Übereignung) 2. Sekundäre Klagen (z.B. Gewährleistung, § 437)
III. Anspruch nicht untergegangen 1. Rechtsvernichtende Einwendungen 2. Beispiele: – Erfüllung, §§ 362 ff. – Aufrechnung, § 389 – Rücktritt, § 346 (oder Widerruf bei Verbrauchervertrag, § 355) – Unmöglichkeit, § 275 – Anfechtung, § 142 Abs. 1 (mit §§ 119, 121 oder §§ 123, 124) – Aktiver/passiver Inhaberwechsel (z.B. §§ 398; 566; 613a) – § 313; 242
IV. Anspruch durchsetzbar 1. Rechtshemmende Einreden (nur wenn erhoben!) 2. Verjährung, §§ 195 ff., 214 Abs. 1 3. Einrede des nichterfüllten Vertrages, § 320 4. Zurückbehaltungsrecht, § 273

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › A. Grundsätze › V. Kleine juristische Arbeitstechnik

V. Kleine juristische Arbeitstechnik

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Alles Recht ist (nur) eine Sollens-Ordnung und zumeist auf die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (mit Ausnahmen z.T. im Sachenrecht) und mit nur ganz wenigen Ausnahmen auf seine Leistungsbereitschaft angewiesen, die ggf. nur mit gerichtlicher Hilfe ersetzt werden kann. Eine Ordnung ist es für die Rechtsgemeinschaft, weil Rechte und Pflichten als Konditionalsätze statuiert sind (nach dem Motto: „Wenn …, dann …“) und sich deshalb als Rechtsfolge aus einem festgelegten Tatbestand ergeben.

Für den Bereich der hier darzustellenden Vertrags- oder Ausgleichsordnung bedeutet das, dass alle in einem Rechtsverhältnis begründeten Pflichten, seien sie primärer oder sekundärer Natur, auf ein konkretes Begehren gerichtet sind, das als Rechtsfolge zu benennen ist. Dieses rechtliche Ziel, die Rechtsfolge, kann also erreicht werden, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, sie also aus einem Rechtsverhältnis, konkret: aus einem Schuldverhältnis, abzuleiten ist.

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Diese Rechtsfolge lautet sowohl klausurmäßig wie auch in einem Gutachten z.B. „auf Zahlung von 500 € als Kaufpreis nach § 433 Abs. 2“ oder „als Schadensersatz nach § 823 Abs. 1“ oder „als Herausgabe des Erlangten nach § 816 Abs. 1 S. 1“. Veräußert nun etwa ein Dieb die gestohlene Sache an einen unbekannten Dritten für den angemessenen Preis von 500 €, kann der bestohlene Eigentümer vom Dieb 500 € „aus“ mehreren „Anspruchsgrundlagen“ verlangen (besser: aufgrund mehrerer durch einen Sachverhalt verwirklichter Rechtsverhältnisse, nämlich „als Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 1 und 992“ (außerdem nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 242 Abs. 1 StGB), weil das der Wert der Sache ist, die nun weg ist, und zugleich „als Erlös nach § 816 Abs. 1 S. 1“, weil das der erzielte Kaufpreis ist. Er bekommt den Betrag aber doch nur einmal – weshalb die Formulierung „aus § 823 Abs. 1“ und „aus § 816 Abs. 1 S. 1“ etc. an sich genauso falsch, jedenfalls irreführend ist, wie diejenige eines „Anspruchs auf Schadensersatz“ zumindest unvollständig ist, denn die Berechnung des Schadensbetrags nach §§ 249 ff. gehört auch zur Rechtsfolge und ist nicht immer so einfach wie in diesem Beispiel.

 

Eine Pflicht kann genauso z.B. „auf Übereignung und Übergabe des Pkw Marke (…), Modell (…), Fahrgestellnummer (…) wegen Kaufs nach § 433 Abs. 1“ oder „nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1“ lauten, vielleicht vereinfachend auch „auf Herausgabe des Pkw (…) nach §§ (…)“, nicht aber als „Anspruch auf den Pkw (…) nach §§ (…)“. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man Eigentümer eines Pkw werden will (erstmaliger Eigentümer, weil man den Wagen gekauft hat, oder wieder Eigentümer des eigentlich veräußerten und schon weggegebenen Wagens als Rückabwicklung eines nichtigen Kaufs oder weil der Käufer nicht bezahlt), oder ob man nur Besitzer des Pkw werden will, den man gemietet hat oder der einem gestohlen wurde.

Eigentum als umfassendes Vollrecht wird (sachenrechtlich) nach §§ 929 ff. bzw. 873, 925 übertragen, der bloße Besitz dagegen nach §§ 854 Abs. 1, 868 bereits durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Anspruchsteller muss sich daher entscheiden und auf das eine oder andere Begehren klagen, je nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses. Nur dann und vorausgesetzt, das behauptete Recht besteht auch wirksam, kann ein Gericht ihm solches zusprechen.

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Hierin liegt eine Fehlerquelle infolge mangelnder Differenzierung nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses. Sowohl die Kaufpreisforderung wie der Schadensersatzanspruch und die Pflicht zur Herausgabe des Erlangten nach Bereicherungsrecht gehen auf Übereignung einer bestimmten Geldsumme oder anderer Gegenstände. Schlichte körperliche Übergabe würden die rechtliche Güterzuordnung nicht ändern, was aber gerade Funktion dieser Ansprüche ist, nämlich den beabsichtigten bzw. rechtmäßigen Zustand der Eigentumslage (wieder)herzustellen.

Wenn alles Erforderliche zu übertragen ist, muss zuerst festgestellt werden, ob dazu auch das Eigentum gehört. Dass dennoch bei Geld die Ansprüche schlicht „auf Zahlung“ formuliert werden (können), liegt allein an der unterschiedlichen prozessrechtlichen Durchsetzung. Während Geldschulden nach §§ 802a ff. ZPO beim Schuldner durch Pfändung, also vereinfacht ausgedrückt durch Wegnahme, realisiert werden, müssen andere Übereignungshandlungen von ihm erwirkt werden, vgl. §§ 883 ff. ZPO. Dazu muss das konkrete Begehren des Klägers als solches beantragt (und im Urteil antragsgemäß tituliert) worden sein. Was deshalb bei Geld (ausnahmsweise) recht undifferenziert als Anspruch formuliert werden kann, muss bei allen anderen Gegenständen nach der genauen Form der geschuldeten Pflicht (Übergabe und Übereignung oder nur Herausgabe des Besitzes) unterschieden werden. Leider beginnt die juristische Ausbildung jedoch meist mit Beispielen zum Kaufpreisanspruch und erhebt somit die Ausnahme (nämlich die Undifferenziertheit bei der Zahlung) zum vermeintlichen Standard.

Ziele und Inhalte eines Begehrens (die gewünschten Rechtsfolgen) müssen aus einem rechtlichen Verhältnis abgeleitet werden. Für ein solches vertragliches Rechtsverhältnis (vgl. die Vertragsordnung) oder ein gesetzliches Rechtsverhältnis (vgl. die Ausgleichsordnung) muss also zuerst festgestellt werden, dass es wirksam bestehe. Erst dann kann das Forderungsrecht des Einen (oder nennen Sie es die Pflicht des Anderen, beides ist dasselbe) konkret benannt werden. Dieser Feststellung von Rechtsverhältnis und damit Forderung, nämlich nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen, dient die juristische Arbeitstechnik (Subsumtion). Subsumtion führt einen Lebenssachverhalt „unter“ die rechtlichen Voraussetzungen z.B. einer begehrten Forderung und prüft, ob diese erfüllt sind. Das bedingt, dass zuerst die rechtlichen Voraussetzungen klar definiert werden. Erst anschließend kann ermittelt werden, ob sie gegeben sind, und dann kann das gewünschte Ergebnis festgestellt werden.

Formulierungsbeispiel:

Fiktiver Sachverhalt ist hier z.B. das Zurücklegenlassen eines Bekleidungsstücks in einer Boutique, um es später „abzuholen“; der Verkäufer durfte das als „ich kaufe“ verstehen, während der Käufer vielleicht nur eine unverbindliche „Reservierung“ gemeint haben könnte.

A könnte von B Zahlung von 500 € als Kaufpreis nach § 433 Abs. 2 beanspruchen. Dazu müsste ein wirksamer Kauf zwischen A und B vorliegen und der Käufer dürfte seine Zahlungspflicht noch nicht erfüllt haben. Ein Kauf ist ein vertragliches Austauschschuldverhältnis, bei welchem sich der Verkäufer zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer verpflichtet. Fraglich ist, ob sich A und B hierauf geeinigt haben und diese Einigung wirksam ist. Eine solche Einigung setzt voraus, dass (…). Dazu müsste B (…). Allerdings hatte er lediglich (…). Entscheidend ist aber nicht (…), sondern (…). Damit genügt die Erklärung des B den Voraussetzungen. Da weitere Hinderungsgründe nicht ersichtlich sind, ist das Zahlungsverlangen des A berechtigt.

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Das hier darzustellende materielle Recht gewinnt seine volle Funktion freilich erst in der vorausschauenden gestalterischen Rechtsanwendung.

Bei Übereignungs- und bei Zahlungsforderungen (nach § 433, ebenso aber nach Bereicherungsrecht etc.) sollte regelmäßig daran gedacht werden, auch die Gegenleistung anbieten zu müssen (§ 320 Abs. 1) sonst ist der Anspruch nicht durchsetzbar; A hätte im vorigen Beispiel die Einrede des nichterfüllten Vertrages, weil er nur Zug-um-Zug gegen Bereitstellung der Ware zahlen muss. Das setzt sich in einer Klageschrift fort, als dort dann idealerweise der Leistungsantrag mit der Feststellung des Gläubigerverzugs hinsichtlich der Annahme einer allfälligen Gegenleistung verbunden werden sollte (§§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2, 298), um vollstreckungsrechtlich überhaupt Erfolg haben zu können (vgl. §§ 894 S. 2, 726 Abs. 2 ZPO).

Ähnlich sollte zumindest in der Praxis überlegt werden, einen Anspruch auf Herausgabe (oder Übereignung) einer Sache mit einer Fristsetzung zur Herausgabe zu verbinden (im Hinblick auf den dann an seine Stelle tretenden Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, § 281 Abs. 1 S. 1), um dem Schuldner nicht wegen des geschuldeten Gegenstands „ewig hinterherlaufen zu müssen“. Noch wichtiger ist das spätestens im Klageverfahren, den Antrag auf Herausgabe ggf. mit einer Fristsetzung und einem Schadensersatzantrag für den Fall der Nichtherausgabe (als „unechter“ Hilfsantrag) zu verbinden.

Beide Beispiele sollen andeuten, dass Die beiden zuletzt angedeuteten prozessualen Ergänzungen beruhen schlicht auf den zum relevanten Basiswissen gehörenden Einwendungen bzw. Gestaltungsrechten.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse

B. Austauschschuldverhältnisse

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Vom Schuldinhalt her differenziert das BGB nach der charakteristischen Hauptleistung. Diese kann gerichtet sein auf Güterumsatz (Kauf) oder auf Überlassung zu Gebrauch oder Nutzung (Miete und Pacht). Des Weiteren können Arbeitsleistung und Herstellung eines Werks geschuldet sein, die je nach näherer Konkretisierung Dienst-, Werk- oder Werklieferungsvertrag sind. Daneben existieren Aufnahmeverträge (Verwahrung). Bedeutsam sind schließlich Kredit- und Kreditsicherheitenverträge (Darlehen, Bürgschaft und das Wertpapierrecht). Erwähnenswert sind schließlich noch klarstellende Verträge (Schuldanerkenntnis und Kontokorrentverhältnis). Schließlich regelt das BGB bei den Verträgen auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Nochmals zu erwähnen ist, dass diese Verträge im Wesentlichen nur Planungscharakter haben, also Umsatz, Werkerstellung oder z.B. die Inanspruchnahme einer Kreditsicherheit stets davon abhängen, dass zu der vertraglich geschaffenen Verpflichtung auch die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Verpflichteten hinzutreten müssen. Der Güterumsatz selbst ist erst die (sachenrechtliche, manchmal nur tatsächliche) Erfüllung des Schuldgeschäfts und von diesem strikt zu trennen.

Nicht jedes gesellschaftliche, persönliche Versprechen begründet notwendigerweise ein vertragliches Schuldverhältnis.[38] Außerrechtliche Gefälligkeitsverhältnisse (z.B. auf etwas oder jemanden aufzupassen, ihn im Auto mitzunehmen, etwas nutzen zu dürfen etc.) entstehen, wenn mind. einem der Partner der sog. Rechtsbindungswille fehlt und dies dem anderen erkennbar ist (etwa aufgrund der Lebensumstände unter Freunden, geringer wirtschaftlicher Bedeutung, offenzuhaltender privater Planung). Hier entsteht dann kein Erfüllungsanspruch (wie sonst etwa aus Verwahrung, Dienstleistung, Leihe etc. als rechtsverbindlichen Schuldverhältnissen). Allenfalls ist an vertragsähnliche Schutzpflichten (vgl. §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1) zu denken,[39] etwa dass der Versprechende ggf. zu angemessener Zeit vorher absagen und ansonsten den anderen stellen muss, als hätte er rechtzeitig umplanen können (Ersatz des sog. negativen Interesses: nur vermeidbare Mehrkosten, nicht der Kosten der anderweitigen Erfüllung an sich); indes können Aufklärungspflichten über gefahrträchtige Besonderheiten der „geliehenen“ Sache (korrekt: gefälligkeitshalber überlassenen Sache; denn Leihe ist ein Schuldverhältnis, § 598) haftbar machen.

Wird ein Gefälligkeitsverhältnis durchgeführt, greifen auch keine vertraglichen Haftungsmilderungen (vgl. §§ 521, 599, 690). Es bleibt beim Maßstab objektiver Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1) der deliktischen (ggf. auch der vorvertraglichen, § 280 Abs. 1) Schadensersatzpflicht (§§ 823 ff.; wenn nicht sogar Gefährdungstatbestände greifen wie z.B. § 833 S. 1 beim Überlassen eines Reitpferdes). Das bloße Gefälligkeitsverhältnis begründet also einerseits keine Leistungspflichten, kann aber andererseits zu einer strengeren Deliktshaftung führen als ein vergleichbares Schuldverhältnis.[40]

 

Umgekehrt kann im Gefälligkeitsverhältnis z.B. mangels rechtsverbindlicher Leihe auch nicht gegen das Verbot der Weitergabe einer Leihsache (§ 603 S. 2) verstoßen werden. Wird eine geliehene Sache unerlaubt vom Entleiher weitergegeben, haftet der Entleiher verschuldensunabhängig für Schäden durch den Dritten. Für die Schadenszurechnung genügt nämlich schon der haftungsbegründende Vertragsverstoß nach § 603 S. 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1. Der „Gefälligkeitsentleiher“ hat dagegen nur Verschulden zu vertreten (für ihn ist eben nicht „eine strengere Haftung bestimmt“ i.S.v. § 276 Abs. 1).

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse › I. Kauf

I. Kauf

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Der Kauf dient dem Umsatz von handelbaren Vermögensgegenständen. Es sind reine Liefergeschäfte, ohne spezifisch persönliche Leistungspflichten. Der Kauf unterscheidet sich von insb. Überlassungs- sowie Dienst- und Werkverträgen deshalb darin, dass es auf die Person des Vertragspartners – abgesehen von seiner Kreditwürdigkeit – weniger ankommt, als auf die Qualität der Ware.

Kaufgeschäfte reichen von privaten Kleinstumsätzen, bei denen sich etwa Nachbarn etwas „abkaufen“,[41] bis zum Großumsatz. Sein wirtschaftlicher Schwerpunkt liegt als Warenumschlagsgeschäft im Handelsrecht. Für alle Formen gelten die §§ 433 ff. gleichermaßen, allerdings als dispositives Recht, also durch gemeinsame Abrede der Parteien jederzeit änderbar und anders gestaltbar. Ergänzende Vorschriften gelten für den Handelskauf, §§ 373–382 HGB. Im BGB werden alle Erscheinungsformen des Kaufs und alle Kaufobjekte weitgehend einheitlich behandelt, mit nur geringfügigen Unterschieden in einzelnen Beziehungen. Auch hierbei erschwert die stark systematisierende und schulmäßige Darstellung des BGB Verständnis und Anwendung der Regelungen auf konkrete Erscheinungsformen der Kaufgeschäfte.

1. Kaufobjekte

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Das Umsatzgeschäft des Kaufs besteht im Austausch von Gütern und Geld,[42] meist zur Befriedung wirtschaftlicher Bedürfnisse. Der Grundtyp ist der Warenaustausch, auf den der Kauf von Rechten, insb. also von Wertpapieren, verweist (§ 453 Abs. 1). Nicht dazu gehört also der „Kauf“ von Fahrkarten und Eintrittskarten, welche vielmehr sog. Inhaberzeichen für die Rechte aus einem Werkvertrag sind. Software kann Kaufgegenstand sein (meist bei Standardsoftware),[43] je nach Inhalt der Pflichten aber auch Gegenstand eines Werkvertrags (individuelle Programmierung) oder der Pacht (als Lizenzvertrag).

Kauf ist z.B. auch der Grundstückskauf (§ 311b Abs. 1), Erbschaftskauf (§ 2371), Pfandverkauf (§§ 1233 ff., 1273) und der Verkauf eines GmbH-Anteils (§ 15 GmbHG). Auch Sach- und Rechtsgesamtheiten wie z.B. ein Unternehmen, eine Arztpraxis oder die angefallene Erbschaft (§ 2371) sind mögliche Kaufobjekte. Stets umfasst der Vertrag die Gesamtheit der organisierten Vermögenswerte einschließlich immaterieller Güter wie Firma, Kundenbeziehungen oder Goodwill.[44] Erst bei der Erfüllung des Schuldgeschäfts, also im Hinblick auf die Verfügungsgeschäfte, müssen die Einzelteile solcher Entitäten jedes für sich und entsprechend seiner Rechtsnatur unterschiedlich übertragen werden.

Verkäuflich sind nicht nur vorhandene Objekte, sondern auch erst zu beschaffende, wie fremde Sachen oder Rechte oder die künftige Produktion. Bei nicht vorrätiger Ware ist sodann der Kaufvertrag insb. vom Werklieferungsvertrag (§ 651) zu unterscheiden, wobei sich die daran anschließenden Problemstellungen weithin gleichen. Ist dagegen die künftige Sache erst durch Ausbeutung zu schaffen, die der Erwerber selbst übernehmen soll (Auskiesung, Ernte), handelt es sich dagegen um Pacht, nicht um Kauf.

Das Kaufrecht als Umsatzgeschäft muss sich insoweit mit vier Problemkreisen befassen: 1. Inhalt und Umfang der Primärpflichten (insb. der primären Hauptpflichten); 2. Gewährleistungspflichten des Verkäufers bei Mängeln; 3. Gefahrtragung in der Zeit zwischen Abschluss und Erfüllung des Kaufvertrags; 4. Erwerbsnebenkosten.