Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

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b) Rechte und Pflichten der Parteien

440

Die Rechte und Pflichten der Parteien des Vertragshändlerverhältnisses sind neben denjenigen des Kaufrechts solche aus § 675 BGB,[199] also insb. das Weisungsrecht des Herstellers (vgl. §§ 675 Abs. 1, 665) und die Informationspflichten des Händlers (vgl. §§ 675 Abs. 1, 666). Der Hersteller muss dem Vertragshändler in gewissen Grenzen auch eine Vertriebsunterstützung gewähren (ähnlich der für Handelsvertreter nach § 86a HGB).

Wie der Vertragshändler verpflichtet sein kann, sich auf eigene Rechnung einen Warenvorrat zuzulegen, mag in Einzelfällen insoweit auch eine Zurücknahmepflicht des Herstellers greifen, wenn die Vorräte etwa wegen Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses unverkäuflich werden und dem Vertragshändler hierbei kein vorwerfbares Verhalten anzulasten ist.

2. Franchiseverhältnis

441

Franchising ist kein Rechtsbegriff, sondern ein Phänomen der Betriebspraxis, das unterschiedlich ausgestaltet sein kann.[200] Beim Franchising wird eine Kette autorisierter, rechtlich selbstständiger Unternehmer von einem Franchisegeber ständig damit betraut, bestimmte Waren oder Dienstleistungen in einem einheitlichen Erscheinungsbild am Markt anzubieten. Noch viel weitergehender als etwa beim Vertragshändler tritt beim Franchising eine gemeinsame Handelsbezeichnung, zumeist eine Marke, nicht nur neben die Firma der Franchisenehmer, sondern – jedenfalls vertriebsbezogen – ganz an deren Stelle.

Beispiel:

Diese Struktur bietet sich an für die dezentrale Herstellung und Abfüllung eines weltweit angebotenen Getränks, dem überall eine identische Rezeptur zugrunde liegt, ebenso für Restaurantketten mit stets identischem Angebot von Speisen und Getränken, die aus strengstens festgelegten Zutaten in überall identischen Fertigungsprozessen (bis hin zu den exakt einzuhaltenden Gartemperaturen) hergestellt und mit überall gleichem Erscheinungsbild (von der Verpackung über die Gastronomieeinrichtung bis zur Architektur der Gebäude) angeboten werden. Weitere Beispiele sind Drogeriemarktketten, Baumarkt-, Autoteile- und Werkstattketten, Weindepots ebenso wie Reisebüro- und Hotelketten u.v.m.

Dies ist auch der Hintergrund für die ungeheure Dichte der „Filialnetze“ von Handy-Shops. Es handelt sich ganz überwiegend um selbstständige Unternehmer, der Netzbetreiber trägt kein Investitionsrisiko. Auch die Versprechungen der Verkäufer zur Netzqualität (des Empfangs), zu vertraglicher Flexibilität etc. binden ihn nicht, denn in Bezug auf den Mobilfunkvertrag sind die Shops nur Nachweismakler, der Vertragsschluss erfolgt durch den namensgebenden Konzern selbst.

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Im Außenverhältnis handelt jeder Franchisenehmer, gleich einem Vertragshändler oder Kommissionär, im eigenen Namen. Charakteristisch für das Franchise ist allerdings – in einem gewissen Widerspruch dazu – das (scheinbare) Auftreten aller Franchisees unter einem gemeinsamen firmen- bzw. markenähnlichen Handelsnamen.

a) Abgrenzung

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Zumindest bei oberflächlicher Betrachtung ist die Unterscheidung eines selbstständigen Franchisenehmers von einer unselbstständigen Filiale (Betriebsstätte) gezielt verschleiert und vielfach sind Vertriebssysteme derselben Marke an unterschiedlichen Standorten auch rechtlich entsprechend unterschiedlich organisiert. Der Hinweis auf die Franchise-Partnerschaft findet sich im Kundenverkehr, wenn überhaupt, an eher versteckter Stelle. Hierin liegt der Unterschied im Marketing zum Vertragshändler, der seine eigene Firma (etwa als Autohaus) parallel zur Handelsbezeichnung der vertriebenen Waren und Dienstleistungen (etwa der Automobilmarke) führt.

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Im extremen Fall des vollständigen Zurücktretens des Franchisenehmers im Kundenverkehr müsste sein Handeln als unternehmensbezogenes Geschäft des Franchisegebers verstanden werden, auf den der Franchisenehmer deutlich, wenn auch nicht firmenmäßig, hinweist (verbunden mit einer Anscheinsvollmacht). Der Franchisenehmer wäre in der Konsequenz nur ein (unselbstständiger) Buchungskreis des Vertretenen. Dies ist nicht gewollt, was vom Rechtsverkehr akzeptiert wird, weshalb aber zumeist an versteckter Stelle doch hingewiesen wird: „all (e.g. restaurants) are individually owned and operated by independent franchisees“.

b) Rechtsverhältnis

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Franchising ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis nach § 675 BGB, das überwiegend Dienstleistungselemente in beide Richtungen umfasst. Während der Franchisenehmer den Absatz unter Herausstellung des gemeinsamen Handelsnamens zu fördern übernimmt, versteht es der Franchisegeber als seine Dienstleistung, ein vorfabriziertes Betriebsführungs- und Marketingkonzept zur Verfügung zu stellen und dessen Umsetzung zu unterstützen und zu überwachen (Know-how Transfer). Die Markenführung durch den Franchisenehmer erfolgt über einen Lizenzvertrag in der schuldrechtlichen Form der Rechtspacht. Dazu kommen individuell unterschiedliche, für das konkrete Franchiseverhältnis aber bedeutsame Elemente des Kaufs, des Dienst-, Werkvertrags, der Pacht oder Miete, je nachdem, welche Unternehmensfunktionen vereinheitlicht werden sollen. Das reicht von vorgeschriebenen Bezugsadressen des Wareneinkaufs bei Restaurantketten bis zur Wahrnehmung einzelner Geschäftsführungsbefugnisse des Franchisenehmers durch den Franchisegeber im Rahmen von sog. Managementverträgen etwa in der Führung von Hotelbetrieben als Hotelkette. Stets bleibt die rechtliche Selbstständigkeit des Franchisenehmers formal gewahrt, der Franchisegeber übernimmt in keinem Fall die Unternehmensträgerschaft.

c) Problemstellungen

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Der weitrechende Einfluss des Franchisegebers hat auch gesellschaftsrechtliche Folgen. So wird als Franchisenehmer stets nur eine Personengesellschaft (typisch wohl als GmbH & Co. KG) oder eine natürliche Person infrage kommen. Im Aktienrecht würden sich Probleme des (faktischen) Konzerns sowie einer Haftung des Franchisegebers nach § 117 Abs. 1 AktG stellen, im Recht der GmbH solche des existenzvernichtenden Eingriffs bei kompensationslosen Eingriffen und Verursachung der Insolvenz (vgl. § 826 BGB).

Im Übrigen ist eine Ausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen über die AGB-Kontrolle (vgl. §§ 310 Abs. 1, 307 BGB) und im Einzelfall über § 138 BGB und § 242 BGB in äußersten Grenzen sicherzustellen.

447

Das Entgelt, das der Franchisegeber erhält, ist so variantenreich wie seine beizustellenden Leistungen. Regelmäßig wird der Know-how Transfer und die Befugnis zur Markenführung durch einen vom Franchisenehmer abzuführenden Prozentsatz vom Umsatz entgolten. Hinzukommen jedoch Gewinnanteile aus der Preiskalkulation für Wareneinkaufspflichten des Franchisenehmers und seine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von (Management-)Dienstleistungen etc., welche entweder direkt gegenüber dem Franchisegeber bestehen oder zumeist gegenüber (abhängigen) Beteiligungsgesellschaften des Franchisegebers. Schließlich erfolgt vielfach auch eine Weiterbelastung zentraler Kosten etwa für Werbung in Form einer pauschalisierten Umlage auf die Franchisenehmer.

d) Analoge Anwendung von Handelsvertreterrecht

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Weder das Vertragshändlerverhältnis, noch dasjenige mit Kommissionsagenten oder Franchisenehmern erfüllt die besonderen Voraussetzungen des Schutzes aus den Treuverpflichtungen nach den §§ 84 ff. HGB. Vergleichbar besteht in allen Fällen jedoch eine ständige Betrauung mit dem Absatz von Waren und Dienstleistungen für den Prinzipal (anders beim Kommissionär, der nach dem Vorstellungsbild der §§ 383 f. HGB nur von Fall zu Fall tätig wird, aber dessen unbeschadet auch in einer ständigen Absatzbeziehung zum Kommittenten stehen und dann zur terminologischen Abgrenzung als Kommissionsagent bezeichnet werden kann). Unterschiede bestehen zuerst im Handeln in eigenem oder fremdem Namen.

Unmittelbar aus dem hier allen gemeinsamen Geschäftsbesorgungsverhältnis (vgl. § 675 Abs. 1 BGB) folgen die als Konkretisierung der Interessenwahrungs- und Informationspflichten bzw. Weisungsrechten (vgl. §§ 665 f. BGB) vertypten Unterstützungspflichten (vgl. § 86a HGB) und Verschwiegenheitspflichten (vgl. § 90 HGB). Aus dem Dauerschuldcharakter des in der ständigen Betrauung liegenden Dienstleistungsverhältnisses folgt ohne Weiteres die in § 86 HGB etwa konkretisierte Tätigkeitsverpflichtung ebenso wie die daraus folgende Schutzbedürftigkeit hinsichtlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote (vgl. § 90a HGB). Die Regelungen dieser Vorschriften gelten deshalb in allen diesen Fällen gleichermaßen.

 

449

Eine Analogie zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB ist dagegen umstritten, weil infolge unterschiedlichen Verständnisses seiner Voraussetzungen und seines Schutzguts eine Vergleichbarkeit mit den Umständen der anderen Rechtsverhältnisse unterschiedlich beurteilt werden kann.[201] Das betrifft zum einen die durch die sog. Sogwirkung einer Marke gewonnenen Kunden, welche den ausgleichspflichtigen, nämlich vom Geschäftsbesorger aktiv geworbenen Kunden gegenübergestellt werden; zum anderen die Frage, ob die nach Beendigung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses für die Ausgleichspflicht notwendigerweise erforderliche Ziehung weiteren Vorteils aus diesem Kundenkreis durch den Geschäftsherrn eine rechtliche oder wenigstens tatsächliche Übertragung des Kundenstamms erfordert; hier sind die gesetzlichen Formulierungen noch stark von der Vorstellung eines Handlungsreisenden mit eigener Kundendatei geleitet. Je weitergehender Letzterer nur als historische Versinnbildlichung jeden Vertriebs verstanden wird und je mehr die konkrete Vertriebspräsenz, letztlich also auch die zufällige Abschlussgelegenheit für die Kaufentscheidung für maßgeblich erachtet wird, bieten sich Anhaltspunkte für vergleichbare Interessenlagen und damit die analoge Anwendung.

Einzelheiten sind umstritten, und es findet sich eine vielfältige, eher kasuistische Rechtsprechung. Vereinheitlichende Aussagen werden zudem erschwert durch die Vielgestaltigkeit der Vertragshändler- und Franchiseverhältnisse, die als Begrifflichkeiten der Betriebspraxis schwerlich mit generalisierten Rechtsfolgen verbunden werden können. Soweit etwa der Automobilvertrieb einzelner Marken vorwiegend über eigene Niederlassungen und im Übrigen Handelsvertreter, der Vertrieb anderer Marken über eigene Niederlassungen und Vertragshändler kombiniert wird, ohne dass dies bei den Autohäusern erkennbare operative Unterschiede zeitigen würde, wäre eine diametral gegensätzliche Handhabung des Ausgleichsanspruchs in dieser Branche nur schwer einzusehen.

Das Franchising, das aufgrund ausschließlicher Herausstellung der gemeinsamen Marke Anlass zur Diskussion über die Zurechnung der von den Franchisees geschlossenen Verträge zum Franchisor geben kann und bejahendenfalls damit zum Handelsvertretersystem würde, charakterisiert umgekehrt eine strikte Vermeidungsstrategie im Hinblick auf Abfindungsansprüche nach § 89b HGB. Insb. das vereinheitlichte Erscheinungsbild aller Franchisenehmer unter dem überall identischen Handelsnamen der Kette und die Zentralisierung der Werbung beim Franchisegeber führen dazu, dass Kunden verstärkt durch die sog. Sogwirkung der Marke gewonnen werden, was die Franchisenehmer durch die pauschalisierte Umlage der Kosten des Marketings sogar noch selbst finanzieren. Eine entsprechende Anwendung des Ausgleichsanspruchs muss zumindest in den Fällen bejaht werden, in denen Franchisenehmer und ebenso etwa Vertragshändler eine Kundendatei führen und die Daten daraus dem Franchisegeber zugänglich machen müssen, sei es während oder erst mit Beendigung der Vertriebsbeziehung.[202] Je geringer aber der Umfang des individuellen Service und des persönlichen Vertrauensverhältnisses des Kunden zu einem konkreten Franchisenehmer ist, desto weniger wird der Kundenstamm des Einzelnen seinen Geschäftsbemühungen zuzurechnen sein. Etwa bei bekannten Hotel- oder Restaurantketten liegt der Geschäftserfolg des Franchisenehmers wesentlich im Erkennen und in der Nutzung vorhandener örtlicher Publikumsströme der markentypischen Zielgruppe. Er beutet die Möglichkeiten der Lizenz damit sinnvoll aus, schafft aber selbst keinen bleibenden Mehrwert. Diese Situation ist mit der des Handelsvertreters nicht vergleichbar, sondern erschöpft sich insoweit in der Rechtspacht.[203]

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › F. Aufnahmeverhältnisse

F. Aufnahmeverhältnisse

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › F. Aufnahmeverhältnisse › I. Verwahrung

I. Verwahrung

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Das Verwahrungsverhältnis hat eine äußere Ähnlichkeit mit Miete und Leihe, in dem gleichermaßen eine Sache in fremden Gewahrsam übergeben wird. Hieraus folgen stets Obhutspflichten. Bei Miete und Leihe erfolgt die Übergabe jedoch im Interesse des Gebrauchs des überlassenen Objekts, wofür der Übernehmer ein Entgelt bezahlt, die Obhut ist dort nur Nebenpflicht.

Bei den Verwahrungsverhältnissen liegt das eigentliche Leistungsinteresse beim Überlasser der Sache, und zwar gerade in der Obhut über diese, hier als Hauptpflicht. Demgemäß zahlt er als „Hinterleger“ eine „Verwahrungsgebühr“ oder ein Lagergeld für die sichere und pflegliche Verwahrung. Schuldinhalt des Verwahrungsverhältnisses ist nach § 688 die Obhut, die sich nicht allein in der Unterbringung der Sache erschöpft; vielmehr gehört auch die notwendige sichernde und schützende Tätigkeit des Verwahrers dazu. Wie weit dieses im Einzelfall geht, ist abhängig vom Gegenstand und den Umständen und durch Vertragsauslegung zu ermitteln.

Beispiele:

Das Einstellen von Pferden in Boxen eines Reiterhofs ist Verwahrung und nicht nur Miete, wenn zumindest auch das Misten, Tränken und Füttern geschuldet wird; bloßes Weiden kann pachtähnlichen Charakter haben. Sind Bewegen, Putzen, Hege und Pflege eines zu betreuenden Pensionstiers vereinbart, spricht das für Verwahrung. Die Verwahrung von Pelzbekleidung während des Sommers bei einem Kürschner wird regelmäßig auch Pflege und Instandhaltung umfassen.

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Obhut bedeutet die Übernahme der Verantwortung für eine Sache, die dazu dergestalt übergeben werden muss, dass der Hinterleger seine Sachherrschaft ganz aufgibt. Verwahrung in diesem Sinne ist deshalb nur an beweglichen Sachen möglich, nicht an Grundstücken und nicht an Rechten.

Beispiele:

Obhut und Verwahrung gehen über bloße Bewachung hinaus. Schließfachmiete bei einer Bank ist keine Verwahrung, ebensowenig das Einstellen eines Pkw auf einen bewachten Parkplatz; in diesen Fällen ist die Bewachung, so sie denn überhaupt geschuldet wird, dienst- oder werkvertragliches Element eines gemischten Vertrags, der wesentlich Miete ist. Die Aufbewahrung von Sachen i.S.e. Verwahrungsverhältnisses kann auch Nebenleistung in einem Schuldverhältnis sein, so etwa im Rahmen der als Mietverhältnis einzuordnenden Benutzung eines öffentlichen Schwimmbades. Gleiches gilt auch bei Dienst- oder Werkverträgen, wenn dort Besucher gezwungen werden, ihre Garderobe so abzulegen, dass sie diese nicht selbst im Blick behalten können (Gaststätten, Theater, Bibliotheken etc.). Verwahrung als Nebenleistung entsteht auch hinsichtlich der überlassenen Einlagen beim Geschäftsbesorgungsvertrag einer Bank oder des überlassenen Stoffes beim Werklieferungsvertrag.

1. Entgeltliche und unentgeltliche Verwahrung

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Die Grundfigur des Verwahrungsverhältnisses in den §§ 688 ff. ist doppelt ausgebildet, nämlich als entgeltlicher und damit gegenseitiger Vertrag mit dann normaler Sorgfaltshaftung entsprechend § 276; andererseits auch als unentgeltliche Verwahrung mit entsprechend gemilderter Haftung (vgl. § 690). Zur Abgrenzung stellt § 689 eine den §§ 612, 632 vergleichbare Regel auf.

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Entgeltliche Verwahrung ist etwa das handelsrechtliche Lagergeschäft (§§ 467–475h HGB).

Zur entgeltlichen Verwahrung gehören auch die meisten Verwahrungsverhältnisse als Nebenleistungen, bei denen die Verwahrung zwar nicht speziell entgolten wird, aber in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem entgeltlichen Vertrag steht, so in Gaststätten oder Theatern etwa bei Benutzungszwang von Garderoben, die für den Nutzer während seines Aufenthalts nicht einsehbar sind; bloßes Bereithalten einer Ablagemöglichkeit bedeutet jedoch nicht, Obhut über die abgelegten Sachen übernehmen zu wollen.

Unentgeltliche Verwahrung ist abzugrenzen zum Gefälligkeitsverhältnis, so etwa bei nachbarlicher Erlaubnis zum Abstellen von Gegenständen im fremden Kellerraum, wobei gerade dieses Beispiel für die Existenz von Nebenpflichten auch außerhalb vertraglicher Bindungen spricht, etwa hinsichtlich eines notwendigen Zusperrens der Kellertüre, das ansonsten im Belieben des Eigentümers steht. Dagegen liegt bei Zwang zur Garderobenbenutzung in Gaststätte oder Museum und fehlender Einsehbarkeit für den Gast während des Aufenthalts Verwahrung vor und nicht Gefälligkeit.

2. Fürsorgepflichten, Substitution

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Die Obhut der Verwahrung erzeugt sachliche Fürsorgepflichten, die jedoch keine treugebundene Geschäftsbesorgung sind, wenngleich der Verwahrer verpflichtet sein kann, freie Entscheidungen in Bezug auf die Ordnungsgemäßheit der Aufbewahrung zu treffen (vgl. etwa §§ 691, 692 und den Anspruch auf Ersatz für solche Aufwendungen, § 693). Solche Nebenpflichten folgen lediglich aus der Gefahrenverteilung im Verwahrungsverhältnis, wonach der zufällige Untergang des Verwahrungsguts stets den Hintermann trifft; Zufall setzt zur Abgrenzung vom Verschulden aber die Definition von Pflichten voraus (vgl. § 276 Abs. 2).

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§ 691 S. 1 und 2 (Hinterlegung bei Dritten) entspricht der Substitution beim Auftrag nach § 664 Abs. 1 S. 1 und 2, Rechte und Haftung sind deshalb hier wie dort parallel – bei zugelassener Substitution haftet der Verwahrer nur für Auswahlverschulden, nicht aber für den Substituten, bei unzulässiger Substitution haftet er hingegen sogar für Zufall (anders bei gewerblicher Lagerung, bei der für das Verschulden des Dritten als Erfüllungsgehilfe auch bei zugelassener Dritteinlagerung gehaftet wird, vgl. §§ 472 Abs. 2, 475 S. 2 HGB). S. zur Bedeutung dieses Unterschieds für die Drittschadensliquidation (sog. Obhutsfälle) sogleich.

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Umgekehrt haftet der Hinterleger wegen Verletzung seiner besonderen Fürsorgepflicht, wenn von der hinterlegten Sache eine unerkennbare Gefahr für den Verwahrer ausgeht, vor der er ihn hätte warnen müssen (vgl. § 694).

3. Haftung

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Der Verwahrer haftet nach den §§ 280 ff., 823 sowohl für die Beschädigung der Sache als auch für – schuldhafte – Unmöglichkeit der Rückgabe (die eigentliche Sach- und Bestandsgefahr bleibt beim Hinterleger). Es gilt die Umkehr der Beweislast nach § 280 Abs. 1 S. 2; für die Erfüllungsgehilfen haftet der Verwahrer über § 278. Grundsätzlich hat der Verwahrer das Verwahrungsgut vor schädigenden Einflüssen zu bewahren und im Schadensfall auch die Rettung zu versuchen, soweit dies angemessen ist.

Bei der unentgeltlichen Verwahrung (vgl. § 690) haftet der Verwahrer insoweit nur für die Anwendung eigenüblicher Sorgfalt. Ihn trifft dann auch kein Vorwurf daraus, dass er eigenes, auch wertloses Gut bei Rettungsbemühungen dem Verwahrungsgut vorzieht.

4. Verwahrung als Dauerschuldverhältnis

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Der Verwahrungsvertrag hat Dauerschuldcharakter. Deshalb entspricht es der Interessenlage, dass der Hinterleger die verwahrte Sache jederzeit zurückfordern kann, auch wenn für die Verwahrung eine feste Verwahrungszeit bestimmt war (vgl. § 695). Umgekehrt kann der Verwahrer jederzeitige Rücknahme verlangen, bei vereinbarter fester Verwahrungszeit jedenfalls unter der Voraussetzung des wichtigen Grundes (vgl. § 696). Die Rückgabe ist nach § 697 Holschuld.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › F. Aufnahmeverhältnisse › II. Sonderformen des Verwahrungsgeschäfts