Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

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§ 1 Vorbemerkung

Volker Mayer

§ 1 Vorbemerkung

A.Wirtschaftsrecht im Wirtschaftsprüfungsexamens1 – 3

B.Warum Recht im Wirtschaftsprüfungsexamen?4 – 6

C.Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers7 – 20

I.Identifikation und Beantwortung von Rechtsfragen8 – 13

1.Beispiel Umwandlungsprüfung9 – 11

2.Beispiel Jahresabschlussprüfung12

3.Beispiel WpHG-Prüfung13

II.Vertiefte Kenntnisse höchster Kompetenzstufe14 – 20

1.Beispiel Fairness Opinion und Transaktionsberatung16 – 19

2.Beispiel Prospektrecht20

§ 1 Vorbemerkung › A. Wirtschaftsrecht im Wirtschaftsprüfungsexamens

A. Wirtschaftsrecht im Wirtschaftsprüfungsexamens

1

Inhaltlich richtet sich dieses Werk entsprechend seiner im Titel ausgedrückten Widmung nach dem Prüfungsgebiet Wirtschaftsrecht im Wirtschaftsprüfungsexamen entsprechend § 4 Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung (WiPrPrüfV; Stand vom 6. Februar 2019). Es sind dies laut Referenzrahmen folgende funktionsbezogene Kompetenzen:


Erläuterung der Skalierung: A = Grundwissen B = Verständnis C = Anwendung D = Analyse E = Synthese F = Bewertung Zugangsprüfung Master-Studium Masterabschluss/ WP Examen
Wirtschaftsrecht
1. Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, insb. Recht der Schuldverhältnisse und Sachenrecht, Grundzüge des Arbeitsrechts C F
Grundzüge des internationalen Privatrechts, insb. Recht der Schuldverhältnisse und Sachenrecht A D
2. Handelsrecht, insb. Handelsstand und -geschäfte einschließlich internationalem Kaufrecht C F
3. Gesellschaftsrecht (Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, Recht der verbundenen Unternehmen), Corporate Governance und Grundzüge des Kapitalmarktrechts B F
4. Umwandlungsrecht A F
5. Grundzüge des Insolvenzrechts A F
6. Grundzüge des Europarechts A D

2

Die Darstellung enthält hinsichtlich der funktionsbezogenen Kompetenzen sechs Kompetenzausprägungen, die jeweils am Ende der Lernphase vorliegen sollen.


A Grundwissen: Studierende kennen die wesentlichen Definitionen und können die herrschende Meinung wiedergeben.
B Verständnis: Studierende können das Wissen ordnen und es systematisch wiedergeben. Probleme werden erkannt.
C Anwendung: Studierende können das erworbene Wissen anwenden und eigene Berechnungen sowie Interpretationen erstellen. Einzelfälle können angemessen gelöst werden; die Ergebnisse können ausgewertet werden.
D Analyse: Studierende können komplexe Problemstellungen erkennen und auf Basis der erworbenen Erfahrung analysieren.
E Synthese: Studierende können korrigierend in Prozesse eingreifen, neue Vorgehensweisen entwickeln und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die eigene Leistung angemessen darzustellen und lösungsorientiert weiterzuentwickeln.
F Bewertung: Studierende können Werturteile abgeben, Vergleiche heranziehen und richtige Schlussfolgerungen ziehen. Sie können Prognosen erstellen und die eigenen Aussagen rechtfertigen.

3

Die von der Wirtschaftsprüferkammer veröffentlichten Klausuren des Prüfungsgebietes Wirtschaftsrecht wurden für dieses Handbuch ausgewertet.

Ziel des Handbuches ist es, die Kompetenz zu fachlicher Synthese und zur Bewertung von Lösungsmöglichkeiten durch Verknüpfung der Inhalte untereinander und mit den Vorgaben aus anderen betrieblichen Unternehmensfunktionen zu fördern. Die Darstellung erfolgt weitgehend anhand von Problemstellungen aus ganz unterschiedlichen Unternehmenszusammenhängen. Dadurch kann der Stoff gerade auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung nicht zuletzt im Rechnungswesen und in der Besteuerung behandelt werden.

Großer Wert wird schließlich auf Gestaltungsmöglichkeiten gelegt. Und zwar nicht durch bloßes Nebeneinanderstellen von Alternativen, sondern dadurch, dass herausgearbeitet wird, von welchen Tatsachen und wirtschaftlichen Zielen ihre Bewertung abhängt. Die Arbeit am (wirtschaftlichen) Sachverhalt, die Tatsachenermittlung und die Feststellung des wirtschaftlich Gewollten, ist mindestens ebenso wichtig, wie die darauf aufbauende Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung.

§ 1 Vorbemerkung › B. Warum Recht im Wirtschaftsprüfungsexamen?

B. Warum Recht im Wirtschaftsprüfungsexamen?

4

Bürgerliches Recht und Handelsrecht bilden die Grundlage des Wirtschaftsprüfungsauftrages. Der einem externen Wirtschaftsprüfer erteilte Prüfungsauftrag ist regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter. Er wird zudem meist ausgeformt durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die aber in besonderer Weise zum Vertragsinhalt gemacht werden müssen und einer strengen AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. Aus diesem Schuldverhältnis haftet der Prüfer für Pflichtverletzungen durch ihn selbst oder seine Erfüllungsgehilfen (§§ 276, 278 BGB). Von großer Bedeutung ist, inwieweit ein Prüfungs- oder ähnlicher Vertrag, z.B. auf Erteilung einer Auskunft oder Erstattung eines Gutachtens, vertragliche Schutzwirkung zugunsten Dritter haben kann, die sich auf das Testat verlassen und ggf. den Wirtschaftsprüfer für fehlerhafte Feststellungen in Haftung nehmen können. Hinzu kommt die Deliktshaftung nach §§ 823 ff. BGB. Daneben tritt bei Pflichtprüfung als zentrale Haftungsnorm § 323 HGB. Im Rahmen einer Prospektbeurteilung greift die Prospekthaftung.

 

5

Schaubild:

Aufgaben von Wirtschaftsprüfern


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Die Vorbehaltsaufgaben von Wirtschaftsprüfern setzen ebenfalls vertiefte handels- und gesellschaftsrechtliche Kenntnisse, einschließlich des Umwandlungsrechts voraus. Nur so können gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen überhaupt fachlich geprüft werden; darauf wird in den Kapiteln zum Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht näher einzugehen sein.

Am Beispiel des nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu erstellenden Jahresabschlusses (§§ 242 ff. HGB) wird aber deutlich, dass Ersteller wie Prüfer in der Lage sein müssen, Geschäftsvorfälle (Handelsgeschäfte) als solche – auch juristisch – ebenso beurteilen zu können wie die Wirksamkeit daraus entstandener Forderungen und Verbindlichkeiten, Rechte und Pflichten nach ihren jeweiligen zivil- und handelsrechtlichen Grundlagen.

Das zu bilanzierende Vermögen (§ 247 HGB) des Kaufmanns machen denn auch nicht einfachhin Wirtschaftsgüter (Maschinen, Fahrzeuge etc.) aus, sondern vielmehr etwa das an ihnen bestehende rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum, wobei letzteres oftmals auf der Einräumung von z.B. Nutzungsrechten aus dem Bereich des Schuld- oder Sachenrechts beruht.

Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zum Ansatz von Fortführungswerten in der Bilanz mit dem Hinweis auf womöglich entgegenstehende tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten unmittelbar ins Insolvenzrecht, auf Insolvenzgründe und Antragspflicht nach § 15a InsO verweist. Das muss seit Neuestem der Steuerberater ggf. bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses bedenken (BGH, Urteil vom 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374), vor allem aber der Abschlussprüfer in seinem Testat beurteilen, widrigenfalls Haftungsinanspruchnahmen drohen.

6

Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern eröffnen sich aufgrund ihrer vielfältig rechtlich durchdrungenen Qualifizierung aber auch zusätzliche Betätigungsfelder. Für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wie auch der Steuerberater von Bedeutung ist insb. die Regelung des § 5 Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), der sich mit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Das Vorliegen einer danach zulässigen Nebenleistung ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse zu beurteilen. Ganz wesentlich ist also, dass WP und StB ein durch staatliches Berufsexamen belegtes fundiertes Wissen im Bilanzrecht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht vorweisen können.

Hinsichtlich treuhänderischer Tätigkeiten i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO sind etwa der Abschluss von Geschäftsbesorgungsverträgen zum Erwerb von Grundstücken und Immobilienfonds sowie Treuhandabreden zum Zahlungsverkehr zulässige Rechtsdienstleistungen.

Vor allem ist jedoch die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen i.S.d. § 15 AktG aus dem Anwendungsbereich des RDG von vornherein ausgenommen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie eine erlaubte Nebenleistung darstellt. Aufgrund des Zusammenhangs mit der Konzernbilanzierung und der steuerlichen Organschaft, steht Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern damit die Beratung im faktischen wie im Vertragskonzern offen.[1]

Wirtschaftsprüfer verfügen zudem über die Befugnis zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 2 Abs. 2 WPO, §§ 3 Nr. 1, 12 StBerG. Die Steuerberatung wiederum kann als Teil der Rechtsberatung angesehen werden. Zulässige Rechtsberatung ist damit jede Darlegung von zivilrechtlichen Grundlagen, soweit sie zur steuerlichen Beratung notwendig sind, sowie die Lieferung von Tatsachenmaterial und Einschätzung zum wirtschaftlichen Stand des Mandanten. Dadurch sind aber auch Vertragsentwürfe für Standardverträge durch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater durch das RDG legitimiert.

§ 1 Vorbemerkung › C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers

C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers

7

Vertiefte gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Kenntnisse einschließlich solcher des Konzern- und Umwandlungsrechts als Teile des Gesellschaftsrechts sind für den (angehenden) Wirtschaftsprüfer besonders wichtig. Beide Rechtsgebiete bilden zusammen mit dem Handelsrecht und dem Bürgerlichen Recht die Grundlage seiner Berufstätigkeit. Unverzichtbar sind ebenso insolvenzrechtliche Kenntnisse etwa in Bilanzierungsfragen.

§ 1 Vorbemerkung › C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers › I. Identifikation und Beantwortung von Rechtsfragen

I. Identifikation und Beantwortung von Rechtsfragen

8

Insb. die gesetzlichen Prüfungen nach § 2 Abs. 1 WPO beschränken sich nicht auf rein betriebswirtschaftliche Fragestellungen. Vielmehr muss der WP in diesen Fällen rechtliche Problemstellungen erkennen können und sodann selbst oder durch Hinzuziehung von Fachleuten zutreffend beurteilen.

1. Beispiel Umwandlungsprüfung

9

§ 9 Abs. 2 UmwG formuliert als Aufgabe einer Verschmelzungsprüfung an den WP: „Soweit in diesem Gesetz vorgeschrieben, ist der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Verschmelzungsprüfer) zu prüfen“.

10

Es handelt sich also um eine Vertragsprüfung und der Inhalt des Verschmelzungsvertrages ist zu beurteilen. Zu seinem Inhalt (vgl. § 5 UmwG) gehört gem. Abs. 1 Nr. 3 z.B. das Umtauschverhältnis der Anteile, was (dem WP vielleicht eher vertraute) Unternehmensbewertungen der beteiligten Rechtsträger einschließt. Aber bereits hier sind die Ausnahmen von der Notwendigkeit der Unternehmensbewertung in § 5 Abs. 2 UmwG oder sogar von der Verschmelzungsprüfung im Ganzen (§§ 9 Abs. 3, 8 Abs. 3 UmwG) zu erkennen. Dazu muss aber der Ablaufplan von Umwandlungen bekannt sein. Gleiches gilt etwa im Hinblick auf die zu prüfenden Folgen für das Gewinnbezugsrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG) oder den Verschmelzungsstichtag (Nr. 6).

11

Hinzu kommt, dass zum Inhalt eines Verschmelzungs- bzw. jedes Umwandlungsvertrages auch z.B. „die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen“ (Nr. 9) gehören, so dass individual- und kollektivarbeitsrechtliche Fragen zu beantworten bzw. zu prüfen sind. Handelt es sich stattdessen um eine Spaltung, sind zusätzlich z.B. „die genaue Bezeichnung und Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die an jeden der übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, sowie der übergehenden Betriebe und Betriebsteile unter Zuordnung zu den übernehmenden Rechtsträgern“ (§ 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG) zu beurteilen. Dem liegen schuldrechtliche Grundsätze der Haftung für Verbindlichkeiten (vgl. § 133 UmwG) zugrunde.

2. Beispiel Jahresabschlussprüfung

12

Gleiches gilt für die Jahresabschlussprüfung, als alle dort einfließenden Veränderungen des Vermögensbestands nicht nur rechnerisch, sondern auch sachlich richtig sein müssen. Der rechtlichen Beurteilung im Rahmen der Jahresabschlussprüfung unterliegen damit nicht nur die Ordnungsgemäßheit der Buchführung und damit der zutreffende Ansatz und die Bewertung einzelner Geschäftsvorfälle aus Handelsgeschäften (vgl. § 238 Abs. 1 HGB). Betroffen sind vielmehr auch z.B. alle gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen des entsprechenden Wirtschaftsjahres. Kapitalerhöhungen, Verschmelzungen oder Spaltungen unterliegen deshalb nicht nur u.U. einer besonderen Prüfungspflicht, sondern wirken sich ebenso auf den Jahresabschluss aus und sind auch im Rahmen der „normalen“ Jahresabschlussprüfung zu begutachten.

3. Beispiel WpHG-Prüfung

13

Bei der Prüfung nach § 89 WpHG ist festzustellen, ob Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Dienstleistungen ordnungsgemäß entsprechend den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes erbringen. Das erfordert neben dem Verständnis für die Geschäftstätigkeiten selbst deren Subsumtion unter den rechtlichen Regelungsrahmen, wofür insb. Kenntnisse von Gesetzesauslegung und der Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden vonnöten sind.

§ 1 Vorbemerkung › C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers › II. Vertiefte Kenntnisse höchster Kompetenzstufe

II. Vertiefte Kenntnisse höchster Kompetenzstufe

14

Zu Recht verlangen das Wirtschaftsprüfungsexamen und der auf der Grundlage der WPAnrV verbindlich erklärte Referenzrahmen vom 29.11.2016 für die Anerkennung von Studiengängen (§ 8a WPO) und die Anrechnung von Prüfungsleistungen (§ 13b WPO) in den insoweit berührten Rechtsgebieten – qualitativ – eine Kompetenzausprägung der sechsten und damit höchsten Stufe „Bewertung“: „Studierende können Werturteile abgeben, Vergleiche heranziehen und richtige Schlussfolgerungen ziehen, sie können Prognosen erstellen und die eigenen Aussagen rechtfertigen“. Diese qualitative Kompetenz darf sich lt. Referenzrahmen insb. im Gesellschafts-, Konzern- und Umwandlungsrecht, aber auch in weiten Teilen des Handelsrechts nicht nur auf den Gesetzeswortlaut beziehen, sondern muss – in der Tiefe – seine gesamte Auslegung durch Rechtsprechung und Schrifttum umfassen.[2]

15

Als eines von vielen Beispielen mag hierfür die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre herhalten. § 186 Abs. 4 S. 2 AktG verlangt allein die Angabe (irgend)eines Grundes für den Bezugsrechtsausschluss. Erst das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben in der Wirkung des Bezugsrechtsausschlusses (Verwässerung der Stimmrechte etc.) einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre erkannt und dafür praeter legem, außerhalb des Gesetzestextes, eine Rechtfertigung aus dem Gesellschaftsinteresse gefordert (vgl. Rn. 1756 und 1999). Diese im Wege der Anfechtungsklage judikable Einschränkung dient dem verfassungsrechtlich geforderten Minderheitenschutz.

 

Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3, 4 AktG)


1. Expliziter Ausschluss der übrigen Aktionäre (Abs. 3 S. 1)
2. ¾-Mehrheit bei der Beschlussfassung erforderlich (Abs. 3 S. 2)
3. Bekanntmachung der Ausschließungsabsicht mit Veröffentlichung der Bekanntmachung der Einladung zur Hauptversammlung (Abs. 4 S. 1)
4. Berichtspflicht des Vorstands a) Begründung für Bezugsrechtsausschluss (Abs. 4 S. 2 HS. 1), b) Ausgabebetrag erforderlich (HS. 2) c) Umfassend und konkret
5. Materielle Voraussetzung: sachliche Rechtfertigung (Rechtsprechung) a) Gesellschaftsinteresse b) Geeignetheit und Erforderlichkeit c) Verhältnismäßigkeit d) oder zumindest in Publikumsgesellschaft statt a) – c): § 186 Abs. 3 S. 4 AktG

1. Beispiel Fairness Opinion und Transaktionsberatung

16

Rechtsfragen stellen sich dem WP auch im Zusammenhang mit wichtigen Leistungen im Bereich der Corporate Governance. Die Business Judgement Rule auferlegt Vorstand und Aufsichtsrat (Organmitglieder) Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft und den Anteilseignern (§§ 93, 116 AktG).

§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG verlangt, dass „das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.

Von den Organen wird damit (negativ) ein Handeln ohne Sonderinteressen und ohne sachfremde Einflüsse verlangt, das (positiv) dem Wohle der Gesellschaft dient. Dafür müssen sie belegen können, dass unternehmerische Entscheidungsfindungen auf angemessenen Informationen und sorgfältiger Abwägung aller berührten Belange beruhen. Und sie haben die Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren.

17

Ein Bestandteil der Dokumentation ist bei wesentlichen unternehmerischen Initiativen nahezu immer mindestens eine, meist aber zwei von Vorstand und Aufsichtsrat getrennt beauftragte Fairness Opinions. Das sind Stellungnahmen eines unparteiischen Dritten zur Beurteilung der unternehmerischen Initiative als (zusätzlicher) Beleg für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten der Organmitglieder. Gegenstände können z.B. die finanzielle Angemessenheit von Transaktionspreisen bei Akquisitionen oder Desinvestitionen sein, ebenso die angemessenen Beteiligungs- und Stimmverhältnisse bei einem Joint-Venture oder die Auswirkungen etwa auf die Arbeitsplatzsicherheit (best owner-Konzept).

18

Die prognostische Validität einer Fairness Opinion wie jeder zukunftsgerichteten (Unternehmens-) Bewertung folgt aber nicht allein aus der – in tatsächlicher Hinsicht einzig möglichen – vergangenheitsbezogenen Betrachtung. Soll die künftige Entwicklung nicht bloße Wahrsagerei oder einfach Ausdruck einer Hoffnung sein, muss sie auf konkreten Kausalketten aufbauen, deren Einflussfaktoren im sinnvollerweise steuerbaren Umfang u.a. durch Sollensvorschriften, also durch vertragliche Vereinbarungen sichergestellt werden müssen. Beispielhaft seien Financial Covenants (Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrad, Kapitaldienstdeckungsgrad etc.), Non-Financial Covenants zur Krisenvorsorge (einschließlich der Sicherstellung regelmäßiger und rechtzeitiger Informationen von Partnern) und Corporate Financial Covenants genannt. Zu ihnen rechnen z.B. von Partnern zu erklärende Verfügungsbeschränkungen über wesentliche Vermögenspositionen wie Beteiligungen („disposals“); Versicherungen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs („ordinary conduct of business“) und über die Einhaltung aller Gesetze und Vorschriften („representations and warranties“).

19

Solche Vertragsklauseln bauen zwar auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen auf, sind aber in erster Linie schuldrechtliche, dingliche und gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen, die auf Zulässigkeit, Wirkung, Umgehungsschutz und Rechtsfolgen eines Verstoßes zu beurteilen sind. Nur wenn der WP solche Klauseln richtig zu deuten weiß und sie ggf. auch vorschlagen kann, ist er fachlich in der Lage, eine Fairness Opinion zu erstellen. Gleiches gilt natürlich noch mehr für jede Transaktionsberatung bei Mergers & Akquisitions (M&A) und bei Transaction Services.