Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

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a) Probearbeitsverhältnis

244

Während einer vereinbarten Probezeit ist beiderseits eine jederzeitige Kündigung mit eine Frist von zwei Wochen möglich (§ 622 Abs. 3). Letzteres aber nur bei unbefristeter Probezeit, die auf längstens sechs Monate vereinbart werden darf und dann automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergeht. Ist die Probezeit als befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, endet dieses Probearbeitsverhältnis mit Fristablauf, ohne dass eine ordentliche Kündigung auf einen früheren Zeitpunkt möglich wäre (§ 620 Abs. 1, 2 gilt dann auch hierfür).

b) Kündigungsschutzgesetz

245

Für Arbeitsverhältnisse gilt ergänzend das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Wesentlicher Inhalt des KSchG ist die Beschränkung der arbeitgeberseitigen Kündigung durch das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung (vgl. §§ 1 Abs. 1 KSchG); sozial gerechtfertigt können nach § 1 Abs. 2 KSchG nur betriebsbedingte Kündigungen, verhaltensbedingte Kündigungen und personenbedingte Kündigungen sein. Diese Einschränkung des freien Kündigungsrechts des Arbeitgebers ist erst nach einer Karenzzeit von sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) auf Beschäftigungsverhältnisse in Betrieben mit mehr als zehn (Vollzeitäquivalent) beschäftigten Mitarbeitern (ohne die zur Berufsausbildung beschäftigten) anzuwenden (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG; zugunsten langjähriger Mitarbeiter von vor 2004 gilt als Bestandsschutz eine auf nur fünf vollzeitäquivalente Beschäftigte begrenzte strengere Kleinbetriebsklausel).

c) Kündigungsgründe nach KSchG

246

Dabei ist eine Kündigung dann betriebsbedingt, wenn der konkrete Arbeitsplatz in Folge einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers wegfällt und dem damit einhergehenden geringeren Personalbedarf durch Kündigung einer entsprechenden Anzahl von Arbeitsverhältnissen nach den Kriterien der Sozialauswahl unter mehreren vergleichbar qualifizierten Arbeitnehmern (Bildung einer Vergleichsgruppe aus fachlich und rechtlich austauschbar verwendbaren Arbeitnehmern nötig) entsprochen wird. Die Auswahl der zu Kündigenden muss innerhalb der Vergleichsgruppe nach Kriterien aus den jeweiligen Arbeitsverhältnissen selbst (Beschäftigungsdauer, Erfahrung etc.), aber auch nach sozialen Belangen (Unterhaltspflichten, finanziellen Verbindlichkeiten im privaten Bereich etc.) erfolgen und ist mittels eines angemessenen Punkteschema nachprüfbar darzustellen. Nach § 613a Abs. 4 berechtigt ein Betriebsübergang auf einen Erwerber nicht zur betriebsbedingten Kündigung (wohl aber z.B. ein sog. Erwerberkonzept zur Umstrukturierung, das dann seinerseits die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung erfüllen muss).

247

Die personenbedingte Kündigung beruht auf Umständen in der Person des Arbeitnehmers, die seine Möglichkeiten begrenzen, die geschuldete Arbeitsleistung nach Art und Menge in einem Umfang zu erbringen, der nach objektiven Kriterien durchschnittlich zu erwarten wäre (Kurzformel: „Arbeitnehmer kann nicht, wollte aber, wenn er könnte“). Dieser Kündigungsgrund setzt neben einem entsprechenden objektivierbaren Vergleichswert für die durchschnittliche Arbeitseffizienz an einem Arbeitsplatz (z.B. Soll-Vorgabe von Taktzeiten) und der Dokumentation der Ist-Leistung auch voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor erfolglos in angemessenem Umfang Möglichkeiten zur Leistungssteigerung etwa durch Weiterqualifizierung eröffnet wurden.[150] Hierher rechnen auch krankheitsbedingte Kündigungen, die zulässig sind, wenn eine negative Gesundheitsprognose besteht, die mit erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen rechnen lässt und daraus eine dem Arbeitgeber unzumutbare Belastung zu erwarten ist.

248

Die verhaltensbedingte Kündigung (Kurzformel: „Arbeitnehmer will nicht, könnte aber, wenn er wollte“) beruht schließlich darauf, dass der Arbeitnehmer infolge seines von ihm willentlich steuerbaren Verhaltens den berechtigt an ihn gestellten Erwartungen nicht entspricht (etwa unentschuldigte Fehlzeiten, fehlende Leistungsbereitschaft bei ausreichender Leistungsfähigkeit,[151] strafbare Verhaltensweisen etc.). Soweit das inkriminierte Verhalten nicht den Vertrauensbereich betrifft und ein weiteres Festhalten für den Arbeitgeber unzumutbar macht (so aber z.B. Diebstahl im Cent-Bereich; bei langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit aber jedenfalls ein Diebstahl über drei €)[152], setzt die verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige Abmahnung voraus, die dem Arbeitnehmer die Notwendigkeit vor Augen führt, das Verhaltensdefizit abzustellen, und ihm Gelegenheit zur künftig ordnungsgemäßen Leistungserbringung gibt. Erst im Wiederholungsfall und bei entsprechender Schwere des Verhaltensverstoßes ist dann die verhaltensbedingte Kündigung zulässig und wirksam. Die Berechtigung der Abmahnung für die erste Tat ist in diesem Zusammenhang inzident zu prüfen und festzustellen, so dass isolierter Rechtsschutz gegen eine Abmahnung zwar möglich, aber regelmäßig nicht notwendig ist.

d) Allgemeine Ausschlussfrist bei Kündigungen

249

Zudem enthält das KSchG in §§ 4–7 eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen durch Arbeitnehmer für die Kündigung aller Arbeitsverhältnisse (unabhängig vom persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des KSchG, vgl. § 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG).[153]

Alle Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung sind von der Klagefrist als Ausschlussfrist von drei Wochen ab Erhalt der schriftlichen Kündigung umfasst, während der der Arbeitnehmer durch Klage zum Arbeitsgericht (§ 4 S. 1 KSchG) die Feststellung des ungekündigten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses verlangen muss, widrigenfalls eine Unwirksamkeit der Kündigung darauf gestützt werden kann (Ausnahme: §§ 125 bzw. 111 und 131 sowie §§ 17, 25 KSchG); so etwa eine fehlende Betriebsratsanhörung zur Kündigung (vgl. § 102 BetrVG), das Kündigungsverbot während der Schwangerschaft (vgl. § 9 MuSchG) und der Elternzeit (vgl. § 18 BEEG) oder gegenüber Schwerbehinderten (vgl. §§ 85, 91 SGB IX). Die Einwendung der fehlenden sozialen Rechtfertigung einer Kündigung ist ebenfalls an die Klagefrist geknüpft.

e) Außerordentliche Kündigung

250

Stets möglich ist die außerordentliche Kündigung als Mittel zur vorzeitigen Beendigung eines Dienstverhältnisses von jeder Seite (vgl. § 626). Sie tritt an die Stelle des Rücktritts vom gegenseitigen Vertrag bei Leistungsstörungen außerhalb von Dauerschuldverhältnissen, geht aber über diesen hinaus. Sie ist nicht nur bei Vertragsverletzungen gegeben, sondern an das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ gebunden, welcher dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, sei es auch nur bis zum Auslauf der normalen Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung nach § 626 ist ohne eine Einhaltung einer Frist möglich; zur Fälligkeit einer Teilvergütung bis zum Beendigungszeitpunkt und von Schadensersatz für entgangene Vergütungsansprüche vgl. § 628.

251

Anerkannte wichtige Gründe sind insb. schwerwiegende Störungen im Leistungsverhältnis, etwa bewusste Leistungsverweigerung (auch „Androhung“ künftiger Erkrankungen, eigenmächtiger Urlaubsantritt), aber auch Störungen von Nebenpflichten wie der Störungen des Betriebsfriedens (vgl. § 104 BetrVG), Tätlichkeiten oder bedeutende Beleidigungen auch zwischen Betriebsangehörigen, Annahme von Schmiergeld, Vermögensstraftaten auch bei ganz geringfügigem Wert etc.; zulässig ist in engen Grenzen auch eine sog. Druckkündigung auf Druck der Belegschaft oder der Kundschaft.

252

Jede außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom zugrundeliegenden Sachverhalt erfolgen; der Kündigungsgrund muss (erst) auf Verlangen des Gekündigten mitgeteilt werden (vgl. § 626 Abs. 2).

 

Die Geltendmachung eines fehlenden wichtigen Grundes oder des verspäteten Ausspruchs der Kündigung muss arbeitnehmerseits stets innerhalb der Klagefrist des KSchG erfolgen, §§ 7, 13 KSchG.

6. Prüfungsschema zur Kündigungsschutzklage

253


I. Zulässigkeit der Klage 1. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten a) § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG b) Sonderregeln gem. § 5 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 3 ArbGG 2. Statthaftigkeit der Kündigungsschutzklage, § 4 KSchG a) Anwendbarkeit des KSchG, § 23 KSchG §§ 4–7 KSchG gelten auch in Kleinbetrieben, § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG b) Klageart – Feststellungsklage – Klageantrag: „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung vom … aufgelöst wurde.“
II. Begründetheit der Klage 1. Wirksames Arbeitsverhältnis 2. Keine wirksame Kündigung z.B. wegen a) Formfehler (z.B. § 102 BetrVG) b) Kündigungsgrund ist zwingend erforderlich, liegt aber nicht vor c) Wichtiger Grund bei § 626 fehlt d) Fehlende soziale Rechtfertigung bei § 1 Abs. 1 KSchG e) Sonstige Ausschlussgründe, z.B. § 613a Abs. 4 S. 1 und jeweils: f) Keine Heilung durch Versäumnis der Klagefrist, §§ 7, 4 KSchG (Dreiwochenfrist ab Zugang der Kündigung)

7. Betriebsübergang, § 613a

254

§ 613a ist im Jahre 1972 in Kraft getreten und seither im BGB verankert. 1980 wurde die Norm im Rahmen der Umsetzung der EG-Richtlinie 77/187/EWG modifiziert. 2001 erfolgte die bislang letzte Änderung durch Umsetzung der EG-Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Für die Auslegung der in der Richtlinie aufgeführten Vorgaben ist der Europäische Gerichtshof maßgeblich verantwortlich. Die Rechtsprechung des Europäischen Organs sowie des Bundesarbeitsgerichts sind daher von erheblicher Bedeutung für die Interpretation des § 613a.

a) Schutzzweck von § 613a

255

Die Regelung der Norm verfolgt im Einzelnen drei verschiedene Zwecke (so BAG NZA 1991, 63), nämlich den Schutz des bestehenden Arbeitsverhältnisses, die Sicherung der Kontinuität des Betriebsrats und den Eintritt des Erwerbers in die arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten des Veräußerers.

b) Übergang eines Betriebs oder eines Betriebsteils

256

Gem. § 613a Abs. 1 tritt der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Norm dient dem Schutz des Arbeitnehmers und kann nicht im Wege einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber abbedungen werden. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist der Begriff des Betriebs, der nicht legal definiert ist, weit auszulegen als eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke unmittelbar fortgesetzt verfolgt (betriebliche Organisation und Leitungsmacht). Ein Betriebsteil ist eine organisatorische Einheit eines Betriebs, mit der bestimmte arbeitstechnische Zwecke selbstständig verfolgt werden (z.B. Vertrieb und Kundendienst einer Produktionsfirma).

257

Der Betriebsübergang setzt nicht die Übertragung aller Wirtschaftsgüter voraus. In Anlehnung an die Definition des Betriebs ist ein Übergang zu bejahen, wenn wesentliche Betriebsmittel übergehen, mittels derer der Erwerber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann (BAG NZA 2011, 197). Die Prüfung, ob ein Betrieb übergeht, erfolgt im Wege der Gesamtbetrachtung. Hier ist zwischen Produktionsbetrieben und (Dienstleistungs-) Betrieben, die sich im Wesentlichen durch die menschliche Arbeitskraft definieren, zu differenzieren. Im Rahmen der Übertragung von Produktionsbetrieben ist die Übernahme materieller Betriebsmittel relevant, bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben hingegen die Übernahme immaterieller Betriebsmittel wie Kundendaten, Geschäftsbeziehungen, fachliches „Know How“ (BAG DB 2014, 848).

Bei Betrieben, deren wirtschaftlicher Erfolg hauptsächlich in der menschlichen Arbeitskraft begründet ist, kann bereits die Übernahme von Personal aus wesentlichen Schlüsselpositionen eine wirtschaftliche Einheit darstellen und damit die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllen (BAG BB 2014, 61).

258

Eine bloße Funktionsnachfolge, also die Übernahme bestimmter Aufgaben z.B. als Subunternehmer oder im Wege der Substitution durch ein neues Unternehmen, erfüllt nach der heute h.M. nicht den Tatbestand des § 613a BGB. Anders aber, wenn zusätzlich zur Überleitung eines Auftrags die Betriebsmittel des bisherigen Inhabers übernommen werden. Ob dabei die Betriebsmittel eigenwirtschaftlich genutzt werden und die Arbeitnehmer übernommen werden, ist für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht relevant.[154] Nach der aktuellen Judikatur von BAG und EuGH ist die Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität des Betriebes zwingende Bedingung eines Betriebsübergangs. Ein Betriebsteilübergang liegt dabei jedoch nur vor, wenn die übergegangenen Betriebsmittel bzw. Arbeitnehmer auch innerhalb des Veräußererbetriebs eine abgrenzbare organisatorische Einheit dargestellt hatten. Zu der Annahme eines Betriebsteilübergangs genügt es dann, wenn der Erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren bestehen lässt und so einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen kann.[155]

c) Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang

259

§ 613a gilt nur für einen Betriebsübergang, bei dem der Erwerber den Betrieb aufgrund eines Rechtsgeschäfts übernimmt. Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist nicht Bedingung; es gelten die Grundsätze des fehlerhaften Vertrags. § 613a ist ein Auffangtatbestand und erfasst alle Fälle der rechtsgeschäftlichen Betriebsnachfolge. Das gilt auch für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge wie z.B. Umwandlungsvorgänge, etwa die Verschmelzung; ebenso die Anwachsung bei Personengesellschaften gem. § 738 Abs. 1; diese haben zwar gesetzliche Rechtsfolgen, beruhen aber auf rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen (Verschmelzungsvertrag; Austrittsvereinbarung).[156] Das Rechtsgeschäft muss nicht zwingend zwischen dem Betriebsinhaber und dem Erwerber geschlossen werden. Ferner muss der Erwerber auch nicht Eigentümer des Betriebes werden. Betriebliche Organisation und Leitungsmacht gehen auch im Falle der Verpachtung des Betriebes über.

Eine Anwendung des § 613a auf einen gesetzlichen Betriebsübergang ist ausgeschlossen.

Kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a ist der Wechsel von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft. Die gem. § 124 Abs. 1 HGB teilrechtsfähige Gesellschaft bleibt als Arbeitgeber bestehen. Ebenso verhält es sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außengesellschaft, die einer Personengesellschaft entsprechende Teilrechtsfähigkeit besitzt.

d) Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers, Unterrichtungspflicht

260

Der Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse setzt nicht die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Nach § 613a Abs. 6 hat der Arbeitnehmer aber das Recht, innerhalb eines Monats nach Unterrichtung über den Betriebsübergang (vgl. § 613a Abs. 5) schriftlich einen Widerspruch zu erklären. Die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 beginnt erst nach formal und inhaltlich fehlerfreier Unterrichtung zu laufen; auf Kausalität des Unterrichtungsfehlers für die Widerspruchsentscheidung des Arbeitnehmers kommt es nicht an. Der Widerspruch ist gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber als auch gegenüber dem Erwerber des Betriebs möglich. Widerspricht der Arbeitnehmer, bleibt sein bisheriges Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer bestehen. Dieser kann sodann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes betriebsbedingt kündigen.

Bei Betriebsübergängen mit der Rechtsfolge des Erlöschens des früheren Rechtsträgers (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG; ebso bei der Anwachsung einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter gem. § 738 Abs. 1 S. 1) entsteht kein Widerspruchsrecht. Die betroffenen Arbeitnehmer haben stattdessen (nur) ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 626 (BAG NZA 2008, 815).

261

Die Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 muss neben der Art des rechtsgeschäftlichen Übergangs (z.B. Kauf, Pacht, Verschmelzung) auch die unternehmerischen Gründe und Motive des Erwerbers umfassen, um die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den konkreten Arbeitsplatz abschätzen zu können. Den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen ist in der Praxis kaum zu entsprechen, weshalb das Widerspruchsrecht regelmäßig unbegrenzt fortbesteht. Die wirtschaftlichen Risiken liegen für den Erwerber in der möglichen Abwanderung wichtiger Arbeitnehmer, vor allem aber für den Veräußerer in der unabsehbaren Belastung mit ggf. jahrelangem Annahmeverzugslohn und den Kosten eventueller Altersversorgung.[157]

 
8. Rechtsfolgen des Betriebsübergangs

a) Eintritt des neuen Betriebsinhabers

262

Der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a Abs. 1 S. 1). Das gilt auch hinsichtlich tarifvertraglicher Vorschriften und Betriebsvereinbarungen. Diese werden Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem neuen Arbeitgeber und gelten durch den einzelnen Arbeitsvertrag weiter (Sätze 2 bis 4).

b) Gesamtschuldnerische Haftung

263

Der bisherige Arbeitgeber haftet nach § 613a Abs. 2 gesamtschuldnerisch neben dem neuen Erwerber für Verpflichtungen, insb. also Lohnansprüche, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden.

c) Kündigungsverbot

264

Die Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 S. 1, der Übergang des Arbeitsverhältnisses, darf nicht umgangen werden. Der Betriebsübergang an sich darf daher kein Kündigungsgrund sein (§ 613a Abs. 4). Eine Unwirksamkeit der Kündigung ist demnach zu bejahen, wenn der Grund hauptsächlich durch den Wechsel des Betriebsleiters bedingt ist.

Zulässig ist aber ein sog. Erwerberkonzept etwa zur Sanierung, auf Basis dessen auch der Veräußerer noch vor dem Betriebsübergang nach den allgemeinen Vorschriften betriebsbedingt kündigen kann.

d) Einzelfragen

265

Gem. § 613a Abs. 1 S. 1 gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Diese Verpflichtung umfasst auch die betriebliche Altersversorgung. Eine Abschaffung der Altersversorgung im Wege des Betriebsübergangs ist nicht möglich. Ein Ausschluss oder Verbleib der betrieblichen Altersvorsorge beim Veräußerer würde eine Umgehung des § 613a darstellen.

Geht der Betrieb nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über, haftet der neue Erwerber für die zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits entstandenen Arbeitnehmeransprüche weder über § 613a noch über § 25 HGB (zur Europarechtskonformität dieser Rechtsprechung im Hinblick auf bereits erworbene Versorgungsanwartschaften einer Betriebsrente, vgl. aktuell BAG, Vorlagebeschlüsse vom 16. Oktober 2018 – 3 AZR 139/17 (A); 3 AZR 878/16 (A)). Die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens haben hier bislang den Vorrang. § 613a findet jedoch uneingeschränkt Anwendung auf Ansprüche, die nach Insolvenzeröffnung durch Fortführung des Betriebes entstanden sind.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › D. Verträge auf Arbeitsleistung und Herstellung › III. Höhere Dienste