Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

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c) Schenkung unter Auflage

152

Schenkung ist grundsätzlich ein fremdnütziges Geschäft. Das schließt aber eine Zweckbindung in der Weise nicht aus, dass der Beschenkte mit der Schenkung auch eine entsprechende Verpflichtung zu ihrer Verwendung als Nebenpflicht übernimmt. Der Schenker hat dann einen Anspruch auf Vollziehung der Auflage. Bei deren Ausbleiben wird ein Rücktrittsrecht gewährt (vgl. §§ 527 Abs. 1, 323: ggf. Nachfristsetzung erforderlich), obwohl insoweit bloß eine Nebenpflicht verletzt wurde (weshalb der Rücktritt ansonsten nur eingeschränkt nach § 324 zulässig wäre). Aus § 527 folgt jedenfalls auch, dass in diesem Sinne beauflagt nur werden kann, was einen Vermögensaufwand des Beschenkten erfordert (vgl. auch § 526). Die Abgrenzung der Schenkung unter Auflage zur entgeltlichen Zuwendung liegt dann darin, dass bei jener die Zuwendung selbst der Vollziehung der Auflage dienen soll und der Beschenkte zur Leistung gerade mittels der Zuwendung verpflichtet werden soll, während bei der entgeltlichen Zuwendung die Gegenleistung für die Zuwendung aus dem Vermögen des Empfängers zu erbringen ist.

Eine Schenkung unter Auflage (vgl. §§ 525 ff.) ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Gegenleistung aus dem Wert des Geschenks erbracht werden soll. Die Erbringung der Auflage durch den Beschenkten ist zwar rücktrittsbewehrt, richtet sich von den Rechtsfolgen aber nach Bereicherungsrecht und belässt dem Beschenkten außerdem den Mehrwert der Zuwendung (vgl. §§ 527 Abs. 1, 323 i.V.m. 818 ff.).

Beispiel:

Landwirtschaftliche Hofübergabe gegen Altenteilsrechte, die aus dem Ertrag des Hofes bestritten werden, wie der Gewährung von Butter, Milch, Fleisch und Einräumung eines Wohnrechts auf Lebenszeit, vgl. § 526.

d) Bedingte Schenkung

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Immer noch unentgeltliche Schenkung, aber mit noch stärkerer Verknüpfung mit der damit verfolgten Erwartung ist die bedingte Schenkung. Hierbei kann entweder der obligatorische Schenkungsvertrag unter auflösender Bedingung (vgl. § 158 Abs. 2) geschlossen sein, so dass die Rückforderung bei enttäuschter Erwartung mit der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 (condictio ob causam finitam) erfolgt. Statt der auflösenden Bedingung kann auch eine vertragliche Pflicht zur Rückgewähr für diesen Fall vereinbart sein. Ergänzend kann schließlich auch das dingliche Vollzugsgeschäft auflösend bedingt sein, so dass die Rückforderung dann durch Vindikation (vgl. §§ 985, 894; beachte aber § 925 Abs. 2) erfolgen kann.

e) Zweckschenkung

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Bei der „Zweckschenkung“ legt der Schenker einseitig, aber dem Beschenkten ersichtlich, die Erreichung eines speziellen Zwecks fest (z.B. beim Verlobungsring die spätere Heirat), der deshalb nicht Nebenbestimmung, sondern Grund (causa) der Zuwendung ist. Es geht hierbei regelmäßig nicht um eine Vermögensleistung des Empfängers (sonst eher Auflage), der auch nicht verpflichtet ist, auf die Erreichung des Zwecks hinzuarbeiten.

Fehlt es an einer formalen Bedingung des schuldrechtlichen Grundgeschäfts (liegt also keine „bedingte Schenkung vor), etwa weil der Schenker im Vertrauen auf die Zweckerreichung diese für unnötig oder unangemessen hielt und konnte die erstrebte „Gegenleistung“ als nicht-vermögensrechtliche formal nicht beauflagt werden (Abgrenzung zur Schenkung unter Auflage), ist der Beschenkte zur Rückabwicklung mittels Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 (als condictio ob rem) verpflichtet, wenn die Nichterreichbarkeit des Zwecks feststeht (z.B. also bei Entlobung). Allerdings ist es denkbar, dass der beabsichtigte Zweck nur ganz untergeordnete Bedeutung hatte und hierauf keine Rückforderung gestützt werden kann (vgl. § 534).

f) Gemischte Schenkung

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Eine Schenkung als unentgeltliche dauernde Vermögenszuwendung kann Bestandteil jedes Vertrages sein, wenn sich die Beteiligten darüber einig sind, dass die Leistung des Zuwendenden teils entgeltlich und teils unentgeltlich erfolgen soll. Voraussetzung ist der beim Vertragsabschluss zum Ausdruck gekommene Schenkungszweck, die Freigiebigkeit.

Beispiel:

Gemischte Schenkung ist der Verkauf zum Freundschaftspreis, wenn beide Vertragspartner dies so verstehen, also nicht der „Schnäppchen-Kauf“; ebenso die gemischte Leihe, z.B. bei der verbilligten Vermietung an Angehörige zum Erhalt des vollen steuerlichen Werbungskostenabzugs nach § 21 Abs. 2 EStG.

Die rechtliche Behandlung, insb. die Anwendbarkeit des Schenkungsrechts hinsichtlich Rückforderung und Widerruf auch hinsichtlich des entgeltlichen Anteils, ist umstritten. Eine einheitliche Anwendung von Schenkungsrecht oder dem Recht des entgeltlichen Vertrags scheidet aus. Vielmehr muss der Parteiwille ergeben, inwieweit die als in „halb geschenkt“ gedachte Leistung einheitlich gültig oder hinfällig sein soll und vor allem, inwieweit etwa das kaufrechtliche Element auch ohne die Schenkung Bestand haben soll. Gewährleistungsrecht wird nur auf den entgeltlichen Anteil anwendbar sein; ob bei Wahl des Rücktritts der schenkweise Anteil bestehenbleiben soll, bedarf der ergänzenden Vertragsauslegung. Umgekehrt darf der Schenker nach den §§ 528, 530 (wegen Verarmung des Schenkers oder groben Undanks) nur den Wert des unentgeltlichen Teils seiner Leistung zurückverlangen, also regelmäßig insoweit Zuzahlung beanspruchen; Rückforderung des Gegenstands der gemischten Schenkung wird nur bei Überwiegen des unentgeltlichen Teils in Frage kommen und dann auch nur Zug um Zug gegen Erstattung der Gegenleistung.

3. Verpflichtung und Haftung des Schenkers

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Vollzug der Schenkung als Handschenkung i.S.d. § 516 oder zur Heilung eines Formmangels gem. § 518 Abs. 2 ist nur die dauerhafte Vermögensmehrung. Beim schenkweisen Schuldanerkenntnis (vgl. §§ 780 f.) genügt nicht die Hingabe desselben, sondern erst die Valuta-Leistung (vgl. § 518 Abs. 1 S. 2).[101]

Ist die Schenkung wirksam, bleibt die Erfüllungshaftung des Schenkers jedoch gemildert und aufgrund der Unentgeltlichkeit treffen ihn weder der Sorgfaltsmaßstab noch die Garantiepflichten eines Verkäufers. So beschränkt sich jedes Vertretenmüssen des Schenkers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. § 521), sind Verzugszinsen ausgeschlossen (vgl. § 522) und die Haftung für Rechts- und Sachmängel auf den Fall arglistigen Verschweigens beschränkt (vgl. §§ 523 Abs. 1 und 524 Abs. 1), und selbst dann ist die Haftung auf das Erfüllungsinteresse noch eingeschränkt (vgl. §§ 523 Abs. 2 bzw. 524 Abs. 2).

Die Haftungsmilderung nach § 521 kann auch auf Neben- oder Treupflichten (vgl. § 241 Abs. 2) Anwendung finden, soweit diese in engem Zusammenhang mit Leistungspflichten stehen. Sie erstreckt sich auch auf konkurrierende Deliktsansprüche; so im Fall BGHZ 93, 23, 27 ff., wo eine Haftung des Schenkers für die nur leicht fahrlässig versäumte Aufklärung über bestimmte Gefahren verschenkten Viehfutters abgelehnt wurde. Für leistungsferne Nebenpflichten wie den Schutz des sonstigen Vermögens des Beschenkten, gilt die Haftungsmilderung nicht.

4. Schenkung auf den Todesfall

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Die Schenkung auf den Todesfall (vgl. § 2301) ist eine Form vorweggenommener Erbfolge und ein Schenkungsversprechen unter Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Sie setzt eine gültige letztwillige Verfügung in Form des Erbvertrages (vgl. §§ 2276 Abs. 1, 2231 ff.) oder jedenfalls eines Vermächtnisses in der Form des eigenhändigen Testaments (vgl. § 2247) voraus. § 2301 Abs. 1 S. 1 ist in erster Linie eine Verschärfung gegenüber der Schenkungsform.

 

a) Vollzug unter Lebenden

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Nur bei Vollzug der Schenkung noch unter Lebenden soll Schenkungs- und nicht Erbrecht Anwendung finden (vgl. § 2301 Abs. 2). Das ist nur der Fall, wenn noch der Erblasser selbst und nicht erst sein Erbe das Vermögensopfer bringt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vollendung des sachenrechtlichen Übertragungsakts (Übereignung, Forderungsabtretung).

Die bloße Erteilung einer Vollmacht zur Verfügung über ein schenkungshalber versprochenes Bankguthaben ist danach kein Vollzug nach § 2301 Abs. 2; ebensowenig die Aussendung eines Boten zur Überbringung der Abtretungserklärung. Nach dem Eintritt des Erbfalls können Bevollmächtigter und Bote die Schenkung in diesem Sinne nicht mehr für den Erblasser wirksam vollziehen. Gleiches gilt für die Einrichtung eines Sparbuchs auf den Namen eines Dritten: Das Sparbuch begründet keine Inhaberschaft an der Forderung, sondern ist lediglich Legitimationspapier (vgl. § 808). Dem Beschenkten muss also noch zu Lebzeiten des Schenkers das Forderungsrecht gegen die Bank durch Abtretung formal übertragen worden sein, sei es auch, dass dieses erst auf den Todesfall hin soll ausgeübt werden dürfen.

b) Vollzug durch Zuwendung eines Forderungsrechts (§ 331)

159

Die Vorschrift des § 2301 Abs. 2, die auf den lebzeitigen sachenrechtlichen Vollzug abstellt, wird nach h.M. insoweit ergänzt durch § 331 Abs. 1, wonach es genügt, dass dem Beschenkten noch zu Lebzeiten des Erblassers ein schuldrechtliches Forderungsrecht gegen einen Dritten zugewendet wird. Der Vertrag zugunsten Dritter (vgl. §§ 328 ff.) genügt dabei als causa der Zuwendung, es bedarf dann keiner zusätzlichen Schenkung mehr, wodurch Formfragen hinfällig werden. Beauftragt nun ein Erblasser für die Zeit nach seinem Tod seine Bank zu einer Gutschrift an den Beschenkten, ist entsprechend auch die Zuwendung nach § 331 Abs. 1 ohne erbrechtliche Form wirksam und kondiktionsfest.[102] Während also § 2301 Abs. 2 den Liquiditätsabfluss beim Erblasser noch zu Lebzeiten voraussetzt (buchhalterisch als Bilanzverkürzung abzubilden), genügt nach § 331 die Zuwendung eines Forderungsrechts (entsprechend ein Passivtausch) und zwar sogar erst mit dem Tod, was dann noch nicht einmal eine bilanzielle Vermögensminderung zu Lebzeiten bedeutet. Nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Vorgänge ist diese Unterscheidung kaum gerechtfertigt.[103]

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › C. Überlassungsschuldverhältnisse

C. Überlassungsschuldverhältnisse

160

Zur Abgrenzung: Sachen, seltener auch Rechte, können einem anderen in der Weise (sachenrechtlich) überlassen werden, dass dieser nur bestimmte Vorteile, Nutzungen oder Gebrauchsmöglichkeiten davon haben, nicht aber die vollen Verfügungsrechte, z.B. das Eigentum, erhalten soll. Solche Berechtigungen können unter Ausschluss des Eigentümers von diesem durch Einräumung dinglicher Rechte (z.B. Nießbrauch, Erbbaurecht) zugewendet oder umgekehrt bei einer Vollrechtsübertragung vorbehalten werden (z.B. Vorbehaltsnießbrauch). Sie sind dann Bestandteil und Erfüllung eines meist auf Güterumsatz gerichteten Schuldverhältnisses, das Rechtsgrund für die dingliche Übertragung ist (Schenkung einer Immobilie an die Kinder unter Vorbehalt des Nießbrauchs durch die Eltern; Rechtskaufs des Erbbaurechts durch einen Bauwilligen). In diesen Fällen geht der schuldrechtliche Vertrag selbst also nicht auf die Gebrauchsüberlassung, sondern auf Übertragung, nämlich nur des – oder umgekehrt, unter Vorbehalt des – beschränkten dinglichen Rechts.

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Gebrauchsüberlassungsverträge im hiesigen Sinne sind hingegen solche Vereinbarungen eines Schuldverhältnisses, kraft dessen der Nichteigentümer zum Besitz und zum vertraglichen Gebrauch oder auch zur Fruchtziehung, d.h. zur Auswertung der Sache dem Eigentümer gegenüber befugt sein soll (und nicht kraft eines ihm übertragenen beschränkten dinglichen Rechts). Bloße Gebrauchsüberlassung ist, wenn gegen Entgelt vereinbart, Miete (vgl. §§ 535 ff.), oder, wenn unentgeltlich, Leihe (vgl. §§ 598 ff.). Der zur Fruchtziehung berechtigende entgeltliche Vertrag ist Pacht (vgl. §§ 581 ff.). Der Berechtigte hat ein rein schuldrechtliches Forderungsrecht auf die Gebrauchsgewährung gegenüber seinem Vertragspartner. Und erst die vollzogene Gebrauchsüberlassung macht den Berechtigten dann zum Besitzer, begründet gegen den Eigentumsherausgabeanspruch ein Recht zum Besitz (§ 986) und verschafft ihm in Form der Besitzklagen eine sachenrechtlich gegenüber jedermann geschützte Stellung (vgl. §§ 858 ff.).

Der aus dem Gebrauchsüberlassungsvertrag Verpflichtete (z.B. Vermieter) wird durch die Besitzüberlassung mittelbarer Besitzer (vgl. § 868), behält aber seine sachenrechtliche Stellung als Eigentümer im Verhältnis zu Dritten unbeschränkt. Er kann die Sache weiterhin frei übereignen, der Erwerber wird allerdings im Rahmen von § 986 Abs. 2 von den schuldrechtlichen Ansprüchen des Gebrauchsberechtigten (Mieter) belastet (beachte: § 986 Abs. 2 beschränkt sich auf Veräußerungen nach § 931, folglich auf Fahrnis; insoweit ist dann auch kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich, vgl. §§ 936 Abs. 3, 931, 934).

Für Liegenschaften gilt die fortwirkende Bindung eines Erwerbers nur im Rahmen von §§ 566 Abs. 1 i.V.m. 578 bzw. 581 Abs. 2 „Kauf bricht nicht Miete und Pacht“; ergänzt um §§ 567–567b).

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Die schuldrechtliche Natur von Miete, Pacht und Leihe schafft vier typische Problemkreise.

Zuerst die Erfüllungsproblematik: Der versprochene Gegenstand muss dem Berechtigten im vertraglichen Umfang verschafft und zum vertragsgemäßen Gebrauch überlassen werden (vgl. §§ 535, 581, 598). Das setzt i.d.R. die Besitzübertragung und die Schaffung der tatsächlichen Verhältnisse für die Gebrauchstauglichkeit voraus. Beides sind die charakteristischen Hauptpflichten, deren zu vertretende Verletzung Leistungsstörung (Schlechtleistung, Verzug oder Unmöglichkeit) ist.

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Im Unterschied zu den Umsatzverträgen bringt die Zeitdauer, für welche der vertragsmäßige Gebrauch fortgesetzt überlassen bleiben muss, zusätzliche Probleme der Gefahrtragung und Gewährleistung über diejenigen bei Beginn der Überlassung hinaus. Die Primärpflicht des Vermieters hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit ist eine fortgesetzte, auf Erhaltung derselben und auch künftige Beseitigung allfälliger Beeinträchtigungen gerichtete, woran sich die Tragung der Preisgefahr während der Unbrauchbarkeit (vgl. § 536 ebenso wie § 555a) und die Mängelhaftung (vgl. §§ 536 ff.) ausrichten muss. Besitzübergang und nachfolgende Obhut des Berechtigten bedingen jedoch auch Obhuts- und Sorgfaltspflichten des Gebrauchsberechtigten (vgl. § 536c). Andererseits wird auch die Regelung seiner Aufwandspflichten und seines Verwendungsersatzes notwendig (vgl. §§ 539).

164

Der Charakter von Überlassungsverträgen als Dauerschuldverhältnis wirkt sich auch auf die Gegenleistung aus, die regelmäßig in gleichen Zeitabschnitten fällig wird. Hieran knüpfen die Bestimmungen über Fälligkeit, Verzugsfolgen und Einwendungen an (vgl. §§ 556b Abs. 1, 537 Abs. 2), aber auch solche, welche die Möglichkeiten der Vorausverfügung und der Aufrechnung mit Rücksicht auf den Schutz der Gläubiger des Vermieters bzw. Verpächters begrenzen (vgl. §§ 566b–d) und zur schriftlichen Dokumentation zwingen (§§ 550, 126, was auch für jede spätere Änderung gilt[104]).

Insb. bei der Wohnraummiete treten sodann Schutzinteressen des Berechtigten hinzu, welche ein umfangreiches Mieterschutzrecht geschaffen haben, wodurch das schuldrechtliche Nutzungsrecht in den Anwendungsbereich des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) einbezogen wurde.[105]

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › C. Überlassungsschuldverhältnisse › I. Miete

I. Miete

165

Miete ist wie Pacht ein gegenseitiger Vertrag mit synallagmatischen Hauptpflichten, die auf die zeitliche Gebrauchsüberlassung einer Sache nebst der Gewährung des ungestörten Mietgebrauchs gegen Zahlung des vereinbarten Mietzinses (vgl. § 535) gerichtet sind. Betreffend die Hauptpflichten ist die Miete analog zum Kaufrecht aufgebaut. Anders als dort sind jedoch umfangreiche Treu- und Fürsorgepflichten sowie ein durch die Obhut bedingter Gemeinschaftsgedanke weit charakteristischer. Gegenstand der Miete können nach BGB nur Sachen (vgl. §§ 90 ff.) sein, aber nur solche, die gebrauchsfähig sind. Dem Verbrauch unterliegende Sachen können weder vermietet noch verliehen werden. Auch Rechte können nicht „gebraucht“, sondern nur genutzt werden und deshalb nur Gegenstand eines Pachtvertrags sein (so z.B. Lizenzverträge über geistiges Eigentum).

Beispiel:

Die Überlassung einer Kiesgrube zur Auskiesung ist Pacht. Die Überlassung von Reklameflächen ist dann Miete, wenn dem Verpflichteten keine weiteren Dienste aufgebürdet werden: Die Reklame auf Taxis ist gemischter Vertrag mit Elementen des Dienstvertrags, nämlich der Pflicht, die Wagen auch fahren zu lassen. Ein Bankschließfach wird gemietet, soweit die Bank keine zusätzliche Verwahrungs- und Sorgfaltspflicht übernimmt. Gleiches gilt für die Benutzung einer Tiefgarage ebenso, wie für den privatrechtlich ausgestalteten Eintritt in eine öffentliche Badeanstalt.

 

166

Nur die Pacht berechtigt zum Fruchtbezug (Rechts- bzw. Sachfrüchte). Nicht jedes Erschließen von Erwerbsquellen mit Hilfe vermieteter Sachen ist Pacht, vielmehr nur dann, wenn die Einnahmen durch die Einrichtungen und Konzessionen der Sache erzielt werden (die Überlassung einer Gaststätte mit entsprechender Einrichtung und Getränkebezugsverträgen ist Pacht, die Überlassung einer Eisfläche an den Eishockeyverein hingegen Miete, weil erst der Verein darauf eine gewinnbringende Tätigkeit entfaltet).

167

Gelegentlich sind auch Miet- und Werkvertrag abzugrenzen. Ist ein Fahrzeug vermietet, trägt der Mieter alle Risiken außer der Fahrbereitschaft an sich. Bei Vermietung mit Fahrer ist dessen Verfügbarkeit Teil der Mietleistung, nicht eigenes werk- oder dienstvertragliches Element. Hingegen ist der Beförderungsvertrag insges. Werkvertrag.

Der Mietvertrag ist Schuldvertrag. Erst seine Erfüllung seitens des Vermieters schafft darüber hinaus noch ein Besitzverhältnis mit sachenrechtlicher Wirkung (vgl. §§ 858 ff.).

Beispiel:

Der stets als Miete ausgestaltete Schwimmbadbesuch[106] gibt hinsichtlich der rechtmäßig in Besitz genommenen Umkleidekabine und des Garderobenschranks Besitzabwehrklagen gegen jedermann.

168

Auch ohne gültigen Mietvertrag kann ein tatsächlich erfolgtes Überlassungs- und Besitzverhältnis Anerkennung finden (z.B. bei fehlender Geschäftsfähigkeit etc.); ebenso nachdem die Mietzeit abgelaufen ist (sog. Lehre vom „fehlerhaften Vertrag“ sowie die Fiktion eines unbefristeten Fortsetzungsvertrags in § 545). Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung würde in solchen Fällen erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weshalb die Fehlerhaftigkeit nur für die Zukunft durch (dann regelmäßige aber nicht rückwirkende) Anfechtung oder, sofern die Nichtigkeit auf einem entsprechenden wichtigen Grund beruht, durch außerordentliche Kündigung geltend gemacht werden kann. Für die vergangene Zeit des faktischen Vollzugs bleibt die Pflicht zur Gegenleistung bestehen (vgl. § 546a Abs. 1).

1. Vertragspflichten des Vermieters

a) Hauptpflicht

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Hauptpflicht ist neben der Verschaffung der Mietsache, den vertragsgemäßen Gebrauch für die Dauer der Mietzeit zu ermöglichen. Hierzu kann je nach Umständen auch Zubehör gehören. Die Überlassung kann zum Alleingebrauch oder zum Mitgebrauch geschuldet werden. Auch die Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand ist Hauptpflicht und die eigentliche Dauerleistung des Vermieters, für die er die Sachgefahr trägt.

Verlangt der Mieter von seinem Vermieter die Beseitigung permanenter Ruhestörung etwa in Folge eines Gaststättenbetriebs, so ist dies kein Gewährleistungsverlangen (so nur etwa eine Mietminderung, § 536) und keine Frage der Zurechenbarkeit wegen etwaigen Verschuldens des Vermieters, sondern der Anspruch auf Erfüllung der primären Hauptpflicht (vgl. § 535; anders als beim Gewährleistungsverlangen greift hiergegen nicht der Ausschlussgrund des § 536b, Kenntnis des Mieters bei Vertragsschluss, sondern ist es Auslegungsfrage, ob die Störungsquelle nach dem Vertragsinhalt als dem Mieter von Anfang an bekannt hingenommen werden muss, §§ 133, 157, 242, 311, 535[107]).

Das bedeutet ferner, dass der Vermieter die normalen Erhaltungskosten und die Lasten der Mietsache zu tragen hat (vgl. § 538) und dass er dem Mieter zur Erhaltung der Sache notwendige Aufwendungen ersetzen muss (vgl. §§ 536a Abs. 2, 539 Abs. 1).[108]

Unbeschadet dessen ist es übliche Vertragspraxis, derartige „Schönheitsreparaturen“ dem Mieter auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überantworten (Grenze sind §§ 307 Abs. 2, 535 Abs. 1 S. 2, weshalb starre Renovierungsfristen mangels Orientierung am wirklichen Erhaltungsbedarf unzulässig sind[109]).