Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

b) Weiterveräußerte Sache

91

Ist eine mangelhafte Sache vom Käufer bereits weiterveräußert worden, so ist dadurch im Verhältnis zwischen Erstverkäufer und -käufer Nacherfüllung unmöglich gemacht und deshalb Rücktritt ausgeschlossen (vgl. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6), solange nicht korrespondierend das zweite Kaufverhältnis abgewickelt wird. Möglich bleiben nur die Abtretung der Gewährleistungsansprüche aus dem ersten Kaufverhältnis an den Zweiterwerber oder Drittschadensliquidation.[57]

Eine Regresskette („Durchreichen“ des Gewährleistungsverlangens des Letzterwerbers an den ersten Verkäufer) wird nur im Rahmen von § 445a sichergestellt. Beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474) sind dafür dann noch Modifikationen gem. § 478 zu beachten.

11. Sachmangel

92

Die Verletzung des Äquivalenzinteresses bezeichnet § 434 als Sachmangel (IST-Beschaffenheit SOLL-Beschaffenheit). Idealtypisch hierfür ist das Fehlen einer ausdrücklich vereinbarten Beschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 S. 1; nach S. 2 rechnen etwa auch Werbeaussagen dazu). Dem steht die fehlende Eignung für die Erreichung des mit dem Vertrag beiderseits angestrebten ferneren Leistungserfolgs gleich (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1). Erst zuletzt und nur hilfsweise ist die gewöhnliche Eignung und Beschaffenheit maßgeblich (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2).

Nur insoweit sind Kategorien wie diejenige der „mittleren Art und Güte“ bei der Konkretisierung von Gattungsschulden (vgl. § 243 Abs. 1) maßgeblich. Ein abstrakter Durchschnittsmaßstab gilt, wo der Vertrag keine konkreten individuellen Hinweise zu Verwendungszweck, Beschaffenheit etc. gibt. Beschaffenheitsvereinbarungen können ausdrücklich formuliert sein, aber sich auch konkludent im Preis ausdrücken.

Mängel sind außerdem Fehler in einer beim Kauf als Nebenleistung vereinbarten Montage (§ 434 Abs. 2 S. 1) oder die fehlerhafte Montageanleitung (§ 434 Abs. 2 S. 2) sowie Falschlieferungen und Mengenabweichungen (§ 434 Abs. 3: Zuweniglieferung; zur Zuviellieferung vgl. dagegen Rn. 653).

12. Gefahrübergang

93

Der Sachmangel ist demnach also kein Wesensmerkmal der Sache, sondern er verweist auf die Nichterfüllung eines ganz bestimmten Versprechens einer konkreten oder abstrakten Eigenschaft, welche der Sache anhaften soll. Da jedes Gut aber für den Inhaber das Risiko seines Fortbestands und seiner gleichbleibenden Güte trägt, bedarf es für die Gewährleistungshaftung eines zeitlichen Moments, auf den sich das Versprechen des Verkäufers bezieht. Mängel, die erst später entstehen, etwa nach der Ingebrauchnahme durch den Käufer, können ihm nicht mehr angelastet werden, es sei denn, dass deren Ursache zu einer Zeit gesetzt worden war, während welcher der Verkäufer dieses Risiko noch zu tragen hatte.

Die zeitliche Abgrenzung des Risikos ist insb. deshalb notwendig, weil in Folge des Trennungsprinzips, dem das BGB folgt, schuldrechtlicher Kaufabschluss, Besitzübergang und Eigentumserwerb regelmäßig auseinanderfallen. § 446 S. 1 wählt hier eine Art Mittelweg und lässt die Übergabe der verkauften Sache maßgebend sein (geschuldet ist gem. § 433 Abs. 1 S. 1 Übergabe und Übereignung). Der Übergabe gleichgestellt wird insoweit der Annahmeverzug des Käufers (§§ 446 S. 3, 300 Abs. 2). Soweit die Vertragsparteien keine abweichende Risikoverteilung getroffen haben, ist der Käufer in seinem garantierten Interesse an vertragsgemäßer Sachqualität so lange schutzwürdig, bis die Ware in tatsächlicher Hinsicht aus dem Vermögen des Verkäufers in das seinige übergeht. Ab diesem Zeitpunkt muss er auf sie aufpassen, kann ihre Menge nachzählen (vgl. § 434 Abs. 3) oder sie handelsrechtlich prüfen und rügen (vgl. § 377 Abs. 1 HGB, widrigenfalls als Folge dieser Obliegenheitsverletzung unter Kaufleuten ein Gewährleistungsverlust eintritt, § 377 Abs. 2 HGB: „gilt die Ware als genehmigt“).[58]

Gefahrübergang meint also die Preisgefahr. Die Risikoabgrenzung des § 446 ist jedoch nicht in allen Fällen interessengerecht. Sie passt regelmäßig für Hol- und Bringschulden (vgl. § 269 Abs. 1). Gerade im Hinblick auf das Transportrisiko im Zusammenhang mit der Übergabe kann auch ein sog. Distanzkauf (Schickschulden) vereinbart werden, wonach der Verkäufer die Versendung an den Wohnsitz des Käufers auf dessen Verlangen hin schuldet, die Lieferung aber nicht auf seine Gefahr erfolgen soll. Wurde eine solche Vereinbarung getroffen, spricht § 447 Abs. 1 vom Versendungskauf und lässt die Gefahr bereits mit Übergabe an die Transportperson (Spediteur gem. § 453 HGB, Frachtführer gem. § 407 HGB etc.) und damit bereits vor Übergabe an den Käufer übergehen.[59] Distanz- bzw. Versendungskauf beruht deshalb auf einer Risikoklausel. Ob eine solche gewollt ist, unterliegt der Vertragsauslegung.

Kein Versendungskauf, sondern Bringschuld liegt vor, wenn auch die Montage beim Kunden geschuldet wird, die z.B. durch die Möbelspedition miterledigt wird; anderes kann auch nicht durch AGB vereinbart werden.[60] Im Handelsverkehr verwandte Klauseln wie „ab Lager“, „ab Werk“ oder „frei Haus“ etc. sind meist keine Risikoklauseln, sondern bloße Spesenklauseln, welche nur die Tragung der Transportkosten, nicht des Transportrisikos regeln. Beides darf nicht verwechselt werden (vgl. § 269 Abs. 3). Im E-Commerce wie im gesamten Versandhandel ist es typischerweise Aufgabe des Verkäufers, die Versendung der Kaufsache – auf eigene oder fremde Kosten – zu veranlassen, es handelt sich deshalb regelmäßig um einen Versendungskauf. Es kann dahinstehen, ob Käufern optional die Abholung der Ware ermöglicht wird, die Bestellung des Käufers enthält ggf. die schlüssige Erklärung, dass die Kaufsache ihm geliefert werden solle. Gem. § 447 trägt damit der Käufer das Versandrisiko; wichtige Ausnahme[61] ist der Verbrauchsgüterkauf, bei dem § 447 durch § 475 Abs. 2 für den Normalfall ausgeschlossen ist, also trotz Versendungskaufs der Verkäufer das Versandrisiko trägt.

Beim Versandhandel liegt infolge der AGB bisweilen auch Kauf auf Probe vor (vgl. § 454), so dass Gefahrübergang dann sowieso erst mit Billigung eintritt (vgl. § 455).[62]

Beispiel:

Wird eine Warensendung bei hilfsbereiten Nachbarn des Empfängers abgegeben, fällt deren Unachtsamkeit in das Versandrisiko. Trägt dieses beim Versendungskauf wegen § 447 der Käufer, muss er unter allem Umständen den Kaufpreis bezahlen (vgl. § 326 Abs. 1, Abs. 2) und kann Zug um Zug Abtretung von schuldrechtlichen und deliktischen Ansprüchen des Verkäufers gegen den Transporteur bzw. die Nachbarn (!) verlangen (Paketannahme begründet ein Auftragsverhältnis zwischen Paketdienst und Nachbar, § 662, mit Haftung gegenüber dem Auftraggeber, also Paketdienst, nach § 280 Abs. 1), vgl. §§ 320 Abs. 1, 285 (Fall der Drittschadensliquidation). Der Erwerber ist meist nämlich noch nicht Eigentümer (obwohl der Verkäufer bereits erfüllt hat, § 447). Die Übergabe der Kaufsache an die Transportperson, geschweige denn an die Nachbarn, ist unabhängig von der Anwendbarkeit von § 446 (bei Beförderungspflicht des Verkäufers) oder § 447 (bei Distanzkauf und Beförderung auf Verlangen des Kunden) im Regelfall nicht dergestalt als Besitzkonstitut vereinbart, dass der Verkäufer den Eigentumsübergang auf den Käufer nach §§ 929 S. 1, 930 herbeiführen dürfte; geschuldet wird Übereignung nach § 929 S. 1. – Eine andere Vereinbarung ist im Kaufvertrag denkbar, etwa wenn der Käufer bereits vor Ort bezahlt hätte; danach wäre der Erwerber dann bereits Eigentümer, obwohl der Verkäufer ggf. nach § 946 während eines von ihm noch geschuldeten Transports weiterhin die Preisgefahr trüge (Transportschäden blieben – deshalb – nach § 434 Abs. 1 S. 1 der Mängelgewährleistung unterstellt).

 

Bei einem Versendungskauf nach bereits erfolgter Übereignung fielen Erfüllung und Übergang der Preisgefahr zusammen, wodurch die Drittschadensliquidation in dieser Fallgestaltung z.T. entbehrlich würde, weil der Erwerber zumindest eigene Deliktsansprüche wegen Eigentumsverletzung gegen den Transporteuer bzw. die hilfsbereiten Nachbarn(!) geltend machen könnte.

13. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf

94

Zugunsten des Käufers greifen, sofern er Verbraucher (vgl. § 13) ist und ein Verbrauchsgüterkauf (vgl. § 474 Abs. 1) vorliegt, insoweit zwei Besonderheiten. Danach ist die Verlagerung des Transportrisikos beim Versendungskauf auf ihn unzulässig (vgl. § 475 Abs. 2, wonach § 447 im Normalfall nicht anzuwenden ist). Zum anderen erfährt der Verbraucher eine Beweislastumkehr dahin, dass beim Auftreten eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang widerleglich vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war (vgl. § 477). Ist also nicht erweislich, ob die Ursache eines Sachmangels bereits bei Gefahrübergang gesetzt war, so geht diese sog. Beweisfälligkeit des Käufers entgegen den allgemeinen Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf nicht zu Lasten seiner Gewährleistungsrechte.

Nach § 478 Abs. 1, Abs. 3 gilt das Recht des Verbrauchsgüterkaufs bei neuhergestellten Sachen auch in der gesamten vorangegangenen Lieferkette vom Hersteller bis zum Letztverkäufer und verdrängt die dort sonst regelmäßig geltenden Vorschriften des Handelskaufs (Regresskette); insb. setzt sich auch dort die Beweislastumkehr des § 477 fort. Für Nacherfüllungs- und alle Gewährleistungsrechte seines Käufers kann der Verkäufer bei seinem Lieferanten ohne Fristsetzungen Regress nehmen; § 445a. Für die Verjährungsfristen der §§ 438, 476 Abs. 2 gelten nach § 445b Abs. 2, 3 Ablaufhemmungen in der gesamten Lieferkette. Allerdings bleiben die Rügeobliegenheiten des § 377 HGB in der Lieferkette bestehen (§ 478 Abs. 4).[63]

14. Haftung für Rechtsmängel

95

Parallel zu Sachmängeln gestaltet sich die Gewährleistung für Rechtsmängel. Solange der Gegenstand nicht frei von fremden Rechten verschafft ist, ist nicht erfüllt (vgl. §§ 435 S. 1, 433 Abs. 1 S. 2). Die primäre Erfüllungspflicht ist also noch offen, solange keine Lastenfreiheit besteht.[64] Hat der Käufer die Kaufsache angenommen, richtet sich sein Erfüllungsanspruch nach §§ 437 ff. Neben dinglichen Lasten können Rechtsmängel auch etwa dem Käufer gegenüber wirkende schuldrechtliche Ansprüche (etwa zu übernehmende Mietverhältnisse, vgl. § 566 Abs. 1, und bestimmte Einreden Dritter, vgl. § 986 Abs. 2) sein.

15. Rechte des Käufers bei Mängeln

96

Parallel zur vorausgegangenen Bestimmung der vertraglichen Haupt- und Nebenleistungspflichten anhand des Äquivalenzinteresses gibt das Ausbleiben dessen, was zuvor das Forderungsrecht aus dem Schuldverhältnis war, nun die Gewährleistungsrechte als sekundäre Rechtsbehelfe (das Nacherfüllungsverlangen ist kein nachrangiger Rechtsbehelf, sondern die Fortsetzung der ursprünglichen Erfüllungsklage). Als besonderes Gewährleistungsrecht des Käufers existiert lediglich noch seine Befugnis zur Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung gem. § 441). Ansonsten hat der Käufer die allgemeinen Leistungsstörungsrechte, deren Geltendmachung an die Interessenlage beim Kaufvertrag lediglich angepasst wird. Es sind dies die Rückgängigmachung des Kaufvertrags (Rücktritt, § 437 Nr. 2), und bei Verschulden des Verkäufers (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 als negatives Tatbestandsmerkmal) statt Rücktritt und Minderung Schadensersatz, § 437 Nr. 3.

Die Systematik der Rechtsbehelfe schützt das Äquivalenzinteresse der Parteien aus dem Kaufvertrag. Mit einer mangelhaften Leistung kann der Verkäufer seine Leistungspflichten zunächst einmal nicht erfüllen. Wie bereits festgestellt, bleibt dem Käufer die ursprüngliche Erfüllungsklage erhalten (§§ 437 Nr. 1, 439: Nacherfüllungsverlangen). Lediglich im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung bedarf es dieses Verweises nicht, weil eine darauf gerichtete Nachfristsetzung als sinnlos von vornherein nicht verlangt wird. Das ist der Unterschied in den Verweis in § 437 Nr. 2 (Rücktritt/Minderung) auf §§ 323 bzw. 326 Abs. 5 und in § 437 Nr. 3 (Schadensersatz) auf §§ 280, 281 einerseits bzw. §§ 283 und 311a andererseits.

Rücktrittsvoraussetzung ist außer im Fall der Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5), ihrem Fehlschlagen, ihrer ernsthaften und endgültigen Verweigerung oder ihrer Unzumutbarkeit (§§ 437 Nr. 2, 440) eine vergebliche (Nach-)Fristsetzung zur Nacherfüllung. Gleiches gilt nach §§ 437 Nr. 2, 441 („statt zurückzutreten“) für die Minderung.

Die Voraussetzungen für Minderung/Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung unterscheiden sich nur durch das Verschuldenserfordernis beim Schadensersatz (alle Verweise enden bei § 280 Abs. 1 S. 2). Seit 2014 unterscheiden sich zudem hinsichtlich einer Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung § 323 Abs. 2 und § 281 Abs. 2 darin, dass zum sofortigen Rücktritt nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 bei Schlechterfüllung eine Interessenabwägung ermächtigen kann, während bei Ausbleiben der Leistung allein die strengere Bestimmung zum relativen Fixgeschäft (Nr. 2) gilt; hingegen ist sofortiger Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 Abs. 2) weiterhin immer nur eine Frage der Interessenabwägung, gleichwie bei Nicht- oder Schlechtlieferung. D.h. bei ausbleibender Lieferung mag also nun Schadensersatz in bestimmten Fällen schneller erreichbar sein als Rücktritt, was wenig sinnvoll ist, weil Schadensersatz statt der Leistung ja auch auf die Rücktrittsfolgen hinausläuft.

Steht danach fest, dass der Kaufvertrag nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, wird der im Äquivalenzinteresse ausgedrückte Ausgleich von Leistung und Preis nach Wahl des Käufers entweder dadurch hergestellt, dass er die mangelhafte Kaufsache behält, dafür jedoch nur einen entsprechend herabgesetzten Preis bezahlen muss, oder dass er von der Durchführung des Kaufvertrages gänzlich absieht und den Kaufgegenstand gegen Erstattung des Preises zurückgibt. Geringfügige Mängel (Reparaturkosten von 5–10 % des Kaufpreises) haben in Konsequenz des Äquivalenzprinzips nur eingeschränkte Rechtsfolgen: Minderung (§ 441 Abs. 1 S. 2) und Schadensersatz neben der Leistung (§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, ebenso § 311a Abs. 2 S. 3, schließen den großen Schadensersatz aus; §§ 326 Abs. 5 HS. 2, 323 Abs. 5 S. 2 den Rücktritt).

16. Minderung

97

Minderung heißt nach § 441 Abs. 3 verhältnismäßige Herabsetzung des Kaufpreises entsprechend dem geringeren Wert der mangelhaften Kaufsache. Nicht der objektive Minderwert wird vom bezahlten Preis abgezogen, sondern die prozentuale Wertdifferenz zwischen mangelfreier und mangelhafter Ware wird auf den vereinbarten Preis übertragen, so dass ein vom entdeckten Fehler unabhängig zu hoch oder zu niedrig bezahlter Preis in demselben Verhältnis bestehenbleibt. Ein in Ansehung des Preises vom Käufer geschlossenes „gutes Geschäft“ kann dieser sich trotz des Mangels erhalten, allerdings reduziert sich der absolute Betrag der Unterbezahlung (und umgekehrt bei Überbezahlung der Ware). Die Herabsetzung erfolgt nach der Formel: alter Preis zu neuem Preis wie Wert der mangelfreien Sache zum Wert der mangelhaften Ware. Der neue Preis ermittelt sich durch entsprechende Auflösung der Formel.

Insb. für den Fall der Unterbezahlung der Ware („Schnäppchen“) sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass der den Sachmangel erst bestimmende, vertraglich vorausgesetzte Verwendungszweck (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1) durchaus auch im Preis seinen Ausdruck gefunden haben kann („B-Ware“). Es läge dann bereits kein Mangel vor und wäre kein Raum für Gewährleistungsrechte. Ein günstiger Preis allein lässt jedoch keinesfalls auf die Vereinbarung minderer Qualität schließen, unter Umständen jedoch schon darauf, ob etwa ein Kunstgegenstand eben nicht als echt oder ein Tier nur als Liebhabertier und nicht zu Zuchtzwecken veräußert wurde.

17. Rücktritt

98

Das andere aus dem Äquivalenzinteresse folgende Recht des Käufers ist der bei allen Leistungsstörungen gesetzlich gewährte Rücktritt, neben § 437 Nr. 2 vgl. auch §§ 323, 324 i.V.m. 346 ff. Mit dem Rücktritt wird der Kaufvertrag so beseitigt, dass anstelle der synallagmatischen Leistungspflichten (vgl. §§ 320 ff.) ein nicht-synallagmatisches gesetzliches Schuldverhältnis auf Rückgabe besteht. Die bereits erfolgten Übertragungsakte und Übereignungen sind dadurch also nicht automatisch hinfällig, sondern sie müssen durch Rückgabe und Rückübereignung erst noch rückgängig gemacht werden. Sachenrechtlich muss somit ein erneuter derivativer Rechtserwerb, diesmal des Verkäufers vom Käufer, stattfinden. Der Rückgabeanspruch ist dort zu erfüllen, wo sich die Ware bei Erklärung des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Neben der Rückgewähr der empfangenen Leistungen (zumeist Rückgabe und Rückübereignung, vgl. § 346 Abs. 1) hat der Käufer auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Ist die Rückgewähr nicht oder (jedenfalls im ursprünglichen Zustand) nicht mehr möglich, hat der Schuldner statt dessen Wertersatz zu leisten (vgl. § 346 Abs. 2). Die Pflicht zum Wertersatz entfällt jedoch gem. § 346 Abs. 3 in den meisten Fällen eines adäquaten Umgangs des Käufers mit der Sache während der Zeit seines Besitzes. Auch soweit danach kein Wertersatz geschuldet wird, ist eine verbleibende Bereicherung (Nutzungsvorteile) und damit insb. die Ersparnis anderweitiger Aufwendungen, nach Bereicherungsrecht zu ersetzen (vgl. § 346 Abs. 4 mit Verweis vor allem auf die Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1).

 

Beispiel:

Solche Nutzungsvorteile sind etwa die Wegstreckenentschädigung eines zwischenzeitlich gefahrenen Pkw, zwischenzeitliche Mieteinnahmen aus der Sache oder sonstige Erträge (vgl. § 99); beim Verbrauchsgüterkauf ist Nutzungsersatz durch § 475 Abs. 3 ausgeschlossen.

Aufgrund des nicht einzuhalten vermochten Versprechens des Verkäufers auf Lieferung des Kaufgegenstands bietet das Rücktrittsrecht dem Käufer die Möglichkeit, den beiderseitigen Leistungsaustausch rückabzuwickeln und schützt ihn davor, aus seinem übrigen Vermögen etwas hinzusetzen zu müssen, was nicht an Vorteil ihm zugeflossen ist. Umgekehrt wird auch der Verkäufer geschützt, in dem er allenfalls damit rechnen muss, nicht den vollen ursprünglichen Wert zurückerstattet zu bekommen, aber gleichfalls nichts aus seinem übrigen Vermögen hinzusetzen muss; dies müsste er nur bei Verschulden in Bezug auf den Mangel im Wege des Schadensersatzes.

Rücktritt und Minderung beseitigen das Missverhältnis zwischen Sachwert und Preis. Der Käufer kann jedoch – schon wegen des Sachmangels allein – noch weiteren Schaden haben (Verdienstausfall, Klagen seiner eigenen Kunden). Der Schadensersatz orientiert sich deshalb am Erfüllungsinteresse.

18. Prüfungsschema zu Forderungsrechten nach Rücktritt

99


I. Anwendbarkeit des Rücktrittsrechts 1. Ausübung eines gesetzlichen oder vertraglichen Rücktrittsrechts 2. Rechtsfolgenverweis, z.B. bei Minderung in §§ 441 Abs. 4 (Kauf), § 638 Abs. 4 (Werkvertrag), §§ 651d, e (Reisevertrag); bei Mietminderung dagegen Bereicherungsrecht
II. Rückgewähr, §§ 346 Abs. 1, 348 1. Rückgewähr der empfangenen Leistungen 2. Herausgabe der gezogenen Nutzungen a) Früchte (§ 99), Gebrauchsvorteile (§ 100) b) Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen, § 347 Abs. 1
III. Nachrangig Wertersatz 1. Herausgabe nach Natur des Erlangten nicht möglich (z.B. Gebrauchsvorteile/erbrachte Dienstleistung) 2. Verbrauch, Veräußerung, Belastung, Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes 3. § 346 Abs. 2 S. 2: Berechnung des Wertersatzes nach vereinbarter Gegenleistung 4. Ausschluss der Wertersatzpflicht, § 346 Abs. 2
IV. Schadensersatz, §§ 346 Abs. 4, 280 ff. 1. Pflichtverletzungen nach Rücktrittserklärung nur hins. Pflichten aus dem Rückgewährschuldverhältnis 2. Pflichtverletzungen vor Rücktrittserklärung aber nach Kenntnis des Rücktrittsgrundes, §§ 346 Abs. 4, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2
V. Verwendungsersatz des Rücktrittsschuldners, §§ 347 Abs. 2 S. 1 1. Notwendige Verwendungen 2. Gegenstand zurückgegeben oder Wertersatz geleistet oder Wertersatzanspruch ausgeschlossen
VI. Aufwendungskondiktion des Rücktrittsschuldners, §§ 347 Abs. 2 S. 2 1. Sonstige Aufwendungen des Rücktrittsschuldners 2. Bereicherung des Rücktrittsgläubigers 3. Rechtsfolgenverweis auf Bereicherungsrecht, §§ 818 ff.