Traumprotokolle

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– Madu spielt im Keller auf einem Instrument, das ich nicht genau erkennen kann, einer Mischung aus elektrischem Piano und Cora oder gar Balafon4, er probiert so rum und ich spiele dann auf der Straße mit einem »Klingeldreisatz«, also drei goldenen Metalldreiecken an Bändeln, die, hintereinander gespielt, einen Dreiklang geben und mit denen ich einen unheimlich fetzigen, schnellen Rhythmus mit einer wunderschönen Melodie spiele, begleitet von zwei oder drei Tamani-Trommeln5, Madu kommt hoch und sieht sich das an, ich frage mich, wann wir mal wieder zusammen spielen, merke aber daran, wie das gerade läuft, dass es bald und gut klappen wird, und denke mir, dass wir auch mal auf der Lützenkirchenstraße zusammen spielen sollten, das müsste da auch sehr gut passen, und da kommt die Frau, die bei uns wohnt, vorbei, wippt im Rhythmus meiner Klingelei, was wirklich sehr, sehr schön passt, und ich denke, dass ich viel öfter mit diesen Dingern spielen sollte • wir sitzen auf dem Rasen unter Bäumen in einer Siedlung, die die »Parkstadt« in München sein könnte, und über den Bäumen sehe ich einen wunderschönen riesigen Raubvogel, knall hell leuchtend rot, mit glänzendem Gefieder und am Hals violett-gelb-grünen Streifen, und ich habe sofort gedankliche Verbindung zu dem Vogel, mache aufgeregt Ebby auf ihn aufmerksam und er kommt tatsächlich zu uns runtergeflogen, als wollte oder könnte er sich mit uns unterhalten, aber je näher er kommt, desto unsichtbarer wird er, so dass hinter dem Busch neben uns, wo er dann schwebt, nur noch ein roter Streifen zu sehen ist, er wie durchsichtig ist, man sieht offenbar nur von Weitem seine ganze Form, ich spüre aber genau seine fragenden Gedankenströme, mit denen aber keine Kommunikation möglich ist, weswegen er auch wieder hoch- und weiterfliegt, aber dann kommen oben noch mehrere normale, teils einfach graue Raubvögel vorbeigeflogen, die aber alle zu mir runtergucken, sich von mir angesprochen fühlen, ohne dass weitere Unterhaltung möglich wäre, und Julia zeigt lachend kopfschüttelnd drauf und sagt, dass ich sie ja anziehe mit meinen Gedanken, und dass ich es bin, der diesen schönen bunten Raubvogel, während der nachts da seine Arbeit macht, zwar nicht stört, aber mitmacht, sich einmischt, und ich sage, dass ich das schon zweimal gemacht habe, als ich draußen war und diese Vögel gesehen habe, sozusagen »gerufen« habe, und die sind dann gekommen und haben mich angesehen, mehr aber ist wiederum auch nicht gelaufen, und sie wissen, dass ich es bin, der sich nachts einmischt in ihre Fäden, die sie da ziehen, ein Raubvogel ist auch mal bis auf den Boden gekommen und als ich schon damit zu Ende war, kam er angewatschelt, aber flog dann wieder weiter, »die spüren mich, weil ich mich in ihre Flugbahnen einmische«, sage ich zu Julia, »und die verändere – aber sie sind nicht böse«, »Schosserie« /Causerie6 mit den Vögeln und die Raubvögel mit uns, also die Viecher suchen offenbar meine Nähe, aber wenn sie sie haben, ist es zu viel und sie hauen wieder ab • wir sind mit zwei Lastern unterwegs, die irgendwie Pannen hatten, und am ersten Tag sind die beiden Fahrer die Nacht durchgefahren, wir fahren aber die zweite Nacht wieder woanders hin und kommen morgens dort an; Ebby ist in dem anderen LKW und sitzt mit den anderen Leuten auf der Ladefläche total übermüdet, sie können kaum mehr die Augen offen halten und der Oberkörper kippt beim Sprechen nach vorne über, Ebby sagt: »zwei Nächte total durchgefahren«, wobei unklar ist, ob er sich selber meint oder die anderen Leute beziehungsweise den Fahrer, und zum Teil schlafen die Leute und sind gar nicht ansprechbar, und an den Mopeds und Motorrollern, die da transportiert worden sind, sind seitlich dicke lange Eisenstangen angeschweißt, die – angeblich – die Motorleistung enorm verbessern • Zeitschrift mit der Überschrift: »Muammar al Gadhafi – Rebellensieger«, wobei unklar ist, ob er Sieger über Rebellen ist oder Sieger als Rebell • ein Typ mit Quelläuglein, Fahrer eines der Autos, mit denen wir unterwegs sind, hält mir seinen Becher hin, damit ich Wasser reintue, aber ich denke: »das schreib ich erstmal auf« –

– der zu große schwarz-weiße Wassertopfentkalker geht jetzt – stört aber –

– ein viereckiger und ein runder Mond, dicht über/hinter/nebeneinander am Himmel, leicht verschwommen hinter einer dünnen Wolkenschicht • wir waren lange zu Besuch bei Leuten, mit denen wir uns gut befreundet haben, bereiten aber jetzt die Abreise vor, packen schon die ersten Sachen in die beiden Wohnmobile, ein Teil von uns ist schon weg und wir warten noch auf andere, weil wir noch eine Abendveranstaltung vorhaben, und während ich etwas in das Wohnmobil packe, steht eine Frau aus der gastgebenden Gruppe neben mir und ich spüre richtig den Stich, den es geben wird, wenn wir dann wirklich losfahren werden, und sage: »das wird dann schon hart, wenn wir tatsächlich wirklich fahren«, woraufhin sie den Kopf senkt und nickt • in einem alten zementverschmierten Blecheimer befindet sich das Material für den Einbau eines Schlosses in eine Tür, lauter Metalleinzelteile, und um zu sehen, ob es sich einbauen lässt, muss man den Blecheimer anschalten, ganz normal, indem man einen Knopf dreht, und dann klingt er wie ein schlecht eingestelltes Radio, das man so lange einstellen muss, bis es gut klingt, also sauber wie ein gut eingestelltes Radio, was dann zeigt, dass man das Schloss einbauen kann, was wir auch noch tun werden; das Ganze nennt sich »Rybus«-Schloss • am Rande des Gartens auf dem Rasen ein mit Werkzeug und anderem Material vollgestelltes Plastikzelt, man kann kaum reingehen, weil es komplett voll mit Werkzeug ist • letzter Drehtag, die Sterbeszenen der Hauptdarsteller, zu denen ich auch gehöre, werden gedreht, es war ein großer Kinofilm mit einer jungen Band mit netten Leuten, viele Verwicklungen und Beziehungskisten, aber alles abgedreht, wir sind eigentlich schon reisebereit, sollen nur noch schnell das Sterben drehen, wozu Lenn Kudriawitzki und ein anderer Junger unter einen Tisch kriechen, um dort zusammenzubrechen und zu verenden, ich liege schon schräg gegenüber in der Ecke und sterbe, was vom Kameramann direkt gefilmt wird, der Regisseur ist schon gar nicht mehr da, es müssen nur noch Bilder gedreht werden, und der Kameramann sagt total befriedigt: »das geht ja alles noch schneller, als ich gedacht habe, hab’s doch gesagt, dass das alles kein Problem wird, du siehst doch wunderbar aus, da müssen wir gar nicht mehr viel drehen, dann haben wir den Schluss auch« und dann kommt die allerletzte Szene mit lauter frischgeborenen Babys – was mir gar nicht klar war! –, deren Mütter auf einer blauen ein oder zwei Meter hohen Freitreppe sitzen, alle einheitlich gekleidet, die Babys, die geboren wurden, während wir starben, vor sich auf dem Arm und Schoß; ich seh mir das an und denke, dass das wohl ein »positives« Ende ausdrücken soll, Optimismus erzeugen oder so etwas, aber ich finde es trotzdem ganz witzig, gerade in dieser Plattheit, und dann gebe ich schon das erste Interview, weil anschließend gleich die Premiere sein wird, und ich sage, dass ich diesen speziellen Ossi-Humor ganz gern habe, wie ihn auch Leander Haußmann, der allerdings in diesem Film ausnahmsweise nicht mitspielt, auch habe oder bei dem ich ihn kennen gelernt habe, also diesen Humor, den wir Wessis nicht kennen, der aber trotzdem ganz witzig ist – Frühstück mit der alten Mamu auf einer großen Terrasse mit Blick über München oder eine andere deutsche, riesige Stadt –

– ich muss mit einem Typen und seinem Sohn ein illegales geklautes oder verbotenes Auto wegschaffen, eine ganz gefährliche Angelegenheit, bei der wir nicht erwischt werden dürfen, es darf niemand wissen, niemand merken, wir sind in einem großen Hof, der von vierstöckigen Häusern umgeben ist {der Hof, an dessen Rand die Frau saß, danach dann das Sumpfgelände auch als Innenhof und später oben im fünften Stock die Sekretärinnen, deren kleiner Chef später kam, als ich nur in einen Teppich gewickelt dasaß}, von dem aus ein Aufzug nach unten führt, durch den das wegmuss, der aber auch nach der anderen Seite offen ist, so dass man, wenn beide Türen offen sind, durchgehen und auf der anderen Seite auf die Straße gehen kann, was der Sohn auch tut, während er mit seinem Vater redet, was ich, draußen neben einem tiefen Loch stehend, sehe, das der Sohn aber, weil er so intensiv mit seinem Vater redet, der gerade das Ding bearbeitet, das wir wegschaffen müssen, was auch ein Sarg, ein Kanu oder einfach einen längliche Eisenkonstruktion sein könnte, nicht sieht und weshalb genau das passiert, was genau nicht hätte passieren dürfen, nämlich dass er prompt in das Loch fällt, das ziemlich tief runter geht und auch von vielen hölzernen Querbalken durchkreuzt ist, zwischen denen der Sohn aber geschmeidig durchgleitet, und er trifft unten auf, offenbar ohne sich was zu tun, weswegen der Vater sofort da runtersteigen will, ich aber sage: »das mach ich schon«, weil er sich weiter um das wegzuschaffende Ding kümmern muss, und ich steige runter und sehe, dass dem Jungen tatsächlich nichts passiert ist, er sogar sofort anfängt, Zeugs wegzuräumen und eine weiße, viereckige Schicht wegzuschieben, um das Abwasser ablaufen zu lassen, weil wir da auch mit dem wegzuschaffenden Ding vorbeimüssen, mit dem der Vater auch runterkommt und wonach wir dann durch den unteren Ausgang in einen unteren Hof wollen, ich will vorher aber noch die Unterbaukonstruktion von dem Haus begutachten, ein ziemlich altes, betoniertes Haus, bei dem unter der untersten Kellerkonstruktion noch ein halber Meter Luft gelassen ist, wo ich halb drunterkrieche, um mir das genauer anzuschauen, schüttle den Kopf und sage: »das ist mir aber nicht ganz geheuer!«, aber dann gehen wir raus und schieben das Auto oder den Rest davon, ein Haufen Blechmüll könnte es auch sein, einfach neben den normalen Müll, wo es gar nicht auffällt, und wir tun ganz harmlos und unauffällig und normal, als sei das völlig selbstverständlich, was wir da tun, und in diesem Moment kommt Karlheinz vorbei, der allerdings ahnt, dass wir eine illegale Aktion machen, aber nichts sagt, sich völlig korrekt verhält, mit uns in den Aufzug geht, mit dem wir wieder hochfahren, und dabei auch so tut, als habe er nichts gemerkt, und wie wir da im Aufzug hochfahren, wird mir klar, dass wir es tatsächlich geschafft haben, das Ding loszuwerden, ich kann’s kaum glauben, und ich hau dem anderen kumpelhaft zwischen die Rippen und sage, dass wir uns doch jetzt freuen können, dass wir das tatsächlich weghaben, und als wir dann oben ankommen und rausgehen, spielt Karlheinz mit, dass wir so tun, als seien wir ganz normale Leute, die sich ganz normal unterhalten und ganz normale Dinge tun, die überhaupt nicht verdächtig sind, draußen ist auch schon wieder Verkehr, normale Leute laufen rum, gehen ganz normal zur Arbeit, keiner hat was gemerkt, keiner ahnt was und ich sehe jetzt erst, dass da nochmal eine Unterführung unter dem Haus durchgeht, richtig groß vierspurig, aber wir müssen eigentlich nur noch zur Tankstelle, unser eigenes Auto holen und abhauen und alles ist gut – ich bekomme nach der Besprechung mit dem Regisseur ein riesiges Textbuch aus Packpapier, mindestens einen Meter lang und sechzig bis achtzig Zentimeter tief, handgemalt mit Pinselschrift, wobei jede Rolle eine andere Farbe hat, und auf jeder Seite, jedem Blatt, das jeweils eine Szene ist, kann man einen vorgestanzten perforierten Teil aufreißen und darunter dann den eigentlichen Szenenverlauf aufklappen, herausblättern, und dann steht da sehr kunstvoll geschrieben in der jeweiligen Farbe der Name des Schauspielers und darunter sein Text; das Drehbuch selbst ist ein Kunstwerk, das ich ganz ergriffen betrachte • bin in einem großen viereckigen Hof von mehrstöckigen Gebäuden umgeben, wo ich mit den Leuten aber nur sehr, sehr wenig zu tun habe, typische reiche Malier, irgendwo an der Seite auf dem Boden liegend und wartend {wie ich wartete, dass die Abschussrampe ausprobiert werden sollte, deren Geschoss dann direkt beim Nachbarn auftraf, aber nichts machte} und da kommt jemand vorbei und begrüßt mich überaus freundlich: »ach mein kleiner Freund, das ist ja sehr, sehr schön, dass ich dich hier treffe«, eilt dann aber weiter zu dem Besitzer oder diesen Leuten, mit denen ich kaum was zu tun habe, diese ganz reichen Malier, die vor Geld stinken, und dann wird in dem Hof ein Bild von Ralf Walter aufgestellt, auf einer Staffelei, ein ziemlich großes, etwa zwei oder drei Meter hohes und zwei, drei Meter breites, und Kinder von diesen reichen Leuten dürfen, auf Stühlen stehend, auf diesem Bild drauf rummalen, was ich eine Sauerei finde, typisch für diese reichen Snobs, aber an dem Bild verändert sich nichts, es weist alle Draufmalereien ab, insofern kann man es nicht kritisieren • Renate und ich sind nackt im Theater, die Vorstellung ist zu Ende und wir gehen raus, ich finde es ja schon ein bisschen peinlich, nackt zu sein, irgendwas kleines anzuhaben wäre schon besser, aber wir überlegen, dann noch eine andere Vorstellung zu sehen, und gehen in die Kammerspiele, um die Karten schon mal zu kaufen, Renate muss dann aber erstmal aufs Klo und ich setze mich in eine Nische, damit man mich nicht so gut sieht, so nackt, aber dann kommt eine Kartenabreißerin, die ich schon vom früher kenne, und setzt sich neben mich, begrüßt mich mit: »guten Tag, Herr Lechner«, was mich wundert, aber sie lacht und sagt dann: »guten Tag, Herr Wackernagel« und ich versuche, ihr zu erklären, warum ich nichts anhabe • Bassy und Idrissa liegen flach auf dem Boden, sind flach wie Pappe, müssen zur Uni, das heißt, sie werden dorthin transportiert, die Pappe wird dorthin getragen, weil die beiden total übermüdet sind von ihren Studienvorbereitungen, ich sage zu Idrissa: »du kannst ja die Augen kaum aufmachen!« und es sind wirklich nur zwei Schlitze in der Pappe, die er jetzt versucht, mit einem krampfhaften Lächeln zu öffnen, was aber nicht geht, aber er nickt durch dieses Papier durch, diese Pappe, auf die er gedrückt ist oder zu der er zusammengedrückt ist, und wir verabreden uns dann für morgen, wo wir den Abriss zusammen machen –

 

– in die Felder des Mirsches • ich muss weg! • jemand hat neue Klos bauen lassen, auf der anderen Straßenseite, sie sind fertig und die Frau, die sie gebaut hat, kommt und sagt: »al ham dullilah, die Klos sind fertig!« • bei meiner Tante Gaby, die Harwarton ausräumt, wo auch ganz viele andere Leute sind; ich gehe nochmal durch die Räume und stelle fest, dass sie alle viel kleiner sind, als ich sie in Erinnerung habe, weil ich damals soviel kleiner war und sie als größer empfand; ich frage, ob ich ein Tischchen haben kann, genau das kann ich aber nicht haben, weil Gaby das behalten will, aber dann gibt es Essen für all die vielen Leute an einem langen schmalen Tisch, Lutz und Erich Eisel sind auch da, und an allen Plätzen steht vor den Tellern ein Schnapsglas und Lutz trinkt seinen Schnaps einfach gleich aus, was ich ziemlich geschmacklos finde, weil am Anfang der Tafel überhaupt erst begonnen wird, das Essen auf die Teller zu legen • es wird gedreht, ich gehe aber erst nochmal weg, komme dann wieder und steige durch das Fenster ein und bringe die ganzen Sachen mit, es sind auch noch viele andere Schauspieler da, und ich lege mich erstmal auf eine Couch, um mich auszuruhen, da kommt eine Frau, die sich als Claudia Schrottlother vorstellt und fragt, ob sie mir Briefe schreiben darf, ich frage, wer sie ist und woher ich sie kenne, sie sagt, sie kenne mich nicht, aber sie habe über eine gemeinsame Freundin den Kontakt zu mir herausgefunden –

– Sabine kommt von einer Reise zurück, ist total übermüdet und hat eine viereckige Blechschale mit schwarzvioletter gefrorener Erde mit Knubbeln drin mitgebracht – eventuell Blumenknollen −, aber wir gehen erstmal Frau Jost besuchen, die in einem Hochhaus ganz oben wohnt, das in einer Hochhaussiedlung liegt, durch die wir zu ihrem gehen, Sabine das Schälchen mit der gefrorenen Erde in der Hand, und wir werden von einem kleinen Jungen mit einer Aktentasche belästigt, mit der er herumschwenkt, der sich nicht abwimmeln lässt, aber auch nicht genau sagt, was er von uns will, und dann auch noch, als wir Frau Jost sehen, die wirklich schon sehr, sehr alt ist und in der Kälte draußen vor dem Hochhaus steht und auf uns wartet und etwas verwirrt wirkt, sich vordrängt und als Erster auf sie zurennt, um sie zu begrüßen, worauf sie ganz erfreut reagiert und sagt: »ach, du bist bestimmt der kleine Soundso, das ist ja nett, dass du auch kommst«, was aber eine Verwechslung ist, weil sie auch nicht mehr gut sieht, und wir versuchen, das zu vertuschen, weil wir gar nichts mit dem zu tun haben, und verscheuchen den Bengel endlich erfolgreich, woraufhin Sabine bei der Begrüßung von Frau Jost sagen will, dass das Schälchen mit der gefrorenen Erde oben gleich in den Kühlschrank muss, Frau Jost aber denkt, das sei ein Geschenk für sie, bedankt sich überschwänglich, freut sich echt, so dass es unmöglich ist, das Missverständnis aufzulösen, und als wir dann aus dem Aufzug oben rauskommen und die Treppen zur obersten Wohnung, wo Frau Jost wohnt, hochsteigen, fällt auch noch etwas gefrorene Erde auf die Treppe und Sabine und ich versuchen, das sauber zu machen, ohne dass Frau Jost das merkt, wobei mir vor allem diese schwarzvioletten Wurzelknollen auffallen, und oben in der Wohnung sind noch sehr viele andere Leute, mit denen wir alle zusammen um einen großen viereckigen Tisch am Fenster sitzen, auch Valentin ist dabei, wobei man halb im Bett sitzt mit den Füßen oben, halb auf Stühlen, aber der Tisch reicht bis an den Hals beziehungsweise unter die Achselhöhlen, so dass man in die Tüten greifen kann, in denen sich das Gebäck befindet, das alle knabbern und sich dabei bemühen, die Krümel in den Tüten zu lassen, damit Frau Jost nicht zu viel den Tisch putzen und abspülen muss, weil sie so alt ist, und aus dem Fenster sieht man unten eine Art Volksfest oder Budenmarkt, wo Leute Sachen verkaufen, und Sabine sagt: »da unten sitzt ein Sammler!« und deutet auf ein Kind an einem Tisch, auf dem ein Ständer mit kleinen bunten Bildchen steht, ich vermute, dass es Briefmarken sammelt oder so etwas, man kann es nicht genau erkennen, weil es von so weit oben gesehen ist, jedenfalls ist es kein Bettler, sondern sitzt vor einem Ballon, einer Weltkugel, einem Globus aus Plastik, der aber auch kaum größer als es selbst ist, und verkauft wohl diese kleinen bunten Bildchen, und Sabine will erstmal eine Dusche nehmen, weil sie von der Reise noch völlig verschmuddelt ist, und geht durch einen Gang nach hinten, wo rechts dann die Dusche ist, aus der sie nochmal den Kopf rausstreckt und lachend etwas sagt, und dann unterhalten wir uns am Tisch über den neuesten Roman von einem Franzosen, der auch was Philosophisches sein soll, aber nichts Vernünftiges ist, worüber sich alle einig sind, und dann fragt mich einer von den Gästen, ein dicker, bärtiger, muffiger, streng, ob ich denn immer noch so denke, wie vor ein paar Jahren, als wir schon mal an dieser Stelle zusammengesessen seien und ich große Reden geschwungen habe über bestimmte Philosophen, die nur Scheißdreck redeten, und er damals schon gesagt habe, dass wir uns eines Tages wiedersehen würden und er mich dann fragen werde, ob ich das denn immer noch so sehe, ein Zeitpunkt, welcher jetzt gekommen sei, ich kann mich aber nur schwach erinnern, weswegen er zitiert, was ich gesagt habe, woraufhin ich mich erinnere und den Kopf schüttele und sage: »ich nehme kein Wort zurück, es ist alles haargenau so, wie ich damals schon gesagt habe« und meine Worte haben etwas Dunkelviolettes, knubbelunterbrochen Gestängiges, wie ein vergrößertes Genmodell, in etwas soßenartigem schwimmend, wie Blaubeerenmatsch, der leicht gefroren ist, aber daran hat sich heutzutage gar nichts geändert –

– ich fahre mit einer Fahrerin zum Drehen und es wird immer später, weswegen sie immer wilder fährt, hektischer und auch gefährlicher, und an einer Ampel, hinter der es nur rechts oder links geht, ruf ich bei der Produktion an, um zu sagen, dass wir gleich da sind, finde aber die Nummer nicht und wir kommen sowieso dann dort an, wo es erstmal gerade was zu essen gibt, die Ausgabe geht gerade los und ich werde nett aufgefordert, doch gleich mitzuessen; ich habe dort schon gedreht, war aber schon lange nicht mehr da und alle freuen sich, mich wiederzusehen, ich mich umgekehrt auch, aber dann kommt gleich die Assistentin und sagt, dass sie schon gegessen haben und dass der Regisseur völlig frustriert ist, weil der Film nicht aufgeht, die Konzeption einfach nicht stimmt, der Grundgedanke nicht funktioniert, was aber erst jetzt zu merken ist, das wird nichts auf diese Weise und er weiß noch nicht, wie es weitergehen soll, und dann sitzen wir in einer großen, kirchenartigen Halle herum, ich stehe neben einer Frau, die halb auf dem Boden liegt und ganz fromm ist, einer Sekte verfallen, und ich ziehe sie auf wegen ihrer Gottgläubigkeit, was sie aber gar nicht merkt, und dann gehe ich mit Fips und Ebby raus aus dieser kirchenartigen Halle und komme im bastüberdachten Vorhof an der Stelle vorbei, an der Barbara Rath-Korte immer ihr Ritual macht, das darin besteht, dass jemand auf einem in einem Kreis stehenden Stuhl beziehungsweise Sessel sitzt und sie um ihn herum tanzt, und wo jetzt endlich der schon mehrfach gewechselte – auch einmal mit einem Korbsessel, den ich ihr besorgt hatte–-, jetzt aber wirklich adäquate, geradezu thronartige Sessel steht, mit vielen auswüchsigen Verzierungen, barock vergoldet mit vielen kleinen Spitzen nach oben, auf denen kleine Lämpchen befestigt sind; ich gehe zu dem Sessel und betatsche ihn und sage: »na, jetzt ist das ja endlich der richtige!« und denke, dass sie damit sehr zufrieden sein wird, friere aber leicht und gehe raus und stelle mich in die Sonne, Ebby und Fips kommen nach und lachen über mich, aber ich frage: »ja, wann machen wir denn jetzt endlich die große Nummer und die Karawane?« • Leute strömen aus einem Vorortzug auf die Straße, morgens, sie gehen zur Arbeit, für mich sieht es so aus als wären sie ganz normal, ich sehe nur die Köpfe und eine Frau fixiert mich komisch, als hätte ich irgendwas oder als sei irgendwas mit mir, geht aber dann weiter, aber dann kommt ein knurriger Mann mit Bart, radikaler Muselman oder was, und fixiert mich auch bis kurz davor, dass eine Aggression ausbricht, aber dann geht er auch weiter, und die Leute, die zur Arbeit gehen, sehen ganz normal aus, überdeutlich • schreibe Traumnotizen auf beziehungsweise: ich schreibe auf, dass ich Traumnotizen aufschreibe und ich sehe mir die Notizen an, die ich über die Träume gemacht habe, lese diese Notizen, erinnere mich aber nur schwach an den Traum und schreibe auf, dass ich von Traumnotizen geträumt habe, die ich krampfhaft versuche, zu rekonstruieren, aber sie lassen sich nicht fassen, stehen ganz klar vor meinen Augen, aber lassen sich nicht beschreiben, obwohl es einfache, klare Vorgänge sind, und dann schreibe ich Traumnotizen auf von Träumen, in denen ich Traumnotizen aufgeschrieben habe, also dass ich geträumt habe, wie ich Träume aufschreibe, also Traumnotizen von Traumnotizen, oder nochmal anders: ich schreibe auf, dass ich geträumt habe, Traumnotizen gemacht zu haben, also ganz genau geträumt zu haben, wie ich Träume aufgeschrieben habe, wobei es neben mir leicht abschüssig runtergeht und ich ständig lächle, aber gleichzeitig verzweifelt bin, weil es sich alles nicht fassen lässt, ich habe von Traumnotizen geträumt und erzähle das anderen und dann schreibe ich auf, dass ich Traumnotizen aufgeschrieben habe, also Träume von Traumnotizen, die ich aber nicht rekonstruieren kann, schreibe auf, dass ich von Traumnotizen geträumt habe und suche ein Verschachtelungsverfahren, und ich weiß, dass das, was ich aufgeschrieben habe, nicht genau das ist, was ich geträumt habe, niemals identisch ist mit dem, was ich geträumt habe, bin verzweifelt deswegen und schreibe auf, dass ich geträumt habe, Traumnotizen aufzuschreiben – ich schreibe auf, dass ich geträumt habe, dass das Haus notariell festgelegt ist, also dass ich geträumt habe, ich hätte geträumt, dass eine Notiz gemacht wird, wie das Haus auf meinen Namen festgelegt ist, und ich denke im Traum vom Traum, dass es doch längst festgelegt ist! –

 

– nach langen Verwicklungen und sehr schönen Zusammenhängen, die optimistisch in die Zukunft sehen lassen, schiebe ich im Dunkeln einen vorne spitz zulaufenden Kinderwagen einen schmalen, teilweise mit flachen langen Stufen versetzten Weg hoch, vor mir eine Japanerin in Schuhen mit hohen, breiten Absätzen, die auch ein Kind trägt; es herrscht ziemliches Gedränge auf diesem Weg, neben dem anfänglich noch Bauzäune zu sehen sind, so sehr, dass ich einen Mann, der in einem rollstuhlartigen Dreirad sitzt, mit einer Saftpressmaschine auf den Knien, mit der er Saft presst, den er gleich trinkt, anrempele, so dass er ein paar Meter vorrollt, was ihn aber überhaupt nicht interessiert, und ich muss den Kinderwagen, in dem eventuell mein Kind liegt, hochheben, um eine der flachen Stufen überwinden zu können, hebe vorne hoch, wo an der Spitze des Dreiecks ein Bügel angeschweißt ist, und hinten hilft mir eine Passantin, weswegen wir auch weiter den Kinderwagen tragen und es gleich wesentlich weniger gedrängt ist, vor uns nur noch die Japanerin, die ich nur von hinten sehe und die, je freier der Weg ist, immer schneller geht – die Abstände der Gitter im alten Zimmer unten an der Ecke des Hauses sind unten so breit und hoch, dass ein Kind durchsteigen kann • ein riesiger Hund hat einen kleinen blauen Gebetskranz im Mund und zwei in blauen Gewändern völlig verschleierte Tussis wollen ihm den Gebetskranz wegnehmen, aber er gibt ihn nicht her und die beiden haben Angst, Druck zu machen, weil er sofort böse knurrt, wenn sich diese blöden Kühe ihm nähern • und nach dem ganzen Hin und Her stellt sich raus, dass auf dem Stick nur zweihundertsechs- undfünfzig Gigabyte sind: da kann man ja gar nichts mit anfangen! • obwohl eigentlich klar ist, dass der Zug bald fährt, trödeln und trödeln wir, selbst auf den Stufen zum Bahnhof noch, und die Frau, mit der ich zusammen bin, die an Renate und Sabine erinnert, aber meine neue Freundin ist, quatscht noch auf den Stufen zum Bahnhof mit jemandem, obwohl man da schon sehen kann, dass der Zug bereits Anstalten macht, loszufahren, die Türen schließen und so weiter, weswegen wir dann erst endlich losrennen, obwohl er schon losruckelt und nichts mehr zu machen ist, weswegen wir resigniert eine Tafel suchen, wann der nächste fährt, was frühestens in einer Stunde sein wird, aber wir sind dann in der Villa von Johannes Schütz, ein riesen Wahnsinnsapparat, in dem wir rumhängen und warten, wobei sich rausstellt, dass das auch das Schauspielhaus Düsseldorf ist beziehungsweise die Villa von Schütz mit dem Schauspielhaus verbunden, das in den Händen von Schütz und Compagnie ist und wir reden mit Frau Schütz, die mir eine Rolle in einem sehr ambitionierten Stück anbietet, wogegen ich nicht grundsätzlich abgeneigt, aber weswegen ich etwas durcheinander bin, weil ich ja gerade auch an einem anderen Theater eine kleine Rolle spiele und eigentlich gar nicht so viel Theater spielen will, außerdem komme ich nicht dazu, zu fragen, um was für ein Stück es sich eigentlich handelt, weil sie sofort die technischen Details besprechen will, zwölfhundert Euro pro Vorstellung anbietet, mit gezücktem Kugelschreiber dasitzt und gleich alles festhalten will, wobei meine neue Freundin die Hände vors Gesicht schlägt vor Freude und ich mir ausrechne, dass es ja mindestens zehn Vorstellungen geben wird, also zwölftausend Euro, damit, wenn man den zusätzlichen Stress bei Drehtagen rechnet, fast genauso viel gibt wie bei normalen Drehs, auch die Reisen von und nach München sollen bezahlt werden, was ich gegenüber meiner neuen Freundin als besonders erfreulich zur Kenntnis nehme, weil damit München als Wohnort bereits durchgesetzt ist, aber anbiete, bei aufeinanderfolgenden Vorstellungen bis zu drei Tagen in Düsseldorf zu bleiben, und dann kommt Schütz wieder vorbei, fragenden Gesichts, ob alles geklappt hat, denn er legte da großen Wert drauf und ist zufrieden, dass es nun so laufen wird, er hielt mich für die Idealbesetzung und inzwischen ist es Tag geworden, man kann aus dieser riesigen Villa von Schütz raussehen auf die anderen Villen in der Nachbarschaft, ein riesen Monsterbau neben dem anderen, eine davon im Sechziger-Jahre-Viereckstil mit unverputzten Ziegelsteinen, die viel schöner ist als die eher kitschige von Johannes Schütz, nicht mein Geschmack, und es geht in kleinen gewundenen Wegen am Hang nicht weit runter zum Meer, und ich will Frau Schütz noch was erzählen, was mir aber im selben Moment dann doch peinlich ist, da kommen die anderen Schauspieler und fangen an, sich zu maskieren, sie setzt auch einen Schnurrbart auf, es wird hektisch und sie kommt glücklicherweise nicht mehr darauf zurück, mich zu fragen, was ich erzählen wollte –

– wir haben eine ziemlich große Fete gemacht, für die Johannes Artmann und ein in der Sonnenleite neu eingezogener dicker Ossi das Catering gemacht haben und ich gehe am nächsten Morgen zu Johannes in den Laden, um zu bezahlen, wobei mich unsere junge kleine Katze begleitet, und als ich hinten in den Betriebseingang von Johannesens Laden will, flutscht sie mit zur Tür rein und rennt gleich in den Laden, was natürlich nicht geht, allein schon aus hygienischen Gründen, ich renne ihr nach, erwische sie, aber sie flutscht wieder rein, bevor ich die Tür zuschieben kann und erst beim dritten Mal schaffe ich es, sie auszusperren, denn sie versucht weiter, reinzukommen und dort zu spielen, aber Johannes ist gar nicht sauer, sondern legt sich mit mir in eine Ecke im Hof des Bürotrakts und streichelt meine Füße, was ich sehr nett und angenehm finde, aber dann muss er im Laden arbeiten und ich weiter; ich zahle die fünfzehnhundert Euro für das Essen, das er gebracht hat, wirklich tolles, äußerst leckeres Biozeugs, was wir beide nochmal würdigen, und gehe mit Felix zu dem dicken Ossi in der Sonnenleite, der sein Büro Parterre hat, nur ein Schreibtisch mit ein paar Zetteln drauf, wo er erst rumrechnet und rumrechnet und rumrechnet und dann Abrisse von Rollen von Rechenmaschinen muffig zu mir rüberschiebt, auf denen ich nicht genau erkennen kann, wie viel ich zahlen soll, er ist auch verlegen und druckst rum und deutet dann auf einen dieser Abrisse, sagt: »ich weiß, das ist schlecht zu erkennen, aber da sieht man es genau: es sind sechstausend« – ich falle aus allen Wolken, bekomme einen Schock, weiß gar nicht, was ich sagen soll, überlege fieberhaft, wie ich das denn bezahlen soll und dass ich gar nicht mehr so viel auf der Bank habe und dann alles Geld schon wieder weg ist, ich im Minus, frage, ob er das bar oder als Scheck haben will und er sagt gesenkten Blickes: »lieber bar!«, worauf ich sage: »dann muss ich aber erstmal noch zur Bank«, woraufhin er sich zurücklehnt und ganz offensichtlich erleichtert ist, dass ich nicht weiter nachfrage und diskutiere und er mich loshat und kaum bin ich draußen und weit genug weg, dass er mich nicht hören kann, brenne ich darauf Felix, der kopfschüttelnd nachgekommen ist, sagen zu können, dass das ja der absolute Hammer ist, unvorstellbar, in keiner Relation zu dem steht, was er gebracht hat, und will schnell zu Renate, um das mit ihr zu diskutieren –