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„Malek, Sie Banause, zum wiederholten Male, ich heiße Professor Linden. So viel Etikette muss schon sein, Sie ungehobelter Klotz“, fauchte der Pathologe etwas außer sich.

„Ist ja schon gut, Herr Professor, nur immer gut auf den Blutdruck achten. Es wäre schade, wenn Sie selbst auf Ihrem Tisch lägen, nur weil Sie eine Spaßbremse eingebaut haben“, meinte Joe.

Der Professor kannte Malek schon lange, aber sein „Herr Fiebertee“, wie Joe ihn immer nannte, brachte ihn jedes Mal auf die Palme.

„Übrigens, das ist Herr Geher, mein neuer Kollege.“

„Kommissar Geher, wenn ich bitten darf, Herr Malek“, sagte Fabian.

Malek überhörte diesen Satz, da er sich auf keine Diskussion einlassen wollte. „Also, Professor, was gibt es zu berichten?“, fragte er stattdessen.

„Ja, mein Lieber, genau wie bei den anderen Fällen, keine einzige DNA und keinerlei Hinweise auf den Täter. Die Tote wies genau zwanzig Stichverletzungen auf, zehn im Brustbereich, wobei der dritte ins Herz ging und absolut tödlich war. Des Weiteren je fünf im Kopfbereich, weitere fünf im Unterbauch. Erhebliche Schnittverletzungen im Gesicht der jungen Frau und, jetzt kommt’s, auch hier wurde der Bauch fast schon fachmännisch geöffnet und der Uterus entfernt und anschließend die Öffnung sehr laienhaft mit groben Stichen verschlossen. Eine sehr blutige und schaurige Sache“, sagte der Professor. „Auch hier, genauso wie bei den anderen Opfern, ist der Liegeplatz auch die Tatortstelle. Allerdings wurde die Leiche bewegt, heißt also, nach der Tötung irgendwohin transportiert und später wieder zurückgebracht. Ich vermute, dass der Kerl einen Raum und auch das Werkzeug hat, wo er die Bauchöffnung sowie die Entnahme des Uterus vornimmt. Es wird langsam Zeit, dass ihr diesen Serienmörder dingfest macht“, meinte Professor Linden vorwurfsvoll. „Ach ja, die DNA auf der Zigarettenkippe sowie die Blutuntersuchungen ergaben keinen Hinweis auf den Täter. Alle Ergebnisse wurden den Opfern zugeordnet. Es tut mir leid, Herr Malek, mehr habe ich leider nicht“, sagte der Professor.

„Kein Fussel, keine Hautpartikel, kein Haar oder Sonstiges?“, hakte Joe verständnislos nach.

„Ich sagte Ihnen doch, dass nichts zu finden war“, meinte Linden fast schon beleidigt, da er sich in seiner Ehre etwas angegriffen fühlte.

Auch Fabian schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Dieser Mensch muss aber sehr intelligent sein. Ist ja schon fast genial, zu morden, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen“, murmelte er, seinen Kopf dem Professor zugewandt.

„Ja“, meinte Professor Linden, „dieser Täter ist eine Mischung aus Wahnsinn und Genialität. Den zu überführen wird wohl eine Lebensaufgabe werden. Viel Spaß, ihr zwei.“

„Danke“, erwiderte Malek und brummte grimmig in seinen Dreitagebart, dass da wohl noch sehr viel Arbeit auf alle zukommen würde. „Also, Fiebertee, bis zum nächsten Mal, aber dann bitte mit verwertbaren Ergebnissen“, frotzelte der unbelehrbare Joe Malek, worauf der Professor ihm ein paar unflätige Worte, die sich sonst nicht in seinem Wortschatz befanden, hinterherschickte. Malek hatte seine Ohren auf Durchzug gestellt und eilte schleunigst zu seinem Dienstfahrzeug. Fabian trottete wie ein Hündchen hinterher. Auch ihn beschäftigten diese perfiden Morde.

Still fuhren die beiden zurück zum Revier. Dort angekommen, hatten sie gleich eine Audienz beim Kriminaldirektor Musche, der den neuesten Stand zu den Ermittlungen wissen wollte. Da es ja wieder keinerlei Indizien, Fakten oder Beweise gab, wurde Malek natürlich ein paar Zentimeter kleiner gestutzt. Er bekam einen deftigen Einlauf verpasst. Malek wollte gleich am nächsten Tag intensiv das Leben des letzten Opfers durchleuchten. Joe und Fabian schrieben noch stundenlang Protokolle, bevor sie um zwanzig Uhr todmüde nach Hause konnten.

„Also, Herr Malek, bis morgen, und dann bitte mit besserer Laune und mehr Kollegialität, da ich mir diese scheiß Stelle nicht ausgesucht habe“, fauchte Fabian wütend und eilte zu seinem Auto, ohne auf eine Antwort zu warten.

Joe stand mit offenem Mund und etwas baff über diese Aussage vor seinem Auto. „Der Kleine lebt ganz schön gefährlich“, dachte er, musste aber gleichzeitig schmunzeln über so viel Dreistigkeit.

Malek stieg in seinen Wagen und ab ging’s nach Hause in den verdienten Feierabend.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, mit einem kleinen Stau, war Joe endlich zu Hause angekommen. Seine Kleidung warf er wie gewohnt auf seinen Sesselberg, schlüpfte in seinen gemütlichen Jogginganzug, schaltete den Fernseher an und schenkte sich den ersten seiner Meinung nach wohlverdienten Whisky ein.

Joe würde, wie jeden Tag, wieder auf seiner Couch nächtigen, da er es seit dem Tod seiner Frau vermied, in seinem Schlafzimmer zu schlafen, aus Angst vor vergangenen Erinnerungen. Obwohl dieser Raum schön eingerichtet war, wollte er darin nicht schlafen. Jedes Mal, wenn er dieses Zimmer betrat, zerriss es sein Herz. Die Erinnerung an die schönen Stunden mit der Frau des Lebens raubten Joe den Verstand. Der unüberlegte Kauf des Doppelbettes war wohl ein großer Fehler gewesen.

* * *

Fabian Geher war inzwischen auch zu Hause angekommen. Leider hatte er einen wesentlich weiteren Weg als Joe, sein neuer Kollege. Er bewohnte in München in einem Hochhaus eine schöne Zweizimmerwohnung mit großem Balkon, die er sich, nach der Scheidung von seiner Frau, schön eingerichtet hatte.

Seine Eltern, die nicht am Hungertuch nagten, finanzierten seine etwas gehobene Einrichtung. Die weiße Lederelementgruppe war der Blickfang des Wohnzimmers, ebenso ein weißer Tisch aus Carrara-Marmor. Links von der feudalen Sitzgelegenheit befand sich ein übergroßes Fernsehgerät nebst Hi-Fi-Anlage. Auch eine kleine Bar mit drei Barhockern verzierte sein Wohnzimmer.

Fabian sperrte sein nobles Reich auf, entledigte sich seiner Straßenkleidung und marschierte schnurstracks in seine Küche, um sich ein paar belegte Brote zu machen und dazu sein Feierabendbier zu genießen. Seine schwarz-rote Kücheneinrichtung ließ ebenso keine Geldnot erkennen. Nachdem Fabian sich zwei Schinken- und ein Käsebrot zubereitet hatte, ließ er sich erschöpft und sichtlich genervt über seinen neuen Arbeitsplatz nebst Kollegen, auf seiner Couch nieder.

„Das kann ja heiter werden. In diesem Kaff werde ich bestimmt nicht alt“, dachte er, während er genüsslich seine Brotzeit vertilgte. „Prost“, sagte er zu sich selbst und nahm einen großen Schluck aus seiner Pilsflasche. Obwohl er kein Prolet war, verzichtete er auf ein Pilsglas. „Da komme ich neu an, werde unfreundlich empfangen, kann mich mit einem Antikollegen vergnügen, dann gibt es auch noch vier unaufgeklärte Mordfälle, und weil das ja noch nicht reicht, gleich einen fünften dazu“, hing Fabian erneut seinen Gedanken nach. „Was machen die auf dem Land? Entweder sind sie zu blöd zum Ermitteln oder sonst irgendetwas. Es ist mir schleierhaft, was da vorgeht. Mannomann, freue ich mich auf morgen, ich will mich mit diesem Idioten nicht ständig streiten oder herumärgern. Wenn’s mir zu viel wird, haue ich ihm einfach eine in seine arrogante Fresse“, dachte Fabian erneut ziemlich wütend. „Was meint der, wer er ist?“

Der Kommissar sah noch etwas fern, ärgerte sich erneut über die vielen Wiederholungen, die die Fernsehanstalten ihren Sehern zumuteten, ging dann duschen und anschließend sofort zu Bett. Sein Schlaf stellte sich leider sehr spät ein, da die neue Stelle ihn sehr belastete.

* * *

Am nächsten Morgen trafen die zwei unterschiedlichen Kommissare in ihrem Büro aufeinander. Mit einem gegenseitigen kurz angebundenen „Guten Morgen“ war der erste Dialog beendet.

Nach einer kreativen Pause sagte Malek zu Fabian: „Heute müssen wir weiter in der Mordsache Probe ermitteln. Ich schlage vor, dass wir diesen David Meier, der die Tote gefunden hat, vorladen, ihn vernehmen und nebenbei etwas durchleuchten.“

„Soll ich anrufen oder wollen Sie das erledigen?“, fragte Fabian Geher.

„Nee, das mache ich schon, studieren Sie noch etwas die Akte, damit Sie besser in den Fall involviert sind“, sagte Joe sachlich.

Währenddessen läutete Maleks Telefon unaufhörlich. „Mann, geht das schon wieder rund“, schimpfte Joe, Kaugummi kauend wie immer, und nahm das Gespräch an.

„Guten Morgen, Kommissar Malek, hier Professor Linden“, sagte die Gegenseite.

„Ah, unser Fiebertee, was verschafft mir die Ehre so früh am Morgen?“, stichelte Joe Malek schon wieder, obwohl er wusste, dass der Professor erneut ausrasten würde.

„Sie sind und bleiben ein ungehobelter Kerl, nehmen Sie erst mal den Kaugummi aus Ihrem Schandmaul“, wetterte Professor Linden los.

„Zu Befehl, Sir, welches Anliegen haben Eure Majestät?“, witzelte Malek erneut.

„Zu den Ermittlungen Probe habe ich noch etwas“, sagte Linden sehr wichtigtuerisch.

„Wenn Sie mir jetzt noch verraten, was es ist, dann wäre mein Tag gerettet“, meinte Joe.

„Wie bei den anderen Opfern fand auch hier keine Vergewaltigung statt.“

„Das hätten Sie mir auch gestern mitteilen können, Herr Fiebertee“, pflaumte Malek erneut.

„Malek, irgendwann reiße ich Ihnen den Kopf ab, Sie spätpubertierender Mensch, einen schönen Tag noch“, fauchte der Professor entrüstet und beendete das Gespräch.

„Mann, ist der wieder gut drauf“, meinte Joe verständnislos.

„Keinen Humor, die Leute von der Rechtsmedizin“, murmelte er.

Fabian Geher, der alles mitbekommen hatte, meinte darauf etwas großkotzig: „Nicht jeder ist empfänglich für die Art Ihres Humors.“

„Ist ja klar, dass gnäʼ Herr sich zu Wort meldet, Sie sind ja auch so ein Typ, der zum Lachen in den Keller geht“, konterte Joe Malek. So ein Arsch“, dachte er, „was mischt der sich schon wieder ein.“

 

Fabian, schon wieder sehr angesäuert, weil er diesen Menschen irgendwie nicht leiden konnte, schnappte sich die fünf Ordner und begann, sich in die Fälle einzuarbeiten.

Joe erledigte seinen Anruf bei David Meier, der sich immer noch etwas angeschlagen anhörte, aber gern bereit war, alles zu tun, damit der grausame Mord an Lola aufgeklärt werden konnte.

* * *

Der Wind peitschte den Schneefall unkontrolliert durch die kalte Luft. Marga, die Frau des Bürgermeisters, schlurfte eingewickelt in ihren roten Frottee-Morgenmantel zur Terrassentür ihres großen Wohnzimmers, das mit schönen Bauernmöbeln eingerichtet war. Wie jeden Tag, wurde zur Lüftung des luxuriösen Einfamilienhauses diese Tür geöffnet. Ein eisiger Wind schlug ihr entgegen. Die Terrasse nebst großem Garten, der das gesamte Grundstück umrandete, waren ziemlich eingeschneit.

„Ach Gott“, murmelte Marga sichtlich fröstelnd, „jetzt geht diese scheiß Schneeschipperei wieder los.“

Während sie die ungewollte weiße Schneepracht bestaunte, stürmte Psycho, der wunderschöne Malamute-Rüde, voller Energie in den Garten, wo er sich sichtlich erfreut über die nicht geringen Schneemassen wie ein Irrer wälzte.

„Schön“, dachte Marga, „wenn der jetzt ständig rein und raus will. Jetzt kann ich anschließend schon wieder das ganze Erdgeschoss putzen. Na ja, was soll’s, er braucht ja auch etwas Freude in seinem Leben.“

Der Bürgermeister Karl Grün und dessen Frau Margarethe, kurz Marga genannt, liebten diesen Hund sehr. Bereits drei Jahre war er nun schon ihr treuer Gefährte.

Marga ließ Psycho gewähren und verschwand eilig nach oben in das feudale, braun marmorierte Bad. Nach einer heißen Dusche, etwas dezent geschminkt, schlüpfte die fünfzigjährige, immer noch sehr attraktive, schlanke Blondine in ihre Jeans, zog sich einen warmen blauen Rollkragenpulli über, bändigte ihre lange, schöne Mähne zu einem Pferdeschwanz und lief dann eilig nach unten, wo sie in der Küche verschwand, die mit allem vorstellbaren Luxus ausgestattet war.

„Jetzt ist aber Tempo angesagt, Karl wird gleich zum Frühstück erscheinen“, faselte sie etwas hektisch. „Schnell die Kaffeemaschine angeschmissen, den Eierkocher angemacht, Müsli zubereitet, natürlich aus frischen, gesunden Zutaten, dann eilig den Tisch im Esszimmer liebevoll gedeckt und ins Wohnzimmer gestürmt, um die Terrassentür wieder zu schließen.“ – „Psycho, du bist wirklich der letzte Heuler“, schimpfte sie.

Der sehr schöne Hund lag völlig durchnässt auf der edlen, grauen Couch und machte es sich nach seinem Morgensport gemütlich.

Karl erschien circa eine viertel Stunde später geschniegelt und sehr gut riechend, aber mit mürrischem Gesicht am Frühstückstisch.

„Guten Morgen, meine Miesmuschel, wer hat dir den angebrochenen Tag versaut? So, wie du aussiehst, solltest du gleich wieder an der Matratze horchen“, sagte Marga etwas enttäuscht über die nicht besonders gute Laune ihres Mannes. „Langsam frage ich mich, was die Ermittler den ganzen Tag machen. Es gab bereits den fünften Mord und nichts geht voran“, sagte Karl sehr angesäuert. „Inzwischen traut sich nachts keine Frau mehr auf die Straße. Dieser Kerl muss doch endlich mal geschnappt werden.“

„Ja, ich habe auch schon davon gehört“, sagte Marga betroffen. „Unser kleines Dorf kommt ja gar nicht mehr zur Ruhe. Jetzt setz dich hin und fang zu frühstücken an, du hast sicher wieder einen anstrengenden Tag vor dir“, meinte sie etwas besorgt.

„Es reicht jetzt“, erwiderte ihr Mann, „nach dem Frühstück werde ich den Kommissaren einen Besuch abstatten, denn so kann es nicht weitergehen.“

„Jetzt fahr eine Stufe runter und denke an dein Herz, einen zweiten Infarkt kannst du dir nicht leisten. Was soll ich ohne dich anfangen? Mein ganzer Lebensinhalt besteht aus dir und Psycho.“ Marga konnte kaum ihre Tränen zurückhalten, da sie sich seit Jahren große Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes machte. Wegen einer tragischen Fehlgeburt in jungen Jahren konnte sie keine Kinder mehr bekommen. In ihrem Dasein spielten Karl und Psycho die Hauptrolle.

„Ist ja schon gut, du hast ja recht. Lass uns frühstücken und danke für all die Dinge, mit denen du versuchst, mir das Leben zu verschönern. Ich liebe dich, mein Mädchen, aber das weißt du ja. Wie schön wäre es, wenn sich jetzt ein Sohn oder eine Tochter mit uns am Tisch befände“, meinte Karl etwas melancholisch.

Barsch erwiderte Marga: „Was nicht ist, ist nicht. Hör endlich auf, in alten Wunden zu stochern!“

„Tut mir leid. Ab und zu überfallen mich solche Gedanken“, sagte Karl leise und mit traurigem Nachgeschmack.

Schweigend nahmen sie das Frühstück ein. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Psycho störte diese unerträgliche Stille, indem er winselnd neben Marga um seinen geliebten Schinken bettelte.

„Du bist wirklich ein süßer Gauner“, sagte sie und kraulte zärtlich sein nasses Fell. „Es ist ein großes Glück, so ein Wesen zu haben“, dachte Marga wehmütig.

Nachdem Psycho seine Rolle wie jeden Tag spielte, mussten beide herzhaft lachen.

Da das Ehepaar wieder Zugang zu alltäglichen Dingen fand, fragte Marga ihren Mann, woraus seine beruflichen Pflichten an diesem Tag bestünden.

„Zuerst werde ich den Ermittlern dieser Mordfälle etwas unsanft auf die Füße treten. Meine nächste Handlung ist, dafür zu sorgen, den Medienauflauf, der seit Tagen für zusätzliche Unruhe verantwortlich ist, massiv einzuschränken. Ansonsten wartet der tägliche Kleinkram auf mich. So, jetzt muss ich mich langsam auf die Socken machen, ein turbulenter Tag beginnt wieder“, sagte Karl, erhob sich träge von seinem Stuhl und ging zum Küchenfenster, um die Witterungslage zu peilen. „Du lieber Gott, ist das ein Sauwetter“, schimpfte er. „Woher kommt der viele Schnee?“

„Na, von oben, oder meinst du, die weiße Pracht wird hergefahren?“, antwortete seine Frau lachend.

Der Bürgermeister zog seinen warmen olivgrünen Parka an, der mit Lammfell gefüttert war, schlüpfte in seine Winterstiefel, schnappte sich die Handschuhe, die er dringend benötigte, um den Zugang zur Garage freizuschaufeln. Ein zärtlicher Kuss noch auf Margas Mund, den Hund getätschelt und schon war er weg.

Psycho hatte den Kopf zur Seite geneigt und sah sein Frauchen fragend an.

„Ich weiß, mein Schätzchen, du wolltest mit, aber Herrchen hat viel zu tun.“ Marga gab ihm einen Schmatz auf den Kopf und verschwand dann in der Küche.

* * *

Der Schnee deckte schwer und träge die schöne Landschaft zu. Klirrende Kälte und eisiger Wind zwangen die Gegend in die Knie. Die Straßen waren ziemlich leer, nur wer unbedingt musste, wagte sich vor die Haustür. Nachts schien der Ort wie unbewohnt.

Seit den brutalen Morden, von denen das Dörfchen heimgesucht wurde, hatte sich einiges geändert. Mittlerweile vermutete fast jeder Einwohner dieser einst so schönen Idylle, dass die besagte psychopathische Bestie ein Mitglied jener kleinen Gemeinde sei. Vor allem junge Mädchen und Frauen verhielten sich, nach dem grausamen Mord an der hübschen und fleißigen Lola Probe, sehr ängstlich, was auch zu verstehen war. Nächtliche Vergnügungen wurden nur noch in Begleitung vollzogen. Nach der letzten unbarmherzigen Tat war nichts mehr wie einst. Panik ging um. Mittlerweile verdächtigte jeder jeden. Der Bürgermeister, Karl Grün, hatte genau aus diesem Grund eine Versammlung für die nächste Woche anberaumt und sämtliche Einwohner des Dörfchens aufgefordert, dort zu erscheinen.

* * *

Joe Malek und sein neuer Kollege Fabian Geher waren wieder einmal von Dorf zu Dorf unterwegs, um Hinweise und Aussagen der Anwohner aufzunehmen. Seit Wochen wurde befragt, nach Spuren gesucht und ausgewertet. Am Ende standen sie wieder mit nicht brauchbaren Ergebnissen da. Es war zum Verzweifeln. Dieser Kerl musste ein Genie sein. Niemand kam hinter seinen perfiden Plan, keiner entdeckte auch nur die winzigste Spur, um den Täter zu finden, geschweige denn, ihn zu überführen. Der Druck auf die Kommissare wurde immer stärker. Auch die Vernehmung von David Meier, der die verstümmelte Leiche seiner Kollegin und heimlichen Liebe Lola fand, ließ die Ermittlungen ins Leere laufen. Das Alibi von David Meier wurde nachgeprüft und bestätigt.

* * *

Da die Fahrt auf den vereisten und teilweise nicht gestreuten Landstraßen sehr anstrengend war, musste Joe wohl oder übel mit Fabian, den er immer noch nicht ausstehen konnte, ein Gespräch anfangen. Seine Whisky-Orgie letzten Abend war wieder einmal ausgeartet. Nur mit Mühe und Not konnte er seine Augen offen halten. Kaugummi kauend, um seine Alkoholfahne zu verdecken, sagte er mit Widerwillen zu Fabian: „Wie sieht’s aus, wollen Sie die Fahrt verschlafen oder wäre es eine zu große Güte, wenn wir uns am Steuer abwechseln könnten, da ich sehr starke Kopfschmerzen habe und mich nicht ständig auf diese Schlittschuhbahn konzentrieren kann.“ Fabian fauchte zurück: „Bei Ihrem Betäubungsmittelkonsum hätte ich auch Kopfschmerzen, Herr Malek. Sie müssen mich nicht für dumm verkaufen, ich weiß längst, welche bösen Geister Sie, so wie es den Anschein hat, täglich befallen.“

Wut schoss in Joes Kopf, obwohl dieser fürchterlich brummte. Er stieg so hart in die Eisen, dass der Wagen quer auf der Straße stand.

„Was soll das heißen, du Arschloch?“, schrie Joe Fabian wutentbrannt an, riss zugleich die Tür des Dienstwagens auf, da er merkte, wie sehr sein Magen rebellierte. Aussteigen war nicht mehr möglich. Sein Magen katapultierte sämtlichen Inhalt ohne Ankündigung auf die vereiste Fahrbahn. Es hatte den Anschein, als wolle er auf einmal sein ganzes Leben ausspucken. Gurgelndes Würgen trieben seine Tränen quer über das Gesicht.

Fabian hechtete aus dem Auto und lief eilig, was bei dieser Glätte nicht einfach war, zur Fahrerseite. Was er sah, ließ seinen Atem stocken. Die verschneite Fläche, auf der sich der Mageninhalt seines Kollegen befand, war rot gefärbt. Da Joe immer noch würgte und mittlerweile mit nach unten hängendem Kopf auf dem eisigen Boden kauerte, wollte Fabian ihn unterstützen, indem er sich hinter Malek kniete, sein Haupt nach oben hob und seine Stirn festhielt, damit er wenigstens wieder freier atmen konnte. Der Brechreiz hatte aufgehört. Maleks Gesichtsfarbe war eine Mischung aus Gelb und Weiß. Kalter Schweiß bedeckte seinen Kopf und wohl auch den gesamten Körper, da er plötzlich zu zittern begann. Fabian schleppte ihn ins Auto zurück, parkte Joe auf dem Rücksitz und hob seine Beine hoch, damit der Kreislauf nicht ganz schlappmachte. Gleichzeitig fing er sehr kräftig zu schimpfen an: „Sie verdammter Idiot, wenn Sie sich umbringen wollen, so machen Sie das zu Hause und nicht, wenn Sie neben mir sitzen! Nach außen den harten Knochen geben und innerlich ein Weichspüler sein. Was, zum Teufel, ist Ihr Problem? Was quält Sie so sehr, dass Sie sich zu Tode saufen wollen? Wie primitiv sind Sie, um zu glauben, ich hätte Ihre tägliche Alkoholfahne trotz ständigem Kaugummikonsum nicht bemerkt? An Ihrer Stelle würde ich endlich einen Seelenklempner aufsuchen oder mich aus meinem verantwortungsvollen Dienst zurückziehen.“

Malek, der alles still angehört hatte, fing mit seinen Beinen an zu zappeln, die Fabian immer noch hochhielt. „Lassen Sie mich in Ruhe, Sie Klugscheißer! Nicht jeder ist von Beruf Sohn und bekommt Goldbarren in den Arsch geblasen. Was wissen Sie denn schon.“

„Dann spucken Sie endlich aus, welches Problem Sie haben, denn ich habe keine Lust mehr auf diese Scheiße“, schrie Fabian zornig. Nachdem er Joes Beine unsanft fallen gelassen hatte, trat eine Schweigeminute ein. Keiner der beiden Sturköpfe sagte auch nur einen Ton.

„Ich werde Sie jetzt nach Hause bringen und hoffe doch sehr, dass Sie schleunigst einen Arzt aufsuchen.“ Fabians Stimme wirkte wieder normal. Auch wenn er die Art dieses Ekels nicht mochte, empfand er Mitleid für Joe Malek.

Der Superbulle fühlte sich immer noch sehr angeschlagen. Mit leiser Stimme war ein „Danke.“ zu hören, was eine große Überwindung sein musste, da dieses Wort fremd für ihn war.

„Geht doch“, meinte Fabian und beförderte den mürrischen Kollegen in dessen spärliches Zuhause.

Fabian hatte die Schnauze gestrichen voll. Wenn Joe nicht so elendig ausgesehen hätte, säße er wohl immer noch auf dem eisigen Boden und würde sich die Seele aus dem Leib kotzen.

* * *

Es wütete ein arger Schneesturm. Der Winter hatte dieses Jahr sehr früh zugeschlagen und jene schöne Gegend in seinen Bann genommen. Bei so einem Wetter bekommt man normalerweise keinen Hund vor die Tür. Nicht so an diesem Abend. Der Gemeindesaal füllte sich bis auf den letzten Stuhl. Fast jeder Einwohner dieses Ortes war dem Aufruf des Bürgermeisters gefolgt, der eine außerordentliche Versammlung einberufen hatte. Es war hoher Diskussionsbedarf vorhanden, weil es nicht so weitergehen konnte. Da die Hüter des Gesetzes nicht fähig waren, für Sicherheit zu sorgen, musste einiges in Eigenregie gemacht werden. Einige Familien waren bereits weggezogen, um dieser täglichen Angst und Unsicherheit zu entgehen.

 

Um zwanzig Uhr wurde die Sitzung eröffnet. Bürgermeister Karl Grün trat ans Rednerpult. Eine hitzige Diskussion war entfacht. Gesucht wurden Vorschläge, um diese Gegend wieder einigermaßen lebenswert zu gestalten. Nach diesen irrsinnigen Morden getraute sich fast kein weibliches Wesen mehr abends vor die Tür. Panik hatte in diesem Dorf Einzug gehalten. Beinahe jede Frau, die in der Dunkelheit von der Arbeit allein nach Hause gehen oder fahren musste, war mittlerweile mit kleinen Abwehrwaffen ausgestattet. Tränengas, Elektroschocker oder Messer, all diese Dinge befanden sich in den Handtaschen des weiblichen Geschlechts.

Nachdem zwei Stunden die unterschiedlichsten Vorschläge ausgebreitet wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass Männer, die sich freiwillig zur Verfügung gestellt hatten, Abend für Abend abwechselnd Kontrollgänge machten. Eine sogenannte Bürgerwehr war entstanden.

* * *

Es war zweiundzwanzig Uhr dreißig, als Mia endlich mit ihrer Abrechnung fertig war.

„War das wieder ein langer Tag“, stöhnte sie, deponierte ihre Einnahmen im Safe und trank noch eine letzte Tasse Kaffee, die sich noch in der Kanne befand. Da ihre Beine sehr schmerzten vom langen Stehen in ihrer kleinen Reinigung, legte sie diese auf den Tisch. Tief eingesunken in einem alten Polsterstuhl, dauerte es nicht lange, bis Mias Kopf langsam zur Seite rollte. Sie war eingeschlafen.

Ein Geräusch riss Mia aus dem wohligen Nickerchen. Ihr Blick fiel sofort auf die blaue Wanduhr, die über dem Spind des winzigen Aufenthaltsraums hing. „Oje, jetzt wird meine Nacht noch kürzer“, jammerte Mia und erhob ihre müden Glieder. Schnell die braunen Lammfellstiefel angezogen, in den gleichfarbigen Wintermantel geschlüpft, sich noch mal vergewissert, ob alles in Ordnung ist, dann schnell raus aus dem Geschäft und eiligst den Heimweg angetreten.

Frostiger Wind schlug ihr ins Gesicht. Es war bereits halb eins, als diese etwas mollige, aber sehr hübsche dreißigjährige Frau ihren Heimweg zu Fuß antrat.

„Gott sei Dank brauch ich nicht weit zu gehen“, dachte Mia und blickte sich immer wieder ängstlich um. Irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl, da es ja schon sehr spät war und sich keine Menschenseele zu diesem Zeitpunkt mehr auf den verschneiten Straßen befand.

„Jetzt werde ich auch noch paranoid“, dachte Mia, da sie Schritte hinter sich vernahm, aber nach mehrmaligem Umdrehen nichts und niemanden sehen konnte. Es konnte auch sein, dass gerade eine Patrouille unterwegs war. Circa einen Kilometer musste Mia bewältigen, es war eigentlich nur ein Katzensprung, aber heute fühlte sie sich etwas unwohl auf ihrem kurzen Weg. Das Gefühl eines Atemzugs in ihrem Nacken ließ sie fürchterlich panisch werden. Alle Haare stellten sich auf. Es war zwar eiskalt, aber es herrschte nun totale Windstille. Zitternd blieb sie stehen und blickte in alle Himmelsrichtungen. Wieder konnte sie weder Mensch noch Tier entdecken.

„Was ist denn los mit mir, ich bin doch sonst nicht so ängstlich“, dachte Mia, wühlte aber trotzdem in ihrer Handtasche nach dem Pfefferspray, das sie sich vor zwei Wochen zugelegt hatte. Mit dieser kleinen Selbstverteidigung in der Hand fing Mia zu laufen an, was bei den vereisten und verschneiten Straßen gar nicht leicht war. Zum Glück hatten ihre Stiefel ein gutes Profil an den Sohlen.

„Das kann doch nicht sein, ständig höre ich irgendwelche Schritte, und wenn ich mich umdrehe, bin ich definitiv allein auf der Straße“, dachte Mia. Der Spuk hatte erst ein Ende, als sie, völlig außer Puste, endlich vor ihrer Haustür stand. Mit klammen Fingern suchte sie nach dem Schlüssel, der sehr schwer in der Handtasche zu finden war, in der sich alles Mögliche befand. Plötzlich zuckte Mia zusammen. Wieder war da das unheimliche Gefühl, als würde jemand hinter ihr stehen.

„Verdammter Schlüssel, wo bist du denn“, fauchte das kleine Persönchen. Endlich wurde sie fündig.

„Jetzt aber schnell in die Wohnung“, sagte Mia leise. Sie sperrte eiligst das Schloss auf und verschwand, wie ein geölter Blitz, in ihrer großen, schön eingerichteten Zweizimmerwohnung.

Seit der Scheidung von ihrem Mann, der sich seit drei Jahren wegen Betrugs und anderen Delikten im Gefängnis befand, konnte sie sich leider nur noch diese Wohnung leisten. Da bei der Eheschließung keine Gütertrennung vereinbart worden war, musste sie den Schuldenberg ihres Ex-Mannes mit abtragen.

Total außer Atem und völlig erschöpft streifte sie ihren Mantel ab, entledigte sich ihrer Stiefel, setzte sich auf einen Küchenstuhl und hing noch mal ihren Gedanken nach, obwohl es schon sehr spät war und die Nacht bald zu Ende ging.

„Was war das denn?“, fragte sie sich laut. Seit Mia allein war, wurde es zur Gewohnheit, dass sie alles, was ein Mensch normalerweise denkt, laut aussprach. „Ich habe mir das alles doch nicht eingebildet. Ganz deutlich habe ich diesen gruseligen Hauch im Nacken gespürt, und auch die Schritte waren klar zu hören.“ Das Knirschen im Schnee konnte sie ebenso einwandfrei erkennen. Irgendetwas stimmte nicht in dieser sternklaren Nacht.

Mia kippte noch einen Wodka zur Beruhigung und machte sich fertig, um endlich ins Bett zu fallen. Der erlösende Schlaf nahm ihr das ungute Gefühl, das sich zunehmend in ihr ausbreitete. Schon in den nächsten Tagen sollte es sich bewahrheiten, dass Mias Ängste berechtigt waren.

* * *

Ein schriller Ton riss Mia aus dem fast ohnmächtigen Schlaf. Oh nein, ich habe mich doch gerade erst hingelegt, ich bin noch so müde“, jammerte die junge Frau und tastete schlaftrunken zum Wecker, um ihn abzuschalten. „Das kann ja ein schöner Tag werden. So müde, wie ich noch bin, schlafe ich im Stehen ein“, moserte sie, schälte sich aus dem warmen Bett, knipste das Licht an und trottete mit hängendem Kopf in Richtung Bad. Dort angekommen wagte sie einen Blick in den Spiegel. „Mein Gott, ich sehe ja aus, als ob ich eine Schlacht hinter mir hätte“, raunte sie, wandte sich ab und verschwand missmutig in der Dusche.

Nachdem die kühle Körperreinigung beendet war, stieg Mia fröstelnd aus der Duschwanne, wickelte sich in ein warmes Badetuch, schminkte sich dezent und trocknete sich ihr langes, pechschwarzes Haar mit einem Föhn. Als das kuschelige Tuch von ihrem Körper rutschte, betrachtete sie sich im Spiegel und stellte fest, dass, obwohl sich etwas mehr Speck als üblich an ihrem Körper befand, sie sehr schöne, frauliche Rundungen hatte. Alles war straff und fest. Der einzige Makel, den Mia an sich zu bemängeln hatte, war eine circa zehn Zentimeter lange Narbe am Unterbauch, die von einer Notoperation herrührte. „Genug der Selbstverherrlichung“, sagte sie, schlüpfte eilig in eine Jeans nebst rotem Rollkragenpulli, der ihre dicken, schwarzen Haare sehr gut zur Geltung brachte. „Jetzt noch schnell meinen täglichen schwarzen Muntermacher und dann ab zum Malochen.“

Dick eingemummt und startklar wollte sich Mia gerade auf den Weg in ihre kleine Reinigung machen, wo sie alle Abläufe alleine bewältigte, als sie innehielt. „Auch wenn der Weg noch so kurz ist, nach der letzten Nacht werde ich jetzt mein Auto benutzen“, sagte sie leise vor sich hin. „Sicher ist sicher.“ Schnell noch den Autoschlüssel geschnappt und dann raus aus dem warmen, gemütlichen Heim.

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