Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht

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Teil 1 Einleitung

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Der EuGH[1] hat durch seine Entscheidungen über die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften für die Praxis die Möglichkeit eröffnet, ohne Verlust der Rechtsfähigkeit den Verwaltungssitz einer europäischen Kapitalgesellschaft grenzüberschreitend nach Deutschland zu verlegen. Die daraus resultierenden weitreichenden Folgen für das Gesellschaftsrecht und im weiteren Sinne auch für das Strafrecht bildeten in der Folge bereits vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Diese Dissertation wird sich der Fremdrechtsanwendung innerhalb deutscher Wirtschaftsstraftatbestände widmen, die nunmehr daraus resultiert, dass für die strafrechtliche Beurteilung akzessorischer Merkmale ausländisches Recht deshalb zur Anwendung gelangt, da zugezogene EU-Auslandsgesellschaften nach ihrem Gründungsrecht anzuerkennen sind. Denn diese „neue“ Art der Fremdrechtsanwendung wirft in ihrer Handhabung immer noch Schwierigkeiten aus strafrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher sowie auch europa- und verfassungsrechtlicher Sicht auf.

2

Von einer Fremdrechtsanwendung im Strafrecht wird gesprochen, wenn bei Sachverhalten mit Auslandsbezug zur Vervollständigung ausfüllungsbedürftiger Straftatbestände des nationalen Rechts auf die Rechtsordnung eines anderen Staates zurückgegriffen werden muss. Rechtstechnisch vollzieht sich die Anknüpfung an außerstrafrechtliche Begrifflichkeiten oder Rechtssätze über normative Tatbestandsmerkmale und Blankettgesetze. Kennzeichnend für diese insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht vorherrschende Art der Verweisungstechnik ist, dass das Strafrecht als Sekundärmaterie fungiert und die Bestimmung der strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen akzessorisch aus anderen Rechtsgebieten übernimmt. Die zunächst für eine Fremdrechtsanwendung erforderliche Anwendbarkeit des allein maßgeblichen deutschen Strafrechts bestimmt sich dabei nach den Regelungen des Internationalen Strafrechts. Für zivilrechtsakzessorische Merkmale werden in Bezug auf die Bestimmung der ausländischen Rechtsordnung unterschiedliche Vorgehensweisen favorisiert, die entweder in einer direkten Heranziehung des ausländischen Tatortrechts oder einer Anknüpfung an die international-privatrechtlichen Regelungen bestehen. Dies wird im ersten Teil dieser Untersuchung näher erläutert und durch Beispiele aus der Rechtsprechung ergänzt werden.

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Sodann wird sich die Untersuchung der Einflussnahme der Niederlassungsfreiheit auf das Internationale Gesellschaftsrecht zuwenden. Solange die Mitgliedstaaten zur Bestimmung des international-privatrechtlichen Gesellschaftsstatuts teils der Sitztheorie, teils der Gründungstheorie folgten, scheiterte eine grenzüberschreitende Verwaltungssitzverlegung einer Gesellschaft an der mit einem Statutenwechsel einhergehenden fehlenden Anerkennung im Zuzugsstaat. Seit den Entscheidungen des EuGH über die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften gilt nunmehr, dass EU-Auslandsgesellschaften uneingeschränkt nach ihrem Gründungsrecht anzuerkennen sind, das den Maßstab für alle gesellschaftsrechtlichen Fragen bildet. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass die Niederlassungsfreiheit nach Artt. 49, 54 AEUV selbst als versteckte Kollisionsnorm zu verstehen sei bzw. die Vorgabe der Gründungstheorie durch den EuGH im Sinne eines gesellschaftskollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzips folge. Es bleibt daher zu klären, ob die Vorgabe der Gründungstheorie tatsächlich aus der Niederlassungsfreiheit folgt oder das anzuwendende Gründungsrecht auf die EU-Auslandsgesellschaft nicht vielmehr aus dem europarechtlichen Prinzip des Anwendungsvorrangs resultiert.

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Das aus der Niederlassungsfreiheit folgende Beschränkungsverbot muss zudem einer Begrenzung zugeführt werden, um nicht jede nationale Maßnahme der Mitgliedstaaten einer unionsrechtlichen Rechtfertigung zu unterwerfen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die für die Warenverkehrsfreiheit entwickelte Keck-Formel[2] des EuGH auf die Niederlassungsfreiheit übertragen werden kann und wie sich eine Begrenzung des Beschränkungsverbots sinnvoll gestalten lässt.

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Den weiteren Gegenstand der Untersuchung bildet dann die Auswirkung der Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit auf das deutsche Strafrecht. Denn auch nationale Strafnormen dürfen grundsätzlich weder zu einer Diskriminierung führen, noch unionsrechtliche Grundfreiheiten beschränken. Kollidiert im Einzelfall eine Strafvorschrift mit unmittelbar geltendem Unionsrecht, bewirkt der Anwendungsvorrang eine „Neutralisierung“ der Norm mit der Folge, dass bereits der objektive Tatbestand ausgeschlossen ist. Dies betrifft jene Straftatbestände, die über ihre akzessorische Ausgestaltung über normative Tatbestandsmerkmale oder Blanketttatbestände auf das Gesellschaftsrecht oder gesellschaftsrechtliche Verhaltenspflichten verweisen. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann in diesen Fällen daraus folgen, dass der Straftatbestand an Verhaltenspflichten anknüpft, für die sich im Gründungsrecht der Gesellschaft keine Entsprechung findet oder an die durch die nationale Norm strengere Anforderungen gestellt werden.

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Die Fremdrechtsanwendung wird sodann am Beispiel der spanischen SL als einer in Deutschland ansässigen sogenannten Scheinauslandsgesellschaft verdeutlicht. Die mit einer Fremdrechtsanwendung einhergehenden Probleme zeigen sich besonders deutlich innerhalb der Buchführungsdelikte der §§ 283 I Nr. 5-7, 283b StGB, die auf das Handelsrecht verweisen. Dies betrifft zum einen die Frage, ob eine kollisionsrechtliche Einordnung der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zur Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung vorzunehmen ist oder nur europarechtliche Erwägungen ein anwendungskonformes Ergebnis erzeugen können. Damit einher geht die Frage, ob die §§ 283 ff. StGB überhaupt einen Verweis auf das ausländische Handelsrecht zulassen, der eine Fremdrechtsanwendung ermöglicht. Bei Blankettstrafgesetzen wurde eine Fremdrechtsanwendung – sofern diese nicht auf unionsrechtlich gesetztes Recht verweisen – mangels demokratischer Legitimation im Hinblick auf Art. 103 II GG als verfassungswidrig abgelehnt. Von diesem Verständnis wird vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit durch unterschiedliche Lösungsansätze zum Teil abgerückt. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die durch das Bestimmtheitsgebot und den Parlamentsvorbehalt an die Verweisungen durch Strafblankettgesetze gestellt werden, bedürfen daher einer eingehenden Prüfung, für die auch die Differenzierung normativer Tatbestandsmerkmale von den Blanketttatbeständen von Relevanz ist.

7

Für den Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB hat der BGH[3] mittlerweile klar gestellt, dass sich das Merkmal der Pflichtwidrigkeit für den Geschäftsleiter einer EU-Auslandsgesellschaft nach deren Gründungsrecht bestimmt. Gleichwohl werden hierbei unter verfassungsrechtlichen Aspekten der Inbezugnahme der ausländischen gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten Bedenken gehegt, die auch die Frage betreffen, ob eine Strafbarkeit wegen Untreue als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ausscheiden muss, wenn ein Vergleich mit Verhaltensanforderungen des Gründungsstaats ein schwächeres Schutzniveau aufweist. Nachgegangen wird hierbei auch der Frage, ob eine Übertragung deutscher Kapitalschutzinstrumente wie der Existenzvernichtungshaftung auf EU-Auslandsgesellschaften möglich ist, die eine Strafbarkeit nach § 266 StGB begründen könnte, oder ob einer solchen Anwendung die Niederlassungsfreiheit entgegensteht. Abschließend werden die vorgebrachten praktischen Bedenken einer Fremdrechtsanwendung sowie die hierzu als Lösungsansatz vertretenen legislativen Möglichkeiten dargestellt.

8

Im Folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über die Organisationsverfassung der SL sowie auf diese anzuwendenden Rechtsgrundlagen gegeben werden.

Anmerkungen

[1]

EuGH Slg. 1999, I-1459 = EuZW 1999, 216 – Centros; EuGH Slg. 2002, I-9919 = EuZW 2002, 754 – Überseering; EuGH Slg. 2003, I-10155 = EuZW 2003, 687 – Inspire Art.

[2]

EuGH Slg. 1993, I-6097 = NJW 1994, 121 – Keck und Mithouard.

[3]

BGH NStZ 2010, 632.

Teil 2 Zur spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SL)

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

II. Gründung einer SL

III. Sitz der Gesellschaft

IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der SL

V. Die Organisationsverfassung der SL

VI. Die zivilrechtliche Haftung des Verwalters

VII. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Verwalter

 

VIII. Buchführungs- und Bilanzierungspflichten bei der SL

Teil 2 Zur spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SL) › I. Allgemeines

I. Allgemeines

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Die Sociedad de Responsabilidad Limitada (SRL oder, wie im Folgenden: SL), die spanische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gilt als beliebteste und häufigste Unternehmensform in Spanien, die sich als geeignete Rechtsform nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen, sondern auch für Großunternehmen darstellt.[1]

10

Bis zum Inkrafttreten des LSC[2] bestand für die SL ein eigenes Regelwerk im LSRL[3], das jedoch nicht umfassend war, da es auf diversen Verweisungen auf Regelungen des LSA sowie auf Regelungen des CCo basierte.[4] Die Tatsache, dass sich im spanischen Gesellschaftsrecht Regelungen für die jeweiligen Gesellschaftsformen in unterschiedlichen Gesetzbüchern befanden, bewog den spanischen Gesetzgeber, die einzelnen Gesetze zu den Kapitalgesellschaften zu überarbeiten und in einem einzigen Regelwerk, dem LSC zu vereinen.[5] Entsprechend unterwirft nun Art. 3 LSC alle Kapitalgesellschaften den Regelungen des LSC, sofern im Einzelfall nicht speziellere gesetzliche Regelungen zur Anwendung gelangen.

11

Durch Reformgesetz 7/2003 vom 1.4.2003 über die SLNE[6] wurde zudem im Interesse der Gründungserleichterung einer SL eine neue Gesellschaftsform eingeführt, die vielfach unter dem Stichwort der „Blitzgründung“ geführt wird, da sie eine schnelle und unkomplizierte Gründung mittels einer einzigen elektronischen Urkunde (Documento único electrónico, DUE) und eine Eintragung innerhalb von 48 Stunden ermöglichen soll.[7] Sie wurde in den Artt. 434 ff. in das LSC integriert. Da sich die SLNE in der Praxis bisher nicht durchsetzen konnte,[8] wird auf eine umfassende Darstellung dieser Gesellschaftsform verzichtet. Wesentliche Unterschiede im Gegensatz zur Grundform der SL bestehen in der Begrenzung der Gesellschafterzahl während der Gründungsphase und dem Ausschluss der Fremdorganschaft für den Verwalter.[9] Das Stammkapital darf nicht unterhalb von 3.012 € und nicht oberhalb von 120.200 € liegen und kann nur in Form von Kapitaleinlagen erbracht werden.[10] Zudem bietet die Gesellschaftsform neben der vereinfachten Buchführung auch Steuervorteile in den ersten Geschäftsjahren nach Gründung.[11]

Anmerkungen

[1]

Grüter S. 26 ff.; Löber/Lozano/Steinmetz S. 13 f. mit einer Übersicht zur Anzahl der Neugründungen von Gesellschaften in Spanien; zur geschichtlichen Entwicklung und der wachsenden Bedeutung der SL vor dem Hintergrund der Reform des spanischen Gesellschaftsrechts Tresselt S. 21 ff.

[2]

Real Decreto Legislativo 1/2010 vom 2. Juli 2010, BOE Nr. 161 vom 3.7.2010, in Kraft getreten am 1.9.2010.

[3]

Gesetz 2/1995, vom 24.3.1995 über die SL, BOE Nr. 71, S. 9181 ff.

[4]

Vgl. zu der rechtlichen Entwicklung der SL Tresselt S. 21 ff.; sowie zu den Rechtsquellen des spanischen Handels- und Gesellschaftsrechts Rades S. 22 ff.; zu den einzelnen Gesellschaftsformen im spanischen Recht Moya Jiménez Disolución, S. 14 ff.; Löber/Lozano/Steinmetz S. 15 ff.

[5]

Vgl. dazu die Gesetzesbegründung zum Real Decreto Legislativo 1/2010, BOE Nr. 161, S. 58472; Moya Jiménez Responsabilidad, S. 31 ff.

[6]

Gesetz 7/2003, vom 1.4.2003 über die SLNE, BOE Nr. 79, vom 2.4.2003, S. 12679 ff.

[7]

Vgl. zur SLNE Rades S. 133 ff.; Vietz GmbHR 2003, 26 ff.; Embid Irujo RIW 2004, 760 ff.; ders./Navarro Matamoros Introducción, S. 395 ff.

[8]

Vgl. Löber/Lozano/Steinmetz S. 38.

[9]

Embid Irujo RIW 2004, 760, 764 f.; Rades S. 143 ff.

[10]

Vietz GmbHR 2003, 26, 26; Embid Irujo/Navarro Matamoros S. 396.

[11]

Embid Irujo/Navarro Matamoros S. 397 ff.

Teil 2 Zur spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SL) › II. Gründung einer SL

II. Gründung einer SL

12

Die Gründung einer SL ist keine punktuelle Handlung, sondern vollzieht sich wie auch bei der deutschen GmbH in mehreren Schritten.[1] Das spanische Recht sah bislang nur sogenannte Simultangründungen vor, wonach das Stammkapital von 3.000 € gemäß Art. 4.1 LSC als gesamte Einlagensumme bereits bei der Gründung erbracht werden muss. Mit der letzten Änderung des LSC[2] wurde Art. 4 bis LSC eingefügt, der nun auch Sukzessivgründungen erlaubt. Gemäß Art. 20 LSC bedarf es zu wirksamen Gründung einer notariell beglaubigten Gründungsurkunde, der escritura de constitucion, die im Handelsregister (Registro Mercantil) einzutragen ist. Die Eintragung ist konstitutiv, da die SL erst ab diesem Moment ihre Rechtsfähigkeit erlangt, vgl. Art. 33 LSC.[3] Die Gründungsurkunde lässt sich in einen obligatorischen und einen fakultativen Teil untergliedern. Im obligatorischen Teil müssen gemäß Art. 22.1 LSC die Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrags, aus dem der Gründungswille der Gesellschaft hervorgehen muss, die Satzung der SL, weitere Mindestangaben zu den Gesellschaftern, über die Einlagen und die zugewiesenen Anteile sowie über die Verwaltungsorganisation der Gesellschaft und die Benennung der verwaltungs- und vertretungsberechtigten Personen enthalten sein. Daneben können fakultative Vereinbarungen in die Gründungsurkunde aufgenommen werden, die jedoch weder gegen Gesetze verstoßen noch den Grundprinzipien der gewählten Rechtsform zuwiderlaufen dürfen, dasselbe gilt auch für die Satzung, Art. 28 LSC.[4]

13

Den Inhalt der Satzung (estatutos sociales) gibt Art. 23 LSC vor, die zwingend Angaben zur Firma, zum Gesellschaftszweck, zum Sitz der Gesellschaft, zum Stammkapital und dessen Aufteilung, zur möglichen Verwaltungsform und zur Beschlussfassung des Kollegialorgans enthalten muss. Üblich, aber lediglich fakultativ sind Angaben über den Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme oder die Dauer der Gesellschaft oder das Geschäftsjahr, Artt. 24 ff. LSC.[5]

14

Gemäß Art. 32 LSC ist die Gründungsurkunde innerhalb von zwei Monaten ab dem Datum ihrer Bewilligung beim Handelsregister einzureichen, andernfalls haften die Gesellschaftsgründer gesamtschuldnerisch für die daraus entstehenden Schäden. Der Registerbeamte entscheidet über den Antrag zur Eintragung in das Handelsregister, ob dieser den Vorgaben des Registerrechts (Reglamento del Registro Mercantil, (RRM)) entspricht.[6] Art. 35 LSC bestimmt, dass nach der Eintragung im Handelsregister der Registerbeamte die erforderlichen Angaben elektronisch an den Allgemeinen Registeranzeiger (Boletín Oficial del Registro Mercantil) übermittelt, da die Publizitätswirkungen im spanischen Recht zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit konstitutiv sind.[7]

15

Nach Art. 38.1 LSC erlangt die SL mit der Eintragung ihre volle Rechtsfähigkeit und alle zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam begründeten bzw. drei Monate nach Eintragung anerkannten Verbindlichkeiten gehen auf sie über. Zugleich erlischt die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, Verwalter und Bevollmächtigten, vgl. Art. 38.2 LSC.[8] Sofern die Gesellschafter von einer Eintragung absehen oder nach Ablauf eines Jahres seit Errichtung der Gründungsurkunde kein Eintragungsantrag gestellt wurde, sieht Art. 40 LSC vor, dass jeder Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft betreiben und nach Liquidation des Gesellschaftsvermögens die Rückerstattung seiner Einlagen verlangen kann.

Anmerkungen

[1]

Rades S. 42 ff.; Löber/Lozano/Steinmetz S. 28 ff.

[2]

Art. 4 bis LSC wurde eingefügt durch Art. 12.1 des Gesetzes 14/2013, vom 27.9.2013.

[3]

Zu Registerpublizität und Eintragungspflichten siehe Embid Irujo/Alfonso Sánchez S. 72 ff.

[4]

Bascopé/Hering GmbHR 2005, 609, 610; Cremades, S. 49; Embid Irujo/Alfonso Sánchez S. 60.

[5]

Tresselt S. 25.

[6]

Rades S. 60; Tresselt S. 25.

[7]

Embid Irujo/Alfonso Sánchez S. 78.

[8]

Ist bei einer Sukzessivgründung der Betrag des Stammkapitals noch nicht erreicht, sind die Gesellschafter verpflichtet, die Differenz zum Gesellschaftsvermögen abzudecken, Art. 38.3. LSC. Zu den Haftungsverhältnissen der Vorgesellschaft (sociedad en formación) siehe Kaiser S. 54 ff.; Tresselt S. 192 ff.

Teil 2 Zur spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SL) › III. Sitz der Gesellschaft

III. Sitz der Gesellschaft

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Art. 8 LSC legt fest, dass alle Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz auf spanischem Hoheitsgebiet haben, spanische Gesellschaften sind, unabhängig von dem Ort, an dem sie gegründet wurden. Der Gesellschaftssitz kann nach Art. 9 LSC entweder der Ort sein, an dem sich der Mittelpunkt der tatsächlichen Verwaltung und Leitung der SL befindet oder wo ihre Hauptniederlassung oder Betriebsstätte ihren Ursprung hat.[1] Sofern der satzungsmäßige Sitz und der Ort der tatsächlichen Verwaltung auseinanderfallen, gewährt Art. 10 LSC Dritten ein Wahlrecht des Ortes, an welchem sie gerichtliche Maßnahmen anhängig machen können. Zweigniederlassungen können nach Art. 11.1 LSC an jedem beliebigen Ort im In- oder Ausland errichtet werden. Entfaltet eine spanische SL ihre hauptsächliche Geschäftstätigkeit im Ausland, bleibt gleichwohl der satzungsmäßige spanische Gesellschaftssitz maßgeblich.[2]

Anmerkungen

[1]

Der Gesellschaftssitz bildet neben der Lokalisierung der Gesellschaft sowie der Bestimmung des zuständigen Handelsregisters auch den Anknüpfungspunkt für den den Gerichtsstand (Art. 51.1. LEC, Art. 10 LC) und weitere, die Gesellschaft oder Gesellschafter betreffende Fragen, Embid Irujo/Alfonso Sánchez S. 70 f.

[2]

Löber/Lozano/Steinmetz S. 50. Siehe zur Nationalität der SL bei einer Sitzverlegung F.I.

Teil 2 Zur spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SL) › IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der SL

 

IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der SL

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Die SL ist gemäß Art. 1.1 LSC eine Kapitalgesellschaft, bei der nach Art. 1.2 LSC das Stammkapital durch Einlagen der Gesellschafter erbracht wird, die nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.[1] Das Stammkapital der SL ist in unteilbare und akkumulierbare Geschäftsanteile aufgeteilt, Art. 90 LSC.[2] Den Gegenstand der Stammeinlage können Geld- oder Sacheinlagen bilden, Artt. 61, 63 LSC. Im spanischen Recht gilt das Prinzip des festen Stammkapitals.[3] Das im Gesellschaftsvertrag festgelegte Stammkapital muss vollständig aufgebracht werden und nachträgliche Änderungen der Höhe sind nur nach den gesetzlichen Vorschriften (über die Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung) möglich, Art. 5.1 LSC.[4] Ebenso wie im deutschen Recht kommt dem Stammkapital der SL eine Garantiefunktion gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft zu, die als Ausgleich zu der fehlenden persönlichen Haftung der Gesellschafter für die eingegangenen Verbindlichkeiten bei Kapitalgesellschaften dient.[5] Schutz und Integrität des Stammkapitals sind daher nicht nur während der Gründungsphase der SL von Bedeutung, sondern auch während der gesamten Dauer des Bestehens der Gesellschaft.[6] Aus diesem Grund schreibt das Gesetz als zwingende Folge einer Unterschreitung des vorgeschriebenen Stammkapitals infolge einer Kapitalherabsetzung die Auflösung (disolución) der Gesellschaft gemäß Artt. 362, 363.1 f) LSC vor.[7] Im Fall der Unterkapitalisierung der Gesellschaft wird zudem auch der Auflösungsgrund nach Art. 363.1.c) LSC gegeben sein, da diese ihren Gesellschaftszweck nicht mehr erreichen können wird.[8]

18

Zentrale Normen der Kapitalerhaltung im spanischen Gesellschaftsrecht bilden neben dem Verbot des Erwerbs eigener Anteile durch die Gesellschaft (Art. 134 LSC)[9] die Vorschriften über die Kapitalherabsetzung (Artt. 317-342 LSC).[10] Bei einer Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten (La reducción por pérdidas), die der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen dem Gesellschaftskapital und dem durch Verluste geschmälerten Gesellschaftsvermögen dient, hat der Gesetzgeber Begrenzungen etabliert, wonach gemäß Art. 321 LSC die Kapitalherabsetzung nicht zu einer Rückzahlung der Einlagen an die Gesellschafter führen darf.[11] Bei einer Kapitalherabsetzung, die zu einer Verminderung des Gesellschaftsvermögens geführt hat, wird dem Schutz der Gläubigerinteressen (La tutela de los acreedores) dadurch Rechnung getragen, dass die Gesellschafter, denen (Teile ihrer) Stammeinlagen erstattet wurden, gemeinschaftlich und zusammen mit der Gesellschaft für die von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern haften.[12] Die Haftung wird jedoch auf den Betrag, den der Gesellschafter infolge der Erstattung erhalten hat, und auf eine Dauer von fünf Jahren beschränkt, Art. 331 LSC.