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05. Chance: Lasst Raum zwischen euch

Gemeinsame Inseln beleben das Miteinander, doch genauso wichtig ist, dass jeder von euch seinen eigenen Bereich hat. Dabei geht es sowohl um persönliche Rückzugsorte als auch um eine gesunde innere Distanz. Eine Beziehung lebt auch vom Raum, den zwei Menschen einander bereit sind zu geben. Schon Kalil Gibran, ein libanesischer Dichter widmete diesem Thema vor über hundert Jahren in seinem Werk „Der Prophet“ einen Vers:

„..Aber lasst Raum zwischen euch.

Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.

Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel;

lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer

Seelen sein.

Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher.

Gebt einander von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Laib.

Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von

euch allein sein,

so wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben

Musik erzittern.

Gebt eure Herzen, aber nicht in des Anderen Obhut.

Denn nur die Hand des Lebens kann Eure Herzen umfassen.

Und steht zusammen, doch nicht zu nah:

Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,

und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der

anderen.“

(Zitat aus „Der Prophet)

Die Säulen des Tempels müssen jede für sich stehen, wie Kalil

Gibran schreibt. Wenn sie zu weit auseinander sind, bricht das

Dach genauso zusammen, als wenn sie zu nah stehen.

Wo hast du in deiner Beziehung deinen eigenen Raum und wie füllst du ihn? Ein Aspekt davon ist der äußere Raum. Falls ihr zusammen wohnt: Wo ist dein Raum, deine Ecke, in die du dich auch mal zurückziehen kannst? Gut wäre, wenn du diesen Platz genauso einrichten könntest, wie es dir gefällt. Hier stehen vielleicht deine Bücher, deine Musik und deine Möbel. Wie eine eigene Höhle oder ein Nest, in das du dich zurückziehen kannst, wenn dir alles zu viel wird oder du einfach mal mit dir sein möchtest. Viele Männer haben ein Arbeitszimmer oder den Hobbykeller, doch für die Frau bleibt häufig nur das gemeinsame Wohnzimmer, die Küche oder das Esszimmer, wo sie wenig Möglichkeiten hat, einfach mal die Türe hinter sich zu zumachen. Wie könnt ihr das ändern? Natürlich ist das auch eine Frage der Wohnungsgröße und des Geldbeutels. Doch mit etwas Kreativität lassen sich auch in kleinen Wohnungen eigene Räume finden.

Manche Menschen reagieren auf den Wunsch des Partners nach einem eigenen Raum mit Widerstand, weil sie ihn als Vorstufe einer Trennung interpretieren. Doch die Sehnsucht nach Rückzug ist auch in einer erfüllten Partnerschaft normal – ja, sogar gesund. Sie muss kein Zeichen dafür sein, dass man sich auseinandergelebt hat, sondern kann bedeuten, dass sich neue Räume auftun. Vielleicht könnt ihr diese neuen Räume auch nutzen, um euch auch mal bewusst in der Energie des Anderen zu besuchen.

Ein eigener äußerer Raum hilft sehr, auch den eigenen inneren Raum wieder zu stärken. Wenn du nicht in dir selbst zu Hause bist, kann dich auch niemand besuchen, das heißt, kannst du auch nicht wirkliche Begegnung erleben. Es ist daher eine notwendige Grundlage von Beziehung, immer wieder bei sich anzukommen, sich in sich wohl zu fühlen und den eigenen Raum in sich zu entwickeln.

Wenn der Partner nicht immer direkt um einen herum ist, sondern jeder zusätzlich einen eigenen Platz hat, kann das auch in der Sexualität Wunder bewirken. So bedarf es etwas mehr Einsatz, als einfach nur nebenbei die Hand herüberwandern zu lassen, um zu signalisieren, dass man Lust auf Sex hat. Wenn jeder seinen eigenen Raum hat, kann er dort auch vorher eine erotische Atmosphäre schaffen, in die die Liebste eingeladen wird. Auf diese Weise geschieht auch körperliche Begegnung bewusster.

Natürlich geht es nicht nur um den eigenen Raum in deiner Wohnung, sondern auch um die Frage, ob du dich gelegentlich eingeengt und unter Druck in deiner Beziehung fühlst. Hast du genug Bewegungsspielraum, oder fehlt dir Freiheit, um dich wohl zu fühlen? Wenn es so sein sollte, stellt sich die Frage, ob du deinen Raum wirklich einnimmst, zu dir stehst und deutlich machst, wenn du Zeit für dich benötigst.

Sollte dein Raum, ob innerlich oder sogar sichtbar in Form eines eigenen Raumes, schon da sein, kannst du darüber nachdenken, ob du ihn wirklich nutzt, oder ob du dir in anderer Hinsicht in der Beziehung mehr Spielraum wünschst.


Solo-Übung: Den eigenen Raum finden

Überprüfe heute einmal, ob du in deinem Leben einen eigenen Raum hast. Das meinen wir zunächst mal ganz wörtlich bezogen auf eure Wohnung (falls ihr zusammen wohnt), aber auch bezogen auf das tägliche Leben. Hier ein paar Fragen zur Orientierung:

✳ Gibt es in eurer Wohnung einen Raum, der nur dir gehört, den du einrichten und gestalten kannst, wie du willst?

✳ Wohin kannst du dich zurückziehen, wenn du nur mit dir sein willst?

✳ Wenn es solch einen Raum gäbe, wie würdest du ihn gestalten?

✳ Fehlt dir in deinem Leben in anderer Hinsicht Raum – z.B. Gestaltungsraum, Spielraum, Freiraum?

✳ Hast du in irgendeiner Hinsicht den Eindruck, dass andere Menschen dir deinen Raum nehmen? Woher kennst du das? Wie kannst du deinen Raum wieder ganz einnehmen?

✳ Falls du davor zurückzuckst: Wovor hast du Angst?

✳ Was wäre der erste mutige Schritt zu mehr eigenem Raum – in welcher Hinsicht auch immer?


Christinas Sichtweise:

Für mich ist es in meiner Beziehung zu Walter sehr wichtig, neben den gemeinsamen auch eigene Projekte zu haben. In früheren Partnerschaften habe ich meine Interessen einfach zu oft zurückgestellt. Das versuche ich heute zu vermeiden. Ich pflege daher bewusst meine Freundschaften, achte auf meine inneren Räume und erhalte ein stückweit ein eigenständiges Leben aufrecht.

Ich gebe zum Beispiel seit Anfang unserer Beziehung neben den Seminaren mit Walter parallel meine eigenen Seminare, mit meinen eigenen Inhalten. Ich treffe mich mit meinen Freundinnen und genieße es, die weibliche Energie um mich zu haben und mich damit zu nähren. Umso schöner ist es, Walter dann nach ein paar Tagen wieder zu begegnen und ihm von all dem zu erzählen, was ich inzwischen erlebt habe.

Diese Selbstständigkeit nährt mein Selbstwertgefühl. Ich weiß so immer, dass ich mein Leben im Zweifelsfall auch alleine bewältigen könnte – und genieße es dann umso mehr, einen so tollen Mann an meiner Seite zu haben. Ich bin so froh, dass wir heute diese Freiheiten haben und ich nicht mehr wie vielleicht noch in der Generation unserer Mütter und Großmütter fürchten muss, es würde vielleicht mit unserer Beziehung etwas nicht stimmen, nur weil Walter sich in sein eigenes Zimmer zurückzieht oder ich einen schönen Tag mit meiner Freundin verbringe.


Walters Sichtweise:

Meine Sehnsucht nach einem eigenen Raum zeigt sich gut an der Finca auf Fuerteventura, die ich mit meiner Ex-Frau zusammen gebaut habe. Im Haupthaus gab es zunächst nur das Schlafzimmer, ein Gästezimmer, ein Kinderzimmer und ein großes Wohnzimmer. In den Krisen, und davon gab es einige, habe ich immer versucht, mir einen eigenen Raum zu erschaffen, indem ich auf dem Grundstück ein kleines Häuschen baue. Mit dem Ergebnis, dass es heute vier weitere kleine Häuschen auf dem Gelände gibt. Gerade in den schwierigen Zeiten habe ich die dadurch entstandenen Freiräume sehr genossen. Natürlich löst der physische Raum nicht alle Probleme, doch er hat mir die Möglichkeit gegeben, zur Ruhe und damit wieder zu mir zu kommen

Viel wichtiger als ein eigenes Zimmer war es jedoch für mich, mir Raum zu nehmen, um das zu tun, was ich will. Surfen, Motorradfahren oder Klettern, ich habe immer etwas, was mich begeistert. Christina lässt mir meinen Raum und meine Freiheit, da sie weiß, wie viel mir meine Hobbys bedeuten. Da wir so viel gemeinsame Zeit mit unseren Seminaren und Vorträgen verbringen, ist für mich ein Wochenende allein mit mir eine große Erholung. Ich gehe dann alleine spazieren, bummele durch die Stadt oder fahre mit unserem Boot raus und brauche niemanden um mich herum. Auch in der Zeit, die ich mit meinen Freunden beim Klettern verbringe, tanke ich auf. Es ist für mich sehr wichtig, ab und zu nur mit Männern zusammen zu sein, da ich mit Christina sehr viel Zeit verbringe und auch auf unseren Seminaren die Teilnehmer zum größten Teil Frauen sind.

Wenn jeder von uns auch sein eigenes Ding macht, entsteht eine gesunde Pendelbewegung. Aufeinander zu und voneinander weg. So bleibt die Eigenständigkeit erhalten und es gibt immer etwas zu erzählen. Und solange nicht unser gemeinsamer Raum wegfällt, unterstützt es eher die Beziehung, als dass es ihr schadet.

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06. Chance: Wünsch dir was!

 

Weiß deine Partnerin eigentlich, was dir wichtig ist und was du dir wünschst? Viele Menschen tun sich schwer damit, ihren Liebsten zu sagen, was sie möchten. Viele sehnen sich nach einem Menschen, der sie wertschätzt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt, doch das auch zum Ausdruck zu bringen ist oft nicht so einfach. Noch schwieriger wird es, wenn sie gar nicht genau wissen, was sie eigentlich möchten. Den meisten fällt es sehr viel leichter zu sagen, was sie nicht wollen als genau zu formulieren, was sie stattdessen gerne hätten.

Die persönliche Geschichte spielt dabei eine große Rolle. Wenn du zum Beispiel ein sehr strenges Elternhaus hattest oder deine Eltern sehr mit sich selbst beschäftigt waren und deine Meinung niemanden wirklich interessierte, hattest du wenig Gelegenheit, zu lernen, deine Wünsche klar und deutlich zu äußern. Menschen, die in der Kindheit bei Widerworten sogar geschlagen oder auf andere Art bestraft wurden, haben manchmal noch als Erwachsene schlichtweg Angst, zu ihren eigenen Interessen zu stehen. Gerade in unseren nahen Beziehungen werden wir oft von diesen uralten Erfahrungen beeinflusst.

Doch selbst Menschen, die keine traumatischen Kindheitserfahrungen gemacht haben, fürchten sich oft, ihre Wünsche klar zu äußern. Zu groß ist die Angst, der Partner könne sie für egoistisch halten, die Harmonie könne in Gefahr geraten oder die Liebe könne ihnen entzogen werden. Die eigenen Bedürfnisse auszudrücken und dazu zu stehen ist letztlich ein Ausdruck von Selbstliebe, und die fällt vielen Menschen schwer. Auch hier liegen die Ursachen meistens in der Kindheit. Da manchmal bis zu 70 % der Ansprache an ein Kind negativ oder korrigierend ist, glaubt das Kind dann irgendwann, dass mit ihm irgendwas nicht in Ordnung sein muss. Als Erwachsene agieren wir dann oft aus diesen unbewussten Überzeugungen heraus und träumen wie einst als Kind davon, dass unsere Umwelt unsere Bedürfnisse doch bitte einfach von alleine bemerken und erfüllen möge. In Coaching-Gesprächen hören wir immer wieder von Menschen, die tief enttäuscht sind, dass der Andere ihre Wünsche nicht erfüllt, obwohl diese im Coaching-Gespräch gerade zum ersten Mal wirklich hörbar geäußert wurden. Solche unausgesprochenen Erwartungen führen dann leicht zu Interpretationen wie „er sieht mich nicht“ oder „sie interessiert sich nicht für mich“. Ist ein Paar in dieser negativen Bewertungsschleife angekommen, kann jede Kleinigkeit als vermeintliches Desinteresse des Partners ausgelegt werden. Manche Menschen suchen sich dann lieber jemandem im Außen, der ihren Wünschen eher entgegenkommt, als das Thema mit dem Partner anzusprechen. Um langfristig in einer glücklichen Beziehung anzukommen, ist es jedoch notwendig, die alten Handlungs- und Denkmuster aus der Kindheit zu bemerken, zu verändern und mutig über die selbst erbauten Grenzen hinauszugehen.

Die Chance, mit deinen Wünschen gesehen zu werden, ist natürlich viel größer, wenn dein Gegenüber deine Ideen und Sehnsüchte auch kennt. Diese Offenheit macht Beziehungen sehr viel einfacher. Wenn ihr euch gemeinsam darauf verständigt, ehrlich und liebevoll anzusprechen, was euch wichtig ist, könnt ihr euch beide mehr entspannen. Je klarer ihr lernt, zu euch zu stehen und euch auszudrücken mit dem, was euch jeweils wichtig ist, desto eher werdet ihr gegenseitig geneigt sein, euch eure Wünsche zu erfüllen.

Und selbst, wenn eure Wünsche mal in entgegengesetzte Richtungen gehen, ist es gut, darum zu wissen. Sind es Dinge, bei denen ihr euch entspannt freie Hand lassen könnt? Oder geht es dabei um Grundsätzliches? Wenn sich einer die freie Liebe wünscht und mit vielen Partnern Sex haben möchte und der Andere sich auf eine monogame Beziehung verlassen will, dann geht es um grundsätzliche Werte und Ausrichtungen. Diese sind die Basis einer Partnerschaft und es ist unumgänglich, sich darüber zu unterhalten. Wenn das Fundament nicht stimmt, steht auch das Haus nicht sicher und fest.


Solo-Übung: Beantworte dir folgende Fragen:

✳ Was wünschst du dir von deinem Partner?

✳ Wonach sehnst du dich?

✳ Was würdest du gerne gemeinsam erleben?

✳ Was wünschst du dir noch in der Sexualität?

✳ Hast du deinem Liebsten all diese Dinge schon einmal klar, ruhig und liebevoll erzählt? Weiß er, wie wichtig sie dir sind?


Duo-Übung: Wünsche deutlich machen

Schreibt euch anhand der oben genannten Fragen aus allen Bereichen eures Zusammenlebens offen und ehrlich auf, wonach ihr euch sehnt. Setzt euch im Anschluss achtsam zusammen und lest euch eure Antworten abwechselnd vor (falls ihr mit dem Arbeitsbuch arbeitet, siehe Seite 15, könnt ihr dieses einfach austauschen), ohne dem Anderen das Gefühl zu geben, dass er sie nun zu erfüllen hat. Das Gegenüber hört aufmerksam zu und sagt nichts. Es geht hier nicht um Forderungen und wir empfehlen euch, nicht darüber zu diskutieren oder einander Verantwortung zuzuschieben. Es geht vielmehr darum, etwas voneinander zu erfahren. Nur Mut: Wir haben oft festgestellt, dass die Wünsche der Partner gar nicht so unterschiedlich sind.


Christinas Sichtweise:

Für mich war es lange Zeit sehr herausfordernd, auszudrücken, was mir wichtig ist. Ich wusste manchmal selbst gar nicht, was ich mir wünsche und konnte es deshalb nicht äußern. Oft traute ich mich auch nicht, klar und deutlich zu mir zu stehen, weil ich fürchtete, nicht richtig zu sein, unangemessene Forderungen zu stellen und dem Anderen vielleicht nicht gerecht zu werden. Überhaupt etwas vom anderen zu wollen, war mir schon äußerst unangenehm und peinlich. Sofort fühlte ich mich bedürftig und das wiederum fühlte sich schamvoll an.

Irgendwann erkannte ich jedoch, dass das eine alte Prägung aus meiner Kindheit war. In meiner Familie war es nicht üblich, eigene Ansprüche und Wünsche zu äußern oder gar einzufordern, was mir in diesen Momenten vielleicht wichtig gewesen wäre. Wenn ich mich damit zeigte, wurde ich ausgelacht oder vor Fremden lächerlich gemacht. Daher lernte ich, mich stets anzupassen und es den anderen recht zu machen. Ich wurde sehr viel sensibler für die Bedürfnisse der anderen und verlernte, wahrzunehmen, was ich selbst brauche.

In meinem Erwachsenenleben führte das dann zu Missverständnissen und Enttäuschungen. Viele meiner Beziehungen waren geprägt von einem „Nicht ehrlich miteinander reden“. Ich bemühte mich, aufmerksam zu erspüren, was mein Partner wohl gerade brauchen könnte und es ihm zu erfüllen. Da ich in dieser Dynamik nicht selbst darauf achtete, was ich brauchte, stellte ich unbewusst Forderungen an den Anderen und war enttäuscht, wenn er sie nicht erfüllte und meine indirekt geäußerten Botschaften nicht verstand.

Das Leben wurde sehr viel leichter, als Walter und ich beschlossen, einander ehrlich zu sagen, was wir jeweils gerade wollen und uns wünschen. So hatte jeder von uns die Möglichkeit bei sich zu bleiben, sich selbst zu fühlen und sich zu entspannen, weil wir wussten, dass der andere schon sagen würde, was er wirklich will und was nicht.

Wir begannen damit in unserer ersten gemeinsamen Nacht. Sehr ehrlich schilderten wir einander unsere Ängste und sagten, was wir uns wünschen. Nicht nur in mir, sondern auch in ihm war viel Druck und der Anspruch, es gut machen zu wollen. Ohne unsere ehrliche Begegnung wären wir wohl nur beim Anderen gewesen, und nicht mehr bei uns selbst. Ich empfand es als so erleichternd und schön, mich ehrlich zeigen zu dürfen, all das mal sagen zu dürfen, was ich mich bisher noch nicht getraut hatte zu sagen und war sehr glücklich darüber, ein Gegenüber zu haben, der mir zuhört und sich ebenfalls ehrlich zeigt mit dem, was ihm wichtig ist. So wurde unser erste gemeinsame Nacht sehr schön und intensiv, ohne zu versuchen, es dem anderen Recht zu machen.

Dennoch falle auch ich immer mal wieder in alte Muster zurück es recht und gut machen zu wollen. Ich verbiege mich dann für andere und stelle mal wieder fest, dass mir das nicht gut tut. Ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert, war die Einweihungsfeier mit unseren neuen Nachbarn. Wir wohnten jetzt schon seit einem Jahr im gemeinsamen neuen Haus und wollten gerne die Menschen in unserer Straße näher kennenlernen. Ich freute mich sehr auf diese Feier, plante alles liebevoll, kaufte den schönsten Kuchen ein und kam Walters Wunsch nach, auch noch ein paar seiner Freunde nebst Familien einzuladen.

Ich ahnte nicht, was ich mir damit ins Haus holte. Die Freunde kamen mit ihrer eigenen Vorstellung einer Einweihungsparty und setzen diese auch tatkräftig um. Sie packten ihre gesamte Freizeitausrüstung aus, nebst Inlineskates, Luftmatratzen und einer Menge Spielzeug, und begannen um 15 Uhr erst mal fröhlich, auf meinem nagelneuen Grill das Mittagessen für ihre Kinder zu grillen. Während ich mit Kaffeekannen durch die Gegend lief und Kuchen verteilte, um an der schön geschmückten Kaffeetafel die zu genau der Zeit eingeladenen Nachbarn zu bewirten, zogen Rauchschwaden durch den Garten und die Kinder liefen mit den Inline-Skates über den Rasen und durchs Wohnzimmer. Es passte einfach nicht zusammen und es fühlte sich für mich schlecht an, doch ich hielt meinen Mund. Am Abend war ich völlig erschöpft und von Walter enttäuscht.

Ich hätte Grenzen setzen müssen, doch ich schwieg, weil es Walters Freunde waren und ich bei ihnen keinen unangenehmen Eindruck hinterlassen wollte. Letztlich habe ich mich dabei völlig verlassen und bin verstummt, was genauso aufgefallen ist, als hätte ich direkt etwas gesagt. Das war eine gute Übung für mich und bin mir sicher, dass mir eine solche Situation nicht ein zweites Mal so aus dem Ruder laufen wird.


Walters Sichtweise:

Am Anfang war es für mich irritierend, dass Christina sagte, was sie sich wünscht. Ich fasste es schnell als Vorwurf auf, ging in den Widerstand und fing an, mich zu rechtfertigen. Dabei hatte sie mich nicht angeklagt, sondern einfach nur gesagt, was sie möchte.

Als ich mich daran gewöhnt hatte, merkte ich, dass es mich entspannt. In früheren Partnerschaften musste ich versuchen, herauszufinden, was meine Partnerin sich wirklich wünscht, denn sonst war sie enttäuscht, dass ich nicht auf sie eingehe. Ich habe es oft nicht geschafft, die Botschaft zwischen den Zeilen zu hören, da ich zu sehr mit Gott und der Welt beschäftigt war. Wenn sie ihre Bedürfnisse nicht ausdrückte, war es für mich so, als hätte sie keine. Automatisch habe ich angenommen, dass sie dasselbe gut findet, wie ich. Ich muss zugeben, dass das nicht besonders reflektiert war, aber so funktionieren viele Menschen.

Christinas Art, sich klar über ihre Wünsche zu äußern, lässt mich nicht nur sie besser verstehen, sondern hilft mir auch, meine eigenen Wünsche deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Das bedeutet nicht, dass wir alles machen, was der Andere will, denn wir beide haben auch gelernt, nein zu sagen. Ich gehe zum Beispiel beim Essen gerne auf Christinas Vorlieben ein und bin darüber schon fast zum Vegetarier geworden. Ich achte jedoch darauf, immer wieder zu prüfen, was ich eigentlich will, anstatt auf die Frage, was wir essen wollen, automatisch mit „Was willst du denn?“ zu antworten. Dann lasse ich Christina auch mal alleine zum Vietnamesen gehen und hole mir eine schöne Currywurst mit Pommes. Auch wenn es keine Biowurst vom glücklichen Schwein ist und sie nicht in das Weltbild von meiner lieben Frau passt, verspeise ich sie dennoch mit großem Genuss.

Wenn wir wissen, was der Partnerin wichtig ist und wonach sie sich sehnt, finden wir auch oft zu Kompromissen, denn letztendlich wünschen wir uns beide vor allem eine harmonische und erfüllte Beziehung. Je mehr wir auf einander eingehen und uns mit der Welt des Anderen beschäftigen, umso mehr sind wir im Austausch.

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