Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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6. Rechtsstellung der Mitglieder des Zulassungsausschusses

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Die Mitglieder des Zulassungsausschusses führen ihr Amt als Ehrenamt, § 96 Abs. 2 S. 3 SGB V. Sie haben gemäß § 34 Abs. 7 Ärzte-ZV gegen die entsendende Körperschaft Anspruch auf Erstattung ihrer baren Auslagen und auf Entschädigung für Zeitverlust nach den für die Mitglieder der Organe der bestellenden Körperschaften geltenden Grundsätzen.

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Die Mitglieder der Zulassungsausschüsse sind an Weisungen nicht gebunden, § 96 Abs. 2 S. 4 SGB V. Sie sind Amtsträger im Sinne des Art. 34 GG und üben eine hoheitliche Tätigkeit aus.[88] Strafrechtlich sind die Mitglieder des Zulassungsausschusses Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.[89]

7. Amtsdauer und Abberufung

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Die Amtsdauer der Mitglieder des Zulassungsausschusses beträgt vier Jahre, erstmals endend mit Ablauf des 31.12.1961 und dementsprechend wieder am 31.12.2021, § 34 Abs. 3 Ärzte-ZV. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitglieds erfolgt gemäß § 34 Abs. 4 Ärzte-ZV für die Zeit der Amtsdauer der übrigen Mitglieder eine Neubestellung.

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Das Amt als Mitglied im Zulassungsausschuss kann jederzeit durch schriftliche Erklärung (§ 126 BGB) gegenüber dem Zulassungsausschuss niedergelegt werden, § 34 Abs. 6 Ärzte-ZV. Im Übrigen kommt nach § 34 Abs. 5 S. 1 Ärzte-ZV eine – gemäß § 54 Abs. 2 SGG anfechtbare – Abberufung aus wichtigem Grund (vgl. § 626 BGB) in Betracht. Als wichtige Gründe sind schwerwiegende persönliche Mängel des Mitglieds, Pflichtverletzungen (Verschwiegenheitsverletzungen oder andere Dienstvergehen) wie auch die – verschuldete oder unverschuldete – Nichtausübung des Amtes anzusehen. Abgesehen von den Fällen der Rechtsbeugung kann aus der beschließenden Tätigkeit des Mitgliedes kein wichtiger Grund für eine Abberufung hergeleitet werden, was sich bereits aus der fehlenden Weisungsgebundenheit der Mitglieder (§ 96 Abs. 2 S. 4 SGB V) ergibt. Sofern sich die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen nicht auf die Abberufung eines gemeinsam bestellten Mitgliedes verständigen können, kommt eine Aufsichtsverfügung der Aufsichtsbehörde gemäß § 97 Abs. 5 S. 1 SGB V zur Abberufung in Betracht.

8. Vorsitz im Zulassungsausschuss

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Nach § 96 Abs. 2 S. 5 SGB V führt den Vorsitz im Zulassungsausschuss abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen. Weder im Gesetz noch in den Zulassungsverordnungen ist vorgeschrieben, in welchen Abständen der Vorsitzwechsel vorzunehmen ist. In Betracht kommt daher ein Wechsel von Fall zu Fall, von Sitzung zu Sitzung oder von Zeitraum zu Zeitraum. Die Bestimmung über den Vorsitzwechsel muss nachprüfbar in der Geschäftsordnung oder in einer Vereinbarung zwischen den die Mitglieder entsendenden Körperschaften geregelt sein.[90] Ein Verstoß gegen die Regelung über den Vorsitzwechsel stellt einen nach § 42 SGB X zu beurteilenden Verfahrensfehler dar. Der Verfahrensfehler ist geheilt, wenn der Berufungsausschuss den unter falschem Vorsitz erlassenen Beschluss des Zulassungsausschusses in der Sache bestätigt, § 42 S. 1 SGB X.

III. Berufungsausschüsse

1. Errichtung der Berufungsausschüsse

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Ebenso wie die Zulassungsausschüsse werden die Berufungsausschüsse von den Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen andererseits errichtet, § 97 Abs. 1 S. 1 SGB V. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 2 SGB V können nach Bedarf mehrere Berufungsausschüsse für den Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung oder ein gemeinsamer Berufungsausschuss für die Bezirke mehrerer Kassenärztlichen Vereinigungen errichtet werden.

2. Besetzung der Berufungsausschüsse

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Die Berufungsausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden und aus Vertretern der Ärzte und Krankenkassen als Beisitzer in jeweils gleicher Zahl, § 97 Abs. 2 S. 1 SGB V. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV besteht der Berufungsausschuss aus sieben Mitgliedern, und zwar aus einem Vorsitzenden und je drei Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen.

3. Besetzung der Berufungsausschüsse in Zulassungsangelegenheiten der Psychotherapeuten

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Nach § 95 Abs. 13 S. 1 SGB V treten in Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 4 S. 1 SGB V), abweichend von § 96 Abs. 2 S. 1 und § 97 Abs. 2 S. 1 SGB V, an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und Ärzte in gleicher Zahl, wobei unter den Vertretern der Psychotherapeuten mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit der Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein muss. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebene Doppelparität zwischen den Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen sowie der Mindestbesetzung mit einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder einem Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen besteht der Berufungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten somit aus einem Vorsitzenden und mindestens acht Beisitzern. Die Bestimmung des § 35 Abs. 1 Ärzte-ZV wird in Zulassungssachen der Psychotherapeuten insoweit durch den höherrangigen § 95 Abs. 13 S. 1 SGB V verdrängt.[91]

4. Vorsitzender des Berufungsausschusses

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Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt (vgl. § 5 DRiG) haben, § 97 Abs. 2 S. 1 SGB V, § 35 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV. Die Beisitzer sollen sich über den Vorsitzenden einigen (§ 97 Abs. 2 S. 2 SGB V); kommt eine Einigung nicht zustande, beruft ihn die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde im Benehmen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen, § 97 Abs. 2 S. 3 SGB V. Bis zur Berufung des Vorsitzenden ist der Berufungsausschuss nicht handlungsfähig.[92] Wie die Beisitzer auch, wird der Vorsitzende für die gesamte Amtsperiode bestellt, ein Wechsel im Vorsitz findet nicht statt.

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Der Vorsitzende vertritt den Berufungsausschuss vor den Sozialgerichten (§ 71 Abs. 4 SGG). Hiervon umfasst ist auch die Befugnis des Vorsitzenden, an der Aufhebung oder Abänderung von Entscheidungen des Berufungsausschusses im Wege des gerichtlichen Vergleichs[93] mitzuwirken.[94] Die auch für den Vergleich erforderliche Begründung gemäß § 45 Abs. 3 i.V.m. § 41 Abs. 4 Ärzte-ZV kann bspw. in einem Ausführungsbescheid nach Vergleichsabschluss nachgeholt werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X).[95] Ein solcher Vergleich kann von der beteiligten Kassenärztlichen Vereinigung und von den Krankenkassen angefochten werden, und zwar auch dann, wenn die von ihr entsandten Mitglieder des Berufungsausschusses der Regelung zugestimmt hätten.[96] Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine vorherige Abstimmung mit den betroffenen Körperschaften.[97] Dritte können den Vergleich anfechten, sofern die Voraussetzungen für eine Drittanfechtung vorliegen.[98]

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Ist der Vorsitzende als Rechtsanwalt zugelassen, kann er den Berufungsausschuss nur als Ausschussvorsitzender vertreten, und nicht als Prozessvertreter.[99] Das sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ergebende Vertretungsverbot erstreckt sich gemäß § 45 Abs. 3 BRAO auf sämtliche Mitglieder der Sozietät des Vorsitzenden.[100]

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Der Vorsitzende ist Teil des kollegial organisierten Berufungsausschusses, und nicht etwa – vertretungsberechtigtes – Organ oder selber Behörde.[101]

5. Verweisung auf § 96 SGB V

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Nach § 97 Abs. 2 S. 4 SGB V gelten § 96 Abs. 2 S. 2 bis 4 und S. 6 und Abs. 3 SGB V entsprechend.[102] Dies bedeutet, dass


- die Vertreter der Ärzte und ihre Stellvertreter von den Kassenärztlichen Vereinigungen und die Vertreter der Krankenkassen und ihre Stellvertreter von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestellt werden (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 2 S. 2 SGB V);
- die Mitglieder des Berufungsausschusses ihr Amt als Ehrenamt führen (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 2 S. 3 SGB V);
- die Mitglieder des Berufungsausschusses an Weisungen nicht gebunden sind (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 2 S. 4 SGB V);
- der Berufungsausschuss mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 2 S. 6 SGB V);
- die Geschäfte der Berufungsausschüsse bei den Kassenärztlichen Vereinigungen geführt werden (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 3 S. 1 SGB V);
- die Kosten der Berufungsausschüsse, soweit sie nicht durch Gebühren gedeckt sind, zur Hälfte von den Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen andererseits getragen werden (§§ 97 Abs. 2 S. 4, 96 Abs. 3 S. 2 SGB V).

IV. Geschäftsführung der Zulassungsgremien

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Die Geschäfte der Zulassungsgremien werden gemäß § 96 Abs. 3 S. 1, § 97 Abs. 2 S. 4 SGB V bei den Kassenärztlichen Vereinigungen geführt. Diese sind hiernach für die büromäßige Erledigung der mit der Tätigkeit der Zulassungsgremien zusammenhängenden Arbeiten verantwortlich und haben zur Erfüllung dieser Aufgaben die notwendigen Räumlichkeiten sowie personelle und sächliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Zu den von den Geschäftsstellen der Zulassungsgremien zu erledigenden Arbeiten gehören u.a. die Entgegennahme von Anträgen, die Durchführung von Ladungen, die Vorbereitung der Sitzungen sowie die büromäßige Erledigung der Beschlüsse. Die entsprechenden Mitarbeiter unterstehen bei der Erfüllung solcher Aufgaben dem Vorsitzenden. Die Dienstherreneigenschaft für die Mitarbeiter bleibt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.[103]

V. Kosten der Zulassungsgremien

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Die Kosten der Zulassungsgremien werden, soweit sie nicht durch Gebühren (vgl. § 46 Ärzte-ZV) gedeckt sind, je zur Hälfte von der Kassenärztlichen Vereinigung einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen andererseits getragen, wobei sich der auf die Verbände entfallende Kostenanteil intern nach der Anzahl der Versicherten der Mitgliedskassen richtet.[104] Die Kosten werden zweckmäßigerweise zunächst von der geschäftsführenden Kassenärztlichen Vereinigung verauslagt, die zu gegebener Zeit, in der Regel jährlich, Rechnung zu legen hat. Bei erheblichen Aufwendungen ist es angemessen, mit den Krankenkassen Abschlagszahlungen zu vereinbaren. Zu den Kosten gehören u.a. Kosten für das eingesetzte Personal, anteilige Raumkosten einschließlich Nebenkosten und Kosten für die Reinigung, Kosten für Arbeitsmittel einschließlich Absetzung für Abnutzung und Wartung, Porti und Kosten für eingesetzte Telekommunikationsmittel, Materialkosten, Reisekosten, Entschädigungen für Zeugen und Sachverständige. Aufwandsentschädigungen der Mitglieder der Zulassungsgremien sind dagegen von den entsendenden Körperschaften zu tragen, §§ 34 Abs. 7, S. 2, 35 Abs. 2 Ärzte-ZV.[105]

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Die Ermittlung und Umlage der Kosten der Zulassungsgremien wird üblicherweise in einem – koordinationsrechtlichen – öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung, den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen geregelt.

VI. Aufbewahrungspflicht

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Gemäß §§ 43, 45 Abs. 3 Ärzte-ZV sind die Akten der Zulassungsgremien fünf Jahre und Niederschriften sowie Urschriften von Beschlüssen zwanzig Jahre aufzubewahren. Die Aufbewahrung erfolgt durch die Geschäftsstellen der Zulassungsgremien.[106]

VII. Aufsicht

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Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Zulassungsgremien führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder, § 97 Abs. 5 S. 1 SGB V. Die Aufsicht beschränkt sich auf die Geschäftsführung der Zulassungsgremien, sie umfasst insbesondere nicht die Sachentscheidungen der Zulassungsgremien.[107] Gemäß § 97 Abs. 5 S. 2 SGB V umfasst die Aufsicht ausdrücklich auch das Recht, die Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen zu bestellen, wenn und solange die Kassenärztliche Vereinigung oder die Kassenverbände von ihrem Berufungsrecht nach § 97 Abs. 1, 2 S. 4, § 96 Abs. 2 S. 2 SGB V keinen Gebrauch machen.

VIII. Amtshaftung

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Die Mitglieder der Zulassungsgremien sind Amtsträger i.S.v. Art. 34 GG, die eine hoheitliche Tätigkeit ausüben.[108] Bei Pflichtverletzungen kommt nach Maßgabe von § 839 Abs. 1 BGB eine Haftung der entsendenden Körperschaften – der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen – in Betracht.[109]

1. Grundlagen

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Anspruchsgrundlage für Schadensersatz aus Amtshaftung ist Art. 34 GG, § 839 BGB. Die Amtshaftung beruht auf der Schadensersatzpflicht des Beamten wegen Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB, wobei Art. 34 S. 1 GG diese Ersatzpflicht auf die hinter dem Beamten stehende Körperschaft überleitet.[110] Im Verhältnis zum Geschädigten haftet nur die Körperschaft, nicht auch der Beamte. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit hat die Körperschaft gegebenenfalls Rückgriffsansprüche gegen den Beamten (Art. 34 S. 2 GG).

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Für die Amtshaftungsklage ist der Zivilrechtsweg gegeben (Art. 34 S. 3 GG, vgl. auch § 40 Abs. 1 VwGO), zuständig sind in erster Instanz die Landgerichte (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG).

2. Einzelheiten

a) Passivlegitimation

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Bei Pflichtverletzungen kommt nach Maßgabe von § 839 Abs. 1 BGB eine Haftung der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. der Landesverbände der Krankenkassen sowie der Ersatzkassen für die von ihnen entsandten Mitglieder in Betracht. An dieser haftungsrechtlichen Zuordnung ändern auch die Bestimmungen in §§ 96 Abs. 2 S. 4, 97 Abs. 2 S. 4 SGB V nichts, wonach die Mitglieder der Zulassungsgremien nicht an Weisungen gebunden sind. Denn die Kassenärztliche Vereinigung sowie die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen haben die Zulassungsaufgaben den entsandten Mitgliedern der Zulassungsgremien anvertraut und stehen deshalb der Haftung näher als der Staat, der lediglich durch seine Gesetzgebung den äußeren Rahmen geschaffen hat.[111] Steht die Einstimmigkeit der vom Zulassungsausschuss oder Berufungsausschuss getroffenen Entscheidung nicht in Frage, haften die entsendenden Körperschaften als Gesamtschuldner.[112] Die entsendende Körperschaft haftet, wenn zumindest ein von ihr bestelltes Mitglied Amtspflichten verletzt hat.

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Da der Zulassungsausschuss nach § 96 Abs. 2 S. 6 SGB V mit einfacher Stimmenmehrheit entscheidet und – abgesehen von dem Fall des § 103 Abs. 3a S. 9 SGB V – bei Stimmengleichheit ein Antrag als abgelehnt gilt, ist es denkbar, dass die rechtswidrige Entscheidung gegen den Willen sämtlicher der von der in Anspruch genommenen Körperschaft entsandten Mitglieder zustande gekommen ist. Da der Zulassungsausschuss dem Geschädigten als Einheit gegenüber tritt und die Einheit der Entscheidungen durch das Beratungsgeheimnis (§ 41 Abs. 3 Ärzte-ZV) institutionell abgesichert ist, wird die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt: Die für das Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder in Anspruch genommene Körperschaft muss darlegen und beweisen, dass ihre Mitglieder der rechtswidrig ergangenen Entscheidung nicht zugestimmt haben.[113]

b) Amtspflichtverletzung

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Der Beschluss muss objektiv rechtswidrig sein. Sofern hierüber nicht bereits die Entscheidung des Sozialgerichts im Rahmen des Primärschutzes vorliegt, müssen die Zivilgerichte eine eigenständige Prüfung der Rechtmäßigkeit vornehmen.[114] Eine im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens lediglich vorläufige Entscheidung entfaltet jedoch keine Bindungswirkung.[115]

c) Verschulden

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Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet ohne Weiteres einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, dann kann aus der Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden.[116] Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine objektiv unrichtige Gesetzauslegung oder Rechtsanwendung vorwerfbar, wenn sie gegen den klaren, bestimmten und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift verstößt oder wenn die Zweifelsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind; dagegen fehlt es in der Regel am Verschulden, wenn die objektiv unrichtige Rechtsanwendung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt – bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall – zweifelhaft sein kann und noch nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung klargestellt ist und die Auslegung dieser Vorschrift noch vertretbar erscheint.[117] Allerdings soll eine Auffassung dann nicht mehr vertretbar sein, wenn sich zu der Rechtsfrage in der Literatur bereits eine zutreffende und offenkundig allein sinnvolle herrschende Meinung herausgebildet hat.[118]

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Die Zulassungsgremien sind an gesetzliche und untergesetzliche Bestimmungen, etwa an Regelungen des BMV-Ä[119] oder an Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gebunden; ihnen steht insoweit keine Prüfungs- oder gar Verwerfungskompetenz zu.[120] Dementsprechend wäre Verschulden zu verneinen, wenn beispielsweise sich die im Beschluss des Berufungsausschusses zugrunde gelegte Übergangsregelung des § 63 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie 2013[121] als mit höherrangigem Recht nicht vereinbar[122] erwiesen hätte.[123]

d) Vorrang des Primärschutzes

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Der Haftung kann § 839 Abs. 3 BGB entgegenstehen, wenn der Geschädigte es unterlassen haben sollte, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Ein solches Rechtsmittel ist der Widerspruch zum Berufungsausschuss bzw. die Klage gegen den Beschluss des Berufungsausschusses zum Sozialgericht. Je nach Fallkonstellation kommen als Rechtsmittel auch Rechtsbehelfe des einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht.[124]

e) Verjährung

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Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 194 BGB drei Jahre und wird in analoger Anwendung der §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB durch Maßnahmen des gebotenen Primärrechtschutzes gehemmt.[125] Die Verjährung ist auch dann gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB analog gehemmt, wenn der Berufungsausschuss dem Geschädigten die begehrte Zulassung erteilt hat und die in Anspruch genommene Kassenärztliche Vereinigung gegen den Beschluss des Berufungsausschusses Klage zum Sozialgericht erhoben hat.[126]

2. Kapitel Mitwirkung von Patientenvertreterinnen und -vertretern gemäß § 140f Abs. 3 SGB V sowie der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde gemäß § 96 Abs. 2a SGB V
I. Mitwirkung von Patientenvertreterinnen und -vertretern gemäß § 140f Abs. 3 SGB V

1. Einführung und Überblick über die gesetzlichen Regelungen

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§ 140f SGB V regelt Mitberatungs- und Antragsrechte von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen als kollektive Patientenrechte, die durch von diesen benannte sachkundige Personen wahrgenommen werden.[1] Die Vorschrift ist mit dem GMG mit Wirkung zum 1.1.2004 eingeführt worden. Sie geht auf Empfehlungen des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zurück (Gutachten 2000/2001 und Gutachten 2003).[2]

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§ 140f Abs. 1 SGB V enthält den Grundsatz, dass die Patienten- und Selbsthilfeorganisationen nach den §§ 1 bis 3 der PatBeteiligungsV bei Entscheidungen, die die Versorgung der Versicherten – nicht nur der jeweiligen Interessengruppen[3] – betreffen, zu beteiligen sind. Die konkreten Regelungen über die Beteiligung in den Zulassungsgremien sind in § 140f Abs. 3 SGB V und an verschiedenen Stellen der Ärzte-ZV geregelt (siehe §§ 36 Abs. 2, 41 Abs. 1 S. 3, Abs. 5 S. 2, 42 S. 4 Ärzte-ZV).