Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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(3) Unvereinbare anderweitige Tätigkeiten (§ 20 Abs. 2 Ärzte-ZV)

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Gemäß § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist ein Arzt für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet, wenn er eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist (qualitativer Hinderungsgrund).[202] Es geht dabei um ärztliche Tätigkeiten außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, die zu Interessenkonflikten mit der vertragsärztlichen Tätigkeit führen können. Die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V ist gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar. § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV knüpft nicht an die zeitliche Dimension, sondern an inhaltliche Kriterien der Nebenbeschäftigung an. Er dient der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung und gleichgewichtig auch dem Schutz der Versicherten, die solchen Interessen- und Pflichtenkollisionen auf Seiten des Vertragsarztes nicht ausgesetzt werden sollen.[203] Interessenkollisionen sind anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und die vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und sich dies zum Nachteil der Versicherten oder zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann.[204] Konstellationen, in denen der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Vertragsarztpraxis zuzuordnenden sachlichen und persönlichen Mittel nicht selbst bestimmen kann, können gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV die fehlende Eignung begründen.[205] Es genügt eine generelle Gefahr,[206] ein Beurteilungsspielraum steht den Zulassungsgremien nicht zu.[207] Dies gilt auch noch nach Einfügung des Satzes 2 in § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV.[208] Wegen des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 31 GG) können landesrechtlich keine Ausnahmen von § 20 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV geschaffen werden.[209]

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Somit ist die Tätigkeit als angestellter Betriebs-/Werksarzt sowie die Tätigkeit des angestellten MDK-Arztes mit der Tätigkeit als Vertragsarzt unvereinbar, da sich bei diesen Fällen eine Interessenkollision grundsätzlich nicht ausschließen lässt.[210] Eine Interessenkollision liegt dagegen nicht vor, wenn der Vertragsarzt auf freiberuflicher Basis nebenberuflich für einzelne Betriebe eine betriebsärztliche Tätigkeit ausübt. Bei Psychotherapeuten, die nebenberuflich in einer Beratungsstelle tätig sind, kann eine Interessenkollision vorliegen, da es zu einer Vermischung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit und der Tätigkeit für die Beratungsstelle kommen kann.[211]

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Keine Interessenkollision besteht grundsätzlich[212] bei der Kooperation zwischen Vertragsarzt und Krankenhaus, bei der der Vertragsarzt freiberuflich die Verpflichtung übernimmt, stationäre Krankenhauspatienten zu untersuchen und zu behandeln. Voraussetzung ist, dass durch die Ausgestaltung der Kooperation eine eigenverantwortliche Praxisführung gewährleistet bleibt.[213] Auch aus § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV kann aber nicht allgemein die Gestattung aller denkbaren Kooperationsformen zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern abgeleitet werden.[214] Befindet sich die Vertragsarztpraxis auf dem Krankenhausgelände, muss sie äußerlich klar erkennbar vom Krankenhausbereich abgrenzt sein.[215] Ein separater Eingang der Vertragsarztpraxis ist nicht erforderlich, wohl aber eine deutliche Ausschilderung und eine räumlich klare Abgrenzung vom Krankenhausbereich.[216] Stellt der Krankenhausträger dem Vertragsarzt gegen Zahlung eines Nutzungsentgelts Geräte und Personal zur Verfügung, so ist dies grundsätzlich unbedenklich, solange dem Vertragsarzt die rechtliche und faktische Möglichkeit verbleibt, im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit über die räumlichen und sächlichen Mittel zu disponieren.[217] Hinsichtlich des Personals erfordert dies ein jedenfalls im ärztlichen Bereich umfassendes Weisungsrecht.[218] Verpflichtet sich der Vertragsarzt allerdings, im ambulanten Bereich jede Konkurrenz mit den bettenführenden Fachabteilungen des Krankenhauses zu unterlassen, liegt darin grundsätzlich eine zulassungsschädliche Interessenkollision.[219]

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Nach der früheren Rechtsprechung des BSG barg die gleichzeitige Tätigkeit als Vertragsarzt und als angestellter Krankenhausarzt regelmäßig die Gefahr einer Interessenkollision.[220] Gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV ist diese Rechtsprechung heute überholt. Die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus oder einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung ist grundsätzlich mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar. Der Gesetzgeber strebt eine engere Verzahnung zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungssektor an.[221] Vertragsärzten ist es dennoch nicht möglich, ohne Ansehung des Einzelfalls in allen denkbaren Formen mit zugelassenen Krankenhäusern oder Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zu kooperieren.[222] Insbesondere die Tätigkeit als angestellter Arzt des Krankenhauses in Nebentätigkeit[223] ist aber heute zulässig.

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Unter den Stichworten „unechter Belegarzt“, „unechter Konsiliararzt“ oder „Honorararzt“[224] werden verschiedenartige Kooperationen diskutiert und teilweise als Missbrauch der Kooperationsmöglichkeit kritisiert.[225] Auch wenn § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV lediglich von der gleichzeitigen Tätigkeit in zugelassenen Krankenhäusern oder Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen spricht, bedeutet dies nicht die Unzulässigkeit einer gleichzeitigen Tätigkeit in einer beziehungsweise für eine reine Privatklinik. In der zuletzt genannten Konstellation fehlt es in der Regel bereits an einer Interessenkollision, da sich die rein privatärztliche Versorgung und die GKV-Versorgung grundsätzlich nicht überschneiden.[226]

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Die Doppelzulassung von Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, die sowohl als Arzt sowie als auch Zahnarzt approbiert sind, lässt sich nicht ablehnen.[227] Aus der Doppelzulassung entspringt jedoch nur ein Versorgungsauftrag.[228]

ff) Zulassung bei Zulassungsbeschränkungen

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In überversorgten Planungsbereichen, für die der Landesausschuss gemäß § 103 Abs. 1 SGB V, § 16b Abs. 2 Ärzte-ZV Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, scheidet eine Vertragsarztzulassung gemäß § 95 Abs. 2 S. 9 SGB V aus, sofern nicht § 95 Abs. 2 S. 10 SGB V zur Anwendung kommt.[229] Sofern der Zulassungsantrag vor Anordnung der Zulassungsbeschränkungen gestellt wurde (§ 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV) und der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung alle materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen[230] erfüllt hat, kann die Zulassung nach Anordnung der Zulassungsbeschränkungen noch erfolgen, wenn der Antragsteller lediglich noch weitere Zeit zur Beschaffung entsprechender Nachweise benötigt und hierfür alles in seiner Macht stehende veranlasst.[231] Damit trägt die Rechtsprechung der mit der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen regelmäßig verbundenen kurzen Frist zur Stellung von Zulassungsanträgen Rechnung, die einen übermäßigen Eingriff in die beruflichen Chancen und Planungen des Arztes (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellen kann.[232]

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Sind für den jeweiligen Planungsbereich keine Zulassungsbeschränkungen gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 SGB V angeordnet, kann sich dort jeder approbierte Arzt, der die übrigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, frei niederlassen, wenn dem nicht die Festlegungen von Höchstversorgungsanteilen[233] nach § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V entgegensteht (§ 95 Abs. 2 S. 9 SGB V). Allerdings kann im Falle von Zulassungsbeschränkungen für besondere Konstellationen zunächst ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidungssperre (Moratorium) normiert werden, die solange gilt, bis der zuständige Landesausschuss die gemäß § 103 Abs. 1 SGB V erforderlichen Feststellungen über das Vorliegen von Überversorgung als Voraussetzung für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen getroffen hat. Zulassungsanträge, die während eines solchen Zeitraums eingereicht werden, sind abzulehnen, falls nach Antragstellung eine Zulassungsbeschränkung angeordnet wird (vgl. Art. 33 § 3 Abs. 2 S. 2 GSG).[234] Im Zusammenhang mit der Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie und der Aufnahme bisher ungeplanter Arztgruppen in die Bedarfsplanung zum 1.1.2013 hat der Gemeinsame Bundesausschuss in seinem Beschluss vom 6.9.2012 eine solche Entscheidungssperre festgelegt.[235]

414

In gesperrten Planungsbereichen kann eine Zulassung nur nach den Ausnahmetatbeständen der §§ 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 3a, 4 und 5, 103 Abs. 3a, 4 und 7 SGB V sowie nach § 95 Abs. 2 S. 10 SGB V[236] erfolgen.[237] Gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V kann ein Vertragsarzt in einem zulassungsgesperrten Planungsbereich zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden, sofern er die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam mit einem dort bereits tätigen Vertragsarzt desselben Fachgebiets oder derselben Facharztbezeichnung ausüben will und sich die Partner der zu gründenden Berufsausübungsgemeinschaft gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung verpflichten, die den bisherigen Praxisumfang des schon zugelassenen Vertragsarztes nicht wesentlich überschreitet (sog. Job-Sharing-Zulassung).[238] Diese Gestaltung kann insbesondere für einen gleitenden Übergang der Praxis von einem älteren auf einen jüngeren Arzt genutzt werden.[239] Die „nicht wesentliche“ Überschreitung des bisherigen Praxisumfangs des „erstzugelassenen Vertragsarztes“ wird in § 42 Abs. 1 S. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie mit drei Prozent des Praxisumsatzes im maßgeblichen Referenzzeitraum festgelegt.[240] Gemäß §§ 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB V, 43 Abs. 1 S. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie kann als Obergrenze auch der Durchschnitt der Fachgruppe des Vertragsarztes festgelegt werden.

 

gg) Zulassung bei Quotenregelungen gemäß § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V

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Durch das am 11.5.2019 in Kraft getretene TSVG wurde dem G-BA in § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V die Kompetenz zur Festlegung von Mindest- oder Höchstversorgungsanteilen innerhalb einzelner Arztgruppen eingeräumt.[241] Die Festlegung von Höchstversorgungsanteilen hat zur Folge, dass ein Zulassungsantrag (gleiches gilt für Anstellungsgenehmigungen) mit entsprechender fachlicher Ausrichtung selbst dann abzulehnen ist, wenn in dem Planungsbereich für die betroffene Arztgruppe keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.[242] Die Festlegung von Höchstversorgungsanteilen für Schwerpunktkompetenzen kann allerdings zu Wertungswidersprüchen führen.[243]

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Sind Mindestversorgungsanteile festgelegt, können Neuzulassungen trotz für die betroffene Arztgruppe angeordneten Zulassungsbeschränkungen erteilt werden, wenn mit der Zulassung die Erreichung der Mindestquote gefördert wird.[244] In diesem Fall besteht ein Zulassungsanspruch (Art. 12 Abs. 1 GG), die Zulassungsgremien müssen die Zulassung nach Maßgabe des § 25a Bedarfsplanungs-Richtlinie erteilen.[245]

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Für die Festlegung von Mindest- und Höchstversorgungsanteilen nach § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V fehlt eine dem § 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV entsprechende Regelung. Eine entsprechende Anwendung der Norm dürfte ausscheiden, da der Gesetzgeber des TSVG § 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV nicht ergänzt hat. Wird eine Quotenregelung nach Eingang des Zulassungsantrags, aber vor der Entscheidung der Zulassungsgremien festgelegt, gelten daher die allgemeinen Regelungen zur Änderung der Sach- oder Rechtslage nach Antragstellung.[246]

d) Befristete Zulassung

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Mit der befristeten Zulassung (§§ 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V, 19 Abs. 4 Ärzte-ZV) soll perspektivisch die Festschreibung von Überversorgung reduziert werden. Für die Zulassung an sich gelten die allgemeinen Voraussetzungen. Die Voraussetzungen der Befristung sind in § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV geregelt.[247] Eine Befristung kommt nur in einem Planungsbereich ohne Zulassungsbeschränkungen (§ 103 Abs. 1 SGB V) in Betracht, dessen allgemeiner bedarfsgerechter Versorgungsgrad zwischen 100 Prozent und 110 Prozent beträgt.[248] Auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung des Versorgungsgrades abzustellen ist, kann fraglich sein. Nach allgemeinen Regeln wäre auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen.[249] Mit Blick auf § 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV wird allerdings auch vorgeschlagen, auf die Sachlage am Tag der Antragstellung abzustellen.[250]

419

Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung („kann … befristen“).[251] Das Ermessen bezieht sich auf das „Ob“ und das „Wie“ (Befristungszeitraum) der Befristung.[252] Hinsichtlich der der Befristungsentscheidung zugrundeliegenden Beurteilung der Versorgungssituation soll ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum bestehen.[253] Bei der Festlegung des Befristungszeitraums sind neben den Versorgungsbedürfnissen auch die Interessen des zugelassenen Vertragsarztes zu berücksichtigen, dem es möglich sein muss, die mit der Praxisgründung typischerweise verbundenen Investitionskosten während der Dauer der Zulassung zu refinanzieren.[254] Da die Finanzierung von Praxisneugründungen regelmäßig „auf Berufslebenszeit“ (also auf mehrere Jahrzehnte) angelegt ist, wird die vom Gesetzgeber thematisierte Befristung auf „mehrere Jahre“ kaum jemals zumutbar sein. Vielmehr werden sich v.a. Befristungen „auf Berufslebenszeit“ als zumutbar darstellen. Damit ist die Altersgrenze (vgl. § 95 Abs. 7 SGB Va.F.) durch die Hintertür wieder eingeführt worden, ein Ergebnis das der Gesetzgeber offensichtlich beabsichtigt hat.[255]

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Im Falle einer Befristung endet die Zulassung gemäß § 95 Abs. 7 S. 1 SGB V mit Ablauf des Befristungszeitraums.[256] Wurde die Zulassung auf Lebenszeit befristet, stellt sich die Frage, ob der Ausschluss der Nachbesetzungsmöglichkeit (vgl. § 103 Abs. 3a S. 2 Hs. 2 SGB V in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung)[257] mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Man kann die Befristung wohl als zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ansehen.[258]

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Für eine befristete Zulassung kann kein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden (§ 103 Abs. 3a S. 2 Hs. 2 SGB V). Ob dies zwingend zur Folge haben muss, dass auch ein Verzicht auf die befristete Zulassung zugunsten einer Anstellung (und eine spätere Rückumwandlung der so entstandenen Arztstelle) ausscheiden müssen,[259] ist fraglich. Die befristete Zulassung bedeutet einen befristeten Versorgungsauftrag. Durch den Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung ändert sich der mit der Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung verbundene Versorgungsauftrag inhaltlich nicht. Im Falle einer befristeten Zulassung müsste also die Anstellungsgenehmigung ihrerseits befristet werden. Da die Möglichkeit einer befristeten Anstellungsgenehmigung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, geht die h.M. davon aus, dass auch im Falle des Verzichts auf eine befristete Zulassung keine befristete Anstellungsgenehmigung möglich sei und lehnt daher in solchen Fällen einen Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung ab.[260] Zwingend erscheint dies im Hinblick auf § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X nicht. Denn beim Verzicht auf eine befristete Zulassung würde die Befristung der Anstellungsgenehmigung dazu dienen, den Inhalt des ursprünglich gewährten Zulassungsstatus (d.h. dessen gesetzliche Voraussetzungen) auch auf das Anstellungsverhältnis zu übertragen.

e) Erwerb eines weiteren Versorgungsauftrages gemäß § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V

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Gemäß § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V kann ein Vertragsarzt einen weiteren Vertragsarztsitz übernehmen und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in seiner Praxis weiterführen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.[261] Der übernehmende Vertragsarzt wird nicht Inhaber von zwei Zulassungen, sondern Inhaber eines dem Umfang nach zwei Versorgungsaufträgen entsprechenden Versorgungsauftrags.[262] Damit ist es auch Vertragsärzten möglich, einen ausgeschriebenen Sitz zu übernehmen und mit einem angestellten Arzt in der eigenen Praxis fortzuführen. Die Regelung stellt Vertragsärzte bei der Übernahme einer Praxis den medizinischen Versorgungszentren gleich.[263] Diese Variante unterscheidet sich von § 103 Abs. 4b S. 1 SGB V darin, dass der die Zulassung aufgebende Arzt nicht beim anstellenden Arzt tätig werden muss. In einem gemäß § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V durchgeführten Nachbesetzungsverfahren erhält der Vertragsarzt weder einen weiteren Vertragsarztsitz noch eine zweite Vertragsarztzulassung, vielmehr wird ihm statt einer Nachfolgezulassung die Genehmigung zur Anstellung des vom Zulassungsausschuss ausgewählten Bewerbers erteilt, so dass der Vertragsarzt unmittelbar eine Arztstelle (Angestelltenstelle) erwirbt. Wegen der persönlichen Eignungskriterien (§§ 20, 21 Ärzte-ZV) ist auf den anzustellenden Arzt abzustellen.[264]

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In § 103 Abs. 4b SGB V fehlt eine dem § 103 Abs. 4c S. 2 SGB V entsprechende Verweisung auf die Absätze 3a, 4 und 5 des § 103 SGB V. Dies dürfte ein Redaktionsversehen sein, denn bei § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V handelt es sich nach Wortlaut und Systematik um eine Ergänzung zu § 103 Abs. 4 SGB V.[265] Auch die Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V kann nur nach Maßgabe der allgemeinen Nachbesetzungsvorschriften (§ 103 Abs. 3a, 4, 5 und 6 SGB V) erfolgen. Der Gesetzgeber wollte Vertragsärzte den medizinischen Versorgungszentren gleichstellen und sie nicht etwa privilegieren.[266] Für § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V gelten daher die für § 103 Abs. 4c SGB V dargestellten Grundsätze.[267]

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Die Bedeutung der nach § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V zu treffende Entscheidung der Zulassungsgremien erschöpft sich nicht in der Genehmigung der Anstellung des im Nachbesetzungsverfahren ausgewählten Bewerbers. Die Norm enthält darüber hinaus das Element einer Praxisfortführung durch den anstellenden Vertragsarzt. Diesem und nicht seinem Angestellten wird der Versorgungsauftrag des Praxisabgebers rechtlich zugeordnet. Er übernimmt die Verantwortung für die mit dem Versorgungsauftrag verbundenen Pflichten und erwirbt die damit zusammenhängenden Rechte und trägt – nicht zuletzt – auch das wirtschaftliche Risiko seines Erwerbs.

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Da der Erwerb einer Arztstelle gemäß § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß Abs. 3a, 4 dieser Vorschrift erfolgt, stellt sich die Frage, ob der den Versorgungsauftrag übernehmende Vertragsarzt den Willen haben muss, die zu übernehmende Praxis fortzuführen (Fortführungswille).[268] Hierfür spricht die entsprechend anwendbare Verweisung des § 103 Abs. 4c S. 2 SGB V auf die Absätze 3a, 4 und 5 der Vorschrift. Aus § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V ergibt sich, dass die Bewerber den Willen haben müssen, die Praxis fortzuführen. Andererseits betrachtet das BSG § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V als teilweise Durchbrechung des Grundsatzes, dass eine Nachbesetzung nur bei Vorliegen eines Fortführungswillens erfolgen kann. Hierfür spricht der Wortlaut des § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V, wonach eben nicht die ausgeschriebene Praxis als solche fortgeführt, sondern lediglich die vertragsärztliche Tätigkeit des ausscheidenden Arztes in der Praxis des übernehmenden Arztes weitergeführt werden soll. Die Fortführung erfolgt hier also unabhängig vom bisherigen Praxisbetrieb und Praxisstandort.[269] Der bei § 103 Abs. 4b S. 4 SGB V geforderte Fortführungswille bezieht sich – anders als bei der Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 4 SGB V – weniger auf die räumliche und personelle Komponente der Praxisfortführung, sondern auf die Absicht, die Patienten des Abgebers am neuen Standort weiter zu versorgen (Versorgungskontinuität). Bei der nach § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V notwendigen Auswahl wird man diesen Fortführungswillen und den standortbezogenen Fortführungswillen eines Konkurrenten im Grundsatz gleich gewichten müssen.[270]